Autor Thema: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?  (Gelesen 6159 mal)

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Offline Fredi der Elch

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Nachdem ich im Thread Kohärenz und Spaß mit verschiedenen Spielstilen bereits gesagt habe, dass mir TRS und (eine Form von) ARS gefallen, und nach meiner These im Thread ???, wollte ich mal schauen, unter welchen Bedingungen mir ein „Erzählonkel-Rollenspiel“ gefallen könnte. Ich versuche im Folgenden also ein paar Punkte zu sammeln, die zu einem halbwegs kohärenten Erzählonkelspiel führen könnten und deren Stil mir gefällt. Dabei würde ich mich über Tipps und Anregungen freuen. :) Und in der Theorie steht das nur, weil ich zu versnobt bin, um irgendwo anders zu posten. ;) Bei Bedarf einfach verschieben… :)

Rahmen
- Ziel. Das Ziel soll sein, gemeinsam eine Geschichte zu erleben.
- SL. Der SL ist dabei für die Geschichte verantwortlich. Er bereitet sie vor und überwacht im Spiel ihren dramatischen Ablauf.
- Spieler. Die Spieler spielen mit der Story mit. Sie stellen hauptsächlich ihre Charaktere dar (Eigenarten und so), folgen im Großen aber den Anweisungen des Regisseurs (SL). Klar ist, dass die Spieler ein gewisses „Trailblazing“ durchführen und sich nicht gegen die Geschichte stellen.

Informelle Regeln

- Zeit für Charakterspiel. Die Spieler geben einen großen Teil ihres kreativen Inputs über das „Ausspielen“ ihrer Charaktere. Der SL und seine Story sollen dafür ausreichend Gelegenheit geben. Es ist einfach kein Erzählonkelspiel, wenn ich nicht „Peraine zum Gruße“ sagen darf… ;D
- Es geht um die Story. Die Spieler sollen auf der anderen Seite der Story folgen und nicht unnötig viel Zeit mit Teeladenbesuchen vertrödeln.

Formale Regeln

- Einfach. Es ist klar, dass der SL die Regeln und auch Würfelwürfe ändern kann, wenn es für die Story wirklich notwendig ist (aber nicht „mal einfach so“). Deswegen will ich Regeln, die nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch komplexe Situationen (z.B. Kämpfe) sollten in wenigen Würfen abgehandelt sein. Ich will nicht viel Zeit mit Taktik verbringen, wenn der SL im Zweifelsfall doch den Ausgang „dreht“. Außerdem geht es nicht um die Herausforderung, es get um die Story.
- Flags. Die Spieler sollen in die Story eingebunden werden. Damit dem SL die Arbeit erleichtert wird und damit die Spieler es einfacher haben, ihre Wünsche zu kommunizieren, sollten Flags in irgendeiner Form zum Einsatz kommen. Sinnvollerweise sollte der SL aus mehreren Flags auswählen, die auswählen können, die er am einfachsten in der Story verwenden kann.
- SL-Flags. Der SL sollte auch Wünsche an die Spieler bzw. Charaktere formulieren können. Die Spieler sollten dabei noch etwas Freiheit haben, wie sie die SL-Flags interpretieren bzw. bei ihren Charakteren umsetzen.
- Charaktere. Die Beschreibung der Charaktere sollte sich auf das Wichtigste beschränken. Dabei sollte die Persönlichkeit des Charakters aber nicht zu kurz kommen, denn das sollen die Spieler ja später ausspielen.

Das sind Dinge, die mir so spontan einfallen. Wenn euch noch mehr einfällt, was dazu passen könnte, nur her damit. Auch direkte Systemempfehlungen können nicht schaden… :)
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D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Bad Horse

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #1 am: 7.01.2009 | 19:15 »
Zu den informellen Regeln:
- Die SCs sind nicht nur Zaungäste, die sich staunend angucken, was die NSCs da tolles machen. Sie werden in einer tragenden Rolle in das Spiel eingebunden, auch wenn diese Rolle von SL - möglichst unter Berücksichtigung der Flags - vorgegeben wird.
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Offline Crimson King

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #2 am: 7.01.2009 | 19:24 »
Gutes Erzählonkelspiel erzwingt nicht das Ausspielen von für die Story irrelevanten Szenen, erlaubt es aber.

Ein entscheidendes Kriterium ist natürlich die Qualität der dargebotenen Story inklusive Überraschungen, Wendepunkten, charismatischen NSCs (wenn schon Deus Ex Machina, dann wenigstens eine, die mich begeistert), die mit all ihren Eigenheiten ausgespielt werden, coolen Cutscenes etc. etc.

Railroading sollte im Idealfall getarnt sein. Es wird also massiv Illusionismus betrieben.
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Online Maarzan

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #3 am: 7.01.2009 | 21:48 »
Was sollen die Spieler denn dann wirklich einbringen dürfen?
Das müßte dann ja irgendwo klar gemacht werden, wenn man von den Spielern "Kooperation" erwartet.

In dem Sinne:
Eine Liste der Genrekonventionen, welche der SL für diese Geschichte anzuwenden gedenkt.
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Offline Crimson King

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #4 am: 7.01.2009 | 21:54 »
Es geht beim Erzählonkelspiel garnicht so sehr darum, sich großartig einzubringen, sondern darum, sich zurückzulehnen und zu konsumieren, was der SL da so für einen vorbereitet hat. Es handelt sich quasi um Kino, das im Kopf stattfindet, und die Dialoge darf man selbst mitbestimmen.
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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #5 am: 7.01.2009 | 22:19 »
Na ja. Wenn ich nicht (unfreiwillig) trotzdem stören soll, muss ich entsprechend wissen, was ich besser nicht tun sollte und entsprechend im Umkehrschluss was ich dann darf.

Je nach Definition des Spiels kann das dann ja auch entsprechend stark begrenzt sein, nur bekannt sollten diese Grenzen dann halt schon sein.
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Offline Der Nârr

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #6 am: 7.01.2009 | 22:20 »
- SL-Flags. Der SL sollte auch Wünsche an die Spieler bzw. Charaktere formulieren können. Die Spieler sollten dabei noch etwas Freiheit haben, wie sie die SL-Flags interpretieren bzw. bei ihren Charakteren umsetzen.
Finde ich sehr spannend. Wie können solche SL-Flags konkret aussehen? Was habe ich mir genau darunter vorzustellen? Ich sehe darin eine Menge Potential, das Spiel der Spieler zu lenken und so z.B. auch diverse Probleme, die ich früher immer mit DSA-Fertigabenteuern hatte (die mein Bild von Erzählonkelspiel geprägt haben), lösen zu können. Das Problem war nämlich, dass die Fertigabenteuer je nach Autor schon ziemlich unterschiedlich funktionierten und zu lösen waren - man konnte sich so garnicht auf den SL einstellen, da jedes Fertigabenteuer aus einer anderen Feder kam. Mit SL-Flags könnte man den Spielern aber womöglich klare Richtlinien an die Hand geben, wie sie sich verhalten sollen und so z.B. erkennen, welche Probleme rollenspielerisch gelöst werden sollen und welche mit dem Kopf durch die Wand oder wo Aktivität, wo Passivität dazugehört usw.
« Letzte Änderung: 7.01.2009 | 22:23 von Hamf aus der Dose »
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Offline Beral

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #7 am: 7.01.2009 | 22:32 »
Rahmen
Es gibt ein übergeordnetes Ereignis, das außerhalb der Einflussmöglichkeiten der SCs liegt (eine höhere Gewalt) und die Klimax der Geschichte bildet (z.B. der Sturmangriff auf die belagerte Burg, in der sich die SCs befinden). Durch die Entkoppelung des Storyhöhepunkts von den Handlungsmöglichkeiten der SCs wird vermieden, dass Charaktere und ihre Handlungen zugunsten der Dramaturgie verbogen werden müssen. Die SCs können sich stattdessen frei entfalten und je nachdem, ob sie das "Richtige" (im Sinne der geplanten Story) tun oder nicht, ist das Ende unterschiedlich. Sie könnten den Angriff auf die Burg übeleben. Oder auch nicht. Die Dramaturgie der Story bleibt davon unberührt.
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Offline Crimson King

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #8 am: 7.01.2009 | 22:35 »
Na ja. Wenn ich nicht (unfreiwillig) trotzdem stören soll, muss ich entsprechend wissen, was ich besser nicht tun sollte und entsprechend im Umkehrschluss was ich dann darf.

Gute Erzählonkels sorgen schon dafür, dass du abschätzen kannst, was du nach Plan als nächstes tun sollst. Und sie haben auch Pläne in petto, um dich zur Not wieder auf den rechten Pfad zurückzuführen, wenn du mal abweichst.

Ansonsten bleibt dir die Ausgestaltung deiner Rolle, solange du den Masterplan dabei nicht gefährdest. Da geht es eine Menge um gesunden Menschenverstand und darum, abschätzen zu können, was von dir erwartet wird. Aber der SL sollte auch genügend Hinweise geben.

Gutes Erzählonkelspiel lässt sich dann im Grunde nicht mehr anmerken, dass man auf Schienen fährt. Du folgst bereitwillig vom SL ausgelegten Hinweisen, die dich dahin führen, wo du hin sollst. Das klappt besonders gut in Kombination mit Charakteren, deren Eigenmotivationen zu den ausgelegten Hinweisen passen.

Da kommt auch das Problem auf, dass viele Fertigabenteuer generisch sind, d.h. mit einer beliebigen Gruppe (innerhalb eines bestimmten Powerlevels) gespielt werden können sollen. Letzterer Punkt ist dadurch nicht umsetzbar. Gute Erzählonkels schreiben insofern ihre Abenteuer selbst, und zwar auf Basis von Spielerflags.
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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #9 am: 7.01.2009 | 22:42 »
Rahmen
Es gibt ein übergeordnetes Ereignis, das außerhalb der Einflussmöglichkeiten der SCs liegt (eine höhere Gewalt) und die Klimax der Geschichte bildet (z.B. der Sturmangriff auf die belagerte Burg, in der sich die SCs befinden). Durch die Entkoppelung des Storyhöhepunkts von den Handlungsmöglichkeiten der SCs wird vermieden, dass Charaktere und ihre Handlungen zugunsten der Dramaturgie verbogen werden müssen. Die SCs können sich stattdessen frei entfalten und je nachdem, ob sie das "Richtige" (im Sinne der geplanten Story) tun oder nicht, ist das Ende unterschiedlich. Sie könnten den Angriff auf die Burg übeleben. Oder auch nicht. Die Dramaturgie der Story bleibt davon unberührt.

Da muss ich widersprechen. Die Story muss immer noch die Charaktere als bedeutendes Element beinhalten, um das Spielerlebnis zu intensivieren. Wenn alles auch ohne die SCs abläuft, sind sie nur noch Zuschauer. Der Trick ist, dass die Spieler aber mitten in der Story sind, dass es ohne sie nicht weiter geht. Nur sind ihre Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Solange der nächste Schritt aber klar ist, stört das nicht, weil man ja die Handlung vorantreiben will, um die vorbereitete Story zu erleben, anstatt seine Handlungsmöglichkeiten in andere Richtungen austesten.
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Offline Joerg.D

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #10 am: 7.01.2009 | 22:56 »
Als Systeme für diese Art Spiel fallen mir auf Anhieb Everway und Theatrix ein.

Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
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Offline 1of3

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #11 am: 7.01.2009 | 22:58 »
Finde ich sehr spannend. Wie können solche SL-Flags konkret aussehen?

Die häufigste Variante, die ich gesehen habe, waren Wünsche für die Zusammensetzung der SC-Gruppe. "Ich brauche einen elfischen Krieger, einen Barden, einen Charakter aus Schack-Puck." Häufig auch mit der Option die einzelnen benötigten Bauteile auf die vorhandenen SCs zu verteilen.

Erstaunlicher Weise habe ich das bei D&D häufiger gesehen als z.B. bei Vampire.

Offline Lord Verminaard

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #12 am: 8.01.2009 | 08:46 »
Das liegt daran, dass man bei Vampire in der Regel einen maßgeschneiderten Plot und bei D&D einen bombastischen Plot hat (wenn es jeweils überhaupt erzählonkelig zugeht). ;)
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wjassula

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Re: Erzählonkelspiel – wie könnte es mir gefallen?
« Antwort #13 am: 8.01.2009 | 09:54 »
Ich würde  noch ergänzen: Dauer. Wenn die Spieler sich hauptsächlich über das Porträtieren ihrer Charaktere einbringen, macht es erst richtig Spaß, wenn die auch Erlebnisse vorzuweisen haben und Macken etablieren oder Ziele, Überzeugungen usw. auch glaubhaft ändern können. Erzählonkelspiel, das mir Spaß macht, braucht Zeit, da reichen drei Spielabende nicht. Es muss auch nicht die Endloskampagne sein, aber der Reiz der Sache entfaltet sich nur durch Regelmäßigkeit und Kontinuität.

Zweitens: Ein gewisses Maß an Regelgebrauch ist für die Spieler ein nicht zu unterschätzender Spaßfaktor. Punkte verteilen, Zauberproben würfeln, Spezialattacken machen usw. sind in diesem Modus vielleicht für den SL nicht so aufregend, die Spieler finden es aber oft gut (und mir ginge es glaube ich auch so), weil das in diesem Fall auch zur Ebene der Charakterdarstellung gehört: Ich hab da Punkte investiert, das ist was, was nur ich kann (oder in dem nur ich scheitern kann). Aus Spielerkommentaren meiner DSA-Gruppe entnehme ich, dass das selbst dann zutrifft, wenn die entsprechenden Fähigkeiten gar nicht handlungsrelevant oder sogar überhaupt nicht eingesetzt werden können. Sie sind aber kennzeichnend für den Charakter, und die Beschäftigung damit auch zwischen den Spielsitzungen ist eine Spaßquelle.

Drittens: Auch Erzählonkel schließt begrenzte Handlungsfreiheit nicht aus. Ich spreche da wieder aus Erfahrung aus meiner DSA-Gruppe. Da ist klar, dass ich als SL die grobe Richtung vorgebe, und auch, dass am Ende Simyala befreit werden wird, dass dazu bestimmte Etappenziele nötig sind usw. Zwischen den Handlungsinseln gibt es aber genug Situationen, in denen die Spieler auch relevante Entscheidungen treffen können, Verluste erleiden, die den weiteren Weg schwerer machen, NSC anwerben oder verprellen können, die mit Infos und Ausrüstung helfen oder auch nicht usw. Durchgängig an der Leine des SL würde dieser Gruppe auch nicht gefallen.

Noch was zum Einkaufen gehen: Auch das kann beim Erzählonkeln in angemessener Dosierung ein Spaßfaktor sein, wenn es denn sinnvoll und unterhaltsam mit Charakterdarstellung verknüpft wird. Wenn man so einen Spielabend dann als vorliegende Story lesen würde, käme man aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus - die großen Helden werden beim Händler übers Ohr gehauen, in der Wildnis von Regen überrascht, von Blumen hypnotisiert, streiten über die Route, komponieren Lieder über die ferne Geliebte, verlieren einen halben Tag mit dem borongefälligen Begräbnis eines toten Druiden, vermählen in einem Dorf am Wegesrand zwei Bauernkinder, nachdem sie eine Intrige zwischen dem Dorfschulzen und einer fiesen Hexe aufgeklrät haben und tauschen Neuigkeiten mit einem Bierkutscher auf der Reichsstraße aus, den sie vor hochmütigen Bütteln in Schutz genommen haben. Ach ja, am Ende töten sie noch den Drachen, weil der SL das so geplant hatte. Ist ein bisschen wie Sex: Von außen betrachtet ist es meistens nicht halb so lustig, wie wenn man dabei ist.