Warum gibt es keine detailverliebten Settings mehr? Ich glaube Falcon hat Recht (
): Das ist eine Frage der Effektivität. Wenn ein rudimentäres Setting mit starken Konflikten und einer fokussierten Core-Story in einem Buch und innerhalb kurzer Zeit entworfen werden kann und das ausreicht um darin einige Zeit zu spielen dann brauchen die wenigsten ein Setting dass extrem detailiert eine ganze virtuelle Welt schafft.
Letzteres setzt ja auch einen ganz anderen Umgang voraus.
Erstens müssen solche Settings über einen langen Zeitraum rezipiert werden damit entsprechende Details überhaupt wahrgenommen werden und ins Spiel einfließen können, der Spieler muss viel Zeit in das Studium des Quellenmaterials bzw. eigentliches Spiel investieren. Das können oder wollen heute nicht mehr viele Spieler tun. Autoren können es sich nur leisten eine solche Reihe von Quellenmaterial heraus zu bringen wenn fest steht dass es eine Spielerschaft gibt die bereit ist ein entsprechendes Maß an Aufmerksamkeit zu investieren. Auch hier kann man wieder das böse WoW als Beispiel hernehmen: Die World of Warcraft entwickelt sich genau zu so einer Welt, mit extrem detallierter Historie, vielen wichtigen Figuren und Beschreibungen bis hin zu sozialen Riten und täglichem Leben. Warum ist das hier möglich? Weil die Verrückten da sind die es regelmäßig konsumieren.
Moderne Settings leiden hier also gewissermaßen unter dem Aussterben der Sammler, die eine quasi unendliche Kapazität aufsaugen. Die haben andere Hobbys als Rollenspiel gefunden die ihre Vorliebe effektiver bedienen (nämlich Hobbys in denen man weniger selbst kreativ werden muss). Es gibt zwar noch die die wirklich spielen wollen in solchen Settings, aber die alleine können die kritische Masse offensichtlich nicht überschreiten.
Zweitens wird es mit erhöhten Detailgrad eines Settings immer schwieriger originell zu bleiben. Es gibt nun einmal nur so und so viele neue Ideen und wenn man die hat dann möchte man sie auch effektiv bespielen. Dazu ist die klassische Herangehensweise ebenfalls weniger geeignet, denn dort findet man die neue Idee in einer Welt voller Füllstoff kaum. Den Füllstoff muss es ja zwangsläufig geben, oder es müssen alle Ideen furchtbar originell sein, was wiederum so ein Setting extrem unwahrscheinlich werden lässt. Viel wahrscheinlicher ist es das sich alle Settings im extremen Detailgrad beginnen anzugleichen, so wie Serien die unendlich lange laufen auch alle beginnen sich der Soap anzugleichen.
Dann ist auch die Frage wie viele Variationen eines neuen Konzeptes noch interessant bleiben, bis etwas "zu Ende" gespielt ist. Eine detaillierte Welt dann einfach "wegzuwerfen" wäre Verschwendung. Tatsächlich werden solche "lebendigen" Welten, häufig nur noch aus Gewöhnung an das Liebgewonnene weiter konsumiert (Aventurien) und nicht aufgrund irgendwelcher Ideen oder Konzepte.
Ich persönlich mag auch lebendige, "echte" Welten. Aber ich bin zur Überzeugung gelangt dass diese Form der Lebendigkeit für Rollenspielwelten am besten aus der einzelnen Gruppe entsteht, am besten so viel wie möglich im Spiel selbst. Eine solche personalisierte Entwicklung von Welten nimmt ein gutes Stück der Beliebigkeit die zwangsläufig in solchen Settings steckt und ersetzt es statt dessen mit persönlichen Erfahrungen.
Diese persönlichen Erfahrungen sind übrigens genauso der zentrale Punkt bei großen lebendigen Settings die durch Autoren für ein größeres Publikum entwickelt wurden (Aventurien, WoD, aber auch WoW, Star Wars, Star Trek, Harry Potter, Hyboria, Mittelerde etc.). Es ist natürlich nur viel schwieriger eine solche gemeinsame Erfahrung für hunderte und tausende Menschen herzustellen.