Autor Thema: Die Spieler und ihre Charaktere tragen die Geschichte einer Kampagne  (Gelesen 8626 mal)

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Offline Joerg.D

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Ausschlaggebend für dieses Post ist meine Auseinandersetzung mit Bankueis Flag Framing Artikel und der Vergleich, wie ich selber leite.

Ich habe diese Aussage mal in einem Abschnitt zusammengefasst und hätte da gerne eure Meinung zu:

Die Spieler und ihre Charaktere tragen das Spiel. Ja, das ist wirklich einer, wenn nicht sogar der wichtigste Punkt für die laufende Kampagne. Dieser Punkt ist der Abschied von der Vorstellung, seine Spieler bevormunden oder beaufsichtigen zu müssen, weil sie sonst machen, was sie wollen. Denn es ist wichtig zu verstehen: Gerade, wenn Spieler machen, was sie wollen, haben sie Spaß! Spaß ist doch  der Grund weshalb wir uns alle zum Rollenspiel treffen oder? Dementsprechend wichtig ist es, dass der SL die Taten der Spieler in die richtige Richtung leitet um mit ihnen gemeinsam möglichst viel Spaß zu haben. Spieler sind oft kreativ und man kann ihre Ideen hervorragend benutzen um sich die Arbeit als SL zu erleichtern. Ich habe in vielen Kampagnen die Ideen meiner Spieler aufgegriffen, weil sie besser waren als meine. Das führte immer dazu, dass ich viel Spaß gehabt und noch mehr Arbeit gespart habe. Gute Spieler und der SL können eine Symbiose eingehen, die beiden Seiten zum Vorteil gereicht. Zusammen erzeugen sie Spielspaß in größeren Mengen und von besserer Qualität als es eine der beiden Parteien alleine könnte. Dazu müssen sich beide Seiten nur darüber im Klaren sein, dass es besser ist, sich Vorlagen zu liefern, als zu versuchen, gegen den Anderen zu arbeiten.  Ein weiterer entscheidender Punkt den auch die Spieler erfassen müssen ist, dass die Sache mit den Eingehen auf den Anderen keine keine Einbahnstraße ist. Auch die Spieler müssen sich darüber im klaren sein, das sie mit ihren Entscheidungen und Verhalten Rücksicht auf ihre Mitspieler und den Plot nehmen müssen, weil sie das Spiel tragen. Es geht dabei um gegenseitiges Vertrauen und das Bewusstsein, dass alle für den Spaß verantwortlich sind und nicht nur der SL.
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Offline Vanis

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Kann ich so zu 100 Prozent unterschreiben. Wäre schön, wenn das in allen Runden auch so laufen würde. Oft scheitert es an unterschiedlichen Sichtweisen, was "gut" für den Gruppenspaß ist, und was nicht. Jeder hat da unterschiedliche Ansichten. Manche finden eine gemeinsame Schnittmenge, dann läuft das Spiel klasse. Manche nicht.
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Offline Gaming Cat

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(...)  Auch die Spieler müssen sich darüber im klaren sein, das sie mit ihren Entscheidungen und Verhalten Rücksicht auf ihre Mitspieler und den Plot nehmen müssen, weil sie das Spiel tragen. Es geht dabei um gegenseitiges Vertrauen und das Bewusstsein, dass alle für den Spaß verantwortlich sind und nicht nur der SL.

Threadnekromantie zum trotz: Gut gesprochen/geschrieben Joerg D.!  :d
Schade, dass sich die Erkenntnis noch nicht überall durchgesetzt hat, dass RPG eine GRUPPENerfahrung (OHNE Therapie) darstellt und die Spieler mind. soviel Einflussmacht haben wie der SL! Wer seine Ressourcen vereint hat mehr vom Spiel...
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Offline Joerg.D

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Tja, wenn man es oft genug nebenbei fallen lässt, dann schleift es sich ja vielleicht ein. Besonders beliebt ist bei mir die Methode, ganz begeistert zu tun, wenn ein Spieler so etwas äußert und ihn für seine geniale Idee zu loben.
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Offline Zornhau

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Seltsam. - Bei mir ist es IMMER der Spielleiter, der die Kampagne trägt. Der Spielleiter IST die Kampagne. Eine Kampagne ist IMMER das, was der Spielleiter den Spielern als Spielraum präsentiert. (Ich spiele in Ennos Hellfrost-Kampagne. Die ist ANDERS als eine Hellfrost-Kampagne, die ich leiten würde. - Die Kampagne ist IMMER direkt spielleiterabhängig.)

Innerhalb der Kampagne haben die Spieler natürlich die Entscheidungsfreiheit, aber über die Kampagne an sich entscheidet letztlich nur der Spielleiter.

Eine Kampagne ist NICHT eine Aneinanderreihung von Szenarien/Geschichten/Episoden/... - daher kann es auch nicht "DIE Geschichte einer Kampagne geben", sondern nur EINE Geschichte in dieser Kampagne. Eine von vielen!

Eine Kampagne ist die jeweilige persönliche Auslegung und Darbietung der SPIELWELT durch den Spielleiter. - Die Spieler haben die nur durch das verwendete Regelwerk beschränkte Macht dieser Kampagne FAKTEN hinzuzufügen (Neues, Geändertes, Vernichtetes). ALLE von Spielern geschaffenen Fakten MUSS der Spielleiter in seiner Kampagne als Fakten weiterführen. Es gibt keinen "Reset-Knopf", der spieler-geschaffene Fakten zurücksetzt und damit ihre Entscheidungen entwertet.

Offline hexe

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Viele Spielleiter behaupten aber immer es macht viel zu viel Arbeit, wenn man den Spielern die Wahl lässt... ich hab nie verstanden warum. Naja, früher habe ich mir ein Problem und einen Lösungsweg dazu ausgemacht, um die SC damit zu konfrontieren. Heute lasse ich den Lösungsweg weg.

ChristophDolge

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@Zornhau: Hast du den Eingangspost wirklich gelesen? Das entspricht imho dem, was Jörg gesagt hat - der SL bietet den Kampagnenrahmen, die Spieler tragen die Geschichte, füllen also den Rahmen mit Inhalt. Ist das so schwer?

Offline K!aus

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Ich für meinen Teil sehe das ganze ein wenig gemischt.

Auf der einen Seite stimme ich zu, dass der SL - wie sein Name sagt - der Spielleiter ist. Doch für mich bedeutet dies nicht, dass er damit das Spiel leitet, egal wie die Spieler reagieren.

Jetzt wird wahrscheinlich Zornhau sagen, dass er dies ja auch nicht so sieht, sondern der SL auf die Spieler eingehen muss und die Konsequenzen ihrer Handlungen ausspielen muss.

Für mich ist dies allerdings der Knackpunkt.

Spiele ich als SL einfach die Konsequenzen der Handlungen aus - oder eröffne ich einen ganz neuen Strang, der in meinem ursprünglichen Plot nicht vorgesehen war. Allerdings gefällt mir die Idee der Spieler derart gut, dass ich sie weiter ausbaue. Vielleicht lasse ich dadurch sogar gänzlich andere Teile des Abenteuers fallen.

Ich persönlich kam irgendwann an den Punkt wo ich das ganze Gerede um das Abenteuer nur als eine Illusion betrachtet habe. Dieses ganze Hick Hack zwischen Railroading oder freies Spiel...

Ich gehe als SL immer derart heran, dass ich mir eine Situation vorstelle. Die Helden bekommen den Auftrag "klärt den Mordfall auf" und ich als SL kenne die Situation drum herum. Wer war der Mörder, warum hat er das getan, mit wem zusammen. Hat er Feinde. Wer ist den Helden wohl gesonnen, warum? Warum nicht?
Dann plaziere ich mich Absicht noch Personen die speziell auf Hintergründe mancher Charaktere eingehen ... fertig!

Somit ist es auch für mich spannend als SL zu sehen wie das ganze abläuft.

Mit anderen Worten ich könnte wahrscheinlich eine Situation mit drei verschiedenen Gruppen spielen und es kämen drei verschiedene Abenteuer dabei heraus. Und wenn sich die Leuten treffen würden, hätten sie im Extremfall die Gemeinsamkeit: "Wir mussten einen Mordfall klären ... ach, ihr auch?"

Von dem Abenteuer rede ich persönlich i.d.R. immer erst danach oder dabei.

My two cents.
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Offline Joerg.D

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@ Zornhau:
Das könnte daran liegen, das wir als SLs unterschiedliche Schwerpunkte in unseren Kampagnen setzen. Ich habe einen groben Plot im Kopf und improvisiere den Rest, indem ich die Hintergründe meiner Spieler mit dem von mir gewünschten Plot und den Interessen der Spieler verknüpfe. Das Hauptaugenmerk bei mir liegt also auf der Story. Da meine Spieler machen können was sie wollen, tragen sie die Kampagne. Ich kann nur Anreize von außen setzen. Momentan hat meine Gruppe den Schlachten um die Zukunft des Reiches den Rücken gekehrt und versucht einen Freund zu retten, der sich für einen anderen Mitspieler geopfert hat.

Ich habe da eigentlich keine Lust zu, weil ich die Kampagne mit ein paar epischen Schlachten zu Ende bringen wollte. Doch die Spieler laufen nun mal in eine andere Richtung und wollen etwas anderes machen, also bekommen sie, was sie wollen. Ich kann die Gründe dafür nachvollziehen und deshalb gibt es das Spieler Wunsch- Menue.

Die Würfe und Kämpfe sind für mich Zufallselemente die über den Ausgang von bestimmten Situationen entscheiden und der Story-Teil ist in unserer momentanen Runde dazu da, um den getroffenen Entscheidungen, den Proben, Kämpfen ja, auch den ganzen massiven Gewürfel in den Schlachten und bei Hofe einen vernünftigen Kontext und vor allem Relevanz zu geben. Es muss um etwas gehen, wenn die Helden etwas machen.

Meine Spieler kämpfen nicht gegen die Gruppe X oder ein wildes Tier, nur weil sie ihnen zufällig über den Weg laufen. Sie kämpfen, weil sie die Absichten der anderen Gruppe verhindern wollen, das Fell des Tieres für einen Zauber brauchen oder auch nur, weil sich die Anführer beim Saufen gestritten haben, wer jetzt der bessere Anführer ist.

@ Evil DM:

Jo, ich sehe das sehr ähnlich wie Du. Ich lasse mich gerne von meiner Gruppe überraschen und auch bei einem identischen Grundabenteuer mit einer bestimmten Konstellation kommen bei mir meistens fast komplett andere Abenteuer der jeweiligen Gruppen raus. Oft sind die Ideen meiner Spieler besser als meine oder sie finden etwas, dass nur als Fluff gedacht war so toll, das sie sich intensiv drum kümmern.

Was soll es, die Welt dreht sich weiter. Vielleicht erledigen sich die Probleme von selber und vielleicht wird es wirklich schlimm, wenn sich die Gruppe nicht um gewisse Probleme kümmert.
« Letzte Änderung: 13.07.2009 | 19:37 von Joerg.D »
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Offline Sternenwarzendreck

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Macht es einen Unterschied, ob die Spieler die Geschichte der Kampagne prägen oder ob sie die Geschichte tragen? Wenn es einen Unterschied macht, dann prägen sie Geschichte eher, da zur der Geschichte neben dem aktiven Teil der Spieler ja auch der große andere Teil der Spielwelt gehört; wenn nein, dann tragen die Spieler die Geschichte der Kampagne, da die Wechselwirkungen der Spielwelt ja erst aufgrund des Spielverhaltens der Spieler als Ursache entstehen.
Ausnahmeerscheinungen (spezielles Spielsystem, Setting, Spielervertrag) ändern an dieser Grundannahme nichts.
Wer das grundsätzlich anders sieht, sollte Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen, und nicht Rollenspiele. Denn darum geht es ja hier: Die Leute sollen Spaß haben und sich nicht anätzen, indem Sie gemeinsam eine Geschichte erzählen - gemeinsam schließt den Spielleiter mit ein.

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Offline Haukrinn

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Hallo Rollenspieler,

Macht es einen Unterschied, ob die Spieler die Geschichte der Kampagne prägen oder ob sie die Geschichte tragen?

Meinem Verständnis nach schon. Wenn die Spieler die Geschichte tragen, dann gäbe es die Geschichte ohne die SC überhaupt nicht. Wenn sie die Geschichte prägen, dann können die Spieler die Geschichte in eine bestimmte Richtung lenken, entwickeln würde sie sich aber auch von allein. Ersteres ist meiner Meinung nach eine erzählbasierte Variante, in der die SC die einzigen Protagonisten sind, zweiteres ist eher die typische "Weltsimulation".

Wenn es einen Unterschied macht, dann prägen sie Geschichte eher, da zur der Geschichte neben dem aktiven Teil der Spieler ja auch der große andere Teil der Spielwelt gehört;

Auch das ist meiner Meinung nicht immer so. Geschichten werden von den Entscheidungen und Entwicklungen der Protagonisten getragen. Je mehr Gewicht man dem beimisst, desto unwichtiger (im Sinne von austauschbarer) werden alle anderen Komponenten.

Wer das grundsätzlich anders sieht, sollte Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen, und nicht Rollenspiele. Denn darum geht es ja hier: Die Leute sollen Spaß haben und sich nicht anätzen, indem Sie gemeinsam eine Geschichte erzählen - gemeinsam schließt den Spielleiter mit ein.

Ich sehe nicht, was das überhaupt mit dem Thema zu tun hat. Verkneif Dir bitte diesen Quatsch, wenn es geht.
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Offline K!aus

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Zitat von: DER Rollenspieler
Wer das grundsätzlich anders sieht [..]

Ich denke nicht, dass es darum geht ob das jemand anders, sondern wie genau man es nimmt oder um es noch komplizierter / pseudo - wissenschaftlicher es auszudrücken:
"Wie artifiziell die Grenze gezogen wird!"

Ich denke schon deinen ersten Satz könnte man zerpflücken wenn man möchte:
Macht es einen Unterschied, ob die Spieler die Geschichte der Kampagne prägen oder ob sie die Geschichte tragen?

Was bitte ist der Unterschied zwischen Geschichte und Kampagne? Ist eine Geschichte ein Bestandteil der Kampagne, oder nennt man das dann Abenteuer? Sollte man überhaupt unterscheiden zwischen "prägen" und "tragen"? Wortklauberei?

Ich denke so lange nicht mit sauberen Definitionen gearbeitet wird bringt das leider wenig.

Und wie wenig das ganze zu fassen ist zeigt sich in vielen Threads hier, siehe z.B. der DnD4 Thread, ob DnD4 ein Rollenspiel ist... ::)

Im Grunde weiß oder fühlt jeder was gemeint ist, doch es lässt sich nicht so recht in Worte fassen wie z.B. dein letzter Satz wieder zeigt:
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Offline Sternenwarzendreck

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Ja, ist stets und immer eine Definitionsfrage. Aber mit einem erhöhten Abstraktionsniveau kann man auch mit wenigen Definitionen oder sogar nur mit Typifizierungen arbeiten. Joerg D. hat jedenfalls die frage gezielt auf das Tragen der Geschichte der Kampagne ausgerichtet. Abhängig vom eigenen Verständnis kann man nun verstehen: Geschichte = Kampagne; oder aber man versteht: Kampagne = Geschichte + Regelkontext + Besonderheite + Spielrecharaktersonderbares + was-weiß-och-nicht-noch-alles.

Unabhängig davon: Ja, ich denke, im Grunde sind wir uns ziemlich einig.
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Offline Joerg.D

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Haukrinns Antwort trifft es eigentlich wunderbar, aber ich möchte es etwas kürzer fassen:

Eine Kampagne prägen, bedeutet etwas eigentlich festen seinen Stempel aufzudrücken, so dass es eine bestimmte Form annimmt.

Eine Kampagne tragen bedeutet, sie mit seinen Ideen, Wünschen und Taten in die gewünschte Richtung zu transportieren.

Beide Arten Kampagnen zu leiten haben Vor und Nachteile, doch wenn die Spieler ein aktives Interesse daran haben die Kampagne zu tragen, dann gehen sie nach meiner Erfahrung mit mehr Enthusiasmus und Eigeninitiative zur Sache, als wenn die nur einer Kampagne „nur“ ihren Stempel aufdrücken dürfen.
« Letzte Änderung: 14.07.2009 | 11:36 von Joerg.D »
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Offline Sternenwarzendreck

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Dann muss ich doch mal nachfassen und Fragen:

Der Einfluss der Spieler zwischen 'nur' Prägen und 'optimalerweise' Tragen der Kampagne hängt möglicherweise erheblich von den Konventionen der Kampagne ab?
Mir schießen da die (mit Verlaub unterirdischen) Harlequin Kampagnen von Shadowrun oder die (imho beeindruckende) Enemy Withing Kampagne von Warhammer Fantasy Roleplaying Game durch den Kopf, bei denen ich mich schwer tue, von einem Tragen der Kampagne durch die Spieler zu sprechen. Logisch, die Spielercharaktere tragen die Handlung, die aber aufgrund der Kampagnenvorgaben ja vorgegeben werden, somit für die völlige Spielfreiheit aber eben nicht genügend Raum bieten.
Begreife ich die Kampagne eben nicht so eng, sondern offener - typischerweise von den redaktionellen Vorgaben entkoppelte Spielszenarien in den Weiten der gewählten Spielwelt -, dann ist das Tragen der Kampagne durch die Spieler deutlich besser möglich.

Sehe ich das danach richtig, dass das Tragen mit der Flexibilität ansteigt? Oder übersehe ich da irgendwas?

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Offline Haukrinn

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Ja, das siehst Du richtig, würde ich mal behaupten.
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Offline Joerg.D

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Ja, ersieht es absolut richtig.

Ich kenne jetzt nur die Harlekin Kampagnen und die kann ein Spieler maximal prägen. Bestimmte Abläufe müssen immer passieren und es gibt eigentlich Railroading deluxe. Bei mir haben sich die Kampagnen absolut anders entwicket, als in den Abenteuern, weil die Spieler und ihre Hintergründe von mir eng mit dem eigentlichen Plot des Abenteuers vernetzt worden sind und die Spieler eine ganz andere Motivation entwickelt haben, die Sache durch zu ziehen. Schon wurde die Handlung teilweise in eine komplett andere Richtung getragen.

Übrigens inklusive des Todes von Harlekin am Ende des Abenteuers Nummer 1 (durch einen großen westlichen Drachen).

Feste Vorgaben bei der Handlung verhindern, dass die Spieler die Handlung tragen können, was ein entscheidender Vorteil in Bezug auf Systeme ist, die viel Vorbereitung benötigen (3.0 oder 3.5 z:B). Wer will da für diverse Alternativen die Monster und Gegner ausarbeiten?

Wenn nicht genügend Raum da ist um die Spieler handeln zu lassen, wie sie wollen, dann können sie die Kampagne nicht tragen, sondern nur prägen oder beeinflussen.
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Offline K!aus

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Ich für meinen Teil sehe es mittlerweile so extrem, dass man sich von vorgegebenen Abenteuern verabschieden muss. Verabschieden dann, wenn man darüber nachdenkt die Spieler als prägend / tragend einzubringen.

Wenn man ein Abenteuer oder eine ganze Kampagne derart spielt (spielen möchte!), dass am Ende wirklich das passiert was auf Seite 199 steht, dann haben die Helden nicht viel Handlungsspielraum. Sagen wir, sie können sich überlegen wie sie von A nach B kommen, aber dass sie schlußendlich bei B ankommen steht fest. Fest wie der Fels in der Brandung!

Um es wiederholt zu sagen: Das ist für mich der Knackpunkt!

Wer zulässt, dass die Spieler wirklich einen Einfluss auf die Kampagne nehmen, der muss wohl oder übel damit rechnen, dass sie irgendwann in eine andere Richtung läuft als vorgeschrieben!

Um es noch extremer zu formulieren, wenn ich z.B. Jörgs Auffassung richtig verstehe:
Wenn die Spieler die Verantwortung / Bringschuld haben das Abenteuer voranzutreiben, so kommt irgendwann der Punkt wo sie bestimmen wie es weitergeht! Und das meine ich wörtlich.
"Es wäre doch jetzt cool, wenn XYZ passiert..." Da Jörg der Auffassung ist, dass Spieler am meisten Spaß haben, wenn sie ihr Ding drehen, wird das auch so kommen. Natürlich abgerundet durch das Setting und abgeschmeckt durch den SL.

Und so schreiben die Spieler im wahrsten Sinne des Wortes das Abenteuer / die Geschichte selbst ...
... und laufen nicht den Pfad, den das Kaufabenteuer vorgibt!

Aus dem Grund sehe ich es auch so, dass bei einem vorgeschriebenen Abenteuer ein gewissen Konsens darüber herrschen muss, dass jeder gutmütig mitläuft. Er / sie kann ihren Charakter natürlich ganz individuell einbringen, aber das sollte spätestens dann aufhören, wenn das Abenteuer dadurch eine neue Richtung bekommen würde.

Cheers,
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« Letzte Änderung: 14.07.2009 | 12:31 von Evil DM »
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Offline Zornhau

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@ Zornhau:
Das könnte daran liegen, das wir als SLs unterschiedliche Schwerpunkte in unseren Kampagnen setzen. Ich habe einen groben Plot im Kopf und improvisiere den Rest, indem ich die Hintergründe meiner Spieler mit dem von mir gewünschten Plot und den Interessen der Spieler verknüpfe. Das Hauptaugenmerk bei mir liegt also auf der Story. Da meine Spieler machen können was sie wollen, tragen sie die Kampagne.
Hier liegt nicht etwa ein Unterschied in den Schwerpunkten in den Kampagnen vor, sondern ein ganz GRUNDSÄTZLICH ANDERER Kampagnen-BEGRIFF.

Ich bin mit Kampagnen rollenspielerisch "aufgewachsen". - Eine Kampagne ist NICHT eine durch dieselben SCs weitergetragene Folge von Szenarien (egal ob mit starkem, schwachem, oder ohne Plot gespielt), sondern eine Kampagne ist das, was der SPIELLEITER den Spielern an Spielwelt spielt (die durchaus in mehreren Gruppen in DERSELBEN! Kampagne spielen können).

Die Kampagne ist der "Charakter" des Spielleiters. Sie ist die PERSÖNLICHE Kampagne genau EINES Spielleiters.

Das trifft auf Eigenbau-Kampagnen (d.h. eigene Welten oder selbst adaptierte Welten) zu, wie auch auf die Auslegung, die ANREICHERUNG und SCHWERPUNKTSETZUNG hinsichtlich des gelieferten Materials bei Kauf-Spielwelten wie Glorantha, Forgotten Realms, Weird West, usw.

MEIN Weird West ist definitiv ANDERS als der Weird West von einem anderen Spielleiter.

Wer nicht mit diesem Kampagnenbegriff vertraut ist, kann vielleicht mit folgendem Vergleich ein wenig Zugang dazu bekommen: Wenn man einen VORGENERIERTEN Charakter, z.B. eine "Beilage" zu einem Con-Abenteuer, einem Spieler gibt, dann nimmt dieser das, was er an Charakterbeschreibung erhalten hat, und macht daraus im aktiven Spiel SEINEN EIGENEN CHARAKTER. Die im Spiel erspielten Fakten (erhaltene Narben, erworbene Cyberware, geknüpfte Beziehungen, usw.) fügen sich zu  der PERSÖNLICHEN Auslegung des Charakters durch den Spieler hinzu. Der Charakter wird fortgeschrieben, seine Errungenschaften, seine Niederlagen, usw. - das alles wird auf einem Zeitstrahl weitergeführt.

Wenn man ein VORGENERIERTES Kampagnen-Setting  wie Weird West, eine Spielwelt, die dazu gedacht ist, daß man SEINE EIGENE Kampagne daraus macht, bekommt (kauft), dann nimmt man das, was man an Beschreibungen dazu aufgenommen hat, und man macht daraus im aktiven Spiel SEINE EIGENE KAMPAGNE. Diese Kampagne ist der "Charakter" des Spielleiters. Diesen Charakter spielt der Spielleiter nach den Regeln und seiner persönlichen Schwerpunktsetzung (nicht Plot oder Nicht-Plot, sondern Schwerpunkte in der Kampagne, also Konzentration auf die Great Maze Region, Betonung des Konflikts der Railcompanies mit der Church of Lost Angels (gegenüber anderen in der Region beschriebenen Konflikten), Herausstellung der Allgegenwart von Mad Science im Maze, usw.). Seine Entscheidungen die in der Kampagne vorhandenen NSCs einzusetzen - unter dem "Risiko", daß sie von den SCs permanent "herausgeschrieben" werden, und die Entscheidungen der Spieler, wie sie mit der dargebotenen Spielwelt umgehen wollen, schaffen FAKTEN, die diese, seine Kampagne fortschreiben. Alles wird auf dem Zeitstrahl der Kampagne weitergeführt.

Die Kampagne liegt ganz grundsätzlich beim Spielleiter. Sie stellt KEINE Szenarien-Folge dar, sondern die Szenarien sind nur die Gelegenheiten, bei denen Fakten durch aktives Spielen in der Kampagne geschaffen werden.

Dabei ist es so, daß man mit unterschiedlichen Gruppen in DERSELBEN Kampagne spielt. - Die Spielwelt wird NICHT jedesmal, wenn man eine neue Posse in den Weird West bei DEMSELBEN Spielleiter schickt, "rebootet". Im GEGENTEIL! Die von anderen Gruppen, mit anderen Charakteren, zu anderen Zeiten erspielten FAKTEN in der Kampagne sind für die aktuelle Gruppe ebenfalls FAKTEN (historische Fakten, falls die anderen Gruppen auf dem Zeitstrahl der Kampagne früher agiert haben).

Ich spiele genau EINE Weird West Kampagne in Deadlands Classic. Die bespiele ich seit Jahren. In dieser spielen und spielten mehrere unterschiedliche Gruppen. In manchen sind die Spieler der einen Gruppe mit anderen Charakteren nach Jahren wieder eingestiegen, und freuten sich darüber, daß die von ihrer alten Gruppe erspielten Fakten tatsächlich FAKTEN in meiner Kampagne sind. Ihre damaligen Errungenschaften werden nicht entwertet und durch einen "Reboot" bedeutungslos, sondern sie haben MEINE Kampagne nachhaltig beeinflußt.  Es gibt auch Spieler, deren Charakter in mehreren Gruppen weitergespielt wurde. Dieser Charakter zog somit nicht nur seine persönlichen Charakter-FAKTEN mit in die andere Gruppe, sondern er befindet sich in DERSELBEN Spielwelt, in MEINER Kampagne.

Vielleicht konnte ich mit dieser Darstellung klar genug darlegen, warum ich hier einen grundsätzlich anderen Kampagnen-Begriff als Hauptdifferenz sehe. - Die eigentliche Szenarien-Folge ist da eher sekundär und ich habe in derselben Kampagne sowohl plotgetriebene wie auch "Sandbox"-Szenarien-Folgen mit derselben bzw. anderen Gruppen durchgeführt. Der Kampagne ist es "egal", auf welche Art die Fakten zur Fortschreibung erspielt wurden.

Der Kampagne ist es somit egal, ob eine Kauf-"Kampagne" (= Szenarien-Folge) so geleitet wird, daß auch ja alle "Eisenbahnstationen" des Railroad-Express abgefahren wurden, oder ob der Spielleiter den einzelnen Charakteren mit den in ihnen angelegten Ansatzpunkten eine Folge von Szenarien maßgeschneidert selbst erstellt, oder ob der Spielleiter seine Spielwelt "plotfrei" als "Sandkasten" zum freien Agieren spielt.

Die Spieler können dabei also in der Kampagne (dem "Charakter" des Spielleiters) in einen Plot-Zug einsteigen und nur Verzierungen zu den festgelegten Stationen beitragen, oder sie können die echten MACHER sein, und mit jeder ihrer Entscheidungen neue, harte, weitreichende Fakten in die Kampagne schreiben. - Ob "ergebnisvorbestimmt" oder ergebnisoffen gespielt wird, ist nur eine Frage der Einflußbreite, die man den Spielern einräumen will.

Das ist eine Frage der persönlichen Vorlieben und anderer Randbedingungen (es gibt ja schließlich auch GUTE Gründe eine mega-railroady Folge von Abenteuern durchzuspielen - z.B. weil man so zumindest DABEI war, als metaplot-wichtige Ereignisse stattfanden (G7), statt nur darüber in einem schlechten Roman zu lesen (Engel)).

Bei einer klassischen Kampagne, d.h. die Kampagne als "Charakter" des Spielleiters, gibt es für die Spieler erst einmal keine "Geschichte" zum "Tragen", sondern ob und was die Spieler mit der Kampagne des Spielleiters machen können, hängt sehr davon ab, was konkret an Abenteuern gespielt wird und WIE diese gespielt werden.

Dabei ist das, was im Eingangsbeitrag aufgezeigt wurde, nur EINER von vielen möglichen Wegen. Auch wenn ein Spielleiter eine Aventurien-Kampagne (SEINE Aventurien-Kampagne!) leitet, und er darin die G7-Szenarien nach dem "Enjoy the ride"-Prinzip für seine auch nur an solch einer "Ich war dabei, als der Metaplot passierte"-Spielweise interessierten Spieler anbietet, so ist es doch zum einen SEINE Aventurien-Kampagne, SEINE G7-Szenarien-Auslegung, und die Charkatere seiner SPIELER.

Es ist nicht immer das Maß aller Dinge, ob man zu einem anderen ENDZUSTAND in einer Folge von Szenarien kommt, sondern der Weg dahin ist es, was die Unterhaltung bietet. Daher spielten und spielen so viele unterschiedliche Gruppen gerade auch die bekanntermaßen "ergebnisbeschränkten" Abenteuer. Man bekommt  DENSELBEN TEXT der einzelnen Abenteuer, aber mit der Spielwelt als Charakter des Spielleiters hat man schon eine persönliche Adaption vorliegen, mit den einzelnen SCs weitere persönliche Blickwinkel, und mit dem, wie die Gruppe als Ganzes (Spielleiter und Spieler) mit dem gegebenen Material umgehen, ist der Weg zu den vorgegebenen Endzuständen ANDERS, und zwar auf unterhaltsame UND individuelle Weise anders. Dabei kann man wirklich nicht behaupten, daß hier die Charaktere die "Kampagne" (= Szenarien-Folge) "tragen" würden. Sie sind aber die Avatare der Spieler in der Welt des Spielleiters, mittels derer sie mittendrin (Meta-)Plots erleben können, die sie sonst nur lesen müßten.

Der eine oder der andere Ansatz seine Kampagne mittels Szenarien zum Leben zu erwecken, schließt sich ja nicht gegenseitig aus - wenn man die Fortschreibung der Kampagne betrachtet.

Ich habe gerade in meiner aktuellen Deadlands Classic Runde (wie gesagt: DIESELBE Kampagne seit Jahren, nur eine anders zusammengesetzte Spielergruppe, teilweise andere Charaktere, teilweise andere Spieler) den Schwerpunkt auf die Great Maze Region gelegt. Dort wird mit schwachem Plot (letztlich nur: reist, von wo auch immer ihr gerade seid nach Lost Angels) startend gerade eher der Charaktereinfluß auf die Kampagne stärker, je mehr bleibende Berührungspunkte die Spieler mit meiner Kampagne haben. Das führt zu Szenarien, die rein charakteriniiert und charakterbestimmt sind. Und da ich meine Kampagne aber parallel dazu als stimmigen "Sandkasten", der auch dann funktioniert, wenn die Spieler/Charakter nicht darin agieren würden, anlege, werden die Zufallstabellen für die Great Maze Region STÄNDIG eingesetzt und führen zu neuen Fakten, Komplikationen, "Umwegen", usw. Diese Sandbox-Phase ist von mir auch bewußt so gewollt, um die Charaktere an Kompetenz "aufzupäppeln", so daß sie für einen Satz an "gesetzten" Szenarien, eingebettet in die weitere Anwendung der Zufallstabellen, "fit" genug sind. Und diese gesetzten Szenarien sollen den SCs einen Vorgeschmack auf das geben, was ihren Charakteren danach bevorsteht: eine Metaplot-Abenteuer-Folge, die z.T. eben NICHT ergebnisoffen sein wird. Es gibt hier die Chance an welterschütternden Ereignissen auf dem aktuell noch zukünftigen Zeitstrahl meiner Kampagne aktiv teilzuhaben, wenn auch bestimmte Ergebnisse FESTSTEHEN (Metaplot halt). - Ich mische hier Kauf-Szenarien, eigen erstellte von externer Motivation, Zufallstabellenergebnisse und Charaktergetriebenes. Und das funktioniert!

Ich sehe überhaupt keinen Grund in meinen Kampagnen, was die Szenarien anbetrifft, in einer Art "Trennkost" zu verfallen. Ich verwende ALLES, was mir und meinen Spielern Spaß macht. Und auch ABWECHSLUNG in DERSELBEN Kampagne macht Spaß.

Offline Joerg.D

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