Autor Thema: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?  (Gelesen 5849 mal)

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Offline Gaukelmeister

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Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« am: 20.10.2008 | 20:01 »
Kürzlich hat Jörg D. angemerkt, dass er selbst, Vash und der Dead Operator sich mit (literatur)theoretischen Überlegungen zum Anfertigen von Plotstrukturen auseinander gesetzt haben, um diese Erkenntnisse für die Spielleitung nutzbar zu machen. Gerade ist mir beim Anschauen der Con-Infos aufgefallen, dass Vash zu diesem Thema einen Workshop beim Dreieich-Con abhalten wird. Auf der Suche nach Literatur zum Thema bin ich dann auf die Homepage von Alex W. gestoßen.

Nun bin ich angefixt und frage mich, was gibt's da für Einsichten zu holen? Inwiefern kann ich als Spielleiter davon profitieren?

Außerdem interessiert mich natürlich, welche Literatur diejenigen empfehlen können, die sich damit auskennen. (Angestoßen durch die Tipps von Alex W. habe ich beim Stöbern folgende Titel gefunden, die interessant klingen:

James Scott Bell - Write Great Fiction: Plot & Structure: Techniques and Exercises for Crafting a Plot That Grips Readers from Start to Finish: Techniques and Exercises for ... Start to Finish (Write Great Fiction Series)

Ronald B. Tobias - 20 Master Plots: And How to Build Them

Ansen Dibell - Plot (Elements of Fiction Writing)

Sind das sinnvolle Startpunkte?)
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Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #1 am: 20.10.2008 | 20:29 »
Ich fand dazu hilfreich:

Die Odyssee des Drehbuchschreibers (Christopher Vogler)
Freistil (Dagmar Benke)
Story (Robert McKee)

Nicht direkt für Storykonzeption geeignet, aber durchaus lesenswert als Unterstützende Literatur:
Der Heros in tausend Gestalten (Joseph Campbell)
Das Kraftfeld der Mythen (Norbert Bischof)

Und ein Tipp mit auf den Weg: das liest sich zwar alles interessant, aber das Ganze dann auch sinnvoll ins Rollenspiel zu übertragen, ist schwierig. Ja, man lernt viel über den Aufbau von Geschichten und stellt fest, dass es tatsächlich nur wenige Geschichten (und Helden-/Charaktertypen) in vielen unterschiedlichen Versionen gibt. Man kann einiges für den Aufbau von Abenteuern und die Charakterisierung von NSCs daraus ziehen.
Aber diese Theorie ist eben fürs Schreiben und für Drehbücher gedacht. Rollenspiele funktionieren doch ziemlich anders. Es gibt hier eben gerade kein festes Drehbuch, keine Hauptfiguren, du hast immer ein Figurenensemble. Du kannst eine Story hier nicht so planen, wie als Drehbuchschreiber, den damit blockierst du eine freie Entwicklung des Plots durch die Kreativität deiner Spieler.
Wenn sich deine Spieler also nicht ebenfalls mit dem Thema beschäftigen und du nicht den Erzählonkel für sie machen willst, läufst du bald gegen eine Wand. 
« Letzte Änderung: 27.10.2008 | 08:04 von Enkidi Li Halan »

Offline Joerg.D

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #2 am: 20.10.2008 | 20:50 »
Zitat
Inwiefern kann ich als Spielleiter davon profitieren?

Wenn du deine bevorzugte Struktur gefunden hast, fällt es dir leichter Abenteuer zu entwickeln. Die meisten Geschichten folgen einer der klassischen Strukturen und wenn man sie kennt, kann man Fehler im Aufbau einer Geschichte leichter erkennen oder sie schon beim Schreiben vermeiden. So sparst Du Zeit ein, die dann für schönere Sachen genutzt werden kann. Die Geschichten also werden in sich runder und sind schneller verfasst.

Allerdings hat die Sache auch einen Nachteil, denn wenn die Geschichte im Vordergrund steht und nicht mehr die Spieler, kann man leicht auf Illusionismus und Railroading zurückgreifen um die gewünschte Geschichte zu erschaffen und die Spieler verkommen zu reinen Zuschauern in der Geschichte des SLs.

Es ist also wichtig, neben der Geschichte die Spieler und ihre Charaktere nicht aus den Augen zu verlieren. Ihre Taten sollten von Relevanz sein und ihre Wünsche in die Geschichte einfließen. Rollenspiel als interaktives Medium ist erheblich komplizierter als Schauspiel oder Theater.

Ich habe noch die Tips, die mir der Vash zum Anfang geschickt hat:
Zitat
The Complete Book of Scriptwriting, by J. Michael Straczynski
Any book written by Linda Seger
Any book written by Sid Field
A Writer's Journey, by Christopher Vogler
Successful Scriptwriting, by Jurgen Wolff and Kerry Cox
The Screenwriter's Bible, by David Trottier


Mein Tipp für gute Geschichten im Rollenspiel basiert auf meiner Überzeugung, dass wie schon am Anfang angemerkt, eine Abenteuer nicht mit einem Film verglichen werden sollte. Der SL sollte in meinen Augen immer auf das reagieren, was seine Spieler machen und die Geschichte sich selber entwickeln lassen. Es ist also eine Art Impro-Soap: Eine improvisierte, auf mehrere Folgen angelegte Geschichte in der der Regisseur den Plott grob vorgibt und regulierend eingreifen darf.

Ruth Zaporah: Action Theater - the improvisation of presence. North Atlantic Books, Berkeley Cal 1995. ISBN 1-55643-186-4

und

Keith Johnstone: Improvisation und Theater. Alexander Verlag, Berlin 1993. ISBN 3923854676

Sind da gute Tips.

Zusätzlich zum Problem mit der Interaktion zwischen SL und Spielern kommt auch noch die Schwierigkeit, des Würfelns und der von vielen Spielern gewünschten Herausforderung im taktischen Sinne, die eine lineare Entwicklung von Geschichten wie im Theater oder Film verhindern.

Also sollte man die Plottheorie für die Entwicklung guter und vielseitiger Plots nutzen, die logisch aufgebaut sind und diese dann mit seiner Kreativität und dem Imput der Spieler zu einem Gesamtkunstwerk formen.


Edit: Die Bücher die Enkidi gepostet hat aus der Liste gestrichen.
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Offline AlexW

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #3 am: 20.10.2008 | 20:50 »
Hi Gaukelmeister,

schoen, dass dich die Liste angesprochen hat. :) Enkidi hat voellig recht: ein Rollenspiel funktioniert anders als ein Roman. (Ich hab Abenteuer, die ich geleitet habe, in Romane verwurstet, insbesondere bei meinen SR-Romanen, die DSA-Romane haben sich nur meiner "Meisterfiguren" bedient).

Wobei dir die Plotbuecher helfen koennen ist, verkuerzt:

1) Dir Plot bewusst zu machen. Was ist Plot ueberhaupt? Ist Plot, wenn wir von A nach B gehen?

2) Darauf aufbauend: Plot ist nicht nur das was, passiert, sondern vor allem, wie es zusammenhaengt. (Motivationen der Charaktere, sowohl Spieler- als auch Spielleiter-, Abfolge der aeusseren Ereignisse, die mehr oder weniger unabhaengig von den Taten der Charaktere geschehen)

3) Dir Plottypen geben (dafuer ist Tobias' 20 Masterplots *sehr* brauchbar), anhand derer du dich inspirieren lassen kannst (im Sinne von "Oh, eine Rivalitaet haben wir lange nicht mehr gehabt")

Wichtig: Was du nicht machen solltest - und krampfhafte Beschaeftigung mit PLOT laedt das geradezu ein - du darfst die Charaktere niemals zu Passagieren in deinem Epos machen, denn dann bist du kein Leiter, sondern ein Autor/Regisseur. Wie im Zen gilt: Erst die Regeln lernen, dann die Regeln vergessen, und dann machen.

Was mir geholfen hat, nach der Beschaeftigung mit Plots ist die Improvisation. Wenn von den Spielern nichts mehr kommt, denke ich darueber nach, "was waere jetzt in einem Film/Buch cool, das passiert?" und dann passiert das und stoesst die Charaktere an, den "Plot" selbst weiterzuentwickeln. Plot bei mir ist das, was "am Ende wegen der Charaktere so und nicht anders passiert". (Deshalb faellt es mir auch enorm schwer, fuer Fading Suns oder DSA Abenteuer zu schreiben - ohne Spieler werde ich zum Romanautor).

Ganz praktisch gesehen stellen sich die Autoren dieser Plot-Buecher natuerlich auch die Frage: "Wieviel "plotten" ist zuviel?" Eine sehr gute Antwort gibt entweder Dibell oder McKee; einer gibt den Rat, eine gute Ausgangsituation zu bauen, die auch gern detailliert ausgearbeiten sein darf (Akt 1). Das ist, auf's Rollenspiel uebertragen, die Situation "vor Ankunft der Charaktere" - das, was im Hintergrund geschehen ist/gerade geschieht. Die "Backstory", das, was das aktuelle Problem erzeugt hat. Nach dieser Ausgangssituation raet der Autor den einen Autoren, ein Ende festzulegen. Der "Plot" ist die natuerliche Entwicklung von der Ausgangsituation zum Ende. Auf's Rollenspiel uebertragen wuerde ich davon abraten - zumindest mehrere Enden sollten es sein, die davon abhaengen, ob sie eintreten, was die Charaktere tun und wie sie sich schlagen. Ende also offen oder halboffen - oder mehrere Enden ausarbeiten.

Wenn du also die Anfangssituation hast und nicht alles "totplotten" willst (viele Autoren verlieren die Lust, wenn sie zu genau wissen, was kommt) raet der Autor dazu, "Plotpfeiler" einzuschlagen, an denen du das ganze wie eine Seilbruecke aufhaengen kannst. Also: feste Ereignisse/Personen/Szenen, die das ganze tragen, aber die Zwischenraeume bleiben frei - frei, um von den Charakteren gestaltet zu werden oder Raum zu lassen fuer Improvisationen, Abweichungen und Unter-Questen. Oder dafuer, dass dir (oder den Spielern) an dem Abend was besseres einfaellt.

Bei Fragen, fragen. :)
« Letzte Änderung: 20.10.2008 | 20:53 von AlexW »

Offline Dom

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #4 am: 20.10.2008 | 21:09 »
Ansonsten könnte es auch helfen, mal in "Spielleiten" zu lesen  ::)

Offline AlexW

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #5 am: 20.10.2008 | 21:10 »
Ansonsten könnte es auch helfen, mal in "Spielleiten" zu lesen  ::)

Haette ich auch empfohlen, aber ich bin noch n icht damit fertig.

Kinshasa Beatboy

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #6 am: 20.10.2008 | 21:11 »
Ansonsten könnte es auch helfen, mal in "Spielleiten" zu lesen  ::)

Ha! Hab ich gerade durch. Fand ich sehr gut!

Bei Fragen, fragen. :)

Danke für das Angebot. Nehme ich gern in Anspruch: Nachdem ich mich wie gesagt gerade durch das Buch von Dom gewühlt habe, könnte ich noch was in der Richtung draufsetzen. Wenn Ihr, also die offensichtlich kenntnisreichen, bisherigen Poster, ein EINZELNES Buch empfehlen müsstet: welches wäre das? Ich bin angesichts der ganzen Nennungen etwas orientierungslos und kenne mich in dem Bereich kaum aus :D

Offline Gaukelmeister

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #7 am: 20.10.2008 | 21:13 »
Wow, danke für die raschen, ausführlichen und sehr hilfreichen Antworten!

Erste Ideen, die ich mitnehme. Plottheorie kann hilfreich sein ...

... beim Planen eines anregend-aufregenden, stimmigen und dynamischen Kampagenenhintergrundes.
... als Inspirationsquelle für gelungene Improvisationen.
... als Orientierungspunkt, um auf den Input der Spieler/das Handeln der Charaktere mit dramatischen, epischen, bewegenden Konsequenzen zu reagieren.

Gefahr: Man wird unflexibel und nimmt den Spielerinput nicht mehr auf.

(Ich werde mir auf jeden Fall, den ein oder anderen Literaturtipp anschauen. - Doms Buch hatte ich schon vorher auf der Liste  ;))
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Offline AlexW

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #8 am: 20.10.2008 | 21:16 »
Ha! Hab ich gerade durch. Fand ich sehr gut!

Danke für das Angebot. Nehme ich gern in Anspruch: Nachdem ich mich wie gesagt gerade durch das Buch von Dom gewühlt habe, könnte ich noch was in der Richtung draufsetzen. Wenn Ihr, also die offensichtlich kenntnisreichen, bisherigen Poster, ein EINZELNES Buch empfehlen müsstet: welches wäre das? Ich bin angesichts der ganzen Nennungen etwas orientierungslos und kenne mich in dem Bereich kaum aus :D

Das waere ein knappes Rennen zwischen Christoph Vogler, Robert McKee und Tobias.

Vogler ist gut fuer mythische Strukturen.
McKee ist ein Augenoeffner aller erster Guete, vielleicht eher etwas fuer Fortgeschrittene
Tobias ist ein toller Ideensteinbruch.

Erm. Entscheiden? Kannichwirklichnicht - ich sammle das Zeug!

Kinshasa Beatboy

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #9 am: 20.10.2008 | 21:21 »
Tobias ist ein toller Ideensteinbruch.

Danke für die Entscheidungshilfe! Habe das Ding gerade bestellt. Da es das im Paket gab mit "45 Master Characters - Victoria Schmidt", werde ich auch da mal reinschauen. Schönen Abend noch!

Offline AlexW

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #10 am: 20.10.2008 | 21:22 »
Danke für die Entscheidungshilfe! Habe das Ding gerade bestellt. Da es das im Paket gab mit "45 Master Characters - Victoria Schmidt", werde ich auch da mal reinschauen. Schönen Abend noch!

Gern. Schreib, wie du's fandest. :)

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #11 am: 20.10.2008 | 21:25 »
...ein EINZELNES Buch empfehlen müsstet: welches wäre das?
Hmm, ich denke ich würde mich für die Odysee von Vogler entscheiden. Liest sich schnell und zügig und vermittelt sehr gut den Klassiker der Plotplanung, die Heldenreise. Fürs Rollenspiel durchaus zu gebrauchen.
Für Figurenentwicklung und nicht-lineare Storyentwicklung gefiel mir Freistil sehr gut, liest sich ebenfals sehr flott durch, da auch für "Drehbuch-Anfänger" gemacht.

Offline Joerg.D

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #12 am: 20.10.2008 | 22:01 »
Haette ich auch empfohlen, aber ich bin noch n icht damit fertig.

So gut das Buch auch ist, mit Plottheorie hat es doch nur in Randbereichen zu tun.
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Offline AlexW

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #13 am: 20.10.2008 | 22:03 »
So gut das Buch auch ist, mit Plottheorie hat es doch nur in Randbereichen zu tun.

Soweit bin ich noch nicht. :)

Vielleicht sollte ich "Plotten fuer Spielleiter" schreiben. (Was ironisch waere, denn Plotten ist absolut nicht meine Staerke). :)

Offline Dom

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #14 am: 21.10.2008 | 05:38 »
Plottheorie im Sinne von "Roman schreiben" kommt eigentlich gar nicht vor, das ist natürlich richtig. Ich hatte es nur erwähnt, weil ich recht ausführlich auf Improvisation (angelehnt an Walmsley/Johnstone), Aufbau von Abenteuern und zentralen Konflikten eingehe. Insgesamt ca. 40 Seiten Text (plus Anhang der 36 dramatischen Situationen von Polti).

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #15 am: 21.10.2008 | 07:44 »
Ich habe mich vor 10 Jahren damit intensiv auseinandergesetzt und muss retrospektiv sagen, dass man dabei zwar einen schönen Einblick in die Theorie des Plots kriegt, dass einem diese Theorie aber im Actual Play nicht viel bringt, da Rollenspiel einfach nicht mit mononarrativen Stücken, seien es Romane, Filme oder Theaterstücke, vergleichbar ist. Im schlimmsten Fall kann sie sogar kontraproduktiv sein und vernünftige SLs in Plotmonster verwandeln (habe ich schon so erlebt).

Daher rate ich persönlich unter dem Kriterium "irrelevant" eher davon ab. Und würde eher dazu raten zu rollenspielspezifischen Sachen wie Robin's Laws oder Dom's Spielleiten zu greifen.

Für ImproPlay gibt es tolle Onlinetexte, die eigentlich alles erklären, zB in der ImproWiki.

Offline reinecke

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #16 am: 22.10.2008 | 15:20 »
Unabhängig von der Relevanz: Ein paar der Bücher gibt es aktuell bei 2001. Darunter "TV-Serien. Schreiben fürs Fernsehen", "Die Heldenreise im Film" und "Die Odysee des Drehbuchschreibers".

nur so.

Offline Der Nârr

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #17 am: 19.11.2011 | 20:31 »
Ich habe angefangen, Voglers The Writer's Journey zu lesen. Je weiter ich kam, desto mehr habe ich übersprungen. Schließlich habe ich den Rest des Buches nur noch überflogen und es schließlich einfach zugeschlagen. Viel zu viel nutzloses Geschwafel. Den Kern des ganzen könnte man vermutlich in 20, 30 Seiten zusammenfassen - was es dann auch lesenswert gemacht hätte.
Was ich in dem Buch sehe, ist vor allem ein Analysetool. Sowohl für fertige Geschichten als auch für eigene Geschichten, wenn man diese zu einem bestimmten Stand hin eben analysiert. Daraus kann man natürlich Rückschlüsse ziehen, die sich für das Kreieren von Geschichten nutzen lassen, aber immer nur indirekt. Eine Anleitung oder ein Leitfaden, wie man mit dem Monomythos nun synthetisch arbeitet, um analog dazu eigene Geschichten zu konstruieren, fehlt.
Wenn dies tatsächlich das "Wenn man nur ein Buch über Plottheorie lesen möchte, dann dieses"-Buch ist, dann bin ich schwer enttäuscht. Gibt es denn Bücher zur Plottheorie, die stärker auf den synthetischen Part als auf den analythischen Part eingehen?
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Offline Vash the stampede

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #18 am: 19.11.2011 | 21:00 »
Wenn dies tatsächlich das "Wenn man nur ein Buch über Plottheorie lesen möchte, dann dieses"-Buch ist, dann bin ich schwer enttäuscht. Gibt es denn Bücher zur Plottheorie, die stärker auf den synthetischen Part als auf den analythischen Part eingehen?

Wenn du bei Vogler so empfunden hast, das mit dem Geschwafel kann ich verstehen, die allgemeine Enttäuschung nicht, wirst du auch bei einen anderen Büchern zur Thematik Drehbuch wohl nicht glücklich werden. Da Drehbücher immer wieder analysiert und dann korrigiert werden können, ist der Bearbeitungszyklus nicht im direkten Geschichtsentstehungsprozess gekoppelt, wie es im Rollenspiel der Fall sein kann. Von daher wird dir die Übertragung ins Rollenspiel nicht abgenommen. Selbst Robin D. Laws "Hamlet's Hit Points" benutzt die Analyse von bestehenden Geschichten als Beleg.

Ich persönlich liebe das Vogler Buch und für mich war es ein Augenöffner als auch ein praktischer Leitfaden. Meine Lehren fürs Rollenspiel habe ich daraus ziehen können. Nur vermute ich, dass du wohl einen anderen Weg suchen muss, als über Bücher, die vom Drehbuchschreiben handeln.
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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #19 am: 19.11.2011 | 22:28 »
Plottheorie im Sinne von "Roman schreiben" kommt eigentlich gar nicht vor, das ist natürlich richtig. Ich hatte es nur erwähnt, weil ich recht ausführlich auf Improvisation (angelehnt an Walmsley/Johnstone), Aufbau von Abenteuern und zentralen Konflikten eingehe. Insgesamt ca. 40 Seiten Text (plus Anhang der 36 dramatischen Situationen von Polti).

Liegt hier nicht die grundsätzliche Problemstellung? Zumindest wenn man die im Rollenspiel entstehende dramatische Struktur als Ergebnis von Improvisation erwartet?
Mein persönlicher Ansatz wäre dann, die Instrumente der "Plottheorie" daraufhin abzuklopfen, wie sie in der Impro angewendet werden können, um z.B.
a) Eine Situation oder Figur spontan in ihrer potentiellen dramatischen Funktion einschätzen zu können. (Ohgottohgott, was für eine Artikulation...  ~;P Wird klar was ich meine?)
b) Eine spontane Idee zu entwickeln, welche neue Herausforderung, Geheimnisse, Figuren o.ä. jetzt angebracht wären.

Mit anderen Worten: Kann die "Plottheorie" dabei helfen, in der Impro dramatische Momente zu erkennen oder zu initiieren?

Johnstones Buch Theaterspiele hat mir persönlich viel gebracht, auch wenn es sich zeitweise eher wie eine Biographie und manchmal sogar etwas selbstverliebt (nehme nur ich das so war?) liest. Auch andere wie Viola Spolin oder Alan Ayckbourn konnten mir was beibringen.
Johnstone z.B. übersetzt (bewusst oder unbewusst) die dramaturgische Forderung nach Stringenz und dem Einlösen von Versprechen - heraus kommt sein berühmtes: "Seid langweilig!"

Ein kurzes Beispiel, wie ich mit "Die Odyssee des Drehbuchschreibers" im Bezug auf's Rollenspiel umgehe:
Vogler beschreibt Archetypen als dramatische Funktionsträger, ich versuche mir diese Funktionen einzuprägen.
Für einen entworfenen SLC mache ich mir Gedanken, welche Archetypen er verkörpern könnte und notiere mir das.
Wenn ich im Spiel z.B. merke: "Wow, jetzt brauche ich einen Gestaltwandler..." - habe ich vielleicht den passenden SLC zur Hand und sogar schon eingeführt.

Auf der anderen Seite kann so ein verkopfter Ansatz auch viele schöne intuitive Ideen zerstören... aber das ist ein anderes Problem.

Soweit meine fünf Cent
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

Taschenschieber

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #20 am: 19.11.2011 | 22:54 »
Interessant wäre auch, wie man ein System dazu bringt, "von sich aus" (also ohne die unsichtbare, railroadende Hand des SL) bestimmte Plotstrukturen zu bauen.

Beispiele für Systeme, die so was machen, sind FIASCO und FATE (besonders bei DF passt das imho recht schön, dass das System die Spieler dazu bringt, sich selbst in die Scheiße zu reiten - leider kenne ich das DFRPG selbst noch nicht).

Offline Nørdmännchen

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #21 am: 20.11.2011 | 14:58 »
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
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Offline Crimson King

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #22 am: 20.11.2011 | 15:35 »
Spiele, die ernsthaft versuchen, narrativistischen Spielstil zu unterstützen, enthalten immer einen Mechanismus zur Eskalation der Gesamtsituation. Das geht aber in eine andere Richtung, als die Heldenreise. Fiasco wäre das einzige Spiel, das ich kenne und das Struktur und Umfang der erzählten Geschichte vorgibt. PtA tut das auch in gewissem Rahmen. Im Gegensatz zur Heldenreise stehen bei diesen Systemen aber die Charaktere im Hintergrund.

Vorstellbar wäre ein Mechanismus, mit dem man anderen Charakteren die Rollen der Archetypen der Heldenreise des eines teilnehmenden Charakters vergeben kann. Bevorzugt sollte das wohl nicht der Spieler des Helden tun. Man kann durchaus mehrere Heldenreisen parallel spielen, und die Helden der einen Geschichte können gleichzeitig andere Archetypen in den Heldenreisen der anderen Charaktere sein.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #23 am: 20.11.2011 | 17:21 »
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Re: Plottheorie fürs Rollenspiel nutzen. Wie?
« Antwort #24 am: 22.11.2011 | 09:38 »
Ein Aufsatz aus der Erzähltheorie könnte noch ganz interessant sein: Carola Surkamps "Narratologie und possible-worlds theory: Narrative Texte als alternative Welten" in Ansgar Nünnings Neue Ansätze in der Erzähltheorie (2000). (Hab ich eben in einem anderen Thema eingebracht, hier könnte er glaube ich auch passen)
Dort wird versucht, die philosophische/erzähltheoretische mögliche-Welten-Theorie als narratives Plotmodell fruchtbar zu machen. Das erschien mir schon beim ersten Lesen als durchaus übertragbar auf Rollenspiel. Wenn ich mal Zeit hab (und den Aufsatz nochmal anschaue), schreib ich gern noch was dazu.
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