@Robin: Full ack.
Willst du jedoch einen Blumenstrauß aus ungewöhnlichen Pflanzen erschaffen, dann ist der Löwenzahn Teil des Kunstwerkes. - Denn du erzeugst ja einen Blumenstrauß.
Wenn du ein Gebäude zu einen bestimmten Zweck erbauen willst, fragst du einen Ingenieur.
Für zweckmäßigen Gebäudebau sind Ingenieure zuständig.
Erst, wenn das Gebäude über den eigentlichen Zweck hinaus noch eine Verschönerung seiner selbst willen haben soll, dann kümmert sich ein Architekt darum. Und dann ist dieser spezielle Aspekt des Gebäudes auch Kunst.
Bei der Musik für bestimmte Anlässe lautet die Frage: Welchen Zweck erfüllt die Musik? Will man damit mehr Leute zu den Anlass locken? Dann ist es Kommerz.
Oder spielt man die Musik ihrer selbst willen? Dann ist es Kunst.
Bildhauer, die für Propaganda eingesetzt werden, erschaffen in meinen Augen keine Kunstwerke.
Das sind Beispiele, die ich durchaus so unterschreiben könnte, dennoch:
Ich bleibe dabei: Kunstwerke dienen keinem Zweck.
Das halte ich für falsch.
Denn damit würden die Meisten Kunstwerke der Klassik nicht mehr unter den Begriff Kunst fallen. Rubens, Rembrandt und Vermeer (um nur mal eine geringe Auswahl zu nennen) malten nicht, weil sie grad nichts anderes zu tun hatten, sondern um Geld zu verdienen. Es waren Handwerker, die Auftragsarbeiten erledigten. Ihre Arbeit hatte sehr wohl einen (kommerziellen) Zweck. Ähnlich verhielt es sich bei den Bildhauern und Musikern. Dennoch würde heutzutage niemand einem Bach, Beethoven oder Michelangelo absprechen, bedeutende Kunst geschaffen zu haben.
Viele sprechen der Kunst auch den Zweck zu, die Gesellschaft zu kommentieren und den Zeitgeist in etwas Greifbares umzuwandeln; der Zweck der Kunst besteht nach dieser Definition darin, zum Nachdenken anzuregen.
Ich würde Eulenspiegels Aussage daher so ergänzen:
Kunst dient keinem praktischen Zweck, sehr wohl aber einem kulturellen, gesellschaftlichen oder spirituellen Zweck.
Ich wehre mich als Grafik-Designer immer gegen die Bezeichnung "Künstler", und das hat seinen Ursprung in dieser Zweckfrage der Kunst. In 99% aller Fälle ist Grafik-Design, obwohl es von den meisten Menschen als kreative, schöpferische Arbeit angesehen wird, keine Kunst – sondern Handwerk. Denn Grafik-Design ist Gebrauchsgrafik, Werbegrafik, verfolgt also einen ganz bestimmten Zweck, meist dem Verkauf eines Produktes.
Dennoch gibt es auch im Grafik-Design und in der Werbung Arbeiten, die ich ohne mit der Wimper zu zucken als Kunst bezeichnen würde. Hier kommt dann neben der Frage des Zwecks noch ein weiterer Aspekt zum tragen, der für mich persönlich noch weit bedeutsamer ist. AlexW hat das sehr treffend so formuliert:
Kunst ist, was mir unter die Haut geht, was Resonanz hat, was "wahr" ist.
Diese Ansicht teile ich. Damit ich etwas als Kunst bezeichnen kann, muss es mich berühren, entweder spirituell oder intellektuell. Dementsprechend fällt es mir auch schwer, etwas pauschal als Kunst oder Nicht-Kunst zu bezeichnen.
Wenn Kunst keine Emotion oder Empathie weckt, kann man auch – zu Recht – vor Werken von Picasso stehen oder vor der Mona Lisa oder vor dem Trevi-Brunnen, oder in der Zauberflöte sitzen und sagen "Das ist keine Kunst!".
Aufs Rollenspiel bezogen kann ich auf die Frage, ob Rollenspiel Kunst ist, eine ähnliche Antwort geben, wie beim Grafik-Design. In 99% aller Fälle ist es sicher keine Kunst. Aber es gibt sie numal, die Runden die unter die Haut gehen, die bewegen und zum Nachdenken anregen und an die man sich noch nach Jahren erinnert. Diese Runden sind Kunstwerke.
Bei jeder schöpferischen Tätigkeit muss man entscheiden, ab wann ein Werk Handwerk ist, und ab wann Kunst; siehe Eulenspiegels Beispiele oben. Jede uns bekannte Richtung der darstellenden oder bildenden Kunst besteht zum größten Teil aus Handwerk, und die meisten Leute, die sich Künstler nennen, kommen nie über den Stand eines Handwerkers hinaus. Dennoch ist das Handwerk die Basis, die Grundlage dafür, überhaupt jemals
Kunst schaffen zu können. Es ist dabei egal, ob man von der Musik, der Bildhauerei, dem Ausdruckstanz, der Malerei, dem Makramé, der Literatur, dem Blumenbinden*, dem Papierschiff-Falten oder dem Rollenspiel redet. Der letzte Schritt ist der entscheidende; er bestimmt, ob ein Werk etwas im Betrachter auslöst, ob das Werk dadurch
Bedeutung erlangt.
*(in Japan ist das eine angesehene Kunstform, btw.)