Da ich nun heute dank geplatztem NWN-Zocken nichts mit meiner Zeit anzufangen weiß, hab ich mir gedacht, schreib ich halt mal der Länge und Breite nach über das Rolli, mit dem ich schon seit meiner Ankunft hier allen auf der Nase rumtanze.
Also in medias res:
Conan the Roleplaying GameWahrscheinlich kennt jeder zumindest den ersten Conan-Film, und womöglich noch einiges mehr. Es geht um eine barbarische Welt lange vor unserer Zeitrechnung, also eine Art Pseudo-Historie. Erdacht wurde diese Welt von Robert E. Howard in den 1930er Jahren. Sie ist sozusagen der Prototyp des "Sword & Sorcery" Genres.
In Conan the RPG könnt ihr nun ebenfalls in dieser Zeit spielen, z.B. als Barbar, Pirat oder auch Hexenmeister.
DarreichungsformVorweg: alle Publikationen erscheinen ausschließlich in englischer Sprache.
Es gibt das Grundregelwerk in zwei Ausführungen: einmal als dickes, komplett farbiges Hardcover "Atlantean Edition" in sehr gediegener Qualität (ca. 45 Euro) und einmal die "Sparversion" als Taschenbuch im A5-Format, schwarz-weiß, für schlappe 15 Euro.
Die "Pocket Edition" enthält grundsätzlich alle Regeln - lediglich das Bestiarium und der "Gazetteer" - Hintergrundinformationen zur hyborischen Welt - fielen der Platznot zum Opfer. Das Taschenbuch ist primär als Spielerhandbuch gedacht, taugt aber zur Not auch, um eine ganze Spielrunde damit zu bestreiten.
Wichtig: in wenigen Monaten soll die Second Edition veröffentlicht werden. Daher würde ich eiskalt empfehlen, für einen eventuellen Einstieg erstmal die Pocket zu kaufen, und dann weiterzusehen.
Oberwichtig: passt vor allem auf, daß man euch nicht ein Restexemplar des 1st Printing andreht, diese Edition steckt voller Fehler.
Das Hyborische ZeitalterDie Autoren haben sich Mühe gegeben, die Welt mit Ländern, Völkern und Kulturen möglichst nahe an Howards Vorlage zu halten. Es gibt freilich keine nichtmenschlichen Spielerrassen, dafür aber mehrere Dutzend wählbare Völker mit D20-typischen Vor- und Nachteilen, bevorzugten Klassen und so weiter.
Die Welt ist dementsprechend mehr oder weniger "Fäntelalter" -- im Prinzip hat so ziemlich jede historische Kultur ihre Entsprechung, dazu noch einige Fantasiekulturen obendrauf. Immerhin sind diese nicht dicht an dicht gedrängt, sondern verteilen sich über eine Landmasse, die in etwa der realen Erde entspricht. Die Konstellation ähnelt ebenfalls der realen Historie, z.B. ist "Khitai" wie die Vorlage Cathay (China) im fernen Osten, und so weiter.
Das Technologie- und kulturelle Niveau schwankt zwischen Steinzeit (z.B. Picten) über Antike (Corinthia) bis Spätmittelalter (z.B. Aquilonia). Entsprechend fallen die Ausrüstungslisten aus, wobei auffällt, daß Schwerter aller Art etwa zehnmal teurer sind als vergleichbare andere Waffen (Äxte etc.).
Das SystemDie grundlegenden Spielkonzepte sind typisch D20: es ist ein klassen- und stufenbasiertes System mit 20 Stufen, Erfolgsproben werden mit dem D20 gewürfelt, unter Anrechnung verschiedenster Modifikatoren. Im Detail weicht das System allerdings doch deutlich vom SRD ab, um dem Sword&Sorcery Anspruch gerecht zu werden. Nun zu den wichtigsten Unterschieden -- ich fürchte, ich muss hier ein wenig ins Detail gehen:
Gesinnung gibt es nicht, da es keine eindeutige Einteilung in Gut und Böse gibt.
Die Klassen wurden neu geschrieben, einige davon haben allerdings eindeutige SRD-Counterparts, z.B. wird der Fighter zum Soldier und erhält ein paar kleinere Sonderfähigkeiten dazu. Insgesamt gibt es nurmehr neun Klassen: Barbarian, Borderer (ersetzt Ranger), Noble (soziale Klasse), Nomad (sowas wie ein berittener Barbar), Pirate (for the girls), Scholar (quasi Zauberer), Soldier (Kämpfer halt), Thief (ersetzt Rogue). Die Betonung kampf- und wildnisorientierter Klassen spiegelt die kampf- und wildnislastige Welt wieder.
Insgesamt sind die Klassen allesamt stärker als ihre D&D-Gegenstücke, auch wird Multiclassing erleichtert - statt XP-Abzug für ungünstiges Multiclassing erhält man Bonusfeats für Stufen in der bevorzugten Klasse.
Magie:
die mit Abstand radikalste Änderung ist das Magiesystem.
- es gibt keinerlei magische Gegenstände. Nix magische Rüstung, nix Zauberschwert, nix Attributspusher.
- Es gibt wesentlich weniger Zaubersprüche (knapp 60, unterteilt in verschiedene Schulen), und selbst von diesen wenigen kann ein Zauberer im Laufe seiner Karriere nur maximal die Hälfte erlernen.
- Zauber erfordern einen "Magic Attack Roll" gegen den Rettungswurf des Ziels. In den meisten Fällen sind dies Willenskraftwürfe.
- "bezahlt" wird mit Power Points, die nur stark begrenzt vorhanden sind. Um genügend PP für mächtige Zauber zu erhalten, sind Menschenopfer und ähnliche Gemeinheiten erforderlich, je grausamer desto besser.
Zum Ausgleich für das Fehlen magischer Gegenstände erhalten die Charaktere deutlich mehr inhärente Fähigkeiten und Attributssteigerungen. Außerdem gibt es nun nicht nur Angriffs-, sondern auch Verteidigungsprogressionen, wodurch magische Rüstungen überflüssig werden. Insgesamt wird der Fokus komplett von der Ausrüstung auf den Charakter selbst verschoben.
Magische Heilung ist quasi gar nicht verfügbar, dafür geht die natürliche Heilung extrem rasch vonstatten.
Ebenso gibt es keine Erweckung von den Toten, zum Ausgleich verfügt man über Fate Points, mit denen man dem Tod von der Schippe springen kann ("Left for Dead").
Kampf:
Das Kampfsystem selbst blieb weitgehend gleich, abgesehen von den Defense-Progressionen. Rüstungen bieten nun Schadensreduzierung statt Rüstklasse, dafür haben Waffen einen "Armour Piercing" Wert. Viele Kampftechniken, die bei D&D noch extra Feats benötigen, sind bei Conan frei zugänglich, dafür gibt es wiederum neue Feats. Manche altbekannten Feats ermöglichen außerdem zusätzliche "Special Moves", die teilweise direkt aus Conan-Geschichten entnommen wurden (inkl. Textzitat).
Kämpfe dauern außerdem selten besonders lang, da erstens die Hit Points ab Level 10 kaum noch steigen, und zweitens bereits ab 20 Schadenspunkten ein Massive Damage Save verlangt wird -- vergeigt man dieses Rettungswurf, geht man sofort zu Boden ("disabled and dying").
Leider sorgen einige der neuen Regeln in Kombination miteinander dafür, daß zweihändige Waffen extrem übermächtig sind. Dies geht nichtmal mit Howards Welt konform. Daher gibt es einen Trend zu Hausregeln, die den ZHK wieder auf normales Niveau bringen.
AdaptierbarkeitIch habe ein System gesucht, mit dem ich eine brutale, barbarische Sword&Sorcery-Welt darstellen kann. Ehrlich gesagt spiele ich mit meiner Runde überhaupt nicht in Howard's Welt, weil sie mir zu sehr "Fäntelalter" ist. Darum habe ich das Setting nach anfänglichem Zögern durch ein Homebrew ersetzt.
Es erfordert schon etwas Bastelei, da die Rassen eben die von Hyboria sind, und wiederum manche Talente und Zauber nur bestimmten Rassen zugänglich sind.
Insgesamt ist also die Adaptierbarkeit stark eingeschränkt und nur innerhalb des Genres sinnvoll.
NegativesUm nochmal die Hauptkritikpunkte (von meiner Warte aus) zusammenzufassen:
- Fäntelalter --> durch Homebrew ausgemerzt.
- Die Übermacht von Zweihandwaffen --> dem bin ich mit Hausregeln begegnet.
- bei manchen "Monstern" wurde gelumpt, was die Spieldaten angeht, hier sollte man als SL flexibel sein und z.B. die Zähigkeit erhöhen, damit der schöne Koloss nicht bei nem 20HP-Treffer seinen Save vergeigt.
- die eine oder andere Klassenfähigkeit ist nicht ganz zu Ende gedacht, und lässt sich in manchen Konfliktsituationen beim besten Willen nicht regelkonform auflösen.
- leider wurde die Chance vertan, einige D20-Hässlichkeiten auszuräumen, z.B. die vollkommen bekloppten Grapple-Regeln.
AnmerkungenHauptgrund für die Anschaffung war bei mir die Emanzipierung des Helden von der Magie. Ihr wisst ja, wie ich zu Abhängigkeit von magischem Krempel stehe. Dies ist ganz hervorragend gelungen.
Gut gefällt mir auch das flüssige und flexible Kampfsystem -- ich lasse die Spieler einfach draufloserklären, was sie machen wollen (die meisten haben von D20 keine Ahnung) und ich setze das dann in Mechanik um. Das klappt gut und flüssig, und erstaunlicherweise lassen sich wirklich die meisten Manöver durch vorhandene Regeln abwickeln. Wo das nicht der Fall ist, kann man leicht improvisieren (was ich auch mache, wenn ich den Spielfluss nicht durch Blätterei unterbrechen will).
FazitWie ihr merkt, bin ich voll des Lobes.
Langer Rede kurzer Sinn:
Wenn ihr Feuerbälle im Dutzend billiger schmeißen können wollt oder euch ohne Ethereal Plate of Invul +5 irgendwie nackt vorkommt, dann ist Conan wirklich nichts für euch.
Wenn ihr aber auf Barbaren und/oder Sword&Sorcery steht oder das mal ausprobieren wollt: absolute Empfehlung. Zumal mit der Pocket Edition wirklich ein sehr günstiger Einstieg möglich ist, ohne Kompromisse beim Inhalt eingehen zu müssen.
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Weitere Fragen beantworte ich gerne nach bestem Wissen und Gewissen. ^^