Autor Thema: Spielstileigenvorstellungen  (Gelesen 1528 mal)

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Offline Maarzan

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Spielstileigenvorstellungen
« am: 8.04.2009 | 21:15 »
Entsprechend dem Vorschlag in

Entscheidungsfreiheit beim Storytellerspielstil

wollte ich hier beginnen die verschiedenen Spielstile zu sammeln

und mit gutem Beispiel vorangehen. 

Wenn im Laufe der Diskussion Anpassungen notwendig erscheinen (was zu erwarten ist) wäre es vielleicht günstig in der Originalversion diese Änderung nach zu vollziehen (ggf. mit auslösender PostNR.), damit man nicht wie bei anderen Definitionssachen sich die gültige Fassung aus haufenweise Einzelmeldungen zusammenstückeln muss.


Ich schätze mal ein allgemeingültiger disclaimer:
Die vorgestellten Spielstile sind in Reinform theoretische Ideale. Am Spieltisch selber sind entsprechende Mischformen üblich.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Maarzan

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SandkastenSim nach Maarzan
« Antwort #1 am: 8.04.2009 | 21:15 »


SandkastenSim nach Maarzan

Spielinhalt
Was würde passieren, wenn …? Wir erleben eine fantastische fremde Welt und entdecken ihre Facetten und Funktionen.
Die Spieler erkunden als Piloten einer, seltener mehrerer Figuren die vom Spielleiter als Weltmaschine dargestellte Spielumgebung und probieren dort verschiedene Handlungen und Lösungsstrategien zu Aufgaben ihrer Wahl oder vorbestimmten Aufgaben als Teil des Spielangebots aus der Position der Figur aus.
Es besteht eine klassische Spielleiter/Spielertrennung, welche es den Spielern erlaubt, ganz in die Welt ein zu tauchen - sozusagen authentisch zu reisen - und Rückkopplungen auf das Experiment zur Laufzeit zu minimieren. Der Spieler hat die Herausforderung und den Entdeckungsaspekt, der Spielleiter kann die Funktionalität seines Weltenentwurfs testen oder sich einfach an dessen Funktionalität erfreuen.

Was ist daran Rollenspiel:
Die Charaktere spielen die Rolle eines Charakters der fiktiven Welt. Sie sind den Beschränkungen unterworfen, welche diese Rolle in der Spielwelt mit sich bringt und genießen das Erlebnis der Exploration dieser Rolle. Ein Spiel wird daraus, wo selbst- oder fremdgesetzte Herausforderungen vor den Regeln aus Hintergrund und Simulationsregelwerk angegangen werden.

Das Spielleiterangebot:
Das Angebot des Spielleiters ist es seine Welt oder einen Ausschnitt daraus – ggf. präzisiert auf einen ganz bestimmten Aspekt oder Konflikt – zu erleben und zu erkunden.
Dieses Angebot des Spielleiters umfasst die Beschreibung der geplanten Spielumgebung, die gewählten Regeln und Hausregeln sowie der Rolle, welche die Gruppe darin spielen soll. Dazu gehört ggf. eine Vorauswahl an Charaktertypen, Charaktereinstellungen und die Rahmenbedingungen um Charaktere erschaffen zu können, welche diesen Anforderungen gerecht werden können.

Die Rolle des Spielleiters:
Der Spielleiter ist zunächst einmal für die Ausarbeitung des oben beschriebenen Angebots und dessen Kommunizierung verantwortlich.
Er entwirft die Spielwelt und ihre Bewohner sowie die Startsituation mit ihren Konflikten und Potentialen und stellt diese dann in ihrer Entwicklung und ihrer Reaktion (unter anderem als zentraler Punkt die Reaktionen auf die Spielerhandlungen) nach den aufgestellten Grundlagen nach Kräften schlüssig und folgerichtig dar und sorgt für eine angemessene Information der Spieler entsprechend der Rolle ihrer Charaktere.
Er wendet die Regeln in oben beschriebenem Geiste an und nutzt die verbleibenden Freiheiten und Abwägungsspielräume, die ihm verbleiben, um ein faires und angemessen reizvolles Spiel mit einem Maximum an Entscheidungsmöglichkeiten und damit Spielbeteiligung der Spieler zu erreichen.
Für diese Art Spiel bietet es sich insbesondere für längerfristige Planungen an, dem einzelnen Spieler weitere Details zu seiner Rolle zukommen zu lassen oder besser noch diese Startposition interaktiv gemeinsam zu definieren um einen möglichst schnellen und passenden Einstieg in die Welt zu ermöglichen. Als Teil der Designphase sind dem Spieler zu diesem Zeitpunkt durchaus auch Beteiligung an oder gar Urschaffung von Spielweltelementen unter der Redaktion des Spielleiters möglich.
Der Spielleiter ist an die Parameter dieses Angebots genauso gebunden wie die Spieler.

Die Rolle der Spieler
Die Spieler stellen mit ihren Figuren die Mäuse in diesem Experiment. Entsprechend sind sie dafür zuständig passende Charaktere zu bauen und entsprechend den Rahmenrichtlinien dieses Spiels zu führen. Innerhalb dieser Vorgaben sind sie jedoch völlig frei, aber auch selbst verantwortlich.
Wie bei jedem Handel steht es ihnen frei Änderungen am Angebot des Spielleiters anzufordern und nach dem Ergebnis der Verhandlung am Spiel teil zunehmen oder eben nicht.
Die Aktionen ihrer Charaktere haben sich nach den Vorgaben ihrer Charaktere, deren Sozialisation und deren Wissenstand zu richten, um ein möglichst stimmiges und unverfälschtes Gesamtbild zu erreichen.
Im Rahmen der typischerweise trotzdem noch offen stehenden Optionen ist der Gedanke des gemeinsamen Gesellschaftsspiels zu beachten und die Interessen der Mitspieler wohlwollend zu berücksichtigen. Problematische Elemente sind nach Möglichkeit in der Designphase vor dem Spielbeginn zu klären und zu entschärfen.
Ein Einfluss der Spieler zur Laufzeit auf die Umgebung jenseits der Charaktermöglichkeiten geschieht nicht (abgesehen von der Möglichkeit allgemein Vorschläge zumachen, die der Spielleiter oder Mitspieler ggf. zur rechten Zeit aufgreift).
Zur Designzeit (die auch zwischen Abenteuern oder auch Szenen liegen kann) ist ein solcher Input durchaus erwünscht und hilft dem Spielleiter gezielter vorzubereiten oder gar Teilarbeit abzuwälzen – unterliegt aber der Redaktion des Spielleiters. Ein Spieler kann für gewisse Elemente zeitweilig Subspielleiter werden, hat sich dann aber auch den Verantwortungen und Beschränkungen des Spielleiters, insbesondere aber auch der Interessentrennung in Bezug auf seinen Charakter zu unterwerfen. Das Experiment darf nicht verfälscht werden.

Grundlagen
Die interne Konsistenz und damit der reibungsfreiest mögliche Ablauf des Experiments hat die höchste Priorität zur Laufzeit. Handlungen haben entsprechende Folgen. Effekte haben ihre Ursachen. Und so gut wie nichts geschieht spurlos.
Die Spielweltlogik bestimmt das Spiel und wird nur durch die zur Spielbarkeit nötigen Abstraktionen eingeschränkt, welche durch die Wahl eines passenden Regelwerks und entsprechende  Hausregeln für alle nachvollziehbar beschrieben werden.
Entsprechend wichtig ist es diese Vorstellungen und Rahmenbedingungen vorher anzupassen und zu kommunizieren.

Probleme
Insbesondere der Einstieg ist für Spieler und insbesondere den Spielleiter arbeitsintensiv. Die Vertrautheit und damit Souveränität in der Darstellung von Welt wie Charakter will erworben werden und erfordert einen entsprechenden Aufwand.
Die „Ignoranz“ der Umwelt für den SC-Status der Charaktere erfordert eine gewisse Proaktivität zumindest einiger der Spieler und insgesamt ein Umdenken von ggf. vorhandenen „Heldenmythen“ aus Buch und Film.
Auch eine Abschottung wie sie manche Erfahrungen mit Railroadern und KillerDM´s produzieren oder eine Bedien-/Plotsucherwartungshaltung auf Grund von Erziehung durch Storyteller ist auf Grund der Bedeutung der Einbettung und Interaktion mit den Spielweltkulturen extrem disruptiv.
Als letztes kann auch die reine Masse an Möglichkeiten, Reizen und Konflikten einer lebendig dargestellten Welt manche Spieler überfordern.

Varianten und Verwechslungen
Variante Handlungsverdichtung:
Das normale Leben auch interessanter Personen ist über weite Strecken trotzdem für viele Spieler (zu) langweilig, bzw. der Ausschnitt der interessanten Handlungen oder Orte, die dann im Sichtfeld der Figuren liegen zu klein. Daher kann es sinnvoll erscheinen die Wahrscheinlichkeiten von solchen Ereignissen zu überhöhen. Wichtig dabei ist es aber den Erlebnischarakter der Einzelsituation nicht zu verändern und trotzdem der mit der steigenden Zahl an Herausforderung wachsenden Gesamtversagenschance zu begegnen.

Fehler Vakuumillussionismus
Es reicht nicht die Fassade einer weiten Welt aufrecht zu halten, die Elemente müssen auch entsprechend reagieren, Informationen kommuniziert und so Handlungsmöglichkeiten bei angemessener Handlungsauflösung ermöglicht werden.

Fehler DarknGritty
Die Überspitzung des Prinzips „Handlungen haben Folgen“ dient nicht dem eigentlichen Ziel. Überbordende Letalität und Antagonismus der Umwelt sind ebenso wenig förderlich wie LiLaLauneHeldenland oder schwarzweisgezeichnete Welten.

Aus der Sicht von GNS/Threefold
Gamismus: Ich hatte recht guten Erfolg nachdem ich den Leuten einmal klar gemacht habe die Rollenbeschränkungen ihrer Charaktere als Teil der Herausforderung zu sehen. Die aus dieser Fraktion angeforderte höhere Actiondichte musste durch Rettungspunkte kompensiert werden.

Nar: Die Betonung der Integration der Spielwelt und ihrer Bewohner in hohem Detailgrad ergibt zahlreiche Möglichkeiten zu narrativistisch interessanten Fragen. Ob dies dann aber die Fragen sind, welche dem entsprechenden Spieler wichtig sind, ist zunächst Zufall. Auch die Dichte dieser Fragen ist ggf. nicht hoch genug, da diese Fragen nicht über das „natürliche Maß“ erzwungen werden. Auch fehlt ggf. das Feedback, da nicht alle Spieler diesen Fokus haben bzw. dieselbe Frage interessant finden und wenn der Spieler solche Elemente anspielt dieses ggf. eben seine Solospotlight/tour bildet, aber nicht in den Fokus der Gesamtgruppe rückt, was scheinbar öfters als unbefriedigend empfunden wird.

Sim: Dies ist eine der Kernformen von SIM.

Storytelling: Hier konnte keine Übereinstimmung erzielt werden. Das Spiel ist weitgehend handlungs- und nahezu völlig ergebnisoffen. Die von mir erlebten Anforderungen an Storyqualität können nicht zuverlässig erfüllt werden, die vorgeschlagenen Mittel sind mit dieser Spielart hier inkompatibel.

Glossar:
Spielangebot:
Es wird davon ausgegangen, dass ein Spiel dadurch zustande kommt, das Angebot des Spielleiters und Nachfrage/Annahme des Spielers zusammen kommen. Wie im Geschäftsleben auch, erhöhen eine funktionierende Kommunikation und verlässliche Absprachen die Gesamtzufriedenheit der Beteiligten.

Laufzeit/Designzeit
Ohne Metaspiel geht es nicht. Im Zusammenhang zumindest dieses Spielstils ist es aber wichtig zwischen Eingriffen während einer für das Experiment wichtigen Handlung und einer Steuerungshandlung zwischen solchen Handlungen zu unterscheiden.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...