Autor Thema: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen  (Gelesen 4170 mal)

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Offline Purzel

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[ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« am: 15.06.2006 | 12:49 »
Am Mittwoch traf sich das erste Mal die Indy-Rollenspiel-Testrunde, die Dom und ich zusammengetrommelt hatten. Als erstes Spiel haben wir etwas gemacht, mit dem wir einigermassen vertraut sind: Doms Grofafo-Challange Spiel ameiza.

Dom machte als Spielleiter zunächst die Neulinge mit dem System vertraut, aber auch mir fielen ein paar neue Dinge auf.

Wir entschieden uns "Rufa" zu spielen, also rote Waldameisen. Unsere Königin stellten wir uns senil vor, mit Augenklappe und Hörrohr. Unser Bau befand sich unter einem einsamen Baum in der Steppe, umgeben von ner Menge Stacheldraht. Als Gesetze für unseren Ameisenstaat erliessen wir:

  • §1 Wer sich unverständlich ausdrückt, der wird um einen Dienstgrad zurückgestuft.
  • §2 Rückwärts gehen ist verboten.
  • §3 Zwacken von Grosstieren (Mäuse, Hasen etc.) in der Nähe des Baums ist verboten.
  • §4 Arbeiterinnen auf der Blattlausfarm dürfen nie alleine sein.
  • §5 Der Baum, seine Blätter, Äste, Zweige, Rinde und Wurzeln dürfen nicht beschädigt werden.
  • §6 Alles gesammelte Futter muss abgegeben werden.

Wir bastelten schliesslich die Charaktere zusammen:

  • Eine Baumaterialbeschafferin, die den Traum hatten auf einem Grosstier Rodeo zu reiten. (steht im Widerspruch zu §3)
  • Eine Wärmeträgerin, deren Traum es war einmal alleine auf einer Blattlausfarm zu sein. (steht im Widerspruch zu §4)
  • Eine Handwerkerin und Bastlerin, die schon immer mal in den Baum eine Rutsche einbauen wollte. (steht im Widerspruch zu §5)
  • Eine Sammlerin, die davon träumte, dass sie eine Prämie für gesammeltes Futter bekommt. (steht im Widerspruch zu §6)

Dann fing das Abenteuer an, nachdem Spielleiter Dom aus diesen Komponenten schnell einen Plot zusammenschmiedete. Wie für ameiza üblich wurden unsere Ameise von der GDGM (Gruppe der Grossen Mutter) abgeholt und uns wurde ein Briefing zu einem Auftrag verpasst, den wir nicht ablehnen durften. Für Unentschlossene stand schon vor der Tür ein Reinigungskommando bereit um die Leichen zu entfernen :) Eine hochgestellte Ameise dieses Geheimdienstes erklärte uns, dass es in Trakt 17 A merkwürdige Vorfälle gab. Auf der Blattlausfarm dieses Trakts kam es wohl recht häufig vor, dass die Farm häufig unterbesetzt war. Wir sollten herausfinden, was nun dort abging.

Während die Wärmeträgerin sich schon zur Blattlausfarm aufmachte, um faul in der Sonne liegend das Arbeitsleben auszuspionieren, gelang es dem Rest der Gruppe einem Beamten einen Dienstplan aus den (nicht vorhandenen) Rippen zu leiern. Als Hinweis fanden wir darin, dass eine Ameise namens 128174 Schichtführerin in der Blattlausfarm war.

Die Wärmeträgerin machte komplizierte Yoga-Verrenkungen in der Sonne und tat das, was sie am besten konnte: Leute zuzureden und sie zum Sprechen zu bringen. So bekam sie heraus, dass eine Schichtführerin mit Spitznamen "Zahl" vielen Arbeiterinnen Angst einflösste und ihnen das Leben schwer machte.

Die Gruppe traf sich nun komplett in der Nähe der Farm und koordinierte sich. Die Wärmeträgerin hing noch weiterhin faulenzend auf dem Blatt herum um die Arbeiterinnen von innen her zu überwachen, die anderen versteckten sich, um den Schichtwechsel zu überwachen. Dabei konnten wir (unter Beschädigung des Baums wider §5) entdecken, wie eine Gruppe von 5 Ameisen von der Farm abzog und höher in den Baum kletterte.

Wieder teilte sich die Gruppe auf: die Wärmeträgerin versuchte herauszufinden, ob 128174 tatsächlich die omiöse "Zahl" darstellte, die anderen kletterten so schnell es ging den Baum hoch. Beide Aktionen gelangen glorios.

Oben angekommen entdeckten wir ein Vogelnest, in das die 5 Ameisen freiwillig (!!!) hineingingen.

Unten auf der Farm entdeckte die Wärmeträgerin, dass "Zahl" wohl illegalerweise ein Abkommen oder sowas mit dem Vogel getroffen hatte, und dass ihm regelmässig ausgeloste Opfer dargebracht wurden, angeblich, um die Blattlausfarm zu schützen.

Oben am Nest schlichen wir uns erfolgreich an und konnten erspähen, wie eine Ameise dem Vogel geopfert wurde und wie die verbleibenen einen Tanz vor dem Vogel aufführten. Alles sehr merkwürdig!

Zu dem Zeitpunkt hielt es die Baumaterialsammlerin nicht mehr aus. Um ihren Traum eines Rodeo-Ritts auf einem Grosstier zu verwirklichen bestieg sie den Vogel. Es gab einen Kampf David gegen Goliath, Ameise gegen Vogel. Dank vieler Bonuswürfel durch übertretene Gesetze und eines eingesetzten Action-Punkts konnte die Baumaterialsammlerin echt erstaunlich lange auf dem Vogel herumklettern, aber um 2 Punkte verfehlte sie ihr grosses Ziel doch: und wurde mit einem Happs gefressen!!!

Die Wärmeträgerin hatte inzwischen im Alleingang die anderen Arbeiter gegen "Zahl"/128174 aufgebracht und sie abführen lassen. Anschliessend feierte sie eine Zucker-Orgie mit den unbeaufsichtigten Blattläusen und verwirklichte ihren Traum.

Hier waren wir fertig, ein Traum war verwirklicht worden, eine Ameise war bei dem Versuch spektakulär draufgegangen, und die verantwortliche Ameise wurde der Gerichtsbarkeit übergeben.



Den Spielern hat es Spass gemacht, obwohl vielen die Mechanik ungewohnt war. Wir sprachen noch lange über die Eigenarten des Spiels und verglichen sie mit anderen RPGs, mit denen wir Erfahrungen hatten. Anschliessend einigten wir uns auf einen nächsten Termin.

Offline 1of3

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #1 am: 15.06.2006 | 16:56 »
Interessant.

Habt ihr denn besondere Stärken, besondere Schwächen oder besondere Besonderheiten der Regeln festgestellt?

@Dom: Hast du bewusst die Träume von der Wärmeträgerin und Baumaterialbeschafferin (schreckliches Wort) eingebaut?

Offline Dom

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #2 am: 15.06.2006 | 17:05 »
Zu den Träumen: Ich hatte mich bemüht, allen die Möglichkeit zur Traumerfüllug zu geben. Die Blattlausfarm war aufm Baum (in den die Weckerin eine Rutsche reinkonstruieren wollte und auch ein paar Ansätze gemacht hat), auf dem auch die Sammlerin problemlos hätte versuchen können, ne Prämie für irgendwelche gefundene Futtersachen zu erstreiten. Dafür ist die ziemlich coole Ameisenkönigin leider hinten runter gefallen. Naja, man kann nur schwer wirklich alles verwursten (vor allem bei nur ca. 10 Minuten Vorbereitungszeit).

Zu den Regeln:
1. Da das nicht das erste Testspiel war, gab es schon einige Veränderungen zur ursprünglichen Version. Die Treue zur Königin ist schon raus, dafür konnte man jetzt über die Gesetze eskalieren. Diese Eskalation war aber zu heftig - da muss ich auf 1 Würfel pro Gesetz runter.
2. Außerdem hatte ich die "Maximal 1 Würfel durch Fertigkeiten"-Grenze fallengelassen. Auch das führte zu einer Würfelexplosion und ich weiß noch nicht so genau, wie ich damit umgehen soll... muss man wahrscheinlich nochmal testen.
3. Die Regeln zur Persönlichkeit sind immer noch etwas unklar (vor allem bei mir selber; ist wohl aber sonst niemandem aufgefallen). Da muss ich nochmal für Klarheit sorgen.

Dom

Offline Purzel

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #3 am: 15.06.2006 | 17:59 »
Habt ihr denn besondere Stärken, besondere Schwächen oder besondere Besonderheiten der Regeln festgestellt?

Aufschlussreich fand ich die anschliessend Diskussion mit den 3 Spielern, die bisher noch nie viel mit Indie-Rollenspielen in Kontakt gekommen sind. Sie haben versucht die andere Spielweise in Worte zu fassen, und Dom und ich haben versucht zuzuhören.

Was den 3 klassischen Spielern besonders aufgefallen ist, dass Dialoge zwischen PCs und NPCs fast nicht möglich sind. Ungewöhnlich fanden sie auch die Idee, dass man durch die Erzählrechtevergabe wirklich selbst Regie mitführen kann, die Geschichte nicht nur für sich, sondern auch für die anderen weitererzählt, wenn man dran ist.

Desweiteren fiel mir auf, dass es den drei Klassik-Spielern, aber auch Dom und mir, Mühe kostete immer einen guten Stake für die Conflict Resolution zu finden.

Was mir durch die letzten Regeländerungen und die daraus entstandene Würfelpool-Explosion fehlte, war dass man nicht mehr "auf die Fresse fliegt". Dom hat im System die Action-Punkte eingebaut, die man nur bekommt, wenn man einen Konflikt verliert. Absichtlich habe ich meinen Charakter Sachen machen lassen, in denen die Sammlerin schlecht war (z.B. körperliche Kletteraktionen), um einmal richtig zu versagen und Action-Punkte für später einzuheimsen. Doch mein Würfelpool war so gross, dass ich diesen Konflikt überraschenderweise gewann.

Und noch was: leider gab es einige Konflikte, wo ein Spieler quasi im Alleingang arbeitete, nur weil er sich einen Haufen Vorteile gesichert hatte (Gesetz brechen, Persönlichkeit, Traum ..). Das sollte man wieder etwas zurückschrauben, denke ich.

Ich habe die Angewohnheit seit 2001 jedes Rollenspiel, an dem ich teilnehme, teilweise sogar haarklein mitschreibe, was die Gruppen so erleben. Bei diesem Spiel, das als das erste einer Auswahl an Indie-Spielen den Auftakt zu vielen Testspielen war, hätte ich mir viel mehr aufschreiben sollen, was mir an den Mitspielern und am Spiel an sich so auffällt, die Gruppe beobachten.

Ich selbst war an dem Abend leider ziemlich phantasielos.

Offline Fredi der Elch

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #4 am: 15.06.2006 | 18:27 »
Hi! Cool, dass ihr ein Testspiel gemacht habt, mehr davon! :D Ich hab natürlich auch ein paar Fragen:

Der gesamte Spielbericht hört sich unglaublich nach einer klassischen "Schnitzeljagd" (als dem Detektivabenteuer schlechthin) an. Dom, war das das, was du dir von deinem System erwartet hattest? Bzw. könntest du nochmal auf den Punkt bringen, was dein System an Spielgefühl leisten soll? Oder liege ich völlig falsch und es kommt im Spielbericht nur so rüber?

Wie sihet es denn mit dem Kernstück "Gesetze brechen" aus? Wurden ordentlich Gesetze gebrochen? Welche negativen Konsequenzen hatte das für die Ameisen? Wurde das Spannungsfeld zwischen "Gesetze brechen für Würfel" und "neee, lieber doch nicht brechen" erzeugt?

Was ist mit der "Persönlichkeit" der Ameisen? Inwiefern waren die wichtig bzw. haben zum Spielerlebnis beigetragen?

Wie kommt es, dass die Träume doch vergleichsweise untergegangen sind? Ich hatte das Gefühl, dass die Erfüllung des Traums für die Spieler das zentrale Ziel sein sollte. Sollte das System da vielleicht mehr stützen?

Wie hat das "Flagging" funktionert? Du hast selber gesagt, dass es dir nicht leicht gefallen ist, alles unterzubringen. Sollte das System da nicht mehr Unterstützung geben?

Soviel erst einmal an Fragen. Ich würde mich z.B. freuen, wenn wir uns mal im Teamspeak darüber unterhalten könnten. Wenn du magst. :)

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Offline Dom

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #5 am: 16.06.2006 | 00:27 »
@Purzel: Ja, das mit den Dialogen wurde gesagt; ich habe nochmal drüber nachgedacht. Es wurden auch Dialoge gespielt - nur eben in den mechanischen Konflikten nicht mit verteilten Rollen. Da sind Dialoge ja wegen der Ezählrechte nicht mit verteilten Rollen spielbar. Alleine kann man es da natürlich machen und es wurde ja auch gemacht. Das mit den Stakes ist mir nicht so aufgefallen.

@Fredi: Es sollen ja irgendwelche Geheimaufträge sein; das mit dem klassischen Detektivabenteuer war schon beabsichtigt und hat bei den bisher drei Testspielen gut funktioniert. Meine Vorbereitung dieses Mal war einfach nur "Vorarbeiterin einer Blattlausfarm opfert rituell Ameisen einem Vogel", der Rest ist während des Spieles gemeinsam entstanden.

Die Persönlichkeiten kamen eigentlich ganz gut und die Spieler haben auch kapiert, dass sie für das Spielen der Persönlichkeiten einen Bonuswürfel bekommen - für ein Fehlverhalten einen Malus. Daher prägten die auch die Art, wie sich die Charaktere gegeben haben.

Das Gesetze brechen war leider in dieser Runde schlecht gebalanced. Es gab zu viel Bonus für zu wenig Risiko, d.h. die Spieler haben viele Gesetze gebrochen und haben dadurch nie irgendwelche ernsthaften Nachteile erlitten. Da muss ich nochmal ernsthaft drüber nachdenken und noch mehr testspielen. Aber das wird noch kommen. Überhaupt habe ich dieses Mal unglaublich schlecht gewürfelt und die Spieler haben wahnsinnig viel Glück gehabt. Es gab für die Spieler außer der gefressenen Kameradin nur einen verlorenen Konflikt... und das auch, obwohl ich rein statistisch gesehen bei manchen Konflikten einfach hätte gewinnen müssen.

Die Träume der Ameisen sind eigentlich nicht wirklich untergegangen. Eine Ameise ist für ihren Traum gestorben, eine andere hat ihn verwirklicht. Dazu hat die Weckerin begonnen, während der Baumbesteigung ihre Rutsche zu konstruieren -- der Spielerin war aber der Auftrag anscheinend wichtiger. Das war aber auch nicht schlimm, denn alle haben vor allem mit der einen Ameise mitgefiebert, die dann vom Vogel gefressen wurde. Auch der letztendlich erfüllte Traum stand im zentralen Interesse aller Spieler, so dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Träume insgesamt zu kurz kamen. (Nur Purzel hat an dem Abend irgendwie nix hingekriegt, was er ja auch selber erwähnt hat). Beim Spieldesign hatte ich da auch eher an ein längerfristiges Ziel gedacht, das vor allem dann erreicht wird, wenn man dieselbe Ameise vielleicht öfter mal spielt.

Die Flaggen waren recht widersprüchlich. Einerseits ging es viel um die Welt außerhalb des Ameisenbaus (alle Träume und ein Teil der Persönlichkeiten bezogen sich aufs draußen), andererseits war die Königin eine senile, alte Frau mit Höhrrohr und Augenklappe. Die hat in der Geschichte nicht so recht einen Platz gefunden und wurde von keinem Spieler während des Spiels mehr "benutzt". Nur §1 wurde bei der Erstellung mit der Königin begründet. Wie und ob das System hier mehr Unterstützung geben kann/sollte ist mir nicht wirklich klar. Die Masse der Flags und die unterschiedlichen Richtungen zeigen mMn eher auf, dass man mit denselben Ameisen noch ein Spiel machen kann, ohne dass die Ideen ausgehen.

Dom

Offline Purzel

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #6 am: 16.06.2006 | 09:41 »
Es wurden auch Dialoge gespielt - nur eben in den mechanischen Konflikten nicht mit verteilten Rollen. Da sind Dialoge ja wegen der Ezählrechte nicht mit verteilten Rollen spielbar.

Jepp. Unsere 3 Klassik-Spieler meinten wohl mit "Es fehlen Dialoge" genauer "Es fehlen klassische Dialoge zw. Spieler und SL".

Die Träume der Ameisen sind eigentlich nicht wirklich untergegangen. Eine Ameise ist für ihren Traum gestorben, eine andere hat ihn verwirklicht.

Auch wenn meine Ameise ihren Traum nicht ausleben konnte, so war ich trotzdem davon angetan, wie viel Mühe und Fantasie die zwei "traum-aktivsten" Spieler in die Erfüllung ihres Traums steckten.

(Nur Purzel hat an dem Abend irgendwie nix hingekriegt, was er ja auch selber erwähnt hat).

Ich war beim Ausdenken eines Gesetzes der Letzte, ich habe am längsten gebraucht um mir eine Persönlichkeit auszusuchen und mir einen Traum zu überlegen. Und dann waren meine eigenen Ideen für meinen Charakter so mies und langweilig, dass sie mir selbst keine Inspiration gebracht haben, um sie aktiv ins Spiel zu bringen. Das lag aber nicht am System, sondern ich hatte einfach einen schlechten Tag erwischt.

Stattdessen habe ich mich auf den Default des Spiels eingelassen: den Plot lösen, Gesetze brechen, um Bonuswürfel zu bekommen, und versuchen einen Action-Punkt zu ergattern.

Dafür, dass mein Gehirn nicht auf Touren kam, hatte ich trotzdem eine Menge Spass.

Offline Fredi der Elch

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #7 am: 16.06.2006 | 14:59 »
Ok, vielleicht liegt es an mir (man muss mir ja immer alles haarklein aufschreiben), aber ich kriege das System nicht gebacken.

1. Wenn es um die klassische "Beinarbeit" (im Geheimauftrag geht), wo ist dann die Unterstützung durch das System (oder auch nur durch anständige Tipps für den SL)?

2. Warum schafft das System es im Spiel nicht, die Spannung zwischen Gesetzbruch und negativen Konsequenzen aufzubauen?

3. Das System ist nicht wirklich auf Kampagnen ausgelegt, aber die Träume lassen sich ja nicht alle in einem Abenteuer unterbringen. Das ist IMO ein ziemliches Problem.

4. Beim Ausspielen gibt es nur "richtig" (für Bonuswürfel) oder "falsch". Was ist mit Änderungen der Persönlichkeit? Warum ist das nicht vorgesehen?

5. Das "Flagging" scheint ja auch nicht so gut zu gehen. Da müsste wohl die Anleitung verbessert werden. Oder?

6. Bis auf die Eskalation über Gesetze (die ja scheinbar nicht besonders gut wirkt), hast du eine 08/15 Conflict Resolution. Warum soll ich den Hintergrund nicht auf FATE o.ä. spielen?

Alles in Allem ist mein Hauptproblem mit ameiza, dass ich den Kern des Spiels nicht erkennen kann. Worum geht es?!? Das kann an mir liegen. Es kann aber auch daran liegen, dass es in den Regeln nicht ausreichend klar wird (und du dir vielleicht selber nicht ausreichend klar bist, wo du damit hin willst).

Mach diesen Kern klar. Erst dir (denn ich bin mir nicht sicher, ob er dir schon klar ist) und dann in den Regeln. Sonst hast du IMO eine schnuffige Idee zu Ameisen, aber kein Spiel.
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Zitat von: 1of3
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Offline Dom

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #8 am: 16.06.2006 | 21:53 »
 :'( sei doch nicht so gemein zu mir...

Nein, im Ernst. Gute und berechtigte Fragen. Vielen Dank :)

So, die letzte Frage zuerst beantwortet: Was soll das Spiel? Ich weiß, was das Spiel soll: Die Spieler sollen gemeinsam eine Geheimauftrag-Geschichte erzählen. Dabei soll es interessante Charaktere geben, die bereit sind, das Gesetz zu missachten um vielleicht lieber ihrem Traum nachzujagen. Die Persönlichkeit dient dazu, die Spieler anzuregen die Charaktere auf bestimmte Weise darzustellen. Über eine Persönlichkeitsänderung sollte ich vielleicht wirklich mal nachdenken, wobei das dann den Spielfokus verschiebt.

Die SL-Unterstützung ist in der Beschreibung etwas dünn, das stimmt. Da sollte ich wirklich dran arbeiten -- ursprünglich hatte ich geplant, da mehr zu zu schreiben, hab es dann aber rausgelassen (aus Zeitmangel, siehe Designtagebuch) und bisher noch nicht weiter ergänzt.

Das das System die Spannung zwischen Gesetzbruch und negativen Konsequenzen in diesem Spiel nicht hingekrigt hat, lag mMn -- wie schon erwähnt -- an der Tatsache dass das Balancing da noch nicht wirklich gut ist. Im zweiten Testspiel hat sich kaum einer getraut, Gesetze zu brechen, jetzt war die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, zu gering und der Vorteil war einfach zu groß. Was mir zu dem Thema noch aufgefallen ist: Auch die negativen Konsequenzen sollten bei der Gesetzerschaffung festgelegt werden.

Zur Kampagne: Ich hatte ursprünglich eigentlich geplant, dass man das Spiel auch als Kampagne spielen kann. Hm... irgendwie bin ich da unschlüssig. Da gehört auf jeden Fall auch die Frage nach der Persönlichkeitsänderung dazu. Auch die Flaggen gehören zu diesem Thema: Für einen einzelnen Spieleabend sind es eher zu viele.

Zur FATE-Frage: Die kannst du bei jedem SL-System stellen (z.B. auch bei Dogs). Wichtige Unterschiede sind die Gesetze und die Ressourcenbeschränkung des SL.

Dom

Offline Fredi der Elch

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Re: [ameiza] Die verschwundenen Arbeiterinnen
« Antwort #9 am: 17.06.2006 | 09:49 »
:'( sei doch nicht so gemein zu mir...
Ich bin auch bekannt als „Papa Nörgel“. ;) Im Ernst: letztens hat mir 1of3 auch ein paar fiese forgy Fragen zu Breaking Reality gestellt und ich dachte mir: „Was weiß der schon…“ Aber dann habe ich drüber nachgedacht und mir ist aufgefallen, dass mir mein eigenes Ziel nicht so klar war, wie ich dachte. Und das hat mich IMO doch weitergebracht. Ist irgendwie so ein wenig wie „Sokratischer Dialog“.

Zitat
So, die letzte Frage zuerst beantwortet: Was soll das Spiel? Ich weiß, was das Spiel soll: Die Spieler sollen gemeinsam eine Geheimauftrag-Geschichte erzählen. Dabei soll es interessante Charaktere geben, die bereit sind, das Gesetz zu missachten um vielleicht lieber ihrem Traum nachzujagen.
Ich sehe da mindestens 3 Kernbereiche, die das Spiel machen könnte. Und IMO macht es keinen davon gut.

Möglichkeiten:
1. Es geht primär um den Geheimauftrag. Dann brauchst du deutlich mehr Tipps, wie man so einen Auftrag vorbereitet (in Richtung Town-Building-Rules von Dogs) und evtl. Pacing in Richtung von InSpectres.
2. Es geht um die Spannung zwischen Auftrag und Brechen der Gesetze. Also die Tatsache, dass man versucht die Gesetzesbrecher zu fangen, während man selber Gesetze brechen muss, um das zu tun. Dann muss der Auftrag entsprechend zugeschnitten sein und du brauchst definitiv eine Pacing-Mechanismus (X Erfolge für das Schaffen des Auftrags oder so), auf den dann das Brechen der Gesetze und die Nachteile dafür aufsetzen.
3. Es geht um den Traum und die Spannung zwischen Pflichterfüllung als Ameise im Kollektiv und dem individualistischen Traum. Dann bräuchtest du Ressourcen für die Ameisen, die sie für die Traumerfüllung oder für den Auftrag raushauen können, um einen Gegensatz aufzubauen. Vielleicht auch etwas (thematisches?) PvP, so dass alle Ameisen auf die Fresse kriegen, wenn der Auftrag nicht erfüllt wird, so dass nur 1 oder Ameisen straflos ihren Traum erfüllen können.

Will sagen: Dein Spiel hat Ansätze zu allen 3 Ideen. Und du versuchst sie alle 3 unterzubringen. Und das macht das Spiel IMO schwach. Ok, ich bin ein absoluter Verfechter des Kohärenten Design, aber auch aus einem ganz einfachen Grund: es ist sooooo viel einfacher zu designen! :D Und bisher kann ich einfach den netten Hintergrund nehmen und mit FATE, Pool oder was auch immer spielen. Ich brauchen dein System nicht.

Womit wir nämlich dabei wären:
Zitat
Zur FATE-Frage: Die kannst du bei jedem SL-System stellen (z.B. auch bei Dogs).
Stellen ja. Aber bei Dogs kann man sie klar mit „Nein“ beantworten. Bei ameiza nicht.

Dogs hat einen klaren Kern: Urteilen. Wen verurteilst du wofür und wie weit bist du bereit zu gehen, um dein Urteil durchzuziehen. Dafür liefert es „weiche“ Regeln (die weit über „say yes or roll the dice“ hinausgehen), Algorithmen (Town Creation) und „harte“ Regeln (Eskalation und Fallout).

Dementsprechend wäre es IMO sehr wichtig, dass du den Kern von ameiza findest und konkretisierst. Und dann dein gesamtes Design komplett darauf ausrichtest. (und ich hoffe, dass du mein Spiel dann auch so auseinander nimmst. ;) )
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Zitat von: 1of3
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