Autor Thema: Indies entdecken Zufallstabellen neu…  (Gelesen 3179 mal)

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oliof

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Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« am: 8.04.2008 | 18:26 »
Crosspost mit meinem blog:

Ich hab ja aufgrund einiger lustiger Diskussionen in verschiedenen Foren doch mal die 10$ für eine Digitalkopie von In a Wicked Age ausgegeben.

36 Seiten, sehr erzählspielig, für meinen Geschmack zu wenig Struktur, der Halt gibt.

ABER: Was mich wirklich fesselt, obwohl ich das Spiel doof finden wollte, sind die Orakel. Das sind glorifizierte Zufallstabellen, die in diesem Fall aber nicht nur die Situation generieren, in der man spielt, sondern auch die Charaktere suggeriert, die es zu spielen gilt.

Die halbe Indie-Welt ist derzeit dabei, eigene Orakel zu schreiben – gespielt wird das Spiel aber nicht so häufig, gerüchtet es. Ich hab eine dreckige Übersetzung der Orakel hingerotzt, weil sie mich nicht losgelassen haben – allerdings in Vorbereitung einer Testrunde, die ich Freitag auf der Wolke leiten werde.

Danach kann ich mehr sagen.

Vorläufig ist meine Meinung aber: Orakel, schön und gut, Situation Generator und Proto-Lifepath in einem, auch die Best Interests (Spielhilfe hier) als Mittel, die Charaktere und NSCs zu verknüpfen und gegeneinander aufzustellen, gefallen mir. Letztlich ist es nichts anderes als eine Story-Map/R-Map, aber sie ist gut untergebracht.

Das 'System'… da spiel ich lieber gleich DRASTIC – oder gieße die Ergebnisse in ein 'klassisches' Regelkorsett, das mir wenigstens Halt gibt.

Enttäuscht bin ich auch von der Textqualität. Mit Dogs in the Vineyard hatte Vincent Baker eines der am besten geschriebenen Regelwerke die ich kenne abgeliefert, In a Wicked Age verliert sich ein im vertraulichen Ton und den Beispielen, ohne die Regeln klar abzusetzen. Ein Freiwilliger hat ein Regeldiagramm verfaßt, das den Ablauf ganz gut wiedergibt, auch wenn es auf den ersten Blick wirr aussieht.

Ich bin also 'unterwältigt', eigentlich habe ich mehr erwartet. Wenn die Best Interests-Geschichte im Hauptwerk landeten und die Regeln klarer erläutert würden, wäre ich vielleicht eher geneigt, das Spiel nicht 'zusammengestoppelt' zu finden. Um das Geld ist es mir nicht schade, ich hab schon deutlich mehr Kohle für schlechte Kinofilme investiert, aber entweder ist das Teil wirklich unfertig, ich bin zu doof für die Genialität dieses Spiels, oder meine Prioritäten wandeln sich.

Offline Lord Verminaard

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #1 am: 8.04.2008 | 18:36 »
Ist IAWA eigentlich = Arts, Grace & Guts = Cheap and Cheasy FRPG?

Was genau tun eigentlich die Oracles?

Das ist doch bisher nur ein Ashcan, oder?
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oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #2 am: 8.04.2008 | 19:01 »
Jein.

Die Oracles sind aus den Zufallstabellen aus Cheap and Cheesy. Art,Grace&Guts ist der alte Name von IaWA; und einiges hat sich seit AG&G geändert. Und als Ash Can wird das nicht vermarktet, auch wenn das PDF "including updates" verkauft wird. Wie aus den einfachen Zufallstabellen die Oracles geworden sind, kann man hier, hier und hier in Vincents blog nachlesen.

oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #3 am: 8.04.2008 | 19:13 »
Die Oracles sind vier thematisch sortierte Zufallstabellen: Blut und Sex,Gottkönige des Kriegs,die rastlose Vergangenheit und eine Schlangengrube. Sie beinhalten Situative Schnipsel, so wie:

Zitat
Orakel: Blut und Sex - Eine Gruppe Ziegenhirten, bewaffnet und aufgebracht durch das Unrecht, das ihrem Clan zugefügt wurde.
Orakel: Gottkönige des Kriegs - Ein geheimer Orden mystischer Krieger, die ihre Reliquien verteidigen.
Orakel: Die rastlose Vergangenheit - Der Marschbefehl für eine große Armee, die Parolen und Signale, und der unglückliche Berater, der all dies verloren hat.
Orakel: Eine Schlangengrube - Er schwört den Göttern ab, denn er hält sie für falsch und unserer Aufmerksamkeit für unwürdig, und seine gebildeten Gegner, in einem hitzigen Disput.

und daraus sucht man sich die Spielercharaktere und NSC raus, und setzt sie in eine von den Orakeln inspirierte Story Map (die sich aus den selbstgewählten Best Interests entwickelt). Das ist der Teil, der mir gefällt.

Charaktere haben noch Werte (früher Art, Grace und Guts, heute sechs andere Deskriptoren; und ein besonderes Talent), und das Konfliktsystem ist eine Art auf drei Runden reduziertes BDtP mit funky dice (d4 bis d10). Und genau das ist mir zu 'dünn'.

oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #4 am: 8.04.2008 | 19:21 »
Ich hab die Owe List komplett nicht erwähnt.

Nebenbei: Alles, was ich gut finde, ist in dem ersten Blogbeitrag erwähnt. Und der ist von 2006; auch wenn man IaWA Ashcan-Status zuspricht, ist das nicht besonders viel. Entweder ist das Design wirklich genial in seiner Schlichtheit, oder eben ein elaborierter Witz Blogeintrag.

Offline Fredi der Elch

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #5 am: 8.04.2008 | 20:51 »
Enttäuscht bin ich auch von der Textqualität. Mit Dogs in the Vineyard hatte Vincent Baker eines der am besten geschriebenen Regelwerke die ich kenne abgeliefert, In a Wicked Age verliert sich ein im vertraulichen Ton und den Beispielen, ohne die Regeln klar abzusetzen.
Das habe ich auch gehört. Der Text soll das Spiel richtig schlecht erklären, das tatsächliche Spiel aber stellenweise mit der richtigen Gruppe echt gut sein. Naja, dasselbe, was man eben so von AD&D und Storyteller hört. ;D Aber ich bin auch "underwhelmed" von Vincent... :(
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Zitat von: 1of3
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Offline Dirk

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #6 am: 8.04.2008 | 21:05 »
Wir haben es zu dritt gespielt und, ich war beim Lesen etwas enttäuscht, wir sind auch im Spiel ganz schön gestolpert. Jedoch war es sehr, sehr spät und meine Mitspieler hatten zusammen 6 Rotweinflaschen intus. Aber:(!) beide sagten, es fetzt und man müsste es nochmal spielen. Da kann ich nur zustimmen, doch jetzt sind wir erst einmal mit Robots und Rapiers vereinnahmt.

Man sollte sich auf jeden Fall ein paar APs anschauen und sich allgemein mit der Entstehung des Spiels beschäftigen. Dann klappt es wohl reibungsloser. (ein Tipp auf Storygames)

Es ging auch ohne, obwohl ich den Anfang der Entstehung recht interessiert verfolgte, jedoch ist die Vermischung von Spieltips, Erklärung und Regeln keineswegs gelungen.

Immerhin hatten wir eine sehr schöne und respektierte Romanze. Das hatten wir lange nicht...

MfG
Dirk
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Offline Lord Verminaard

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #7 am: 9.04.2008 | 16:35 »
Kann man irgendwo auch die gesamten Listen einsehen?
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #8 am: 9.04.2008 | 16:56 »
Jedoch war es sehr, sehr spät und meine Mitspieler hatten zusammen 6 Rotweinflaschen intus.
Muss ja ne große Gruppe gewesen sein...

Aber:(!) beide sagten, es fetzt...
;D...

Pyromancer

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #9 am: 9.04.2008 | 17:39 »
Kann man irgendwo auch die gesamten Listen einsehen?

http://www.random-generator.com/index.php?title=In_a_Wicked_Age

Auf das entsprechende Orakel klicken und dann auf "source". Irgendwo gibt es das bestimmt auch eleganter.

oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #10 am: 9.04.2008 | 22:49 »
Die deutschen Übersetzungen bedürfen übrigens ganz klar einer sauberen Überarbeitung. Wer auch immer das gemacht hat, hat nicht viel Zeit investiert, das ist offensichtlich.

oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #11 am: 13.04.2008 | 14:22 »
Am Freitag habe ich auf der Wolke In a Wicked Age ausprobiert: Ich hatte fünf Mitspieler, und nach einer kurzen Einweisung in die Idee haben wir das Orakel befragt – Eva hat sich eins ausgesucht, die anderen vier Spieler haben gezogen.

Wir hatten:

Ein Schatzsucher, der den Einflüsterungen eines versklavten Geistes folgt.

Der überwucherte Tempel und die in Vergessenheit geratenen Tiergeister seines Kultes.

Die hübsche, junge Gemahlin eines Greisen, der von den Göttern berührt wurde.

Ein wilder, ungehobelter Wolfsjäger.

Daraus Charaktere und NSCs und ein paar Situationen zu entwickeln, war kein Problem. Etwas mühsamer wurde es bei der Vergabe der Würfel auf die Formen und der Entwicklung der Particular Strengths, die ich glaube ich überhaupt nicht erwähnt habe: Jeder Charakter hat einen Shtick, den er benutzen kann, um besondere Dinge zu können. Während der Schatzsucher und der Geist ziemlich schnell wußten was sie können (Der Schatzjäger kann Geister versklaven; der Geist kann anderen Wünsche einflüstern), war es bei den anderen nicht ganz so klar: Die beiden Tiergeister (ein Waldkauz – konnte eine beeindruckende Aura einsetzen, um Leute zu beeindrucken oder zu ängstigen; der weiße Hirsch konnte anderen ins Herz schauen). Etwas unklar war die Zuordnung der Formen zu den Particular Strengths; bei der Verknüpfung der Story Map hat die bereits erwähnte Spielhilfe geholfen.

Das Spiel selbst hat ganz gut funktioniert, auch wenn die stupid dice tricks doch etwas verwirrend waren. Da hätte eine Trockenübung meinerseits doch ganz gut geholfen. Aufgrund der vielen Spieler (das Spiel selbst empfiehlt drei bis vier; ich hatte fünf) hatte ich nur zwei NSCs aus den Orakeln, die ich mehr schlecht als recht eingebaut hatte – viel war aber auch nicht nötig, weil die Charaktere sich sehr gut miteinander beschäftigt hatten.

Organisatorische Anmerkung: Ich hatte vergessen, die Spieler vor nach deren 'Kuschelfaktor' zu fragen, und im Nachhinein haben zwei angemerkt, dass sie lieber eine Gruppe als Charaktere gespielt hätten, die gegeneinander angehen. Da habe ich im Vorfeld gepennt, ich hätte da vorher nachfragen sollen. Trotzdem haben alle viel Spaß hatten.

Das Würfelsystem hat dann aber – im Sinne der Geschichten, die es abbilden will – ganz gut funktioniert. Wie bei allen Erzählspielen geht es mehr um das Verteilen des Erzählrechts und die Schaffung unerwarteter Wendungen als um ausgeklügelte Strategie und Taktik. In der Kombination aus Particular Strength und sechs Forms ergibt sich mehr … Gestaltungsmasse als ich im Vorwege erwartet hatte.

Wie bei vielen thematischen Spielen hatte sich am Ende nach einer knapp dreieinhalbstündigen Settings eine ganz gute Geschichte entwickelt, in deren Verlauf der Jäger fast den Verlockungen der jungen Gemahlin erlag – aber die Freiheit vorzog und weiter auf Jagd auf den weißen Hirsch machte; der Schatzsucher fand den Tempel, versklavte den Eulengeist, befreite und versklavte den Einflüsterer; der Hirsch suchte und fand einen Hohepriester für seinen Tempel (in Form des Schatzsuchers), der Jäger rang den Hirsch nieder und gewann eine Trophäe, der Greis versuchte die Geister zu befreien; am Ende entkam der Schatzjäger mit dem größten Schatz: Der Eulengeist und der Einflüsterer-Geist gefangen in seinem Wanderstab.

Für ein 'unfertiges' Spiel lief es, wie gesagt gut. Wir hatten Spaß, es war spannend, überraschende Dinge geschahen, und am Ende konnte man auf eine Geschichte zurückschauen.

Fazit: Für ein Spiel, dass ich doof finden wollte, wars toll! Und ob die (kleineren) Probleme mit dem Konfliktsystem an meinem Mangel an Verständnis oder an Mängeln im System lagen, finde ich noch raus. Die Basis finde ich aber ganz gut, und Frank könnte es besser gefallen als erweiterte Konflikte bei TSOY …

Offline Dirk

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #12 am: 13.04.2008 | 20:52 »
Also nochmal spielen? Klingt ganz danach.Ich hatte, nach diesem Thread, mir das Spiel noch einmal zur Hand genommen und festgestellt, dass wir das Würfelsystem eher taktisch verstanden hatten. Du hast mir die Worte damit aus dem Mund genommen: es ist wirklich sehr erzählerisch gemeint.

Wie gesagt wird es nochmals auf dem Tisch landen. Komischerweise bin ich jetzt schon gespannt darauf. Oftmals ein Zeichen dafür etwas gut zu finden.

MfG
Dirk

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oliof

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Re: Indies entdecken Zufallstabellen neu…
« Antwort #13 am: 14.04.2008 | 13:01 »
Richtig, das wird auf jeden Fall nochmal gespielt. Eigentlich auf jeden Fall zweimal: Einmal im klassischen "PvP"-Modus, einmal in der Absicht, Party-Play zu machen. Ich glaube, beides geht; der Text sieht aber ersteres vor. In der Runde hätten wir zum Beispiel auch die Gruppe der Tiergeister spielen können, die den Tempel gegen Schatzjäger, alte Männer und stinkende Jäger verteidigen müssen.