Autor Thema: SIS außerhalb des Rollenspiels?  (Gelesen 4047 mal)

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Offline Dr.Boomslang

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SIS außerhalb des Rollenspiels?
« am: 1.06.2006 | 19:28 »
Gibt es einen SIS außerhalb des Rollenspiels?
Gibt es einen SIS beim Schach? Beim Monopoly? Bei Computerspielen wie Half Life 2, oder vielleicht eher bei Elder Scrolls 4?
Gibt es einen SIS wenn ich jemandem erzähle was ich gestern erlebt habe? Gibt es einen SIS wenn ich mit Leuten am Tisch sitze und mich unterhalte?

Bevor ich diese Fragen beantworte ersteinmal zum Begriff des SIS selbst.
Das Forge provisional Glossray sagt zum Thema folgendes:

Shared Imagined Space (SIS, Shared Imagination)
The fictional content of play as it is established among participants through role-playing interactions.

Wenn man es also ganz streng nimmt, ist das Rollenspiel bereits Teil der Definition des SIS, d.h. es kann einen SIS nur im Rollenspiel geben.

Trotzdem soll in diesem Thread erörtert werden inwiefern man den Begriff des SIS auf andere Spiele, oder vielleicht sogar auf ganz andere Aktivitäten sinnvoll anwenden kann und wie viel das dann noch mit dem Begriff des SIS im Rollenspiel zu tun hat.

Ich sage:
Der SIS ist das kennzeichnende Merkmal des Rollenspiels. Hat man einen SIS hat man zwar noch nicht zwangsläufig ein Rollenspiel. Handelt es sich aber um ein Spiel, in dem es darum geht den SIS zur Unterhaltung der Teilnehmer zu produzieren, dann hat man ein Rollenspiel. Spiel + SIS = Rollenspiel
D.h. auf der anderen Seite aber natürlich auch, dass es sowas wie einen SIS auch ohne Rollenspiel geben kann, nämlich dann wenn man nicht spielt.

Wie komme ich darauf?
Ich gehe einfach vom Begriff selbst aus.
"Imagined" bedeutet es geht um Vorstellung. "Space" bedeutet es geht um einen Raum (und da kann man dann irgendwie auch die Zeit dazu nehmen). Es geht also um einen imaginären Raum, eine vorgestellte Situation die auch in einer Art Realität vorkommen könnte. Es geht nicht um rein abstrakte Konzepte, sondern um das was in diesem Raum passiert.
Diese beiden Merkmale haben wir überall wo sich Menschen etwas reales oder möglicherweise reales vorstellen (also z.B. Gegenstände, Orte, Personen, aber z.B. nicht Zahlen, Meinungen, Emotionen, Regeln losgelöst von einer vorgestellten Situation).
Das entscheidende ist nun aber das "Shared", die Teilung der Vorstellung. Nach Forge Definition hat das über "Rollenspiel-Interaktion" zu geschehen.
Aber damit der Begriff uns überhaupt etwas über das Rollenspiel sagen kann, dürfen wir Rollenspiel natürlich nicht in der Definition des Begriffes verwenden. Nehmen wir also für diese Diskussion an, die Teilung der Vorstellung geschieht ganz einfach mittels Kommunikation über diese Vorstellung.
Dabei muss explizit über die Vorstellung gesprochen werden und es muss eine Möglichkeit und Motivation bestehen Konflikte dabei aufzulösen, so dass sich die Gesprächsteilnehmer auch einigen können.
Dann können wir von geteilter Vorstellung (vom SIS) sprechen.

Wo finden wir nun diese geteilte Vorstellung?
Wenn ich hier nochmal zu den Fragen von ganz oben komme, so kann ich eigentlich nur bei den letzen beiden sowas wie eine SIS überhaupt in Frage kommen.
Erzählt man jemandem von realen Erlebnissen, dann synchronisiert man gewissermaßen seine Vorstellung von dieser Episode mit dem Gesprächspartner. Dieser kann nachfragen und akzeptiert die Vorstellung zwecks Nachvollziehbarkeit meist ohne weiteres, es besteht also auch eine Einigung. Wir haben also eine geteilte, räumliche Vorstellung, man könnte sagen einen SIS.
Unterhalte ich mich einfach nur mit anderen, folgen mir die zwar auch gedanklich, dass muss sich aber keineswegs auf eine Vorstellung von einer Situation beziehen, also ist auch nicht zwangsläufig ein SIS vorhanden.
In Spielen oder Computerspielen mag es zwar sehr intensive Vorstellungen, auch von Situationen geben, jedoch gibt es keinerlei Einigung auf diese Vorstellung. Es gibt schließlich noch nichtmal eine Kommunikation der Vorstellung, und diese wäre für eine Einigung mindestens nötig. Die Spielmechanismen nehmen auch keinerlei Bezug auf die Vorstellung, die somit jedem einzelnen Spieler überlassen ist, und eben nicht geteilt.

Offline Merlin Emrys

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #1 am: 2.06.2006 | 01:45 »
Wie ist es, wenn Mama ihren Kleinen Grimm oder 1001 Nacht vorliest? Da wird ja auch ein "Vorstellungsraum" geoeffnet, der dann von der Mutter und den Kindern geteilt wird... Allerdings haben die Kinder kaum einen Einfluss darauf, es sei denn die Mutter ist ein wenig kreativ und geht auf Rückfragen entsprechend ein, beschreibt also Szenen näher, wenn die Kinder das anfordern; dann hätten die Kinder über entsprechende Fragen ("Gibt's da denn keine Türklinke?") einen gewissen indirekten Einfluss.

Einen gemeinsamen Vorstellungsraum kann man auch beim entsprechenden Spiel mit bestimmten Sammelkarten aufbauen, wenn man die "Figuren" von den Kaertchen loest und sie in eine imaginäre Handlung verstrikt - aber da sind die Grenzen zum Rollenspiel schon wieder sehr fliessend.

Offline 8t88

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #2 am: 2.06.2006 | 02:27 »
Auf SIS basieren Witze:

Witze sind, so hab ich von einem Witz-Forscher im Fernsehen gehört (und das ist jetzt kein Witz), so lustig, weil: "Eine Scheinrealität erstellt wird, welche dann durch eine Unerwartete Wendung gekippt wird."
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Offline Merlin Emrys

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Frage zur Bedeutung / Konnotation von "imagined"?
« Antwort #3 am: 2.06.2006 | 04:36 »
Eine Frage gerade zwischendurch...
"Imagined" bedeutet es geht um Vorstellung.
Hmm... auch wenn ich mal wieder bei Begriffen und Konnotationen haengenbleibe: Soweit ich des Englischen maechtig bin, hat "imagination" nicht ganz den "neutralen" Charakter des deutschen Wortes "Vorstellung". "imagination" hat - soweit ich das Wort verstehe - immer einen Hauch des "Abweichens von der Wirklichkeit"; in deutschen waere das wohl eher in Richtung "Annahme" wiederzugeben. Entweder lasse ich mich jetzt von dem eingedeutschten "imaginaer" verwirren, oder das kommt genau daher: Ein "imaginaerer" Freund ist ja nicht einer, der gerade abwesend ist, sondern einer, der in der Wahrnehmung der anderen gar nicht existiert.

Gibt es einen SIS wenn ich jemandem erzähle was ich gestern erlebt habe? Gibt es einen SIS wenn ich mit Leuten am Tisch sitze und mich unterhalte?
Wenn "imagined" "wirklichkeitsneutral" ist, wohl schon. Wenn "imagined" immer ein "eingebildetes" oder "erfundenes" Element enthaelt, dann... haengt es wohl vom Erzaehler ab ;-) ?

Wobei die Gefahr besteht, wenn man den SIS zu "weit" fasst, dass man irgendwann in der Philosophie landet und fragen koennte, was sich denn eigentlich nicht in einem "gemeinsamen angenommenen Rahmen" abspielt...

Offline Dom

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #4 am: 2.06.2006 | 07:25 »
Merlin Emrys, ich glaube nicht, dass hier der Grad der Wirklichkeit der vorgestellten Inhalte eine Rolle spielt. Es geht vielmehr darum, dass sich mehrere Personen auf ein virtuelles Geschehen, eine virtuelle Szene einigen.
Ein "imaginaerer" Freund ist ja nicht einer, der gerade abwesend ist, sondern einer, der in der Wahrnehmung der anderen gar nicht existiert.
Klar, du hast es gesagt: wenn ich einen realen Freund habe, der gerade nicht da ist, ist er real und nicht immaginär oder vorgestellt. Wenn wir aber nun gemeinsam am Tisch sitzen und uns vorstellen, dieser reale Freund sei anwesend und bekommt daher auch sein Essen hingestellt, so ist der reale Freund in irgendeinem gemeinsamen Vorstellungsraum vorhanden.

Zu der Frage, wo/ob SIS außerhalb des Spieles vorkommt: Sowas gibt es mMn recht oft, auch bei Computerspielen. Und wenn ich z.B. Quake o.ä. übers Netz spiele, so ist das ein gemeinsamer Vorstellungsraum, der mit Hilfe des Mediums Computer kommuniziert wird, d.h. die Mittel, mit denen wir uns auf den SIS einigen, sind nicht besonders sozial und kommunikativ. Das ist ein weiterer springender Punkt bei Rollenspielen: der SIS wird durch Mittel vereinbart, die auf sozialer Interaktion und Kommunikation basieren. Wobei natürlich Teamspeak u.a. hier die Grenzen noch weiter aufweichen.

Bei einem Gespräch bzw. Schilderungen von realen Erlebnissen gibts eigentlich keinen SIS. Sage z.B. mein Gegenüber zu mir "Ich war gestern mit meiner Frau beim Italiener essen", so stelle ich mir i.A. nicht vor, wie sich die beiden im italienischen Restaurant gegenüber sitzen und sich bei Pizza und Pasta über Gott und die Welt unterhalten. Auch bei Nachfragen o.ä. gibts für mich üblicherweise keinen SIS, da müssen die Geschehnisse schon plastisch dargestellt werden.

Dom

Offline Merlin Emrys

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #5 am: 2.06.2006 | 08:53 »
Merlin Emrys, ich glaube nicht, dass hier der Grad der Wirklichkeit der vorgestellten Inhalte eine Rolle spielt. Es geht vielmehr darum, dass sich mehrere Personen auf ein virtuelles Geschehen, eine virtuelle Szene einigen.Klar, du hast es gesagt: wenn ich einen realen Freund habe, der gerade nicht da ist, ist er real und nicht immaginär oder vorgestellt. Wenn wir aber nun gemeinsam am Tisch sitzen und uns vorstellen, dieser reale Freund sei anwesend und bekommt daher auch sein Essen hingestellt, so ist der reale Freund in irgendeinem gemeinsamen Vorstellungsraum vorhanden.
Das heisst aber, dass Du ein "fiktives Element" schon auch fuer noetig haeltst? Meine Frage war ja eher, ob der fiktive Freund, ueber den wir reden (ohne ihn als anwesend zu imaginieren), ein Teil eines "SIS" ist oder ein Teil von etwas anderm.

Wenn es um die Frage der Zuordnung zu einem "SIS" geht, halte ich eine Begriffsbestimmung schon fuer notwendig; sie legt ja gerade fest, ob die Schilderung des Theaterbesuchs am Vorabend einen "SIS" erzeugt oder nicht. Eventuell ist meine Phantasie da bluehender, und die Redekultur in meiner Umgebung entsprechend ausgebildet, aber wenn etwas gut geschildert ist, stellen sich bei mir schon kleine Szenen ein, waehrend ich zuhoere; da liegt also fuer mich schon ein Grenzfall vor.

Und wie ist das in der Urlaubsplanung? Entsteht schon ein "SIS", wenn man sich ueberlegt, was man ausgehend von 3 Wochen Zeit, einem maessigen Budget und der Unterkunft an einem gegebenen Ort alles so unternehmen koennte? (Und entsteht Streit genaus daraus, dass das "Sharing" mangelhaft oder die "Imagination" allzu weit von der Realitaet entfernt war? ;-) )

Offline Dom

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #6 am: 2.06.2006 | 09:11 »
Ich glaube, mein "plastisch dargestellt" entspricht deinem "gut geschildert" - dann kann ich mir auch was vorstellen und dann gibts einen Vorstellungsraum. Wenn es dagegen nur, um beim Italiener-Beispiel zu bleiben, ein Gespräch auf der Ebene: "Und, was habt ihr gegessen?" - "Ach, wir hatten beide Pizza." geht, so gibts keinen SIS.

Zum fiktiven Element: Sobald etwas geschildert wird und eine Vorstellung entsteht, ist doch eben dieser Vorstellungsraum irgendwie fiktiv, auch wenn es die Personen, Schauplätze, Handlungen usw. einmal real gegeben hat.

Zur Urlaubsplanung: Ja, denke schon. Wenn man sich das ausmalt, wie man dann im Urlaub auf einer einsamen Insel in der Ostsee verhungert, weil die Fähre total überfüllt gekentert ist, ist das doch schon fast Rollenspiel, oder?

Dom

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #7 am: 2.06.2006 | 14:57 »
Das Forge provisional Glossray sagt zum Thema folgendes:

Shared Imagined Space (SIS, Shared Imagination)
The fictional content of play as it is established among participants through role-playing interactions.

Wenn man es also ganz streng nimmt, ist das Rollenspiel bereits Teil der Definition des SIS, d.h. es kann einen SIS nur im Rollenspiel geben.
Da ist ein Logikfehler drin. Du spielst meistens auch in Brettspielen eine Rolle. Beim Schach bist Du der König einer der beiden Seiten, bei World in War spielst Du den Chef einer Großmacht in 2. Weltkrieg und bei Age of Steam spielst Du einen Eisenbahnbesitzer. Deine Aktionsmöglichkeiten sind genau auf Deine Rolle zugeschnitten. D.h bei einem guten Spiel kannst Du nur Sachen machen, die die entsprechende Rolle auch machen kann und die für das Spielziel wichtig sind. Sogar  die Spielziele sind auf diese Rolle zugeschnitten. Das geht bei komplexen KoSims sogar so weit, dass  Du Siegpunkte für Dinge bekommst, die eigentlich nur aus der jeweiligen Rolle verständlich sind. (Beispiel: Britannia: Dort bekommen die Waliser zu einem bestimmten Zeitpunkt massig Siegpunkte für das Besitzen von York. Ansonsten bekommen sie dafür nix. Das erklärt sich aus der Geschichte der Waliser in England)
Deine Schlussfolgerung, das das Spielen einer Rolle automatisch nur in einem Rollenspiel möglich und Teil des Spieles sein kann, ist nicht korrekt.
Zitat

In Spielen oder Computerspielen mag es zwar sehr intensive Vorstellungen, auch von Situationen geben, jedoch gibt es keinerlei Einigung auf diese Vorstellung. Es gibt schließlich noch nichtmal eine Kommunikation der Vorstellung, und diese wäre für eine Einigung mindestens nötig. Die Spielmechanismen nehmen auch keinerlei Bezug auf die Vorstellung, die somit jedem einzelnen Spieler überlassen ist, und eben nicht geteilt.
Sorry, aber das ist auch falsch. Wenn Du z.B. Axis&Allies spielst, haben alle Spieler das gleiche Bild von der Situation. Im Prinzip wird bei vielen Spielen die gemeinsame Vorstellung durch die Mechanik geleitet. Es gibt natürlich auch abstrakte Spiele(Mühle, Dame, Skat...), aber daraus zu folgern, dass alle Brettspiele keinen SIS in sich bergen, ist nicht korrekt.
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Offline Maarzan

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #8 am: 2.06.2006 | 15:05 »
Einen gemeinsamen Vorstellungsraum gibt es doch immer, wenn es Kommunikation über zumindest einer Person nicht aus erster Hand bekannte Dinge gibt. Und wenn der zu stark voneinander abweicht, kann es eben zu Problemen bei um was auch immer es gerade ging kommen.
Das Besondere an Rollenspiel ist, daß das Rollenspiel sich im Kern genau um diese Kommunikation dreht und daher Fehler eine entsprechend starke Auswirkung auf diese Tätigkeit haben.

Auf Grund der meist fantastischen und damit nicht im persönlichen Erfahrungsschatz enthaltenen Inhalte auf der einen, der aktiven kreativen Beteiligung verschiedener Personen ist dabei die Gefahr von solchen Fehlkommunikationen auch noch besonders hoch und da die Leute auf Grund der bisherigen Wahrnehmung an der SIS arbeiten sollen und dieser Tätigkeit typischerweise Bedeutung zumessen, ist die Reaktion entsprechend kritisch gegenüber Unstimmigkeiten.

Formelle Regeln und Beschreibungen, welche die Vorstellungen verstärkt auf eine gemeinsame Basis bringen reduzieren diese Problematik (etwas).

Bzgl: Rolle spielen:
Wenn eine Rolle gespielt wird, ist das dann wohl zumindest in einem Sinne Rollenspiel.
Ob das Abhaken von spezifischen Siegpunkten Rollenspiel ist, ist eine andere Sache ... .
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Offline Merlin Emrys

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #9 am: 2.06.2006 | 15:26 »
Deine Schlussfolgerung, das das Spielen einer Rolle automatisch nur in einem Rollenspiel möglich und Teil des Spieles sein kann, ist nicht korrekt.
Das war aber auch gar niemandes "Schlussfolgerung". Es ging ja nicht um "das Spielen einer Rolle", sondern um die Definition des SIS. Und da war Rollenspiel nunmal Teil der Definition.
Wenn der "gemeinsame Vorstellungsraum" (SIS) definiert ist als "die Summe der Vorstellungen, auf die sich Rollenspieler während des Rollenspiels einigen", dann ist das Auftreten eines SIS notwendigerweise auf Rollenspiele beschränkt. Dr. Boomslang hat - sehr zu recht, wie ich finde - gefragt, ob man den SIS so definieren muss, oder ob man das, was man gemaess dieser Definition SIS nennt, auch anderswo findet und dort genauso nennen würde. Nur: Sogar wenn man es findet, ist es immer noch eine Frage der Definition, ob man es auch genauso nennt.

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #10 am: 2.06.2006 | 16:15 »
@Merlin Emrys:
Seine Schlussfolgerungen bezogen sich auf folgende Definition:
Zitat
"The fictional content of play as it is established among participants through role-playing interactions."
Das ist nicht das Selbe wie Deine Definition:
Zitat
"die Summe der Vorstellungen, auf die sich Rollenspieler während des Rollenspiels einigen"

EDIT:Dr. Boomslangs Schlussfolgerung aus der Definition war:
Zitat
Wenn man es also ganz streng nimmt, ist das Rollenspiel bereits Teil der Definition des SIS, d.h. es kann einen SIS nur im Rollenspiel geben.
und genau da befindet sich der Logikfehler. "role-playing Interactions" sind eben nicht nur Teil von Rollenspielen, sondern können auch Teil von Brettspielen sein.
« Letzte Änderung: 2.06.2006 | 16:28 von Christian Preuss »
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Eulenspiegel

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #11 am: 2.06.2006 | 16:41 »
Na die Frage oist halt, wie man "role-playing" übersetzt:
Lautet die Übersetzung "Rollenspiel"?
Oder lautet sie: "Rollen spielen"?

Aber das ist eigentlich egal. Imho kann man diesen Zusatz aus der Definition streichen und der Kern der Definition bleibt erhalten. (Das sich die Definition als ganzes damit ändert, ist mir natülrich klar.)

Aber um wieder zu gemeinsamen Vorstellungsräumen (um es neutzral auszudrücken) zurückzukehren:
- TableTops haben einen sehr starken SIS.
- Sammelkartenspiele haben meistens auch einen SIS. Die neueren SKS (Wie z.B. Jugioh oder Pokémon und wie sie alle heißen) sind sogar erst entstanden, nachdem es dazu eine Zeichentrickserie gab. Und diese Zeichentrickserie hat man dann inf Form von Karten nochmal neu verkauft. - Ich denke, diese Sammelkartenspiele sind unter Jugendlichen nur deshalb so beliebt, weil sie sich während des Spiels vorstellen, der Kampf sei real.
- Munchkin lebt teilweise auch davon, dass man sich die absurden Monster und Ausrüstungsgegenstände bildlich vorstellt. (Und wie der Held damit herumhantiert.)
- Co-Sims werben ja damit, dass ihre Regeln super realistisch sind. - Eine Regel kann aber nur realistisch sein, wenn man sie sich in einem Vorstellungsraum vorstellt. (Eine abstrakte Regel wie z.B. beim Skat, kann unmöglich realistisch sein.)
- Dann gibt es noch zig Brettspiele für kleine Kinder. Hier basiert das Brettspiel auch auf einer Hintergrundgeschichte und die SPieler müssen irgendetwas nachspielen. (Bei Atlantis z.B. versinkt die Insel und die Spieler spielen jeweils ein Volk, das versuchen muss, von der versinkenden Insel zu entkommen. - Dabei wird es von Meeresungeheuren angegriffen.)
- Neue Brettspiele wie z.B. "Siedler von Catan" haben auch einen relativ ausgeprägten SIS. (Man baut Dörfer und Straßen, handelt und hofft, dass der böse Raubritter nicht vorbeikommt.)

Natürlich könnte man all diese Spiele auch ohne SIS spielen und sie rein auf die Mechanik reduzieren. - Diese Spiele wären damit aber wesentlich langweiliger. - Man stelle sich nur mal TableTop ohne 3D-Figuren vor, wo man stattdessen Plättchen, auf denen nur Zahlen stehen, hat. (Und vor allem könnte man sich die Regeln schwerer merken, wenn man nicht weiß, welchen SIS-Grund die Modellierung dieser Regel hatte.)

Offline Merlin Emrys

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #12 am: 2.06.2006 | 18:35 »
@Christian Preuss: Eh bien, ich habe es übersetzt, und zuweilen fallen meine Übersetzungen tendenziell eher sinngemäß aus. Ändert das jetzt was?

Zitat
und genau da befindet sich der Logikfehler. "role-playing Interactions" sind eben nicht nur Teil von Rollenspielen, sondern können auch Teil von Brettspielen sein.
Ich habe zwei Online-Lexika (leo und dict.cc) nach "role play" und "role-play" sowie "role playing" befragt. Beide übersetzen das einhellig mit "Rollenspiel", was in dieser Kombination ein Begriff entweder der Soziologie, der Psychologie oder der hier allgemein verwendete (Rollenspiel, im Gegensatz zu Brettspiel usw. ) ist. "play a role" ist "eine Rolle spielen", d.h. der deutlich weiter gefasste Begriff. Ich schliesse daraus, dass im englischen Sprachgebrauch "role-play", aber auch die Konstruktion der beiden Nomina in der Reihenfolge "role play" / "role playing" nicht jeden Fall umreisst, in dem man eine Rolle annimmt, sondern eben nur die genannten drei Spezialfälle. Damit sind "role playing interactions" die Handlungen während eines Rollenspiels, nicht die Handlungen, während man eine Rolle spielt - sofern man sich nicht gerade über ein Thema der Soziologie oder Psychologie ausläßt.

Eulenspiegel

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #13 am: 2.06.2006 | 23:58 »
Wobei dann die Frage ist, was ist der Unterschied zwischen "Role-playing" und "Role playing game"?

Aber das driftet langsam vom Thema ab und ist in einem Channel für "Deutsch/Englisch Übersetzung" besser aufgehoben.

tyrarachsa

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #14 am: 3.06.2006 | 00:31 »
Meines erachtens gibt es SIS nicht nur bei Spielen, sonder auch in der sozialen Interaktion. Besonders stark ausgeprägt ist es bei Menschen, die in der öffentlichkeit stehen und ein Bestimmtes Image pflegen. Egal ob das nun Politker, Sportler, oder Pop-Stars sind.

Auch die Medien arbeiten gezielt mit dem Schaffen gemeinsamer Vorstellungsräume. Das ist es, was Verkaufszahlen bringt und nicht irgendeine Information.

Ich glaube, dass der mensch solche gemeinsamen Vorstellungsräume braucht. Ich meine, was ist Moral anderes als ein gemeinsamer Vorstellungsraum einer Kultur? (was nicht bedeutet, dass jeder die gleichen Moralvorstellungen hat. Aber es gibt schon einen gesellschaftlichen Nenner).
Das gleiche gilt für Religionen und ich würde behaupten, dass das auch für die Wissenschaft gilt.

Offline Dr.Boomslang

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #15 am: 3.06.2006 | 03:19 »
Was den Begriff des "role-playing" und seine Übersetzung, sowie die Bedeutung für die Forge-Definition des SIS angeht, hat Merlin schon alles wichtige gesagt, und ich stimme da völlig zu.
"Role-playing" bedeutet Rollenspiel und es ist in der Definition auch so gemeint, darüber will ich nicht weiter diskutieren, weil es erstens nur zu dubioser, unbegründbarer Begriffsraterei führt und ich zweitens davon überzeugt bin dass ich recht habe.
Jetzt kann man natürlich den Begriff "Rollenspiel" selbst so ausweiten, dass er wieder nahezu alles umfasst was man grade möchte und dann ist auch Schach ein Rollenspiel und dann hat man auch wieder einen SIS usw. Aber darauf möchte ich mich ebenfalls nicht einlassen. Wenn man unter Rollenspiel das versteht was wir hier auch Rollenspiel nennen würden, ist die Bedeutung der Definition klar.
Ich bestehe so darauf, weil es nötig ist den SIS im Rollenspiel auch von etwas Ähnlichem, das es möglicherweise in anderen Zusammenhängen geben kann, unterscheiden zu können.
Ansonsten ist es aber eher unwichtig, da dies keine Diskussion um bestehende Definitionen sein soll.

Trotzdem geht mein Interesse natürlich (auch) dahin über eine Definition des SIS, oder des Umgangs damit zu einer Definition des Rollenspielbegriffs zu kommen. Ich vermute nämlich, dass wir mit dem SIS garnicht mehr so weit von diesem "Heiligen Gral" entfernt sind.

Nun zum eigentlichen Thema: Da gab es ja doch noch einige interessante Punkte.

Der Gedanke dass es Spiele gibt, in denen es angeblich ein SIS durch die Spielmechanik vermittelt wird, mag auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, deswegen wird das anscheinend hier auch so oft angeführt.
Wie ich ganz am Anfang schon sagte, muss es eine Kommunikation über die Vorstellung geben, damit man sich auf eine Vorstellung einigen kann.  Ist nun die Einigung auf Spielregeln und eine gewisse Mechanik bereits ausreichend für die Einigung auf eine gemeinsame Vorstellung? Ich sage natürlich nein. Selbst wenn man annimmt, dass bestimmte Vorstellungen irgendwie direkt an bestimmte Vorgänge in der Mechanik gekoppelt sind, und dass so die Mechanik also die Vorstellung bestimmt, dann finde ich das nicht ausreichend.

Ist diese direkte Kopplung von Mechanik und Vorstellung in irgend einem Rollenspiel vorgesehen? In keinem das ich kenne.
Die Vorstellung ist im Rollenspiel immer zusätzlich zur Mechanik vorgesehen. D.h. selbst wenn es Bezüge zwischen Vorstellung und Mechanik gibt, dann ist das besondere am Rollenspiel doch, dass nicht jede Vorstellung auch irgendwie mit Mechaniken zu tun haben muss, und auch dass die Kopplung zwischen Mechaniken und Vorstellung relativ variabel ist.
Ich behaupte nun aber auch, dass dies nicht nur speziell fürs Rollenspiel gilt, sondern für SIS allgemein, da sich der Begriff ansonsten kaum noch von "Vorstellung" oder gar "Gedanken" und unterscheidet.

Erstens muss ja die Vorstellung so komplex sein, dass man überhaupt von einem Vorstellungsraum sprechen kann, d.h. das ganze darf nicht zu abstrakt sein, wie ich oben schon sagte.
Wenn beim Schach der Bauer einen Bauern schlägt, was bedeutet das dann aber für die Vorstellung? Erstens ist das nirgendwo festgelegt und zweitens kann man kaum sagen, dass der Vorgang der durch die Mechanik gegeben ist ausreicht um irgendsowas wie eine tatsächliche Vorstellung von einer konkreten Situation zu erzeugen. Denkt man wirklich an einen Bauern der über ein Schlachfeld läuft und einen anderen Bauern tötet?
Aber beim Grad der Abstraktion wird es natürlich erst richtig interessant wenn man das Extrem betrachtet. Angenommen die Mechaniken sind so komplex, dass es möglich ist die Vorstellung sehr konkret zu formen, wäre dann die reine Mechanik ausreichend? Der Gedanke ist ja garnicht so abwegig, wenn man z.B. Computerspiele betrachtet, wie Dom es beschrieben hat. Man hat eine so komplexe Mechanik, dass dadurch sogar Bilder und Töne entstehen, müsste das nicht für eine sehr konkrete Vorstellung ausreichen, die man natürlich auch ohne weiteres Teilen kann? Ich sage immer noch nein.
Das was man hier eigentlich hat ist gar keine Vorstellung mehr. Es ist etwas sehr konkretes, nämlich ein Bild, oder im Falle des Table-Top z.B. eine Figur oder Miniaturlandschaft. Durch diese Dinge kann zwar auch eine Vorstellung vermittelt werden, aber sie reichen eben nicht um sich explizit auf eine Vorstellung zu einigen. Was man sich genau vorstellt bliebt immer dem Einzelnen überlassen und ist in keinem Fall Teil des Spiels.

Ich würde daher, um das klarer zu machen, als zusätzliche Bedingung hinzunehmen, dass es eine tatsächliche Kommunikation über die Einigung bezüglich der Vorstellung möglich sein muss. Sie muss nicht zwangsläufig explizit stattfinden, aber sie muss Teil des Vorgangs sein können zu dem der SIS gehört.
Mir geht die Sache mit der Einigung zu weit, wenn sie völlig von bestimmten bereits vorhanden Vorgängen abhängig ist, denn dann geht es garnicht wirklich um Vorstellung, sondern sie wird nur mit einen anderen System "mitgeschleift" und das reicht mir für eine tatsächliche geteilte Vorstellung nicht aus.

Offline Merlin Emrys

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #16 am: 3.06.2006 | 06:32 »
[OT]
Wobei dann die Frage ist, was ist der Unterschied zwischen "Role-playing" und "Role playing game"?
"Role(-)playing" ist die Tätigkeit, "role playing game" das Spiel. (Um 10 Worte zu schreiben, mag ich keinen eigenen Thread aufmachen...)
[/OT]

@ Dr. Boomslang:
Läßt sich das zu diesem Zeitpunkt nochmal knapp und stichpunktartig zusammenfassen?
Liege ich richtig, wenn ich es folgendermassen versuche:
Ein SIS ("gemeinsamer Vorstellungsraum") liegt vor, wenn die beteiligten Handelnden sich im Rahmen der Handlung explizit und implizit auf gemeinsame konkrete Vorstellungen einigen, deren Konkretion durch die Mechanik nicht vollständig vorgegeben wird?

Eulenspiegel

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #17 am: 3.06.2006 | 12:30 »
@ Dr. Boomslang
Beim klassischen RPG hast du recht: Da gibt es den SIS und die Mechanik. Teile des SIS sind unabhängig und Teile des SIS beeinflussen die Mechanik.
Während die Mechanik im Gegenzug fast immer die SIS beeinflusst und es nur sehr wenige Mechaniken gibt, die unabhängig vom SIS sind.

Im Gegenzug dazu gibt es aber neuere RPGs, die sogenannten "monodirektionalen RPGs" oder auch "brettspielartigen" RPGs.
Und gerade zweiter Ausdruck vermittelt doch sehr gut, dass bei solchen RPGs ein gewisses Brettspiel feeling auftaucht. Das heißt, diese "brettspielartigen" RPGs haben sehr viel mit Brettspielen gemeinsam. Unter anderem auch die Art, wie sie mit dem SIS umgehen.

Was ist für mich der SIS:
1) Damit SIS vorhanden ist, muss ich mir etwas vorstellen. Ein einfaches Bild zu sehen, reicht dafür nicht. Wenn ich in dieses Bild aber etwas hineininterpretiere und mir eine Vorstellung von dem mache, was auf dem Bild dargestellt wird, dann gilt das imho bereits als Vorstellungsraum.
2) Alle Leute müssen den gleichen Vorstellungsraum haben.
oder exakter ausgedrückt: Der Schnitt über alle Vorstellungsräume ist der SIS.
Was meine ich damit: Es unmöglich, das zwei leute EXAKT den gleichen Vorstellungsraum haben. - Wenn ich beschreibe: "Ja, ich spiele einen alten Magier in grauer Robe und langem weißen Bart.", dann stellen sich einer darunter Gandalf vor. Dem anderen schwebt das Bild von Miraculix vor Augen. Und der dritte kennt weder Asterix noch 'Herrd er Ringe' und er stellt sich den Magier ganz anderrs vor.
Wir haben also drei verschiedene Vorstellungsräume. - Aber allen drei Vorstellungsräumen ist gemein, dass in ihnen ein alter, bärtiger Magier existiert.
Der SIS beinhaltet also: "Alter Magier in grauer Robe und langem weißen Bart."
Zusätzlich beinhaltet er natürlich auch implizite Übereinkünfte: Vielleicht schreibt das Genre fest, dass alte Magier sehr mächtig sind und sehr viel zaubern können. Dann landet diese Vorstellung auch im SIS.

So diese beiden Sachen reichen für mich aus, damit wir einen geteilten Vorstellungsraum (SIS) haben.
Für mich ist es vollkommen irrelevant, wie die Sachen in den geteilten Vortsllungsraum kommen:
Ob jetzt ausgewürfelt wird, dass der Ork stirbt, oder ob der SL dass diktatorisch entscheidet, oder ob alle Spieler sich basisdemokratisch dafür entscheiden, dass der Ork stirbt, oder ob es irgendeinen anderen Mechanismus gibt, der den Ork tötet, ist egal: "Der Ork ist jetzt tot." ist ab sofort Teil des SIS. (Vorausgesetzt, die Spieler stellen sich auch alle einen toten Ork vor und sagen sich nicht nur: "OK, noch ein Gegner weniger.")

In einem weiteren Punkt stimme ich dir zur Hälfte zu: Damit der Vorstellungsraum geteilt wird, muss irgendeine Art von Kommunikatiuon zwischen den Spielern stattfinden. Imho ist es aber egal, ob diese Kommunikation direkt von Spieler zu Spieler stattfindet oder ob die Kommunikation den Umweg über den Computer macht. Sobald die Kommunikation dafür sorgt, dass der Vorstellungsraum angeglichen wird, handelt es sich um SIS.

OK, wenn wir dies als SIS akzeptieren, dann gibt es auch noch andere Spiele, in denen SIS auftaucht. - Und falls du der Meinung bist, für diese Spiele sei der Begriff SIS ungeeignet, dann können wir das Ganze von mir aus auch GVR nennen. (GVR= gemeinsamer Vorstellungsraum)

Offline Dr.Boomslang

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #18 am: 3.06.2006 | 15:38 »
Läßt sich das zu diesem Zeitpunkt nochmal knapp und stichpunktartig zusammenfassen?
Schön dass du das versuchst, ich gerate manchmal so ins Schwafeln ::)

Liege ich richtig, wenn ich es folgendermassen versuche:
Ein SIS ("gemeinsamer Vorstellungsraum") liegt vor, wenn die beteiligten Handelnden sich im Rahmen der Handlung explizit und implizit auf gemeinsame konkrete Vorstellungen einigen, deren Konkretion durch die Mechanik nicht vollständig vorgegeben wird?
Im Prinzip ist das richtig. Doch es betont noch nicht das Wesentliche, was ich eigentlich sagen wollte. Außerdem kommt der Begriff "Mechanik" drin vor, der ja nun außerhalb des Rollenspiels ersteinmal keinen definierten Sinn hat.
Man müsste also ersteinmal "Mechanik" durch irgendwas anderes ersetzen. Ich weiß allerdings nicht so genau welches Wort dafür wirklich gut geeignet ist.

Ich versuche es mal anders. Es geht mir eigentlich darum, dass die Kommunikation die zur Einigung auf den SIS dient, potentiell auch der Vorstellungskraft der beteiligten angemessen sein muss.
Um Eulenspiegels und auch Doms Ansätze aufzugreifen: Es geht mir nicht darum auf welchem Wege oder auf welche Art diese Kommunikation stattfindet. Es muss nicht soziale Interkation von Angesicht zu Angesicht sein, es muss auch nicht zwingend sprachlich sein. Ich finde man sollte auch den Begriff des SIS und auch nicht das Rollenspiel auf diese Weise beschränken.
Es kommt mir nur darauf an, dass die Art der Kommunikation das Potential hat auch alle möglichen Vorstellungsinhalte zu vermitteln, und diese dürfen eben nicht auf eine ganz spezielle reale Anwendung beschränkt sein. Im Rollenspiel oder in anderen Spielen könnte man diese Beschränkung Mechanik nennen, für andere Zusammenhänge fällt mir wie gesagt kein umfassender Begriff ein.

Ein Beispiel: Wenn zwei Personen eine Figur oder Statue betrachten, dann ist das ersteinmal nur eine gemeinsame Wahrnehmung und noch keine gemeinsame Vorstellung. Wie Eulenspiegel sagte kann man jetzt natürlich vermuten, dass die Betrachter sich ähnliche Dinge noch über die Wahrnehmung hinaus vorstellen, z.B. stellen sie sich den Menschen vor den diese Statue darstellt. Bei solchen einfachen Assoziationen kann man sich auch recht sicher sein, dass die Betrachter diese Vorstellung wirklich "teilen" (in dem Sinne dass sie beide eine ähnliche Vorstellung haben).
Ist die Statue jetzt also das Kommunikationsmittel mit dem sich beliebige Betrachter auf eine gemeinsame Vorstellung einigen? Ich finde das geht zu weit.

Kenntnis von abstrakten Vorgängen oder Wahrnehmung von realen Dingen kann für eine Einigung auf eine beliebige Vorstellung nicht ausreichen. Ich gebe zu, dass ich hier den Begriff vielleicht etwas weiter dehne  als er vielleicht verstanden werden kann, aber für mich ist das wesentlich.
Angenommen ich spiele ein Spiel das nur zwei Karten hat, Karte A und Karte B. Die Spielregeln sind:
Immer wenn Karte A gezogen wird stellen sich alle Mitspieler einen rosa Elefanten vor, und wenn Karte B gezogen wird stellen sie sich ein fliegendes Nielpferd vor.
In diesen Spielregeln wird im Unterschied zu vielen anderen (Brett- und sonstigen) Spielen schon direkt auf die Vorstellung der Mitspieler bezug genommen, aber ich finde das trotzdem nicht ausreichend für einen echten gemeinsamen Vorstellungsraum.
Die Idee vom Vorstellungsraum impliziert für mich eine gewisse Freiheit des Denkens. Aber in diesem Spiel werden sich die Spieler nie andere Dinge vorstellen als einen rosa Elefanten und ein fliegendes Nielpferd, es sei denn sie verlassen die Regeln des Spiels und einigen sich darüber hinaus, das tun sie dann aber nicht mit Mitteln des Spiels.

Echte Ereignisse in der realen Welt haben auch nicht unmittelbar das Potential mir direkt alle möglichen Vorstellungen zu vermitteln. Ich kann mir z.B. einen rosa Elefanten vorstellen aber die reale Welt wird mir wahrscheinlich nie einen präsentieren. Deswegen reichen "normale" reale Ereignisse oder Gegenstände an die feste Assoziationen gebunden sind nicht aus um Vorstellungen im Sinne eines "freien" Vorstellungsraumes zu kommunizieren.
Es ist nämlich eine Kontextbezug notwendig, wodurch alte Symbole (Mechaniken etc.) an neue Inhalte gebunden werden können. In Rollenpielen ist das immer der Fall (soweit ich weiß), in anderen Spielen (als Teil des Spiels) eben nicht.

Offline Dom

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #19 am: 3.06.2006 | 15:57 »
@Eulenspiegel: Auch bei den forgigen, brettspieligen Spielen ist der SIS fürs Spiel wichtig und nimmt Einfluss auf die Spielmechanik, denn immerhin entstehen die Konflikte aus dem SIS heraus. Wenn der Konflikt dann einmal am laufen ist, ist der SIS dann praktisch nur noch Color und hat für diesen einen Konflikt keinen weiteren Einfluss mehr.

Dom

Offline Dr.Boomslang

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #20 am: 3.06.2006 | 16:29 »
Ach ja, die Sache mit dem "brettspielig" bzw. "monodirektional". Bitte nicht zu viel in diese Begriffe hineininterpretieren, sondern lieber beachten was damit mal gemeint war. Denn im Gegensatz zu anderen Begriffen haben wir die Urheber dieser Begriffe nämlich hier im Forum und können sie fragen was damit gemeint ist (also kein Platz für Interpretierer und Umdefinierer ;) ).
Die Begriffe wurden vom großen Rollenspielphilosophen Ralf geprägt und die Entstehung kann man in diesem Thread miterleben. Natürlich war ich auch nicht ganz unbeteiligt daran ;)

Für diese Diskussion hier soll es aber genügen zu wissen, dass beide Begriffe nicht direkt damit zu tun haben. Denn auch monodirektional bezieht sich, so wie ich es gemeint habe, nicht ausschließlich auf Mechaniken. D.h. nur weil ein Rollenspiel keine mechanischen Auswirkungen des SIS kennt, so wie Fredi es in SIS und mechanische Auswirkungen beschreibt, heißt das noch nicht dass es streng monodirektional ist. Monodirektional bedeutet nämlich, dass es garkeine Auswirkungen des SIS auf das Spiel gibt. Mechaniken sind nicht die einzigen Regeln in "System".

Das ganze kann man aber insofern auf diese Diskussion beziehen: Ich würde sagen dass ein SIS auch unter dieser Monodirektionalität bestehen kann, ich würde es aber schon nicht mehr als "echtes" Rollenspiel bezeichnen (wärend das für Fredis "nur" mechaniklosen SIS keine Frage ist).
Aber das alles nur am Rande ;)

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Re: SIS außerhalb des Rollenspiels?
« Antwort #21 am: 6.06.2006 | 14:37 »
@Merlin Emrys:
Du hast Recht. Ich sehe mich korrigiert. :)
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist