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Wie böse ist das Böse noch?

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Yerho:
Meiner Meinung nach krankt die insuffiziente Behandlung des Bösen (nicht nur im Rollenspiel) daran, daß es den Story-Schaffenden so schwer fällt zu akzeptieren, daß das wirklich Böse nur in dem Bewußtsein entstehen kann, unbedingt richtig zu handeln.

Am Beispiel ausgedrückt: Der 300ste grüngescheckte Dämon mit drei Hörnern, zwei Schwänzen und meinetwegen mit Mundgeruch wirkt nicht annähernd so bösartig wie jemand, der dir ans Leder will, weil er überzeugt ist, du wärst das Böse, das bekämpft werden muß.

Das ist jetzt vielleicht eine gewagte These, aber meines Dafürhaltens sind die Produzenten der Kuschel-Antagonisten dem Irrglauben aufgesessen, für Lieschen Müller zu werkeln, die bereits das absolut Böse nahen sieht, wenn irgend etwas nicht in ihre kleine Welt paßt.

Die als Beispiel angeführte Mutation vom "fiesen, blutrünstigen und kalten Monster" zum "schrulligen, geheimnisvollen und nicht vertrauenswürdigen Händler" ist also nur eine kosmetische Veränderung ... Schon die Ausgangserscheinung taugte allenfalls als Kleinkinderschreck. :-\

Gast:

--- Zitat von: Lord Verminaard am  5.12.2002 | 16:58 ---@ Starship Troopers: hm, der Film war doch eher eine Satire, oder?
--- Ende Zitat ---

Das Problem liegt im "oder". Ich fand, dass die Satire nicht deutlich genug rauskam, vor allem für das Massenpublikum. Sie war so gut versteckt, dass bei den meisten wohl nur "Boah geil, was'n Ballerschinken!" ankam. Zumal in den USA, wo die meisten noch nie eine NS-Wochenschau oder eine SS-Uniform gesehen haben. (Wobei ich mir bei letzterem nicht ganz sicher bin.)

Dash Bannon:
@ Drizzt:
also ich gebe ehrlich zu, dass ich Starship Troopers auch erst beim zweiten Mal als Satire wirklich erkannt habe, den Bezug zur SS konnte ich allerdings schon beim ersten mal schauen herstellen...das Buch ist echt besser


Generell haben wir ja alle so ne unterschiedliche Meinung, durch was sich böse definiert, bzw. durch was das Böse sich als böse herausstellt

@Yerho: so ganz verstehe ich sie nicht Deine Theorie, aber vermute ich richtig, dass Du meinst, dass jemand, der mir ans Leder will, weil er überzeugt ist es sei das Richtige, sehr viel böse wirkt als ein noch so furchterregender Dämon?
Also entsteht das Böse, nur durch unseren Glauben daran oder nur daran, dass wir richtig/falsch Kriterien setzen? mmh wie gesagt so ganz hab ichs net verstanden glaube ich.

Yerho:
Okay, ich zerdrösele das Ganze noch ein wenig. Eigentlich habe ich das Ganze für Literatur ausgearbeitet, in Bezug auf interaktive Plots (wie beispielsweise im Rollenspiel) gibt es ein paar kleien Veränderungen, die isch nicht ohne Weiteres integrieren lassen:

Also, ich denke, wir sind uns als überwiegend abendländisch-säkular erzogene Menschen darüber einig, daß Gut und Böse standpunktabhängig sind. Von dieser Prämisse hängt das Folgende ab.

Man nimmt sowohl als Autor, Leser oder eben Rollenspieler eine bestimmte Position, einen bestimmten Standpunkt ein, von dem aus alle konträren Standpunkte "falsch" oder eben "böse" sind. Deshalb haben Stories Protagonisten und Antagonisten, und in der Literatur ist es recht einfach, die Polarisation auszuhebeln, wenn man es dem Leser schwer oder unmöglich macht zu erkennen, wer was ist. Wenn alle handelnden Personen für den Leser nachvollziehbare Gründe für ihr Tun haben, und sich trotzdem gegeneinander "falsch" verhalten, sind die Kategorien von Gut und Böse aufgelöst.

Im Rollenspiel ist es schwieriger, denke ich. Hier sind immer mindestens zwei Perspektiven am Start, die des Spielers und die des gespielten Charakters. Ich konstruiere einfach eine Beispielfrage: Was erschreckt den Spieler/Charakter mehr ... Wenn ein typisches Monster Stufe 4 oder Schwarzmagier der Stufe Schießmichtot hinter dem nächsten Baum hervorspringt, oder wenn man plötzlich das Messer eines langjährigen Kampfgefährten in den Nieren hat, der einen für 3 Euro fuffzig verraten hat? Oder der die gleiche Frau liebt? Oder der von Ehrgeiz zerfressen ist, der Beste sein zu müssen?

Und was ist, wenn der Charakter jetzt vor Gericht steht, weil er einen Magier getötet und somit daran gehindert hat, seinen gefährlichen Plänen nachzugehen? Sicher hat er damit viele Leben gerettet, aber er hat auch jemanden getötet, der in seinem sozialen Umfeld möglicherweise anerkannt war, der Freunde hatte, die seine Ansichten nicht in jedem Punkt teilten, aber seinen Tod jetzt trotzdem gesühnt sehen wollen? Sind diese Leute jetzt böse, weil sie dem Charakter um jeden Preis ans Leder wollen?

Meiner Meinung ist es unmöglich, im Vorfeld und im großen Rahmen Kategorien von Gut und Böse festzulegen (Im Norden ist die Schwarze Festung, im Süden steht der Elfenbeinturm ...), die Kategorien entstehen in einem neutralen Umfeld auf persönlicher Ebene. Und das kann man in keinem Sourcebook festlegen.

Visionär:
@Yerho: Ich stimme dir zu. Doch das Problem ist doch gerade, daß das "BÖSE" oder wollen wir fortan nur noch von den Antagonisten sprechen, von den meisten Verlagen wie folgt dargestellt werden:

Zum einen steckt meistens ein Wertemonstrum (Necromancer Stufe 839, Dämon aus der 2012 Unterebene der Abyss) hinter dem BÖSEN, und er frönt seinen "dunklen" Plänen  bzw. unterstützt ein "böses" System (Also ein System, daß nicht in die amerikanisierte Weltsicht der westlichen Hemisphäre passt: Menschenleben verachtend, elitär, etc.). DIeses Wertemonstrum besitzt unglaublich viele Resourcen und Handlanger, einige fanatisch, andere nicht. Ihr Auftreten ist das des "Evil Obermotz" viel Glitter, düstere Gewandung unf blutrünstige Rituale. DAS erinnert mich aber eher an schlechte Splatterfilme und will nicht richtig böse wirken. Ich finde, daß in den meisten Quellbüchern die Antagonisten oder die "bösen" Fraktionen einfach zu platt dargestellt werden. Es ergibt sich ein eindimensionales Bild dessen. Was mir in den Quellbüchern fehlt sind wirkliche Motivationen, die das amoralische Handeln nicht trivial aber dafür als "Feast of Blood and Gore" beschreiben, sondern leider allzu menschlich und verborgen.

Mal ein Beispiel: Welcher Film hat euch mehr Angst eingejagt? "The evil dead" oder "the sixth sense"?
Welcher Film stellt Gewalt grausamer dar? "Blade 2" oder "das Experiment"?

Nehmen wir für meine These, die Quellbücher betreffend mal das DnD - Buch "Lords of Darkness". Ich finde dort eine tolle Beschreibung der Strukturen, und massenhaft Werte. Jedoch finde ich nicht heraus, warum die Roten Magier an der Weltherrschaft interessiert sind. Klar, ihr System ist das beste, darum verbreiten wir es und sie wollen Macht. SUPER! Das ist genau die Antwort, das diese Fraktion SO einzigartig macht. WARUM finden sie ihr System gut? Vielleicht betrachten sie die nicht - Magier als unfähig sich selbst zu leiten, vielleicht wollen sie, daß es ihnen gut geht. Und kein Mensch kann mir erzählen, dass jeder RedMage Thay ausbeutet, weil er machtgierig ist. Vielleicht will er nur das beste für sein Land. Das wollten die Nazis auch. Sie glaubten wirklich, dass es gut sei, was sie tun. Sie glaubten wirklich, daß es verschiedene Rassen mit unterschiedlichem Wert gab. Das ist natürlich quark. Aber die Unmenschlichkeit des Nazi-Systems erwuchs aus dem Willen Deutschland stark zu machen, wobei sie Stärke biologistisch definierten.

DAS fehlt mir im Rollenspiel. Und Supplements mit Spielwerten gibt es zu Hauf. Supplements mit echten Infos, warum, gibt es kaum.

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