Autor Thema: [Offen] Solospiel, unperfekte Systeme und wie sie das Spiel in Gang halten  (Gelesen 12317 mal)

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Offline Skyrock

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Zeitlich versetztes Crosspost zu den Blutschwertern.

Um Definitionsquerelen vorzubeugen:
System ist in diesem Zusammenhang natürlich im Sinne von "das Zeug was im Buch steht" gemeint, nicht im Forgesinne als das was unbedingt tatsächlich gespielt wird.


Ein Blogeintrag von Jeff Rients (der kein Theoretiker, aber dafür garantiert ein kluger Zocker ist, dessen Gedanken ich sehr schätze) hat mich darüber nachgrübeln lassen ob perfekte Regelsysteme wirklich gemocht werden oder nicht.
Ich möchte dazu auf die Grafik im wiederum von Jeff Rients verlinkten Blogeintrag von Levi Kornelsen verweisen.

These:
1.) Rollenspiel beginnt damit dass sich jemand alleine abseits des Spieltisches mit einem System befasst: Charaktere erschaffen, Regeln lesen, Dungeons aufzeichnen, Hausregeln aufstellen, neue Crunchy bits erschaffen etc.
2.) Aus diesem Solospiel entsteht das Verlangen tatsächlich zu spielen, Spieler um sich zu scharen (oder einen SL zu shanghaien) und dieses Zeug tatsächlich einzusetzen.
3.) Gruppenspiel führt wiederum zu Solobeschäftigungsphasen (Charakterverbesserung, Hausregeln um aufgetretene Probleme zu beseitigen, Abenteuervorbereitung etc.), die wiederum das Momentum mitbringen um das Gruppenspiel in Gang zu halten.

Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann macht das erschreckend Sinn. Das am flüssigendsten laufende Gruppenspiel hatte ich immer mit Spielen bei denen noch genug im argen liegt um Hausregeln schreiben zu müssen (insbesondere SR3), während Spiele die von Haus aus funktionieren weniger Beschäftigung zwischen den Runden erzwingen und damit eher in Gefahr laufen sich totzulaufen (insbesondere Forgespiele, deren unrobuste Natur und enge Ausrichtung von Verhausregelung abschreckt).

Das heißt natürlich nicht dass völlig verhunzte Systeme die besseren Spiele sind. Es muss eine gewisse gelungene Substanz da sein um das Spiel ohne große Umstände zum laufen zu bringen, sonst hat man nur einen 300-Seiten-Zettel auf dem wiederholt "Just wing it" steht, und damit kann _niemand_ was anfangen. (Die oWoD ist bei mir etwa nach mehreren Anläufen mit Recht rausgeflogen, denn da liegt so viel im argen und wird so viel gehandwedelt dass man besser gleich ein eigenes Spiel schreibt als Hausregeln aufzustellen.)
Was aber ebenso wichtig ist wie die grundlegende Substanz ist Imperfektion - es muss immer einen Teil am Systeme geben der Streamlining vertragen könnte, oder Vereinfachung, oder Verausführlichung, oder größere Detaillierung, und der Kern des Spiels muss diese Änderungen tragen können.

Macht das Sinn?
Wie ist eure Erfahrung?
Ist an Hausregeln tatsächlich etwas so besonders momentumförderndes wie bei keiner anderen Solobeschäftigung (z.B. Settingdesign, Baukastenbenutzung), und wenn ja warum ist das so?
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 14:21 von Skyrock »
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Offline Falcon

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hab mir jetzt nicht alles angeguckt aber ich kann mir nicht vorstellen, daß damit Systemfehler gemeint sind.
Seinen Char verbessern, Dungeons zeichen usw. kann ja auch mit einem funktionierenden System (nicht, daß es das gäbe) zum Spielen motivieren.

für mich persönlich macht das keinen Sinn. Im günstigsten Fall will ich mir ein Rollenspiel kaufen, das von Profis gemacht ist, von dem ich die Regeln 1:1 befolgen kann und wodurch so in geistiger Einheit mit der Gruppe eine Spielwelt entsteht ohne das ich einen Gedanken auf die Regeln selbst verschwenden muss, sie z.b. zu hinterfragen.
Zumindest bin ich damals so an das RPG herangegangen.
Ein Spiel kaufen, aufmachen, spielen. Ich kann mir gut vorstellen, daß die meissten Rollenspielanfänger mit dieser berechtigten Erwartung daran gehen bevor sie ins Jammertal des Hobbies fallen und ihre Illusion verlieren.

Die traurige Realität sieht eben leider so aus, daß das Geflecht Rollenspiel so labil und komplex ist (da soziale Tätigkeit) und gleichzeitig so viele ahnungslose Möchtegernschreiber RPGs heraus bringen, schlimmer noch ganze Bewegungen führen, daß man quasi dazu gezwungen wird sich mit den Mechanismen zu beschäftigen wenn man auf Dauer dabei bleiben will und Spass haben will weil die Erwartung wie bei einem Würfelspiel (RPGs gabs ja auch mal in Boxen) gar nicht erfüllt werden. Nein, daß man sogar den Großteil selbst bewältigen muss!
Meiner Ansicht nach grenzt das an Betrug.

Im Grunde ist all das Herumwerkeln, Selbstschreiben, über RPG Theorie diskutieren bei mir nur aus der Not enstanden überhaupt spielen zu können um die angestachelten Erwartungen erfüllen zu können. Ich REISSE mich nicht darum den Job anderer Leute zu machen. Schlimm genug, daß es genug Rollenspieler sogar schaffen die Kompetenz der Autoren durch fortschreitende Selbstbeschäftigung locker zu übersteigen.
Ich will eigentlich nur spielen. Und das war für mich mal Geschichten erleben und nicht Regeln/Spielstile/Absprachen flicken.
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 02:02 von Falcon »
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Es geht mir wohlgemerkt nicht um Totalausfälle - es geht um Spiele die eine Basis bieten um sie nach RAW zu nutzen, die aber noch Verbesserungspotential und Potential zur Anpassung an den eigenen Geschmack bieten.

Das Beispiel im Blogeintrag ist ja OD&D, bei dem jede Waffe 1W6 Schaden macht. Man kann mit dieser Regel definitiv spielen, aber sie bietet Raum für Differenzierung (egal ob wegen "Realismus", weniger Beliebigkeit oder warum auch immer man verschiedene Schadenswerte braucht).
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Klar, von Totalausfällen redet niemand. Vor allem zählt einer etwas zu den Totalausfällen von dem ein anderer der Meinung ist es liefe einwandfrei.

und Anpassung an den eigenen Geschmack kann ja ein Feature des Spiels selbst sein, Modularität z.b., ist aber nicht zwingend notwendig, wenn man z.b. nach Vorlage spielt (z.b. man will möglichst getreu StarTrek spielen da hat eigenes Gefrickel für manche nichts verloren);
aber Verbesserungsmöglichkeiten sollte es meiner Meinung nach nicht haben (auch wenn mir natürlich klar ist das keines perfekt ist, aber das muss einem ja nicht gefallen).

also mich hält das alles vom Spielen ab und ich brauche es nicht. Ich spiele aber gerne mit den mir gegebenen Systemmöglichkeiten rum (z.b. wie und wohin steigere ich mit den gegebenen Regeln meinen Charakter).
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 03:27 von Falcon »
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Ich gebe mal ein brutales Gegenbeispiel:

Schach

Das ist ein Spiel das seit mindestens 100 Jahren keine Regeländerung erlebt hat, aber trotzdem eines der beliebtesten Spiele weltweit ist. Auf das Spiel trifft das Diagramm auch zu. Du hast als guter Schachspieler eine immense  Nacharbeitungszeit, in der Du Deine vorherigen Partien analysieren musst, um daraus fürs nächste Mal zu lernen. Wenn Du zu den Schachspielern gehen und denen eine tolle neue Regel vorschlagen würdest, dann würden die meisten Schachspieler diese sofort ohne groß darüber nachzudenken verwerfen. Neue Regeln zu entwerfen ist schliesslich nicht der Grund, warum sie spielen. Es wäre sogar eher kontraproduktiv, weil sie damit ein Großteil ihres taktischen Wissens in die Tonne treten könnten.

Klar kann Bastellei das eigentliche Spiel intensivieren. Ich glaube aber, das gilt nur für die Rollenspieler, die gerne am System basteln. Andere optimieren lieber ihre Charaktere oder erzählen anderen wie tragisch die letzte Sitzung war. Und dritte erleben das ganze Geschehen zuhause einfach nochmal.
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 08:57 von Christian 'TPK' Preuss »
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Die Beschäftigung mit den Spiel zwischen den einzelnen Sitzungen ist sicher eine Möglichkeit, das Interesse am Spiel aufrecht zu erhalten. Wenn man vom "Solospiel" so heiß ist, dass man das "Gruppenspiel" kaum noch abwarten kann, dann hilft das sicher.

Ich sage aber bewusst "eine Möglichkeit", da ich persönlich auch andere Erfahrungen gemacht habe.  Meine PtA-TeamSpeak-Runde läuft nun auch schon ewig (über 2 Jahre, wenn man Skype mitzählt, glaube ich) und das, obwohl wir uns alle zwischen den Sitzungen effektiv überhaupt nicht mit den Spiel befassen. Meine Erklärung hier wäre, dass das Spielerlebnis einfach so gut ist, dass man weitermacht, obwohl man sonst kaum einen Gedanken an das Spiel verschwendet.

Würde in mein Konzept passen: Solospiel ist dann wichtig, wenn das Gruppenspiel nicht alles das leistet, was man gerne möchte. Dann muss man alleine "vor sich hin phantasieren" und alleine Sachen "ausleben", die man in der Gruppe nicht bekommt, da das System (oder die Gruppe oder was auch immer) das nicht ermöglicht. Wenn das Gruppenspiel alle Bedürfnisse erfüllt, fällt das Verlangen nach Solospiel weg - man kommt aber trotzdem wieder zum Spiel, weil das Gruppenspiel selber ja die Bedürfnisse erfüllt.
Bezug nehmend auf die Aussagen im verlinkten Text: "The quality of personal play often matters more to actually getting a game than the quality of group play." - In der Praxis stimmt das sehr oft. Aber eben, weil das Group Play oft so schlecht ist, dass das Personal Play das einzig wirklich gute am Spiel ist.

Völlig unabhängig davon: Ich kann mir vorstellen, dass Charaktere bauen und Dungeons zeichnen einen für das Gruppenspiel hyped. Aber wie du dann zu dem Schluss kommst, dass Hausregeln erschaffen den eigenlichen Teil des Solospiels ausmacht und damit handwerklich gut gemachte Spiele kein Solospiel ermöglichen, ist mir völlig schleierhaft. Das halte ich für Quatsch. Es gibt verschiedene Arten von Solospiel und Hausregeln basteln ist nur eine davon (die ich nicht einmal für die effektivste halte). Christian hat das mit seinem Besipiel schön untermauert.

Kurz: ich kann deine Punkte nicht nachvollziehen, weder logisch-inhaltlich, noch aus meiner persönlichen Erfahrung heraus.
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 08:55 von Fredi der Elch »
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

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Noch eine kleine Präzisierung zu dem Post vom Elch:

Es gibt Spassvorlieben, bei denen es komplett unmöglich ist, dass das Gruppenspiel alleine alles leisten kann, was man gerne möchte. Strategienentwicklung (Charakteroptimierung, Planung den nächsten Obermotz zur Strecke zu bringen, usw) und eben Regelbastellei sind zwei Beispiele dafür. Da kann das Gruppenspiel noch so perfekt sein. Ohne die Vorbereitung und Nachbearbeitung kann dann das Spielerlebnis nicht rund sein.

@Fredi: Ich weiss, dass Du das geschrieben hast. Ich konnte aber ohne Probleme es so uminterpretieren, dass Du schlechtes Gruppenspiel alleine als Notwendigkeit eines Solospieles ansehen würdest. Deswegen habe ich einfach mal etwaigen unnötigen Postings vorgegriffen.
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Wenn man eine Kampagne spielt, oder jedenfalls eine größere Zahl von zusammenhängenden Spielsitzungen, ist die Beschäftigung mit dem Spiel außerhalb der Spielsitzungen ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, wie man da als Designer mehr Einfluss nehmen bzw. sich das mehr zu Nutze machen könnte.

Die Sache mit den Hausregeln, um das System zu verschlimmbessern, na ja, da zweifle ich noch. Ich denke nicht, dass dieser zweifelhafte Vorteil die Kopfschmerzen aufwiegt, die schlechte Regeln von Anfang an machen. Der gute Designer würde eher Regeln entwerfen, die sich auf verschiedene Weise einsetzen und interpretieren lassen, sodass es zu einer organischen Fortschreibung/-entwicklung aus den (intakten) Regeln heraus kommt. Oder er würde an bestimmten Stellen ganz explizit Raum lassen, um eigene Regel-Bausteine zu entwickeln: Neue Keys ins The Shadow of Yesterday, neue Kampf- oder Zauberschulen in Reign, neue Schiffstypen in Star Wars d6, neue Adepten-Schulen in Unknown Armies, neue Monster und magische Gegenstände in D&D, etc. pp.

Wobei natürlich in sehr vielen Runden vor allem der SL sich zwischen den Sitzungen mit dem Spiel befasst, die Spieler nicht so sehr. Das ist immer eine Frage des Enthusiasmus', ich selbst bin auch als Spieler bei einer guten Kampagne zwischen den Sitzungen oft dabei, über das Spiel nachzudenken und zu phantasieren, wobei mich aber eher die Fiktion als die mechanische Seite interessiert.
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@Skyrock
Ja, auf eine merkwürdige Art und Weise hast du da durchaus recht. Wobei ich denke, dass die verschiedenen Formen von Solospiel dabei absolut gleichwertig sind und nur dann in ihrer "Effizienz" geschmälert werden, wenn sie auf die Präferenzenmatrix des real existierenden Rollenspielers treffen.

In diesem Sinne würde ich Jeffs These dann derart umformulieren, dass Rollenspiele besser sind, um so mehr Möglichkeiten sie für Solospiel bieten. Wie dieses Solo nun aussieht, da gibt es sicherlich viele verschiedene Varianten. Mit kaputt hat das meines Erachtens wenig zu tun, eher mit Modifizierbarkeit.

Ähnliches kann man auch in der Indie Computerspieleszene beobachten, wo jene Spiele besonders beliebt sind, die einen soliden Kern besitzen und leicht zu modifizieren sind.

@Vermi
Ich denke, inwiefern sich die Spieler mit dem Spiel beschäftigen, hängt vor allem von zwei Dingen ab, (a) inwiefern sie generell engagiert sind; (b) inwiefern sie ihren Hauptspaß aus der Gruppendynamik des Actual Play ziehen. Wer kennt nicht die Spieler, die sich einfach mal gerne mit ihren Büchern hinsetzen und ein, zwei, drei Charaktere basteln. Sei es um neue Optimierungs- oder Charakterideen auszuprobieren.

Offline Lord Verminaard

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Ich kann ein Regelwerk gar nicht lesen, ohne dabei Charaktere zu entwickeln... ;)
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Offline Joerg.D

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Zitat
These:
1.) Rollenspiel beginnt damit dass sich jemand alleine abseits des Spieltisches mit einem System befasst: Charaktere erschaffen, Regeln lesen, Dungeons aufzeichnen, Hausregeln aufstellen, neue Crunchy bits erschaffen etc.
2.) Aus diesem Solospiel entsteht das Verlangen tatsächlich zu spielen, Spieler um sich zu scharen (oder einen SL zu shanghaien) und dieses Zeug tatsächlich einzusetzen.
3.) Gruppenspiel führt wiederum zu Solobeschäftigungsphasen (Charakterverbesserung, Hausregeln um aufgetretene Probleme zu beseitigen, Abenteuervorbereitung etc.), die wiederum das Momentum mitbringen um das Gruppenspiel in Gang zu halten.

Ich habe mir mal ein paar Gedanken zu diesen Thesen gemacht und möchte sie kommentieren.

Zu 1.)
Nein, Rollenspiel beginnt, mit dem Wunsch nach sozialen Aktivitäten.
Jemand möchte etwas mit Freunden oder anderen Leuten machen, und wählt das Rollenspiel als Mittel zum Zweck. Es ist also erst einmal der Wunsch nach Gesellschaft da, bevor das das Rollenspiel als Transportmittel für die sozialen Wünsche gewählt wird. Ich kann natürlich nicht wiedersprechen, das das eigentliche Rollenspiel mit den anderen Sachen beginnt, aber sie bleiben IMHO immer ein Mittel zum Zweck.

Zu 2.)
Das ist eigentlich schon mit meiner Antwort zu 1.) erledigt. Es mag natürlich Leute geben, denen es mit wem sie was spielen und die desshalb aus dem Nichts eine Runde aus dem Boden stampfen. Doch im Normalfall gehe ich davon aus, das man sich Leute sucht die man mag um mit ihnen dann das Rollenspiel zu spielen, in das man sich gerade eingearbeitet hat. Oder das man Leute sucht, die das selbe System mögen, weil man eine Überlappung sonstiger sozialen Interessen vermutet. Einer der klassischen Gründe als SL tätig zu werden ist der, dass man so zum spielen des Systemes kommt.

Zu 3.)
Ja spielen mit einer sozial gesunden Gruppe kann zu einer Beschäftigung mit dem Spiel abseits des Spieltisches führen. Muss es aber nicht.

Hier kommen verschiedene Faktoren zusammen, die meist sehr persönlicher Natur sind.

Die Spieler müssen erst einmal Spaß an der Beschäftigung mit der Materie abseits des Spieles haben. Das hängt IMHO von ihren persönlichen Vorlieben ab. Fredi zum Beispiel will nach einer Aussage vom Treffen nicht vorbereiten und sich zwischen den Situngen nicht groß mit dem Spiel beschäftigen. Desshalb spielt er so gerne PTA, da muss er sich nicht groß vorbereiten, denn die Regeln sind so klar strukturiert und er kennt sie so gut, das die Beschäftigung nicht not tut. Treffen, hinsetzen und Spielen. Große Soap Opera mit heftigen Konflikten ohne Vorbereitung als persönlicher Weg zum Rollenspiel Glück.

Andere Spieler bereiten Pläne vor, arbeiten an ihren Charakteren und überlegen sich Strategien. Das ist aber IMHO völlig unabhängig von der Qualität des Rollenspiels. Die Leute machen es, weil die Runde Spaß macht und sie sich dadurch im Spiel noch mehr Spaß versprechen.

Um meine Sicht der Dinge jetzt zusammen zu fassen:
Ja,für dich machen etwas unperfekte Systeme einen wesentlichen Spaßfaktor aus, weil du gerne am System schraubst und die Regeln an dein oder besser gesagt das von der Gruppe gewünschte Spielergebnis zu erreichen. Du bastelst halt gerne, benötigst aber eine solide Grundlage auf der du aufbauen kannst, weil man aus Scheiße kein Gold machen kann, aber aus gutem Stahl nach einen umschmieden oder vernünftigen schärfen ein besseres Schwert.

Bei mir z.B sieht das anders aus. Ich baue Hausregeln, wenn ich sehe, dass sie nötig sind und kümmer mich lieber um gute R-Maps und Timelines oder basstel an NSCs. Für mich halten also gute Regeln eine Runde am Laufen, weil ich mich dann meinen persönlichen Spaßfaktoren wittmen kann.

Der Elch braucht auch gute Regelwerke, weil er wieder andere Anforderungen an Spiele hat als wir beide und der Preus benötigt wieder eine andere Art Regelwerk um Spaß zu haben.

Lord Verminaard schreibt zwar immer von der Suche nach dem perfekten System, aber er beschäftigt sich einfach nicht intensiv genug mit den Regeln des Spieles an sich, um da wirkliche Fortschritte zu machen. Er will die perfekte Fiktion und sucht Wege zur Immersion. Regeln sind für ihn eigentlich egal, solange das Gefühl beim Spielen stimmt, sie werden erst störend, wenn sie seine Fiktion einschränken.

Wie gut oder fehlerfrei ein Regelwerk sein muss ist also eine absoluté Geschmackssache.

Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
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Ein

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Zitat
Die Leute machen es, weil die Runde Spaß macht und sie sich dadurch im Spiel noch mehr Spaß versprechen.
Naja, es gibt auch sicherlich den anderen Fall, bei dem es dem Spieler weit mehr Spaß macht still und friedlich vor sich hinzubasteln, in seinen Ideen zu schwelgen, und bei dem dann das Actual Play eine ungeliebte soziale Pflicht ist, bei der das, was er sich da mühevoll geschaffen hat, nur in die Kritik der anderen Spieler gerät und im schlimmsten Fall von ihnen niedergemacht wird.

oliof

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Ich habe im ursprünglichen Blogartikel übrigens imperfect nicht als fehlerhaft im Sinne von kaputt sondern als unvollständig im Sinne von erweiterbar verstanden (so wie Vermi D&D, UA und TSOY beschreibt). Es sind also Spiele, mit denen man sich abseits der Spielinhalte befriedigend beschäftigen kann, doch bestätigt werden muß diese Beschäftigung dann doch wieder durch konkretes Spiel, um ein Großes Ganzes zu geben. Dass es nicht um 'kaputte' Spiele geht ist ja alleine schon deswegen klar, weil man dann keine Versatzstücke hat, die sinnvoll als Vorbilder dienen.

Ansonsten stimme ich auch hier Fredi zu: Das Solo-Spiel (bluebooking, hausregeling, Charaktererschaffung) muß nicht vorhanden sein, um von einer vollständigen/guten Spielerfahrung zu sprechen. Es geht auch ohne, und dafür muß man noch nicht mal Casual Gamer sein.

Ein: Deine Variante gibts auch, die ist insbesondere bei GURPS-Spielern verbreitet; in dem Umfeld habe ich schon vor Jahren den Begriff 'solo play' gehört, genau so, wie Du es beschreibst.

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Offline Joerg.D

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@ Ein
Sicher, aber wie halten sie dann das Spiel in Gang? Deine Aussage das es solche Spieler gibt ist zutreffend, hat aber IMHO nichts mit dem Thema an sich zu tun.
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@Jörg
Naja, das ist jetzt eine Frage wie man Spiel definiert. Wenn man sagt Spiel = Actual Play, dann ist deine Aussage natürlich absolut zutreffend und mein Einwurf vollkommen irrelevant.

Wenn man aber Spiel = Sammeln + Solo Play + Actual Play + etc. sieht, also Rollenspiel als Summe aller Aktivitäten versteht, bei denen es um Rollenspiele geht (das Hobby an sich), dann macht meine Aussage natürlich Sinn, denn hierbei wird klar, dass es verschiedene valide Varianten gibt, um Rollenspiel zu spielen.

Natürlich ist dabei klar, dass die anderen Varianten darunter leiden, wenn eine Variante des Spielens ein starkes Übergewicht hat. Wenn jemand nun mal seinen meisten Spaß daraus zieht, sich mit der Theorie des Rollenspiels zu beschäftigen, dann wird er weniger Zeit finden, um Actual Play zu betreiben.

Evtl. kann es natürlich auch umgekehrt sein, dass die Überlast einer Variante, dadurch zustande kommt, dass der Spieler nicht ausreichend Möglichkeit für die anderen Varianten hat.
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 11:39 von Lieutenant Ein »

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ich hätte gerne ein Rollenspiel wie Schach.

noch eine kleine Anmerkung. Wie immer gilt natürlich auch "zu viele des Guten". Theoretisch kann man sich zwischen den Spieltagen jeden Tag mit RPG beschäftigen. Auf Dauer muss das abernicht unbedingt heiss aufs Spiel machen sondern man wird dem überdrüssig. Das beste ist halt immer noch wenn jeder Abend etwas Besonderes ist (ist ja gerade in der RPG Anafangsphase so, wo RPG sicher mit am motivierendsten ist) wenn man nach einer Woche Solospsiel denkt "uäääh, heute abend muss ich wieder los", sollte man die Sachen vielleicht mal nebenher liegen lassen ;)
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Naja, oder umgekehrt, kann auch das Soloplay einen motivieren, doch wieder zu spielen, obwohl man genau weiß, dass das Actual Play eh wieder nicht so toll wird, wie man sich das alles im Gedankenspiel ausmalt.

Offline Skyrock

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Nur kurz: Das "fehlerhaft" im Threadtitel geht natürlich an der Aussage vorbei und muss an der späten Stunde gelegen haben. Ich dachte mehr in Richtung "unperfekt" - im Sinne von "mit Verbesserungspotential ausgestattet", "kann noch Anpassung an den eigenen Geschmack vertragen", "hat noch kleinere Kinken" etc.

Die Beiträge selbst beantworte ich sobald ich sie in Ruhe gelesen habe, das wollte ich nur loswerden :) Ich werde auch den Threadtitel dahingehend anpassen.
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So, Zeit gefunden...

Es sei nochmal darauf hingewiesen dass eher "unperfekte" als "fehlerhafte" Rollenspiele gemeint waren. Ich habe einfach alle Antworten die sich um dieses Mißverständnis drehen ignoriert und weise stattdessen nochmals global darauf hin, als fünf mal das gleiche zu schreiben.

und Anpassung an den eigenen Geschmack kann ja ein Feature des Spiels selbst sein, Modularität z.b.
Ich denke ein Unterschied ist dabei Handwerkerstolz und persönliche Investition in das Endprodukt.
Eine fertiges Regelmodul ist wie ein Regal von der Stange. Man kauft es einfach, es ist professionell gemacht und es arbeitet problemlos und gut, aber es ist eben nichts eigenes und persönliches.
Eine selbst erstellte Anpassung ist wie das selbstgebaute Regal. Vielleicht ist es ein bißchen schief, vielleicht sind die Schrauben ein paar Millimeter falsch angesetzt oder es ist an den Kanten nicht sauber geschliffen, aber es ist dennoch was persönliches und ist entsprechend stolz und emotional investiert.

Ich gebe mal ein brutales Gegenbeispiel:

Schach
Halte ich ehrlich gesagt für ein schlechtes Beispiel. Da ist nicht nur der Mediensprung vom Rollen- zum Brettspiel, auch der Zusammenhang zwischen den Sitzungen ist ein anderer. Bei Schach hat man viele unverbundene Sitzungen, und zu Beginn jeder Sitzung ist die Lage wieder beim Ursprungszustand. Es gibt da keine Entwicklung, keine Kontinuität und keine Kampagne die in Gang gehalten werden muss, sondern nur abgeschlossene Einzelsitzungen die man spielt und wo man das Spiel im Anschluss daran verstauben lassen kann bis zur nächsten Sitzung.

Natürlich betreiben engagierte Schachspieler Vorbereitung, Nachbereitung, studieren Züge und Meisterschaftsspiele etc., aber das ist eine sehr engagierte Minderheit.
Beim Rollenspiel scheint das Solospiel schon eher eine "Volksbewegung" zu sein die den Standard darstellt.

Und man darf nicht vergessen dass auch für Schach Varianten entwickelt wurden und werden. (Wobei die meisten dieser Varianten relativ bedeutungslos sind gemessen an der Relation zur Verbreitung des normalen Schachs und wiederum der relativen Verbreitung von Hausregeln unter Rollenspielern.)

Ich sage aber bewusst "eine Möglichkeit", da ich persönlich auch andere Erfahrungen gemacht habe.  Meine PtA-TeamSpeak-Runde läuft nun auch schon ewig (über 2 Jahre, wenn man Skype mitzählt, glaube ich) und das, obwohl wir uns alle zwischen den Sitzungen effektiv überhaupt nicht mit den Spiel befassen. Meine Erklärung hier wäre, dass das Spielerlebnis einfach so gut ist, dass man weitermacht, obwohl man sonst kaum einen Gedanken an das Spiel verschwendet.
Passiert da wirklich nichts? Machst du dir nicht zwischendurch Gedanken um deinen Charakter, überlegst wie sich die Handlung aus der letzten Sitzung und den aufeinanderprallenden Konflikten entwickeln könnte, was eine interessante Szene zur Einführung wäre etc.?

Ich muss dazu einräumen dass ich PTA nur von den Forendiskussionen her kenne, aber AFAIK gibt es da ja für ein Forgespiel relativ viele Möglichkeiten für Solospiel zwischen den Sitzungen. Etwa den Next-Week-On um den man sich zwischendurch Gedanken machen könnte, oder die Verteilung des Story Arcs und daraus resultierende Überlegungen wie der Hauptcharakter der Woche gut zur Geltung gebracht werden könnte.

Würde in mein Konzept passen: Solospiel ist dann wichtig, wenn das Gruppenspiel nicht alles das leistet, was man gerne möchte. Dann muss man alleine "vor sich hin phantasieren" und alleine Sachen "ausleben", die man in der Gruppe nicht bekommt, da das System (oder die Gruppe oder was auch immer) das nicht ermöglicht. Wenn das Gruppenspiel alle Bedürfnisse erfüllt, fällt das Verlangen nach Solospiel weg - man kommt aber trotzdem wieder zum Spiel, weil das Gruppenspiel selber ja die Bedürfnisse erfüllt.
Bezug nehmend auf die Aussagen im verlinkten Text: "The quality of personal play often matters more to actually getting a game than the quality of group play." - In der Praxis stimmt das sehr oft. Aber eben, weil das Group Play oft so schlecht ist, dass das Personal Play das einzig wirklich gute am Spiel ist.
Ich stimme dir insofern zu dass das Solospiel vor allem da glänzt wo es Bedürfnisse befriedigen kann, die das Gruppenspiel nicht befriedigen kann.

Gleichzeitig will ich aber vehement der Behauptung widersprechen dass sich nur aus schlechtem Gruppenspiel der Bedarf an Solospiel ergibt.
Zum einen gibt es viele Solobeschäftigungen die am eigentlichen Tisch nichts verloren haben, sondern es nur unterstützen. Abenteuervorbereitung wäre da der Klassiker.
Dann gibt es auch Solobeschäftigungen, die am Tisch langweilig wären. Wenn jemand ein Bild von seinem Charakter zeichnet, den Wohnungsgrundriss skizziert, seine Werte verbessert oder überlegt welchen Nippes er von der Bezahlung der Woche kauft dann ist dieser Prozess für den einzelnen Spieler sicher interessant, aber die gesamte Gruppe würde davon Schnarchanfälle erleiden wenn man ihr damit die Lebenszeit stiehlt.
Mit den Ergebnissen kann sie vielleicht schon eher etwas anfangen, aber daneben hocken und zuhören zu müssen würde wahrscheinlich zu schlechterem Gruppenspiel führen.

Wobei natürlich in sehr vielen Runden vor allem der SL sich zwischen den Sitzungen mit dem Spiel befasst, die Spieler nicht so sehr. Das ist immer eine Frage des Enthusiasmus', ich selbst bin auch als Spieler bei einer guten Kampagne zwischen den Sitzungen oft dabei, über das Spiel nachzudenken und zu phantasieren, wobei mich aber eher die Fiktion als die mechanische Seite interessiert.
Guter Punkt.
Ich möchte dazu auch zu bedenken geben dass ihn nicht wenigen Gruppen die Begeisterung eines einzelnen Extremspielers ist die das Momentum aufrechterhält und sicherstellt dass sich jemand darum kümmert dass rumtelefoniert wird, dass jeder vom Termin weiß, dass ein Abenteuer steht etc. (Meistens der SL, oder der SL und ein oder zwei besonders engagierte andere Spieler.)
Da nimmt Solospiel sicher eine wichtige Funktion ein um diese hyperaktiven Spieler begeistert zu halten und ihnen einen Kanal zu schaffen über den sie ihr Engagement ausleben können, ohne dass es auf Kosten der zurückhaltenderen Spielteilnehmer geschieht.

Zu 1.)
Nein, Rollenspiel beginnt, mit dem Wunsch nach sozialen Aktivitäten.
Jemand möchte etwas mit Freunden oder anderen Leuten machen, und wählt das Rollenspiel als Mittel zum Zweck. Es ist also erst einmal der Wunsch nach Gesellschaft da, bevor das das Rollenspiel als Transportmittel für die sozialen Wünsche gewählt wird. Ich kann natürlich nicht wiedersprechen, das das eigentliche Rollenspiel mit den anderen Sachen beginnt, aber sie bleiben IMHO immer ein Mittel zum Zweck.
Ich habe da natürlich übersimplifiziert.
Natürlich ist der Wunsch nach sozialer Aktivität ein wichtiger Faktor bei der Schaffung von Rollenspiel (wenn nicht der Hauptfaktor), aber ebenso sehe ich das mit dem Solospiel. Irgendwer muss den Kram lesen, vorstellen wie geil die Regeln interagieren würden oder was für geile Kampagnenmöglichkeiten da wären oder was für geile Charaktere man spielen könnte, und mit diesem Kram als Sprungbrett kommt das Gruppenspiel zustande.

Das gilt auch wenn wir die Henne vor das Ei setzen und von sozialer Aktivität als Anfangsimpuls ausgehen. Die klassische Ausgangssituation wäre da: "Jetzt sitzen wir hier am Küchentisch und wollen eine Kampagne beginnen, welches Spiel nehmen wir?" Irgendwer muss da von einem Spiel begeistert sein und ein paar gute Ideen haben warum das Spiel so begeisternd ist, und Solospiel ist da oft der Impuls hinter dem Vorschlag.

OffTopic: Abgesehen davon würde mich deine Robustheits-Definition interessieren. Ich halte Forge-Spiele im gegebenen Rahmen in der Regel für robust; würde sie aber als unflexibel qualifizieren. Deswegen ist es ja gut, dass es so viele verschiedene davon gibt (-:
Ich habe keine eigene Robustheitsdefinition, diese habe ich von Zornhau bei den Blutschwertern geklaut.
Robust ist ein System das Änderungen, Anpassungen, Hausregeln und verschiedene Spielweisen verträgt; unrobust ist es wenn es unter diesen zusammenbricht.

Extrembeispiel für Robustheit: SR3 besteht aus einem Haufen grob ausgestanzter Löcher und in verschiedene Richtungen deutenden Pfeilen. Man kann da relativ problemlos Regeln ändern und Zahlen verschieben, ohne dass man fürchten muss dass die Lage deutlich schlimmer wird.
Ebenso schluckt das System problemlos wenn man es auf verschiedene Arten spielt, egal ob als plausibilitätsabwägungsgetriebene Refereeingorgie, als von Bodenplan zu Bodenplan stolperndes Buttkicking oder als Downtime-Seifenoper mit Connectionsregeln etc. (Allerdings macht es davon natürlich auch nichts wirklich gut.)

Extrembeispiel für Anpassungs-Unrobustheit: Capes. Ändere die Ressourcenflüsse, die Charakterwerte oder die genaue Rundenverwaltung, und die Chancen stehen gut dass das Spiel in Rauch aufgeht und vollkommen vor die Wand fährt.

Extrembeispiel für Spielweisen-Unrobustheit: Sorcerer. Sorcerer funktioniert nur mit einer sehr engen Spielweise, die dazu unklar dargelegt ist. Weiche vom Kickernachrennen, Bangschleudern, Dämonenbeziehungsdrama etc. ab oder behandle es falsch, und das Spiel fährt vor die Wand.
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Offline Joerg.D

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Zitat
Das gilt auch wenn wir die Henne vor das Ei setzen und von sozialer Aktivität als Anfangsimpuls ausgehen. Die klassische Ausgangssituation wäre da: "Jetzt sitzen wir hier am Küchentisch und wollen eine Kampagne beginnen, welches Spiel nehmen wir?" Irgendwer muss da von einem Spiel begeistert sein und ein paar gute Ideen haben warum das Spiel so begeisternd ist, und Solospiel ist da oft der Impuls hinter dem Vorschlag.

Nun,
ich sehe die Beschäftigung im stillen Kämmerlein als Sache, die kommt, wenn man mit dem aktuellen Spiel/ dessen Mechaniken unzufrieden ist. Selbstverständlich kann man sich auch mit neuen Spielen befassen, nur weil man deren Konzepte toll findet, oder neugierig ist, wie das Regelwerk denn ... umsetzt. Aber eine ernsthafte und langfristige Beschäftigung in Form von ich baue jetzt xyz für eine Kampagne ist nach meiner Ansicht erst der Fall, wenn es irgendwo harkt, oder ein Kampagnenende naht und man neues ausprobieren will. Aber vielleicht ist das auch zu sehr durch meine eigene Sicht geprägt.
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Offline Dr.Boomslang

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Einig sind wir ja sicher alle darin dass es die Aspekte des Solo Spiels und die Interaktion zwischen Solo-Spiel und Gruppenspiel gibt. Sie können auch sowohl positive wie negative Auswirkungen haben. Ich möchte aber Christians Ergänzung zu Fredis Post unterstreichen: Solo-Spiel ist kein reiner Ersatz für etwas dass man im Gruppenspiel nicht bekommt. Das kann so sein, aber das ist schon ein Anzeichen dafür dass was falsch läuft. Es gibt auch die Variante in der das SoloSpiel (z.B. Vorbereitung jeglicher Art) notwendiger Teil des Spiels ist, aber auch zum Spielspaß beiträgt.

Die Frage ist ja nun was das mit dem Werk zu tun hat das uns der Autor vorgibt. Es wurde ja schon gesagt dass dieses "unperfekte" nicht wirklich heißt dass das Spiel nicht funktioniert, obwohl das im Artikel von Jeff Rients auch so zu verstehen wäre (er meint man könne den Spielern einfach irgendwas geben, sie machen schon was draus). Jeffs Punkt ist es soweit ich das verstehe, dass man Spielern etwas geben muss das sie für sich persönlich aufbauen und verändern können. Dieses Argument geht für mich in Richtung Spiel vs. Spielzeug. Jeff meint er bringe damit ein Argument gegen die "Design by Law" und "System matters" Philosophie. Ich sehe das anders.

Erstens kann man durchaus Spiele machen die absichtlich in gewissen Teilen abgeschlossen sind. Sei es dass die Mechanik nicht verändert werden darf, oder das Thema fest steht, oder dass Solo-Spiel entweder nicht nötig oder gar nicht sinnvoll ist. Solche Spiele können trotzdem gute Spiele sein. Dies sind eher die "Spiel"-Spiele und keine Spielzeuge. Diese machen auch Spaß und sind nicht schlechter, sie sind aber sicher in vielerlei Hinsicht einfacher (das mag man positiv oder negativ bewerten).
Zweitens lassen sich aber auf Spielzeug-Spiele meiner Ansicht nach die gleichen Prinzipien anwenden wie auf abgeschlossene Spiele. Hier gilt genauso "System matters" und "Design by Law". Nur muss man sich hier etwas mehr bewusst machen, dass System etwas ist das individuell in der Gruppe entsteht und sich auch mit dem Spiel und den Spielern verändert. Das System ist in den Köpfen und nicht auf dem Papier, und die Köpfe denken auch weiter wenn man grade nicht wirklich spielt.

Der letzte Punkt ist für mich der wichtigste. Wie kann man ein Spiel so designen, dass man die Evolution des Systems in den Köpfen mit zum Teil des Spiels werden lässt und diesen Teil des Spiels so auch zu einem gewissen Grade dem Einfluss des Designers zugänglich macht?
Ich sehe das nicht wie Jeff, dass man sich als Designer hier einfach nur zurückhalten und den Spielern einfach nur irgendwas funktionierendes geben sollte, womit sie sich dann selber beschäftigen. Man kann das machen, das ist eine Möglichkeit die funktioniert (sofern man die Grundlagen eine funktionierenden Systems beherrscht). Man kann sich allerdings darüber streiten wie gut diese Methode funktioniert.
Wir alle kennen diese Systeme. DSA, Shadowrun, GURPS (ich nehme mal D&D aus) sind alle Systeme die mir als Spieler erstmal einen Haufen Material hinwerfen, den ich benutzen kann. Ein guter Teil davon funktioniert und ist auch sicher gut designt. Den Rest entwickelt die Gruppe auf dieser Basis selbst. Das funktioniert auch offensichtlich, die Spieler haben damit Spaß oder auch nicht. Diese Systeme haben zumindest Erfolg. Aber sind sie gut designt? Sind es von vornherein gute Spiele? Eher nicht.

Ein anderer Punkt ist es natürlich, dass ein Designer nicht der Versuchung erliegen sollte das Spiel selber zu spielen. Es muss immer einen Bereich geben in dem sich das Spiel erst im Spiel entwickelt. Das ist die "Fruitful Void".
Aber davon abgesehen finde ich es weder verpflichtend Spiele so zu entwickeln dass sie "unperfekt" sind, noch glaube ich dass man mit purer Zurückhaltung als Designer das Maximum aus dem Spiel neben dem Spiel herausholen kann.
« Letzte Änderung: 29.03.2008 | 17:36 von Dr.Boomslang »

Offline Fredi der Elch

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Passiert da wirklich nichts? Machst du dir nicht zwischendurch Gedanken um deinen Charakter, überlegst wie sich die Handlung aus der letzten Sitzung und den aufeinanderprallenden Konflikten entwickeln könnte, was eine interessante Szene zur Einführung wäre etc.?
Da passiert wirklich nichts. Manchmal passiert fast nichts und den Rest der Zeit passiert überhaupt nichts. Das geht so weit, dass wir immer etwas Zeit brauchen, bis wir wieder rein kommen, weil wir vergessen haben, wo wir waren, weil keiner der Spieler zwischendurch irgendwie über das Spiel nachgedacht hat. Wir überlegen alles live und in Farbe bein Spielen. Wir mögen PtA ja gerade deswegen: weil keiner was vorbereiten muss und man zwischen den Sitzungen nicht drüber nachzudenken braucht.

Zitat
Ich stimme dir insofern zu dass das Solospiel vor allem da glänzt wo es Bedürfnisse befriedigen kann, die das Gruppenspiel nicht befriedigen kann.

Gleichzeitig will ich aber vehement der Behauptung widersprechen dass sich nur aus schlechtem Gruppenspiel der Bedarf an Solospiel ergibt.
Da hast du völlig Recht und Christian Preuss hat das direkt nach meinem Post schon ergänzt. Man darf allerdings nicht vergessen, dass es den Fall durchaus gibt, dass das Gruppenspiel einfach schlecht ist und die Spieler deswegen Solospielen (und z.B. ellenlange Hintergrundgeschichten schreiben, die dann keiner liest und die nie wieder vorkommen).
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Skyrock

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Dann haben wir wohl einfach aneinander vorbeigeredet, denn dass der Bedarf an Solospiel im Falle von schlechtem Gruppenspiel höher liegen kann, da stimme ich sofort zu.
Als BWLer gesprochen, und für dich als Psychologen sicher auch gut nachvollziehbar: Das Gruppenspiel kann dann deutlich weniger Nutzenstiftung bieten und befriedigt weniger Bedürfnisse. Da das Bedürfnis aber nicht einfach in einer Logikwolke aus der Welt verschwindet, muss es anderweitig befriedigt werden, und Solospiel ist da ein sehr gut möglicher Ersatz.
(Oder eben das jeweilige Bedürfnis abschreiben und damit die Ansprüche herunterschrauben, s. Thread zur Rollenspielzufriedenheit.)

Ansonsten registriere ich dich als das Unikat dass es schafft eine Kampagne am Leben zu halten ohne dass es jegliches Solospiel gäbe, und stelle fest dass funktionierendes Gruppenspiel nicht absolut (gutes) Solospiel bedingt.
Wie gesagt ist das in meinem persönlichen Erfahrungsraum aber nicht der Normalfall.
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oliof

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Ich kenne einige Leute, die überhaupt kein Solospiel betreiben. Sie sind alle Casual Gamer, und nehmen aktiv am Rundenspiel teil; ohne sich zwischendurch Gedanken zu machen.

Sie profitieren natürlich von der Tatsache, dass andere durchaus so spielen. Solospiel kann das Gruppenspiel bereichen, ohne dass jedes Gruppenmitglied für sich so verfährt.

alexandro

  • Gast
So isses. In der Tat ist es so (wie jemand im B! bereits anmerkte- wo mir der Thread inzwischen zu unübersichtlich geworden ist), dass Solospiel haupsächlich für den SL Möglichkeiten bietet, für den Spieler aber fast keine.

Dieser kann sich nur mit was-wäre-wenn-Spielchen auf der Regelebene (a.k.a. "Was steigere ich als nächstes?") oder auf der Immersionsebene (Charaktergeschichte) über Wasser halten- murksig klein-klein vs. groß und episch einer (guten) tatsächlichen Spielrunde.