Autor Thema: Wisst ihr, wie man euer Spiel spielen soll, bevor ihr es entwickelt?  (Gelesen 1671 mal)

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Offline Gaukelmeister

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Wenn ihr euch daran macht, ein Rollenspiel zu entwickeln, womit beginnt ihr? Schreibt ihr erst ganz viel Fluff auf? Oder arbeitet ihr an einer möglichst klaren Vorstellung davon, was am Spieltisch ablaufen soll? Oder überlegt ihr euch, was für eine Art von Geschichte man damit erzählen soll? Oder welche Art von Vorlieben das Spiel bedienen soll? Oder noch was anderes?

Bei irgendwem (vielleicht Ron E.?) habe ich einmal gelesen, dass er sich zunächst hinsetzt und die Dialoge aufschreibt, die zwischen den Spielern während einer Spielsession optimaler Weise ablaufen sollten. Ich habe das selbst schon versucht, bekomme das aber noch nicht richtig hin. Jetzt interessiert mich natürlich, inwieweit andere beim Entwickeln eines Spiels schon klare Vorstellungen davon haben, welche Arten von Spielstilen und Spielerinteraktionen das Spiel unterstützen soll. - Habt ihr schon frühzeitig eine Traumvorstellung, wie euer Spiel funktioniert, worum es dabei geht etc.?

Bei mir ist es gerade eher so, dass ich eine einzelne Idee habe und dann nach und nach etwas dazu packe. Eine fiktive Mitschrift der von mir gewünschten Spielerunterhaltung lässt sich da nicht verfassen.

Schließlich frage ich mich auch, ab wann ihr damit beginnt, konkrete Mechanismen und Regeln zu formulieren. Mir scheint, dass man das sinnvoller Weise erst machen kann, wenn man klar weiß, worauf man hinaus will. Andererseits könnte ich mir auch vorstellen, dass man durch das gedankliche Spielen mit verschiedenen Regelmechanismen etc. gute Ideen bekommt, worauf man eigentlich hinaus will. Welche Erfahrungen habt ihr hier gemacht?
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Pyromancer

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Los geht es mit einer coolen (oder in dem Moment cool erscheinenden) Idee.
Dann kommen ein paar coole (oder in dem Moment cool erscheinende) Regelmechanismen.

Dann überlege ich mir, wie sich das ganze im Spiel "anfühlen" soll. Was soll passieren? Wann greifen die Regeln? Wie greifen die Regeln? Wie kompliziert ist das?

Dann merke ich, dass das ganze nicht funktioniert, wie ich mir das vorstelle, und schreibe aus Frust erst mal jede Menge Fluff.

Dann streiche ich die Regeln so lange zusammen, bis nur noch ein winziger Kern übrigbleibt. Der wird dann komplett umgebaut, bis er zu den Spielvorstellungen passt. Und dann wird er so lange erweitert, wie es mir Spaß macht oder bis die 72 Stunden rum sind.

Offline Merlin Emrys

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Wenn ihr euch daran macht, ein Rollenspiel zu entwickeln, womit beginnt ihr?
Mit allem Genannten plus etwas mehr parallel. Und genauso parallel bearbeite ich die einzelnen Bereiche dann weiter.

Offline Lord Verminaard

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Du erinnerst dich wahrscheinlich an das hier. Ich habe das mal versucht, fand’s nur mäßig hilfreich.

Wolfgang Kramer, einer der erfolgreichsten Brettspiel-Entwickler, hat mal geschrieben, ein gutes Spiel beginnt immer mit einer Idee: Einem Mechanismus oder einem Thema. Das lässt sich auf Forge-Spiele & Co. sehr gut übertragen, weniger gut auf komplexere Rollenspiele, die ja genau genommen eine Vielzahl von (möglichen) Spielen beinhalten, was ja gerade der Witz daran ist.

Bei BARBAREN! war es der zentrale Mechanismus, um den das Spiel reifte. Halt dieser Gedanke: Du musst kämpfen, um die Punkte fürs Frauen flachlegen zu kriegen, und du musst Frauen flachlegen, um die Punkte fürs Kämpfen zu kriegen.

Natürlich habe ich eine Vorstellung davon, wie man das Spiel spielen soll, wenn ich beginne, es zu entwickeln. Ich halte aber nichts mehr davon, ein Spiel so zu schreiben, dass es genau diese Spielweise dann auch erzwingt. Im Gegenteil denke ich, dass richtig gute Rollenspiele dazu einladen und verleiten, als Gruppe eine eigene Weise, es zu spielen, zu entwickeln. Eine gewisse Richtung, einen gewissen Rahmen sollte das Design aber schon setzen, und dazu mache ich mir natürlich als allererstes Gedanken.
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Offline Joerg.D

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Ja, ich weiß genau wie ich es spielen will, ich muss dann bloß noch die passenden Regeln schreiben.

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Offline Gaukelmeister

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Du erinnerst dich wahrscheinlich an das hier. Ich habe das mal versucht, fand’s nur mäßig hilfreich.

Genau, das hatte ich irgendwann einmal gelesen - und jetzt habe ich es im Hinterkopf und frage mich: Muss man das können, wenn am Ende etwas Gutes herauskommen soll? (Und das Problem ist natürlich, dass ich es nicht kann ...)

Die meisten Antworten deuten ja eher darauf hin, dass sich ein Großteil des Spiels erst während des Entwicklungsprozesses ergibt.

Ja, ich weiß genau wie ich es spielen will, ich muss dann bloß noch die passenden Regeln schreiben.

Wie lange brauchst du, um deine genaue Vorstellung zu bekommen. Poppt die auf einen Schlag hoch, oder investierst du einige (Gedanken)Arbeit, bis du endlich siehst: genau so soll es werden.

@ Tobias D.
Ja, so in etwa läuft das bei mir gerade - nur ohne 72h-Limit.
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Offline Joerg.D

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Wie lange brauchst du, um deine genaue Vorstellung zu bekommen. Poppt die auf einen Schlag hoch, oder investierst du einige (Gedanken)Arbeit, bis du endlich siehst: genau so soll es werden.

Ich weiß genau was ich spielen will und mache mir Gedanken, wie man das erreicht. Die Idee mit den Tarotkarten zu Dramatik spukte mir schon eine ganze Weile im Kopf rum und ich habe sie bewusst nicht verfolgt, weil ich die in einer Challenge umsetzen wollte. Wenn ich dann Anfange zu entwerfen, dann mache ich mir eine Mind Map um meine Ideen zu ordnen (dauert ca 10 Minuten) und fange an zu schreiben. Dabei kommt erst einmal alles ins Spiel rein, was ich so an Ideen habe und die schlechten Sachen fliegen bei den Testspielen raus.
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Offline 1of3

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Ich persönlich find eine Idee immer zu wenig. Besser sind zwei oder besser noch drei Ideen, die nicht zusammen gehören und nicht einmal zusammen passen. (Da kann auch ein Mechanismus bei sein.) Und dann macht sie passend. Unter Umständen werden sie dabei so verzerrt, dass man die Teile selbst nicht mehr erkennt, aber das ist dann genau gut.

Das alles, was hier gesagt worden ist, schließt sich aber nicht aus.

Offline reinecke

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Muss man das können, wenn am Ende etwas Gutes herauskommen soll?
"Man" muss das nicht könne, es gibt immer Leute, die mit völlig anderen Herangehensweise gute Spiele produzieren, aber DU musst es vielleicht schon können, weil es DIR hilft, ein gutes Spiel zu schreiben.
Der Ansatz ist interessant und mir hat's bisher auch nie geholfen, habs aber auc herst einmal probiert und das war nicht ernsthaft.

Allerdings denke ich, dass, die Idee "wie das Spiel gespielt werden soll" schon wichtig ist, recht FRÜH entwickelt zu werden.
Genau darauf zielen ja auch diese ganzen Fragenkataloge wie Big3, Power9 (?) und so ab. WIE spielt es sich un dWORUm geht es eigenltich?

Ich für mich, der noch kein Projekt vollendet hat, kann sagen: Ich finde das total wichtig! Die coolen Ideen gehören selbstverständlich auch dazu, aber das "WIE" ist relevant.

Offline Gaukelmeister

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Allerdings denke ich, dass, die Idee "wie das Spiel gespielt werden soll" schon wichtig ist, recht FRÜH entwickelt zu werden.
Genau darauf zielen ja auch diese ganzen Fragenkataloge wie Big3, Power9 (?) und so ab. WIE spielt es sich un dWORUm geht es eigenltich?

Ja, die Fragenkataloge gehen in die Richtung. Allerdings kann man viele Fragen beantworten, ohne dass man eine glasklare Vorstellung vom Spiel hat. (Zumindest habe ich die Personal 8 mal übungshalber beantwortet.) Und bei den Fragenkatalogen wird ja auch immer alles gleichzeitig abgedeckt. Also die Interaktion der Spieler, die Interaktion der Charaktere, die Regelmechaniken etc. Insofern sind das in meinen Augen eher Hinweise darauf, was man sich alles überlegen muss, wenn man irgendwann einmal fertig werden will. Eine sinnvolle Struktur des Entwicklungsprozesses mit Hinweisen auf Anfang, Mitte, Ende (oder so) geben sie eher nicht vor.
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Offline Beral

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Ich habe einen bestimmten Spielstil vor Augen und versuche die passenden Rahmenbedingungen dafür zu entwerfen.

Begonnen hat alles mit der diffusen Vorstellung "irgendwas gefällt mir nicht, es muss doch besser gehen". Es begann die Suche nach dem, was nicht gefällt und dem, was besser sein soll. Nebenbei teilweise enthusiastische Entwicklung und Erprobung verschiedener Regelmechanismen und ihre Anpassung an das Wunsch-Setting. Irgendwann dämmerte die Erkenntnis, wovon ich weg will und wohin, und damit die Erkenntnis, dass es dafür unsinnig ist, mit den Regeln zu beginnen.

Der anvisierte Spielstil ist mein Anker, die Inhalte (Regeln, Setting, Core Story) sind vor Veränderungen nicht sicher.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.