Kühne Thesen, möchte ich behaupten. Ich sehe das anders. Hier meine Gegenargumente, auch auf die Gefahr hin, dass ich lieb gewonnene Illusionen zerstöre:
Kühne Gegenargumente, die Du aufstellst. Wollen wir sie uns mal anschauen:
Nein. Rollenspiel ist ein absoluter Nischenmarkt. Der Markt ist winzig, selbst im Vergleich zu anderen Hobbymärkten.
Gut! Rollenspiel ist keine richtige Industrie, sondern ein Produkt, für daß es einen Markt gibt. Zustimmung! Die Begrifflichkeit gefällt mir auch besser.
Warum ist der Markt winzig?
Weil keine Marktentwicklung stattfand, sondern die Verlage sich um nur eine Zielgruppe bemühen.
3. „Rollenspielverlage haben keine Ahnung von BWL“
Stimmt nicht. Rollenspiele lohnen sich kommerziell eigentlich gar nicht, selbst wenn der Markt noch ein bisschen wächst. Für diese Erkenntnis muss ich keinen Abschluss in BWL besitzen (auch wenn ich persönlich einen habe). RPGs lohnen sich sehr viel weniger als andere Spiele, oder, um den BWLern eine Freude zu machen: Rollenspiele sind per se ein margenschwaches Geschäft. Das geht schon bei der Händlermarge los. Ein mit mir befreundeter Spielehändler behält bei einem Rollenspiel 55-60% des Ladenpreises als Rohertrag, bei einigen Trading-Card-Boostern sind es dagegen 70-80%. Damit er an einem Rollenspiel genauso viel verdient wie an den Karten, müssten die RPGs bis zu 45% teurer sein, ein Buch also z.B. 29 Euro statt 20 Euro kosten. Ach, ich hör die armen Rollenspieler schon wieder jammern, wie schlecht und böse die Welt ist, wie gierig die Verlage sind. Blödsinn!
Du gehst leider mit keinem einzigen Wort auf die Gewinnmarge des Verlages ein, sondern nur darauf, was die anderen einstecken. Deshalb beweist das noch immer nicht, daß gerade die enthusiastischeren Verlage keine Ahnung von BWL haben.
Der Verlag könnte sein Produkt für 5 € herstellen, es für 15 € an den Händler verkaufen, der 30 € dafür nimmt. Klingt immer noch nach einem satten Deckungsbeitrag für den Verlag.
4. „Rollenspielverlage müssen mehr Werbung machen!“
Nein. Warum sollte man für eine sterbende Produktkategorie noch Werbung schalten?
Weil sie nicht stirbt? Es gibt nicht eine einzige anständige Untersuchung zum Markt. Man kann lediglich mit Fug und Recht behaupten, daß sich alle Rollenspielverlage nur auf die Kundenkategorie stürzt, die bereits Rollenspiele spielt, aber nicht auf die, die vielleicht daran interessiert sein könnten, weil sie ähnliche Interessen verfolgen wie diejenigen, die bereits Rollenspieler sind (genannt seien hier beispielsweise SF-Fans).
Das Rollenspielverlage derart konzentriert um nur eine Kundengruppe werben, zeigt zwar nicht, daß sie keine Ahnung von BWL haben, aber zumindest, daß sie von Marketing nicht viel wissen.
Selbst die billigste Kinowerbung (Drei-Sekunden-Einblendung) kostet pro Tag und Vorstellung etwa 5 Euro. Wenn man die in einem Multiplex schaltet, für 20 Vorstellungen am Abend in nur acht Ballungsräumen (Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Essen, Köln, München, Frankfurt und Stuttgart), dann habe ich im Idealfall 16.000 Kinogänger erreicht (von denen es 15.000 ohnehin nicht interessiert), aber es hat mich 800 Euro gekostet. Pro Tag! Das macht 80 Cent Werbeaufwand pro potenziellem Zielkunden. Viel zu teuer. Wenn ich für Kräuterbonbons 30 Sekunden Fernsehen zur Prime Time buche, dann kostet mich das zwar rund 100.000 Euro, aber dafür erreiche ich bis zu zehn Millionen Zuschauer, von denen wahrscheinlich 5 Mio. zumindest prinzipiell Kräuterbonbons essen würden. Das sind 2 Cent pro potenziellem Zielkunden. Bisschen besser, oder? Es ist ein Irrtum, dass man alles verkaufen kann, wenn man nur genug Werbung macht. Man kann alles verkaufen, wenn man seine Zielgruppe passgenau bearbeitet.
Dann sollte man die Kinowerbung für RPGs auch nur bei Filmen schalten lassen, die in das Raster meiner Zielgruppe passen. Würde das was bringen? Mit Sicherheit!
Heute ist Rollenspiel ein sterbendes Produkt, *Achtung BWLer-Jargon* im Porter-Schema wäre es ein „armer Hund“: geringer Return, geringes Wachstum. Ein neues Rollenspiel (z.B. Arcane Codex) verkauft sich mit etwas Glück heute im gleichen Zeitraum 2.000 mal. Wer will da noch Geld reinbuttern?
Deine Belege dafür, daß RPG ein sterbendes Produkt ist, taugen leider nichts. Diese Belege können genausogut so ausgelegt werden, daß die Verlage noch nicht gerallt haben, daß der RPG-Markt kein Verkäufermarkt mehr ist. Angesichts der mickrigen Werbemaßnahmen und der genutzten Medien der Verlage, denke ich, daß das der Fall ist. Es wird ja nicht mal Marktforschung betrieben. Statt zu überlegen, welche Zielgruppe welches RPG ansprechen könnte, wird einfach eins nach Lust und Laune produziert in der Hoffnung, daß es irgendwer kauft. Was ist das für eine Produktpolitik?
Magazinanzeigen in General-Interest-Magazinen kosten übrigens leicht 3.000 bis 10.000 Euro pro Vollfarbseite – je nach Auflage. Da sieht die Rechnung bezüglich Zielgruppeneffizienz nicht viel besser aus.
Ja, wer in Bild und Stern und co. eine Vollbildseite ordert, um für RPGs zu werben, hat auch nicht mehr als eine hohe Rechnung auch nicht verdient.
Aber was ist mit Manga-Magazinen, SF-Magazinen, etc.?
Dürften da die Preise nicht etwas niedriger sein (besonders, wenn man keine Vollbildseite ordert)?
Der beste Marketing-Trick des Rollenspielsektors war in den vergangenen Jahren, Computer-Spiele mit D&D-angelehnten Regeln rauszubringen (z.B. „Neverwinter Nights“), das hatte D&D mal wieder zu einem bescheidenen Schub verholfen. Aber so was ist nicht ohne Ende zu imitieren. DSA hat das auch mal gemacht (zusammen mit attic, Anfang der 90er). Wenn es wirklich was gebracht hätte, würden sie es heute noch machen.
Dieser Trick zieht auch nur, wenn man das entsprechend ausarbeitet. Ich hab Baldur's Gate im Original hier stehen. Hätte ich keine Ahnung von RPG würde ich meinen, daß D&D eine PC-Rollenspielreihe ist.
Das Hauptproblem von Rollenspielen ist, das man sie ohne Erklärung fast nicht spielen kann. Deswegen ist Mund-zu-Mund-Propaganda das einzig wirksame Marketing-Tool geblieben. Das ist sinngemäß das, was mir vor einem halben Jahr Thomas Römer und Florian Don-Schauen (DSA-Redaktion) auf einem Con gesagt haben.
Wenn Dir das ein hohes Tier von WOTC gesagt hätte, hätte ich das nun echt geschluckt. Aber zwei Redakteure hier als Quelle zu nennen, anstatt Leute, die echt Ahnung haben müßten von Produktpolitik... Ne, sorry! Die beiden taugen nix zu diesem Thema. Würde es Dinge, DSA Intern angehen wie Layout etc. wären die top, aber wir reden hier über Marketing und davon haben die beiden höchstens rudimentäre Ahnung.
Sie haben es sogar mit DSA-Handy-Spielen versucht. Ist alles gefloppt und bringt keine neuen Kunden.
Wie wäre es einfach mal mit Marktforschung und darauf ausgerichteter Werbung? Das kann Wunder wirken.
Karstadt oder der Spielwarenfachhandel hat übrigens nie Geld von Fanpro bekommen, um deren Artikel ins Angebot aufzunehmen. Fanpro war bis weit in die 90er nur der Verlag für DSA, der Vertrieb erfolgte über Schmidt Spiele. Die hatten massig reguläre Würfel- und Kartenspiele im Programm, die standardmäßig über Kaufhäuser und Spielwarenfachhandel vertrieben wurden. Schmidt hat also einfach seine bestehende Vertriebsschiene genutzt.
Dann hat Schmidt also Geld an Karstadt abgedrückt (ist übrigens ganz normal: Wenn Du ein Produkt in einem namhaften Kaufhaus anbieten willst, mußt Du erstmal Geld an die bezahlen, damit sie es Dir abnehmen und aufstellen).
Und als nach der Schmidt-Pleite Fanpro den Vertrieb übernahm, konnten sie die Kaufhäuser natürlich weiter beliefern, denn die Produkte wurden ja nachgefragt. Viele Kiddies, die noch nie einen Rollenspielladen von innen gesehen haben, kaufen ihr DSA-Zeugs heute noch bei Karstadt ein. Sonst würde das Produkt nämlich ganz schnell aus dem Regal fliegen. Da könntest du ihnen soviel Geld zahlen wie du wolltest, denen ist ihr Regalmeter viel zu teuer und ihre Warenumschlagdauer heilig.
Also zahlt Fanpro doch an Karstadt.
Und wieviel mehr würde man verkaufen, wenn mehr Menschen wüßten, was DSA ist?
Desweiteren Rollenspiel insgesamt als Poor Dog abzustempeln, halte ich für falsch. Im Rollenspielbereich gibt es einen Haufen Poor Dogs, aber auch einige Cash Cows (vor allem D&D, DSA, Shadowrun, etc.) und eine ganze Menge Question Marks mit starker Tendenz zum Poor Dog.
Warum?
Weil einfach keine Marktentwicklung stattfindet.
Übrigens wäre es auch möglich, teurere Marketingmaßnahmen zu nutzen, wenn die Rollenspielverlage ihre Ressourcen bündeln würden.