Ja, ich schließe mich an. Dirk bringt als neues Argument dankenswerterweise den Umstand, dass bei der Ablehnung neuer Editionen eine zeitliche Komponente wichtig zu sein scheint. Das könnte stimmen.
Allerdings halte ich die auf das Thema des Threads bezogene Aussage für ziemlichen Blödsinn. Die Ablehnung beispielsweise von D&D4 mag inhaltlich nämlich zwar gut begründbar sein, ist in der Form aber aus meiner Sicht in weiten Teilen vollkommen irrational. Wer das bezweifelt, hat die bisherige Diskussion nach meinem Eindruck entweder nicht verfolgt oder nicht verstanden.
Commandanté Donner (Greifenklaue?) hat es ganz treffend formuliert. Da die Ablehnung nicht nur auf einer begründbaren, rationalen Ebene passiert, sondern oft auch emotional verwurzelt ist (verletzter Stolz), kann sie sich in kindischem Auftreten ausdrücken.
Der irrationalen Ablehnung steht bisweilen auch ein irrationales Fanboitum gegenüber. Der Beißreflex geht in beide Richtungen.
meiner Meinung nach sind es nicht die 6 Attribute und Alzheimer-Magie (muss ich mir merken ), was D&D ausmacht.
Ernsthaft, wäre 4e original 3.5 aber nur mit 4 Attributen und schneller Regeneration (kurz rasten statt 8Stunden schlafen) um die wichtigsten Zauber wieder zu bekommen wäre es nach obiger Argumentation kein D&D mehr.
Ich halte es doch für nötig, einen Hinweis nachzuschieben: Ich möchte die Bezeichnung "Alzheimer-Magie" auf keinen Fall als despektierlich verstanden wissen. Ich gehöre wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, die sich in der langen D&D-Geschichte nie an der Spruchmemorisierung gestört haben. Da ich aus der Brettspielecke kam, habe ich sie als Balance wahrendes Regulativ keinen Moment in Frage gestellt, und da ich außerdem die literarische Vorlage kannte, fand ich das Regulativ auch aufs wunderbarste in der gespielten Wirklichkeit begründet.
Quelle:
"Turjan klappte den Band zu und zwang diesen neugelernten Zauberspruch
tief in sein Unterbewußtsein. Anschließend warf er sich ein kurzes
blaues Cape um die Schultern, schob eine Klinge in den Gürtel und
streifte das Amulett mit Laccodels Rune über sein Handgelenk. Jetzt erst
setzte er nieder, um aus seinem handgeschriebenen Heft die Sprüche
auszuwählen, die er mitnehmen wollte. Er hatte keine Ahnung, welche
Gefahren ihn erwarten mochten, deshalb entschied er sich für drei Zauber
allgemeiner Art, nämlich die der 'Exzellenten Prismatischen
Berieselung', 'Phandaals Tarnspruch' und den 'Zauber der Kurzen
Stunde'."
Jack Vance, "Die Sterbende Erde"
Off Topic Kommentar:
Obwohl ich mich immer wieder darüber wundere, warum Gygax dem größten gemeinsamen Nenner ausgewichen ist und statt viel näher liegender Ideen exotische Elemente kombinierte - Memorisierung statt Magiepunkten, Alignments auf der moorcock'schen Ordnung-Chaos-Achse statt der Gut-Böse-Achse, eine künstliche Unterteilung in Magier und Kleriker statt eines archetypischen Merlin-/Gandalf-/Toth Amon-artigen Dämonen-/Götter-/Zauberpriesters, vergleichende Angriff-Abwehr-Würfe und Schadensreduktion statt Armor Class, u.ä. - und damit ein wahrlich generisches Fantasy-Rollenspiel verhinderte. Wenn er nicht selbst so viele "Einfallstore" offen gelassen hätte, wäre die einzige große Alternative die zwischen Charakterklassen und freien Skills gewesen. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Diskussion der Mindestbedingungen, ab denen D&D noch D&D ist, ist ja schon so alt wie das Holmes- oder Moldvay-D&D. Da ist die Grenze sicherlich fließend. Eine Perlenschnur vieler kleiner Schritte mag eine legitime "Evolution" darstellen, selbst wenn zwischen dem Beginn und dem 10. Schritt nur noch wenig Ähnlichkeit besteht (wie zwischen White Box D&D und 4e).
Microlite 20 speckt D&D ab auf drei Attribute und hat ein Magiesystem, das Hit Points verbraucht. Die Stat Lines der Monster sehen immer noch nach D&D aus, tatsächlich kann man D&D-Abenteuer fast jeder Edition mit minimalen Anpassungen mit M20 spielen. Aber das System ist in der Tat kein D&D mehr (auch wegen anderer starker Vereinfachungen).
Es tut ja auch gar nicht so, als ob es D&D sei. Ich schätze es trotzdem so sehr, dass ich es ins Deutsche übersetzt habe und die Printversion
verschenke.
Und zuletzt heißt es auch nicht D&D und wird nicht als solches vermarktet.
Ist Schach noch Schach, wenn man den Springer weglässt?
Ist Schach noch Schach, wenn der Springer seine Bewegungsweite würfelt?
Ist Battletech noch Battletech, wenn man es mit Heavy Gear-Figuren auf Heavy Gear-Spielplänen spielt?
Ist Battletech noch Battletech, wenn man es im Macross-Universum spielt? (Wenn die Figuren doch schon da geklaut wurden...)
sorry, ich finde das kurzsichtig und armselig. So verbaut das reaktionäre Pa#$% den Designern natürlich jegliches Recht auf Innovation und Kreativität.
Solche Spieler hat D&D gar nicht verdient.
Richtig. D&D(4) hat solche Spieler wie mich nicht verdient, denn es hat nichts getan, sich um mich verdient zu machen. Es hat mich als Kunden nicht mehr umworben, es hat in Nachbars Garten geschielt, wo das Gras grüner und die Äpfel saftiger und der Boden ertragreicher ist.
Kein Problem damit. Aber dann soll es dazu stehen und nicht "ze game, it stays ze same" behaupten.
Manch anderer Verlag war ehrlicher und hat Paradigmen ändernde Versionssprünge unter anderem Namen veröffentlicht:
Hurlements (minimalistisches Prozentsystem mit drei Attributen) ->
Chimères (WW-artiges Poolsystem mit w6)
RuneQuest (simulatorisches w100-Skill-System) ->
Hero Wars (heroisches w20-Trait-System)
Was ich aber merkwürdig finde: Was unterscheidet das reaktionäre Pack der D&D-Traditionalisten von den Alt-Battletechern, die
ihren Designern "jegliches Recht auf Innovation und Kreativität" absprachen
und DA aus den gleichen Gründen und mit der gleichen Vehemenz ablehnten wie alte D&D-Hasen heute die Vierte Edition?Wobei die Battletechspieler etwas geleistet haben was ich den 3.5 Nörglern im Leben nicht zutrauen würde. Das war eine große Sache. Zuerst sagten alle "die Firma ist tot? who cares, wir halten das Spiel selber am Leben", was auch geklappt hat. Aber die neue Spielversion DA hat den Stil ziemlich in den Dreck gezogen. Dark Age ist insofern eine Sonderolle, als das Spiel nicht im Kopf stattfindet. Man hat diese ekligen Comic-Plastikfiguren mit Marvelattitüde auf dem Tisch stehen und muss mit ihnen Spielen
Na, faktisch haben die 3.5-Nörgler ihr Ziel doch sogar viel schneller erreicht als die Battletecher. Ihr kollektiver Aufschrei hat Paizo dazu ermutigt, D&D unter einem anderen Namen fortzusetzen. Für sie gibt es nicht einmal einen zeitlichen Bruch, eine Durststrecke, weil es weiterhin Abenteuer und Quellenbücher und nahtlos eine Version 3.75 gibt.
Wenn D&D 4 unter einem anderen Namen erschienen wäre, würde es gar kein so großes Aufheben geben.
Gedankenspiel:
Wäre
Earthdawn unter dem Logo "AD&D Third Edition" erschienen, wäre es dann noch D&D gewesen? Gar zu fantastisch? Dabei hat FASA alles getan, um D&D-lern so viele Wiedererkennungswerte wie möglich zu geben. Es war kein Zufall, dass Earthdawn Attribute auf der Skala 3-18 verwendete (auch wenn diese Werte sofort in Die Steps umgerechnet und nie wieder benutzt wurden), dass das Magiesystem mit der Matrix ein Spruchmemorisierungssystem hatte, dass es alle vielflächigen Würfel benutzte, dass es Klassen und Erfahrungsstufen hatte, und der D&D-ismen mehr; ja, Earthdawn hat sich sogar die Mühe gemacht, die D&D-ismen in der Spielwelt zu verankern und rationale Erklärungen für sie zu finden -- und das, obwohl eine Fantasy-Version des Shadowrun-Systems viel mehr Sinn gemacht hätte, stellte ED doch die Vergangenheit von SR dar.
Sicherlich, Earthdawn funktioniert in entscheidenden Details völlig anders als AD&D, aber genau das werfen Kritiker der 4e ja auch vor. Für sie sind die Unterschiede zwischen 3.x und 4e so groß wie zwischen 2nd und Earthdawn. Tiefling -> T'Skrang, Eladrin -> Windling, Dragonborn -> Obsidianer, Points of Light -> Kaer
Hätte TSR damals "das Recht auf Innovation und Kreativität" gehabt, die FASA-Designer zu kaufen und ihre Arbeit als neues D&D zu veröffentlichen? Natürlich, und es wäre - so wie 4e heute - das einzig echte, offizielle D&D gewesen, und - jetzt schaffe ich die Kurve zu Beatboys eigentlichem Thema - die AD&D-Second-Edition-Fans wären in irrationale, wüste Beschimpfungen ausgebrochen,
obwohl Earthdawn kein bisschen anders ausgesehen hätte als in der FASA-/SR-Realität. In Wirklichkeit hat es nur die gemäßigte Palette der Reaktionen ausgelöst: Stirnrunzeln, Ignoranz oder Neugier, und es soll ja sogar AD&D-ler gegeben haben, die die Unterschiede
im Kontrast zu D&D zu würdigen wussten und beides gespielt haben. Ohne Grabenkämpfe.
Spieler werden dann unflätig, rabiat und irrational, wenn "ihr" Verlag, dem sie die Treue halten
wollen, ihnen die Tür vor der Nase zuschlägt und sagt:
ihr zielgruppt nicht mehr.
Ist Battletech noch Battletech, wenn man statt auf Hexfeldern mit Maßbändern spielt und der Gesang von
Lynn Minmay mehr Einfluss auf den Schlachtverlauf hat als Salven von Raketen?