Autor Thema: Konflikte und der Schmelztigel  (Gelesen 6845 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #25 am: 6.05.2006 | 10:37 »
Ich habe übrigens auch nicht gesagt, dass jeder Konflikt, bei dem die Charaktere im Schmelztigel bleiben, ein guter Konflikt ist. Was für Konflikte als gute Konflikte empfunden werden, hängt dann irgendwo auch wieder mit der Spielvorliebe der jeweiligen Gruppe zusammen. Der Schmelztigel ist eine Voraussetzung für einen guten Konflikt, andere müssen u.U. hinzu kommen.
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Offline Arbo

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #26 am: 6.05.2006 | 11:07 »
@ Lord V. McNaard:

Wie immer möchte ich mir ein paar kleine Anmerkungen nicht verkneifen ;) Was Du schreibst, ist m.E. richtig. Allerdings - für mich persönlich - nichts neues. Zumindest wenn ich mal an "Old-School"-Abenteuer denke, war doch immer schon ein Kritikpunkt, dass es dort eigentlich gar keine wirkliche Motivation für die Charaktere gibt.

Ich vermute mal, dass dies die breite Menge an Rollenspielern ähnlich sieht. Gerade als SL besteht ja das Problem, Gruppen zusammen zu führen oder zusammen zu halten - insofern ist das immer auch ein aktuelles Thema.

Wie schnell man als Spieler und SL an Grenzen stößt, zeigt schon der von Dir verwendete Begriff "Risiko". Was ist denn ein Risiko? Muss das nicht immer auch irgendwie in einen Kontext gebettet sein? Ohne diesen Kontext fehlt praktisch der "Preis" für eine Aktion - er ist unklar und so machen Charakter manchmal Dinge, die ein "normaler" Charakter so nicht machen würde.

Wenn ein Charakter solche Flags besitzt, ist auch "Risiko" definiert und kann so als "Gestaltungselement" aktiv werden. Wenn sie nicht existieren, eiert man zwangsläufig rum ;)

Aber muss ein Charakter wirklich immer "Flags" besitzen? Ist das nötig?

Wie Bitpicker meine ich: Nein! Wenn es mir als SL gelingt, eine Spielwelt rüber zu bringen, die den Kontext zum Tun des Charakters bildet, können auch gute Konflikte entstehen. Sinnlose Aktionen kann ich also auch durch eine Spielwelt behindern - oder zumindest "spieltechnisch" sanktionieren. Das Interessante ist, dass ich hierüber auch eine Charaktermotivation induzieren kann - die äußeren Umstände einer Spielwelt wirken sich so auf die Motivation eines Charakters aus (bestimmen diese womöglich).

Auf was ich damit hinaus möchte: Flags zu haben ist sicher eine Möglichkeit, Konflikte zu erzeugen. Eine andere bietet sich dem SL in der Ausgestaltung und Präsentation der Spielwelt - die Spielwelt als Reflexionsfläche des charakterlichen Tuns. Und die ist eigentlich permanent (evolutorisch) vorhanden (oder sollte es zumindest sein ;) ).

Ich halte das vor allem recht wichtig, weil wir bisher noch nicht auf den Aspekt der Spieldauer eingegangen sind. Auf einer Con. sind Flags sicherlich eine gute Möglichkeit, sich zu orientieren. Bei Kampagnen kann zusätzlich noch die Spielwelt stärker ins Boot geholt werden. Insbesondere vor allem bei Anfängern, die vielleicht selbst noch nicht genau wissen, wie ihr Charakter ausschauen soll bzw. sich anfühlt.

@ Leoni:

Zitat
Ist Geldmangel (wird ja immer gern verwendet) ein innerer oder ein äußerer Konflikt?  Wink

Kann eigentlich beides sein: Einerseits braucht der Char Geld, um zu überleben und was zu Essen zu kaufen. Andererseits verbindet sich mit Geld natürlich auch Status und Ansehen (zumindest in den meisten Kulturen) - und der Char, der unbedingt reich sein möchte, will dadurch natürlich eben diesen Status erringen.

Richtig. Darin liegt aber m.E. auch eine Chance - man kann äußere Umstände "internalisieren" (siehe - entfernt - auch: Kompetenz, Autonomie und Verbundenheit).

-gruß,
Arbo

P.S.: "Interesse" ist eigentlich schon eine "interne Motivation" :P
« Letzte Änderung: 6.05.2006 | 11:08 von Arbo McIntosh »
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Offline Azzu

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #27 am: 6.05.2006 | 11:08 »
Was mich in letzter Zeit häufig stört, ist ein bei linear angelegten Abenteuern (solche mit einer "Lösung") vorkommender Konflikt auf der Spielerebene, der sich mit den Konflikten im Spiel überlappt: Oft habe ich als Spieler oft den Eindruck, dass ein Konflikt im Spiel auf eine bestimmte Weise aufgelöst werden muss, damit es in der Handlung weitergehen kann. Wenn das nicht passiert, droht Stillstand und Langeweile. Die Spieler haben das Gefühl, sie selbst wären bei der Entscheidungsfindung für ihren Charakter in einem "Schmelztigel" (Weglaufen ist keine echte Option, sonst wird der Spielabend öde), aber die Charaktere im Spiel sind es nicht.

Bedeutet der "Schmelztigel" auch, dass das Spiel interessant bleibt, egal, wie der Konflikt ausgeht?

Offline Dr.Boomslang

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #28 am: 6.05.2006 | 12:14 »
Aber muss ein Charakter wirklich immer "Flags" besitzen? Ist das nötig?
Wie du schon sagst nicht unbedingt, es geht auch anders. Wenn der SL den Spielern alles vorgibt, inklusive der Motivation der Charaktere und sie das vorbehaltlos übernehmen, kann das auch sehr gut funktionieren. Nur schaffen es leider nicht alle SLs dies zu erreichen.
Da kommt dann wieder der berühmte "gute SL" ins Spiel der durch Talent und genetische Veranlagung in der Lage ist sich alles aus den Fingern zu saugen was den Spielern gefallen könnte.

Im Endeffekt ist das im eigentlich das gleiche in grün, nur schlechter. Es sind nicht die Spieler die "Flags" zeigen, sondern der SL, der die Spieler "ködert". Doch der SL hat schon haufenweise Sachen zu tun, warum muss der SL jetzt was finden was den Spielern gefällt, wenn sie es doch vielleicht selbst besser wissen?
Falls jetzt jemand auf den Trichter kommt: "Vielleicht wissen die Spieler es ja garnicht besser, der SL weiß was die Spieler wollen, die Spieler wollen unterhalten werden..." etc. etc.
Dann muss ich darauf hoffentlich nicht antworten ::)

Offline Arbo

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #29 am: 6.05.2006 | 14:20 »
@ Dr. Boomslang:

Das ist so nicht richtig. Ich schrieb mit Absicht von einer "Reflexionsfläche" - d.h. die Welt "reagiert" (das Wörtchen in Klammern "evolutorisch" sollte zudem auch darauf hinweisen, dass solch eine Welt ein "Eigenleben" entwickeln kann - also nicht auf ewig in Stein gemeißelt sein muss). Das ist etwas völlig anderes, als wenn der SL etwas vor gibt. Es ist daher nicht besser, vor allem aber auch nicht schlechter als "Flags". Es ist m.E. eine andere (!) oder ergänzende Möglichkeit - denn Flags bedeuten nicht zwangsläufig, dass ein Charakter so handeln muss. Denkbar ist ja auch, dass sich der Spieler über die Zeit Gedanken gemacht hat und zum Schluss kommt, dass ein anderer (Motivations-) Ankerpunkt zum Tragen kommen soll.

Ich würde übrigens auch nicht aus dem Blickfeld verlieren, dass es Spieler gibt, die sich mit einer Spielwelt auseinander setzen. Mir fällt da bspw. "Wheel of time" ein. Das bedeutet, dass auch eine Spielwelt an sich Motivationspunkte setzen kann - und zwar OHNE das der SL da irgendwie nennenswert etwas machen muss.

Oder mit anderen Worten: Was du geschrieben hast, greift mir persönlich etwas zu kurz  :P

-gruß,
Arbo
« Letzte Änderung: 6.05.2006 | 14:22 von Arbo McIntosh »
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Offline Azzu

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #30 am: 6.05.2006 | 15:24 »
Ok, vielleicht sollte man sagen "interessante innere Motivation". Jeder will leben, niemand will verhungern oder bettelarm sein. Das sind keine wirklich interessanten inneren Motivationen, weil jeder sie hat.

Das sehe ich teilweise anders.

Zwischen Job und Familie abwägen, loyal oder selbstsüchtig sein - das sind Fragen, die sich jedem im Alltag stellen. Konflikte auf Leben und Tod dagegen kommen in unserer zivilisierten Umwelt nur noch ausnahmsweise vor. Klar will jeder Charakter gleichermaßen überleben, wenn er mit Waffengewalt angegriffen wird. Aber für mich ist das eben trotzdem eine spannende Ausnahmesituation.

Ohne die Konflikte von außen fände ich Rollenspiel langweilig. EDIT: Was absolut nicht heißen soll, dass ich innere Konflikte im Rollenspiel ablehne.
« Letzte Änderung: 6.05.2006 | 15:29 von Saint O'Killers »

Offline Bad Horse

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #31 am: 8.05.2006 | 16:10 »
Aber eine Motivation ist eben interessanter, wenn nicht immer gleich Leib, Leben oder Liebste bedroht werden.  ;)

Innere Motivation trifft ja nun im Normalfall auf äußere Gegebenheiten: Ramitep wird jetzt Bundgesandter und hat damit einen Haufen Probleme am Arsch. Die Tatsache, daß er Gesandter werden darf, kommt von außen. Die Tatsache, daß er eben nicht sagt "Nee, Jungs, laßt mal stecken", kommt von innen - er wäre nicht rausgeworfen worden oder hätte an Lebensqualität verloren, wenn er das getan hätte.

Es ist - finde ich - schöner und eleganter, wenn die äußere Gegebenheit nicht immer gleich "sterben, verhungern, bettelarm sein" als Konsequenz für eine Ablehnung bereit hält. Es macht mir auf jeden Fall mehr Spaß, wenn die Konsequenz auch einfach mal Verlust der Selbstachtung, Nicht-Befriedigung eines emotionalen Bedürfnisses (Neugier, Romantik) oder verlorene Gelegenheiten sein können.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Boba Fett

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #32 am: 8.05.2006 | 16:22 »
Noch etwas zu konfliktverursachenden inneren Motivationen:
Da gibt es kurzfristige und langfristige (mehrfach einsetzbare).
Um letztere geht es mir.
Charaktere haben oft die Neigung, dass sie diese loswerden wollen...
Entweder in die sie die Konfliktquelle eliminieren, oder die Motivation ablegen.
Das wäre für das Drama natürlich schade, denn es lebt ja vom Konflikt und der Motivation sich diesem zu stellen.
Andererseits sollte man auch nicht stagnieren, denn das bietet auch Frustpotential.
Auch da ist wieder der Mittelweg der goldene - also wenn das auftritt einen spürbaren Fortschritt, wobei die Aufgabe, die Konfliktquelle oder die Motivation loszuwerden durchaus auch wieder Konfliktpotential in sich trägt (inklusive eigener Motivation "wenn ich das mache, bin ich vielleicht einen Schritt weiter"), aber nie den letzten Schritt.
Oder man muss eine Konfliktquelle durch eine neue ersetzen.
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Offline 1of3

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #33 am: 8.05.2006 | 16:25 »
Boba, du hast das ja ganz richtig erfasst. Selbstverständlich will der CHARAKTER seine Probleme lösen. Da das, wie du richtig ausführst, zu Problem führt, muss der SPIELER also Probleme für seinen Charakter haben wollen.

Offline Boba Fett

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #34 am: 8.05.2006 | 16:28 »
Boba, du hast das ja ganz richtig erfasst. Selbstverständlich will der CHARAKTER seine Probleme lösen. Da das, wie du richtig ausführst, zu Problem führt, muss der SPIELER also Probleme für seinen Charakter haben wollen.
Das erkennen viele Spieler aber nicht.
Und einige wollen es auch gar nicht erkennen (Illusionism und so)
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Online Maarzan

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #35 am: 8.05.2006 | 16:57 »
Das erkennen viele Spieler aber nicht.
Und einige wollen es auch gar nicht erkennen (Illusionism und so)

Die meisten Leute haben aber auch mehr als eine Motivation. Ein Charakter mit nur einem Ziel ist also auch eher flach.
Natürlich können sich die Motivationen/Ziele mit der Zeit ändern, aber wenn das Spiel stockt, weil die Charaktere z.B. reich geworden sind und sich nun nicht mehr zum Anheuern in die Kneipe setzen, stimmt noch was anderes mit dem Spiel nicht.

Außerdem fangen viele Probleme mit dem Erreichen eines Ziels erst an, man denke nur ans Heiraten ;).
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Bad Horse

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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #36 am: 8.05.2006 | 17:10 »
Irgendwie hab ich hier das Gefühl, daß 'Motivation' und 'Charaktermerkmal' in einen Topf geworfen werden. 'Motivation' ist toll, und sie ist auch das, was ein Char braucht. Aber wie entsteht sie? Zum Teil aus den verschiedenen Charaktermerkmalen - grade die innere Motivation.

Ramitep ist loyal (Merkmal), also ist er auch motiviert, etwas für seine Mitmagier zu tun.
Thekla ist patriotisch, neugierig und extroviert (Merkmale), deswegen kämpft sie für das Reich gegen das Chaos.
Barry will wissen, wo seine Grenzen sind (Merkmal), deshalb stürzt er sich von einem Kampf in den anderen.
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Re: Konflikte und der Schmelztigel
« Antwort #37 am: 8.05.2006 | 18:20 »
Das erkennen viele Spieler aber nicht.
Und einige wollen es auch gar nicht erkennen (Illusionism und so)
Das ist eben wie mit dem Weihnachtsmann und dem Osterhasen. Vielleicht will man es garnicht wissen, aber irgendwann erfährt man es doch und dann fragt man sich noch später vielleicht wie man die ganze Zeit so doof sein konnte.
Aber das ist ein anderes Thema.