Das ist so typisch: Der SL muss es richten. Warum tun sich Rollenspiel-Regelwerke so schwer, den Spielern irgend eine Verantwortung für das Gelingen des Spiels zu übertragen? Das ist doch mindestens zu 50% Sache der Spieler, ob so was funktioniert.
Na ja, das steht doch implizit auch alles irgendwie im Text, oder?
Und in meiner Runde - auch insbesondere dann, wenn wir ganz normale Mainstream-Fantasy ohne cinematische Regeln gespielt haben - hat das auch jahrelang völlig normal funktioniert. Niemand hat sich beklagt. Wirklich niemand. Es war für uns irgendwann ein ganz selbstverständlicher Bestandteil des Spiels.
Ich kann dir dazu ein ganz interessantes Beispiel erzählen:
Neulich, vor ein paar Monaten, hat in meiner RuneQuest-Runde mal ein neuer Spieler (selbst ein erfahrener Rollenspieler über 30) mitgespielt. Er durfte sich an dem Nachmittag seinen Spielercharakter in Ruhe selbst ausdenken und ins Spiel einführen. Die Spielrunde lief ganz normal ab und wir haben ein gutes Stück Handlung gemeinsam hinter uns gebracht. Erst 14 Tage später, als es mir als SL darum ging, herauszufinden, ob dieser neue Spieler denn beim nächsten Mal auch wieder mitmachen würde, kam eine krasse Abfuhr:
Nein, das wolle er (der neue Spieler) eben
nicht machen! Er habe überhaupt keine Lust, weiter etwas mit dieser Gruppe zu spielen, da dort angeblich alle "guten" Rollen schon verteilt gewesen seien (sozusagen die klassischen Rollen: der Dieb, der Zauberer, der Kämpfer, der Heiler). Er meinte, egal wie sehr er sich mit seinem neuen Spielercharakter auch anstrengen würde, es sei ohnehin immer jemand in der Gruppe stärker, besser, charismatischer als er und dazu käme das Problem, dass meine damalige Gruppe um einen bestimmten heldenhaften Barbaren-SC herum aufgebaut sei, der so gut wie alle coolen Gimmicks, Skills, Artefakte und magischen Waffen kriegen würde. Das stimmte in dieser Form definitiv nicht und ich könnte das jederzeit anhand der tatsächlich verwendeten Spielwerte nachweisen, aber der Punkt ist, dass es eben für diesen einen neuen Mitspieler so 'rüberkam. Mir war das zuvor nie bewusst gewesen. Im Endeffekt hatte sich der Spieler des Barbaren-Helden einfach über die Jahre hinweg allmählich durch günstige Würfelergebnisse und eine gewisse Gewitztheit hervorgetan. Er war noch nicht einmal besonders extrovertiert, so wie ich das von anderen Gruppen-Dominierern gewohnt war.
Der neue Spieler meinte, alle anderen Personen in meiner Gruppe hätten sich quasi stillschweigend damit abgefunden, dass sie alle "Sidekicks" dieses bewussten Barbarenkriegers spielen würden. Der Barbarenkrieger mit der magischen Waffe würde schließlich alles können und alles dürfen, etc., und die anderen wären eben nur seine Gehilfen oder Pointengeber. Dies wollte der neue Spieler nicht mitmachen.
Ich habe dieses Problem direkt danach auch den anderen, bereits länger mitspielenden Leuten ganz vorsichtig geschildert, habe ihnen erklärt, was mir der neue Spieler in einer E-Mail mitgeteilt hatte. Daraufhin waren diese anderen Spieler alle sehr verblüfft und überrascht. Niemand hatte mit so einer Reaktion gerechnet!
Für meine damalige Gruppe war das eben die ganz normale, etablierte Art und Weise, wie wir spielten. Es hatte sich noch nie jemand darüber beschwert oder sich ungerechnet behandelt gefühlt. Zudem war ich mir als SL auch keines Falles bewusst, in dem ich offen und nachweisbar einen Spielercharakter bevorzugt oder etwa mit "Geschenken" überhäuft hätte.
Selbst in den wenigen Fällen, wo ich eine Spielergruppe mit einem deutlichen Hauptheldencharakter leitete, also einem PC, der wirklich deutlich mehr Punkte und mehr Power hatte als seine Begleiter, bedeutete das nicht, dass alles die Privatshow dieses einen Protagonisten wurde. In der tatsächlichen Spielrunde hatte nämlich nicht der "Hauptheld" mit seinen hohen Werten und tollen Powers notwendigerweise die besten Ideen. Von den Ideen und vom Schauspieltalent her waren die verschiedenen Spieler in der Gruppe sogar recht ausgewogen. Außerdem hatte der starke, zentrale "Hauptheld" oft die Aufgabe, als gemäßigter, routinierter
straight man zu wirken. Darum gingen die wirklich amüsanten Spaßszenen oft auf das Konto der anderen Figuren. Epische Helden sind eben selten Komiker.