Das Tanelorn spielt > Spieltisch - Orga

Arcane Codex - Iluans Schicksal

<< < (21/28) > >>

Iluan:
Plötzlich bin ich ganz ruhig. Mein Gegner entscheidet nun, was mit mir geschieht. Aber ich werde ihm dabei in die Augen schauen. Ich lege meinen Kopf zurück, um meinen Hals zu entblößen und meine Niederlage einzugestehen, halte den Blick dabei aber fest auf den seinen gerichtet. Als ich meinen Kamm anlegen will, überfällt mich eine Woge der Desorientierung. Ich werde mir des Fehlens von Kamm und Klauen bewusst, begreife plötzlich wieder, wer ich bin.
Meine Erinnerung kommt zurück, wer Sirra'Xorr ist, warum ich mich mit ihm in dieser Höhle befinde. Habe ich Stimmen gehört? Hat Sirra'Xorr mich deshalb gefesselt? Damit wir nicht entdeckt werden? Mein Blick zuckt zu dem Obsidianmesser, das über mir schwebt. Was will er aber dann damit? Ich kann nur abwarten. Und obwohl ich jetzt wieder einen einigermaßen klaren Kopf habe, fühlt es sich richtig an, ihm meinen Hals darzubieten, als Geste der Unterwerfung, denn er hat mich besiegt, und ich kann nun ohnehin nichts mehr ändern. Und wenn er mich nicht tötet, wenn er mich nur verletzt, dann werde ich auch das überstehen wie schon so Vieles.
Ich atme aus, blicke ihm wieder ganz ins Gesicht und mache mich bereit für die Klinge...

Richtenstahl:
Alle diese Gedanken sind dir in dem einen, kurzen Augenblick durch den Kopf geschossen, den das Messer aus glitzernd scharfem Obsidian am Scheitelpunkt verharrte.
Du blickst in das Gesicht von Sirra´Xorr, die ledrige Schnauze, als aus seinem Hals plötzlich zwei kurze Bolzen wachsen und eine Hakenkette, die sich rasselnd um seine Hände geschlungen hat, ihn zurückreißt.
Für einen Moment hallt das durchdringende Flüstern durch den Raum, das du schonmal bei einer Trainingseinheit der Nachtgeister gehört hast, den gefährlichsten Meuchelmördern der Morai. Dann gleiten mehrere Gestalten herauf und schwärmen über Sirra´Xorr. Als sie ihn zu Boden reiten und zwischen sich wegschleppen, wirft er Dir noch einen Blick zu, und ein Nicken.
Dann ist er verschwunden und dein Halsreif vibriert.

Iluan:
Ich liege da, für einen Moment erstarrt, und blicke meinem ersten und einzigen Freund hinterher. Eine dunkle Gestalt ragt über mir auf und tritt unsanft in meine Seite. Auf meine unwillkürliche Reaktion, murmelt die Stimme eines Morai: "Noch am Leben." Dann scheint er das leise Brummen meines vibrierenden Halsreifs auf dem Stein des Höhlenbodens zu hören und beugt sich herab.
"Herr, bitte macht mich los, mein Meister ruft nach mir," sage ich mit einer Stimme, die so heiser ist, dass sie über ein Flüstern kaum hinauskommt, und ich erschrecke selber, wie leicht es mir fällt, in meinen sklaven-Alltag zurückzukehren, nach allem, was ich in den letzten Stunden? Tagen? erlebt habe und nachdem das freundlichste Wesen, das mir in meinem bisherigen Leben begegnet ist, gerade von den Nachtschatten mitgenommen wurde.
Der Morai über mir quittiert meine Wort mit einem kurzen, bösen Lachen, zieht aber ein Messer und schneidet die Stricke, die rote Striemen in meine Haut gegraben haben, los.
Dann wendet er sich um und verschwindet lautlos. Ich richte mich langsam auf. Jeder Muskel schmerzt, und ich fühle mich noch immer wie nach einem jener Rituale, bei dem Syroxor den größten Teil meines Blutes aus mir hat herauslaufen lassen. Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass tief in mir eine heiße, animalische Kraft lodert, die all die körperlichen Wehwehchen nicht erreichen können.
Die Botschaft meines Halsreifens wird drängender, erste Schmerzimpulse zucken durch die Muskeln meiner Schultern, aber ich blecke nur die Zähne zu einem lautlosen Knurren und werfe einen letzten Blick auf die kleine Felshöhle, die für eine Weile ein Heiligtum für mich war und wie eine Eierschale das Neue umschlossen hat, das in mir gewachsen ist und das ich noch nicht benennen kann, aber über jeden Zweifel erhaben in mir brennen spüre.
Mein Blick fällt auf Sirra'Xorrs Obsidianmesser, das er fallen gelassen haben muss, als sich die Ketten um seine Arme gelegt haben, und das in eine Nische gerutscht ist, in der die Morai es übersehen haben müssen. Ich nehme das Messer an mich und verberge es im Ärmel meiner Tunika, als ich mich auf den Weg mache.
Abwärts ist der Weg durch den Felskamin leichter. Ich falle zu Boden und schürfe mir die Knie auf, als ich mich die letzten Meter fallen lasse und meine Beine bei der Landung unter mir nachgeben. Wenige Schritte später bin ich in der Höhle der Teiche und stelle erleichtert fest, dass sie leer ist. Ich ignoriere die Schmerzen, die inzwischen von dem Halsreif bis in meine Fingerspitzen durch meine Arme vibrieren, entledige mich meiner Tunika, und tauche, das Obsidianmesser sicher in meiner Hand, in einen der eiskalten Teiche. Das saubere Wasser auf meiner Haut fühlt sich wunderbar an, als ich untertauche, und für einen Moment kommt mir der Gedanke, einfach immer tiefer zu tauchen, hinein in die Dunkelheit, und nie wieder an die Oberfläche zu kommen, aber dieser Gedanke kommt wie aus einer fremd gewordenen Vergangenheit, und als ich die Wasseroberfläche wieder durchbreche und süße Luft in meine Lungen sauge, entkommt ein Laut meiner Kehle, der irgendwo zwischen einem Lachen und einem herausfordernden Knurren liegt.
Ich entsteige dem Wasser, streife mir die Tunika wieder über, von der mir erst jetzt so richtig auffällt, wie dreckverkrustet und steif vor Schweiß sie ist, und verlasse die Teiche. Von hier ist es nur ein kurzer Umweg zu meiner Höhle, auf dem Weg zu den hellen Gängen der Morai, und ich verstaue das Obsidianmesser in einer Nische direkt über dem Eingang, die auf den ersten Blick fast unsichtbar ist.
Als ich den Ausgang der Sklaven-Quartiere gerade erreicht habe, fahren die ersten richtig heftigen Schmerzimpulse durch meinen Körper und lassen mich für einen Moment taumeln. Ich rennen nun fast, und doch löst der Schmerz in mir keine Angst aus, sondern etwas wie Heiterkeit, obwohl ich mir das nicht erklären kann.
Atemlos und mit letzter Kraft erreiche ich schließlich Syroxors Labor. Fast schaffe ich es nicht, die schwere, reich verzierte Tür aufzuschieben, aber dann bewegt sie sich, und ich husche hinein. Aus dem Augenwinkel sehe ich Syroxor an einem Regal stehen und falle auf die Knie, ohne zu wissen, ob meine Beine mich überhaupt noch weiter getragen hätten. Erst als ich auf meine im Schoß zusammengelegten Hände blicke, fällt mir auf, dass ein Teil der roten Farbe, mit der Sirra'Xorr meinen Körper gezeichnet hat, mein kurzes Bad überstanden hat, und die Symbole an mehreren Stellen noch deutlich erkennbar sind.

Richtenstahl:
Syroxor ignoriert dich anscheinend vollkommen. Obwohl du in Jahren schmerzhafter Erfahrung gelernt hast, dass ihm doch nichts entgeht, was du tust. Bestimmt die Hälfte einer Stunde liegst du auf den Knien. Er liest in dem Buch, das er in der Hand hält. Dann stellt er es zurück ins Regal, schlendert zu seiner Sitzecke hinüber, gießt sich ein Glas dunklen Weines ein un macht es scih bequem.
"Berichte!"

Iluan:
Meine Füße spüre ich schon lange nicht mehr, aber ich bin trotzdem dankbar für die Atempause, die ich bekommen habe. Natürlich habe ich, während Syroxor mich ignoriert hat, mir fieberhaft Gedanken gemacht, wie ich erklären soll, wo ich war und warum mein Körper von seltsamen Symbolen bedeckt ist. So habe ich, als Syroxor schließlich fragt, eine fertige Antwort bereit:
"Ein Krask-Sklave hat mich gefangen genommen, Meister Syroxor. Er hat mich in den Sklavenquartieren überfallen und bewusstlos geschlagen." Eine kleine Geste in Richtung meines Gesichtes, wo mich Sirra'Xorrs Schwanz getroffen hat. " Er hat mich gefesselt und in eine kleine Höhle gebracht. Dort hat er irgend ein Ritual mit mir durchgeführt." Ich versuche Verständnislosigkeit und ein Schaudern in meine Stimme zu legen. "Er hat irgendein Kraut verbrannt, das meinen Kopf benebelt hat, und in einer fremden Sprache gesprochen und diese Zeichen auf meine Haut gemalt." Ich hebe ihm einen meiner Arme entgegen. "Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Ich habe irgendwelche Alpträume gehabt. Ich weiß nicht einmal genau, wie viel Zeit vergangen ist. Ich bin wieder zu mir gekommen, als ein Trupp von Nachtschatten den Krask gefangen genommen und mich befreit haben." Ich schweige einen kurzen Moment, überlege, ob meiner Geschichte noch etwas fehlt, dann sage ich mit schüchterner Stimme: "Wisst Ihr, ob der Krask noch lebt, Herr? Ich...ich wüsste gerne, was er mit mir tun wollte..."
Mir ist klar, dass ich Sirra'Xorr mit dem, was ich gesagt habe, vielleicht umgebracht habe. Falls er denn überhaupt noch lebt. Aber meine Geschichte war Sirra'Xorrs letztes Geschenk an mich, und das werde ich nicht wegwerfen. Gerade, wenn es ihn vielleicht schon das Leben gekostet hat. Außerdem hoffe ich, Syroxors Interesse geweckt zu haben. Immerhin hat jemand etwas angestellt mit seinem Besitz, und er weiß nicht, was. Mit etwas Glück kann das Sirra'Xorr das Leben retten, zumindest für eine Weile vielleicht. Bis ich vielleicht etwas für ihn tun kann? wenn er noch lebt...

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln