Kennt ihr diese Leute, die irgendwo neu dazu kommen, sich in eine laufende Diskussion einmischen und so tun als ob sie alles besser wissen? Grauenhaft.
Ich versuche es trotzdem mal.
Mir ist aufgefallen, dass sich viele Threads mit dem Thema Immersion beschäftigen. Dabei herrscht aber eine gewisse Unklarheit, was Begriffe angeht, bzw. Begriffe kommen durcheinander, besonders „Immersion“ und „Identifikation“. Ich versuch’s mal zu erklären, wie ich es aus anderen, ähnlichen Zusammenhängen kenne.
Immersionfindet immer dann statt, wenn man sich mit einer fiktiven (oder virtuellen) Welt beschäftigt. Das kann ein Buch sein, ein Film, ein Hörspiel, ein Computerspiel, Cyberspace oder eben RPG. Immersion bezeichnet dabei den Grad, in dem diese fiktive Welt als real erlebt bzw. vorübergehend als real akzeptiert wird.
Die Intensität der Immersion wird dabei von zwei Faktoren bestimmt:
- von der fiktiven Welt die wahrgenommen bzw. sich vorgestellt wird. Diese Welt kann mehr oder weniger glaubhaft/realistisch dargestellt sein und damit Immersion erleichtern oder erschweren. Das können technische Dinge sein, z.B. der Unterschied von Stumm- zu Tonfilm oder von alter Computergrafik zu neuer, „realistischer“ Grafik. Das können aber auch künstlerische Einscheidungen sein, so versucht z.B. Brecht mit seinem Entfremdungseffekt Immersion absichtlich zu verhindern.
- von der Person, die etwas wahrnimmt bzw. sich etwas vorstellt. Je nachdem, wie ausgeprägt die eigene Vorstellungskraft ist oder wie weit man sich überhaupt auf das Erleben fiktive Welten einlassen will, wird Immersion mehr oder weniger intensiv erlebt. Die in einem anderen Thread erwähnte Autosuggestion wäre ein Mittel, um die Immersion bewusst zu verstärken.
Identifikation„heißt eigentlich "gleichsetzen", gemeint ist (…) der Vorgang, sich in einen anderen Menschen einzufühlen. Dabei werden Teile des Gefühlslebens des anderen als eigene erkannt, und man empfindet mit dem anderen mit. Dieser Prozess spielt sowohl in der Psychologie als auch im Theater und im Film eine große Rolle.“ (Zitat: Wikipedia)Identifikation kann ein mehr oder weniger unbewusster Vorgang sein, z.B. wenn man Verhaltensweisen von einer nahe stehenden Person übernimmt (Mutter, Vater), wenn man an den Problemen eines Freundes Anteil nimmt oder auch wenn im Kino mit dem Protagonisten „mitleidet“. Identifikation kann andererseits auch bewusst herbeigeführt werden, um etwas zu erreichen, etwa wenn man ein Schauspieler aus Strasbergs „Method-Acting“-Schule ist.
Der UnterschiedImmersion bedeutet also, sich in eine fiktive/virtuelle Welt hineinzuversetzen. In dieser Welt müssen keine Personen oder Rollen vorkommen, es kann sich dabei auch um einen Landschafts-Dokumentarfilm oder um ein Computer-Strategiespiel handeln.
Identifikation bedeutet, sich in eine andere Person oder Rolle hineinzuversetzen. Diese Person oder Rolle muss nicht fiktiv sein.
Das ProblemIm RPG spielen wir mit fiktiven Personen. Das heißt, wir haben es gleichzeitig mit Immersion und Identifikation zu tun. Die beiden Phänomene beeinflussen sich manchmal gegenseitig und haben einen ähnlichen Effekt auf uns, die Spieler. Dass heißt aber nicht, dass Immersion und Identifikation das Gleiche sind oder sich überschneiden.
Ein aktueller Vergleich: Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Beides beeinflusst sich gegenseitig und hat ähnliche Auswirkungen (Schwitzen), es ist aber nicht das Gleiche.
Ok. Erstmal fertig.
Bin gespannt, was ihr dazu sagt.
Thema: Immersion vs. Identifikation (Gelesen 2347 mal)
