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D&D 4e Spielerfahrungen und -erkenntnisse

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Jestocost:
An dieser Stelle möchte ich meine - durchaus eher positiven - Spielerfahrungen mit D&D 4 niederschreiben und zur Diskussion stellen.

Ich habe damals in den dunklen 80er Jahren Rollenspiel mit DSA und D&D begonnen - und bin dann eher zu D&D gewechselt, weil es heroischer war - und mehr Monster, Schätze und Zaubersprüche hatte (ja, und später dann zu Rolemaster gewechselt, weil: mehr Zaubersprüche und "erwachsener" und "realistischer").

Wir haben dann kräftig AD&D gespielt und haben ein wenig mit AD&D 2e angefangen - aber da war dann plötzlich alles gleichzeitig so aufgeräumt wie unübersichtlich: Geile Settings, aber so richtig gerockt hat es da nicht mehr.

D&D 3.0 und 3.5 hab ich dann weitgehend ignoriert - wir haben mal Conan D20 ausprobiert, aber das war uns letztendlich zu kompliziert. Selbst hab ichs mal in Münster beim Gaukelmeister ausprobiert - was echt Spaß gemacht hat, aber ich war auch dankbar, dass die anderen Spieler mir die Arbeit mit dem Aufsteigen und Feats auswählen abgenommen haben...

Wir haben dann mit D&D 4 angefangen, weil uns Descent gelangweilt hat - und wir ein wenig mehr Rollenspiel wieder haben wollten.

Mittlerweile spielen wir fast wöchentlich und dann auch so richtig bis in die Morgenstunden hinein. Und ich frag mich halt, warum das so ist.

Unsere Gruppe ist groß und alt (Gruppe der Großen Alten?): Wir sind alle Mitte bis Ende dreißig, berufstätig, zum großen Teil mit Frau (oder Mann), einige auch mit Kindern. Die Gruppe selbst besteht aus 7 Spielern plus Spielleiter, von denen einer nur sporadisch kommt, weil Fernbeziehung - oder Schifoan.

Im Durchschnitt sind wir also zu sechs Spieler, und gespielt wird so ab 5 Leuten.

Die Gruppe besteht aus:
- Eladrin Sword&Board Fighter
- Elf Bow Ranger
- Water Genasi Warlord
- Human Ruffian Rogue
- Human Wizard
- Dwarven Ragevigor Fighter

Mit 2 Defendern und bei voller Besetzung auch 2 Strikern geht's richtig heftig ab. Seit die Spieler gelernt haben, als Team zusammen zu spielen, sind sie auch erschreckend effektiv.

Wir haben mit Kobold Hall angefangen, haben dann Keep on the Shadowfell angereichert mit Barrow of the Ogre King gespielt, dann kam Thunderspire Labyrinth und jetzt Pyramid of Shadows.

Im großen und ganzen haben wir die Module auch so gespielt, wie sie waren - natürlich angepasst an die Stufe und die Anzahl der Spieler: Das ist für mich das Schöne an D&D 4 - das Anpassen geht echt kinderleicht.

Die Module waren... ganz okay. Ein paar echt gute Fights und ein paar eher doofe Prüfungen... Aber Spaß hat es trotzdem immer gemacht - und wir hatten auch so richtig heroische und cineastische Szenen dabei.

Wir spielen dabei eher Bier und Brezel Rollenspiel: Rein ins Dungeon und dann wird geschnetzelt. Aber bis jetzt hat es die Gruppe auch geschafft, jedem zu vertrauen, der sie reinlegen wollte und jedem zu mißtrauen, der ihnen die Wahrheit sagt... Langsam fang ich an, auch ein bisserl mehr Story reinzubringen und eher mein eigenes Ding draus zu machen.

Was mich am meisten bei D&D freut: Es ist sehr bewusst ein Spiel - und das macht vieles einfach. Wir treffen uns zum Spielen und haben dabei eine Menge Gaudi - einfach weil jeder immer etwas dabei beisteuern kann. Verwaltungsaufwand, Aufsteigen und magische Gegenstände kaufen läuft angenehm nebenbei. Retraining wird gerne genutzt, wenn sich zeigt, dass die eine oder andere Kraft für den eigenen Spielstil nix bringt.

Ich glaube, der Spaß von D&D liegt unter anderem daran, dass das Spiel durch das Aufsteigen immer was neues bringt und man unentwegt neue taktische Möglichkeiten bekommt und ausprobiert - und jede Charakterklasse oder Build hat da seinen eigenen Weg: Die Fähigkeiten der Charaktere sind nie statisch, sondern in fast jedem neuen Encounter oder neuem Monster probieren die Spieler etwas anderes... Am Anfang hat die Defenderbastion gut funktioniert - bis die Gegner über die Flanken kamen - oder den Defender einfach überrollen konnten (Hinweis: Zwerge sind: Fels in der Brandung). Manchmal musste der Wizard um sein Leben rennen oder teleportieren, andernmal ist er der Tod, der von oben auf die Gegner regnet.

Alles ist im Fluß - nichts bleibt lange gleich - weil immer was neues und spannendes dazu kommt: ne neue Power, ein neuer Gegenstand, andere Monster, andere taktische Umgebung. Mit anderen Worten: Das Belohnungssystem funktioniert.

Und auch - wie schon erwähnt - die Zeit im Spotlight ist ausgeglichen: An jedem Spielabend glänzen die Charaktere zu unterschiedlicher Zeit: Wenn die Elfe den Angriff eines Gegners unterbricht und dafür sorgt, dass der schwer angeschlagene Magier nochmal überlebt... Oder wenn der Heiler es im letzten Moment dann doch noch schafft, den sterbenden Kumpan zu stabilieren... Oder wenn der bewusstlose Zwerg im letzten Moment erwacht, alle seine Kräfte mobilisiert und den Bösewicht rammt und so in das Portal befördert.

Zugegeben: nicht alle Kämpfe sind so außergewöhnlich: Aber der Kampf selbst hat im Normalfall eine eingebaute Dramatik: Die Gegner sind am Anfang viele und stark - und die Charaktere müssen einstecken, dann raufen sie sich zusammen und innerhalb weniger Runden dreht sich der Spieß, bis die Gegner am Boden sind oder fliehen... Und die Spieler haben es in der Hand, wann sich der Spieß drehen soll - halte ich mich zurück, weil ich später noch auftrumpfen will oder muss - oder haue ich jetzt alles raus was ich habe... Gott sei den Monstern gnädig, die auf eine Gruppe trifft, die weiß, dass sie alles geben kann, was sie hat - weil sie sich danach eh ausruhen kann: Das ist dann dieser Punkt: Jetzt sind wir mal richtig wütend.

"Echtes" Rollenspiel läuft nebenher: Das Mißtrauen des Oghma Klerikers unserem Magier gegenüber, der ein Faible für Todesmagie entwickelt hat und auch seinen Untoten Diener mal ausprobieren möchte. Der Eladrinkämpfer, der immer dem Kopf der Eladrinprinzessin gut zuredet (wobei sich Regeln und Spiel verzahnen: Dem Spieler ist vollkommen bewusst, dass er das aus reinem Eigennutz macht, weil er nur so durch die hohe Konkordanz auf die coolen Kräfte des Artefakts zugreifen kann). Die beiden Kämpfer, die dem Aspekt des Vecna vortäuschen, dass sie sich gegenseitig verraten (und so den letzten Erfolg bei ner Skill Challenge gewinnen konnten).

Es gibt bestimmt Rollenspiele, die mehr Wert auf diese ganze Ingame-Sache legen und dazu auch einen Haufen Mechanismen bereitstellen: Aber das Spiel steht uns nicht im Weg: Wenn die Leute ihre Rolle ausspielen wollen, können sie's - aber sie müssen es nicht - es macht auch so Spaß. Und das ist auch wahrscheinlich der Vorwurf, den man D&D 4e machen kann: Das Monsterplätten ist halt richtig Fun.

Für mich als Spielleiter ist das Leiten eine Freude, weil ich mich praktisch nicht vorbereiten muss - okay, manchmal wär's besser gewesen, wenn man nicht die eine oder andere Sache überliest oder seine Viecher sinnlos aufstellt. Aber hey.

Seit kurzem haben wir auch ein D&D Insider Abo. Und der Character Builder rockt. Wirklich ne saubere Arbeit. Und das Compendium ist auch richtig richtig praktisch. Die anderen Sachen muss ich noch ausprobieren - und ich habe nicht die geringste Ahnung, wann ich das ganze Material aus dem Dragon oder Dungeon lesen soll... Aber man beschwert sich nicht, weil man plötzlich zu viel an Material hat...

Aber wir gehen an Büchern am Spieltisch unter: Zwei Players Handbook, Martial und Arcane Power, Adventurer's Vault - aber glücklicherweise nur am Anfang des Spielabends - während des Spiels müssen wir kaum was nachschauen... Weil jeder Spieler seine Kräfte auf Power Cards vor sich hat. Was aber schön ist: Der Weihnachtsbaumeffekt ist begrenzt: Magische Gegenstände geben nette Gimmicks dazu, aber der Wumms kommt immer noch von den Spielern selbst.

Auf dem Spieltisch haben wir ein Whiteboard mit Rasterfolie - so kann ich schnell Räume aufmalen. Ich hab auch Dungeon Tiles, aber die machen nur Sinn, wenn man sie vorher zusammenstellt - und da komm ich nicht dazu. Die Spieler haben für ihre Figuren Charaktere aus meiner Descentbox genommen - und ich früher auch die Monster daher. Mittlerweile arbiete ich mit den Countern aus der Creature Collection, damit nicht alle Gegner gleich aussehen.

Zum Verwalten der Initiative benutze ich wiederbeschreibare Karten - wen jemand dran war, dann kommt der nach unten. Meiner Meinung die beste Art - vor allem, wenn die Spieler stark mit Ready und Delay Action arbeiten - und der Warlord noch seinen Platz in der Reihenfolge tauschen kann.

Und meine Spieler bestehen drauf, dass ich mich hinter dem Spielleiterschirm verstecke - sonst wäre es ja kein richtiges Rollenspiel.. Ah, okay (nicht dass ich den Schirm groß nutze, aber manchmal ist er schon ganz hilfreich).

Und wie sind eure Erfahrungen? Was ist euch aufgefallen, wie spielt ihr?





6:
Eine wichtige Kritikpunkt, an der wir in unserer Runde zu knabbern haben:
Der Würfel ist das wichtigste Fließmittel. Wenn der nicht will, geht der eigene Charakter wegen Nutzlosigkeit den Bach runter.
Bei uns gibt es in den diversen Runden Spieler, die manchmal ganze Sitzungen nicht über eine 7 im Wurf kommen (Rekord war bei einem Spieler 9 1-er in einer Session). In 3.X ist das nicht so problematisch, weil da ne Menge Effekte ohne Würfe funktionieren oder die Boni so dermassen hoch sind, dass man einfach keine 1 würfeln muss, damit der Treffer sitzt.
Wir sind bereits so weit, dass wir das Actionpointsystem umkrempeln wollen, damit man die Möglichkeit hat in wichtigen Momenten einen Take-10 nehmen kann.

Jestocost:
Wir haben auch schlechte Würfe - aber meine Spieler haben das Synergielement in D&D 4e so raus, dass sie sich richtig heftige Boni zuschanzen können... Und wenn der "Lead the Attack" erstmal sitzt, kann gar nicht mehr so viel schiefgehen...

Aber zugegeben: Wir haben letzten Freitag auch mit 7 Spielern gespielt - und da prasseln die Boni halt auch... Aber als unser Kämpfer selbst mit ner 1 den Lizardman Brute getroffen hat, hab ich dann auch geguckt...

Selganor [n/a]:

--- Zitat von: Jestocost am 12.05.2009 | 12:54 ---Aber als unser Kämpfer selbst mit ner 1 den Lizardman Brute getroffen hat, hab ich dann auch geguckt...

--- Ende Zitat ---
"haette"... 1 ist immer (noch) automatisch daneben.

Oberkampf:
Hallo,

meine bisherigen Eindrücke von D&D 4. Edition beruhen leider nur auf einer einzigen Spielsitzung. Die Gruppe besteht mit mir aus 5 Personen, alle vom Alter her 30+, wir können uns in der Regel nur 1 mal im Monat treffen und dieses Wochenende wird die zweite Sitzung stattfinden. Der Bericht über die erste Sitzung ist unter "Waagschalen des Krieges" unter sessionberichte bei Tanelorn zu finden.

Wir spielen den Abenteuerpfad "Scales of War" ["Waagschalen des Krieges", ich habe leider noch keine Idee, wie ich die doppelte Bedeutung von scales (Schuppen, Waagschalen) angemessen ins Deutsche übersetzen kann] aus dem DDI. Der Abenteuerpfad hat zwar anfänglich ein paar schaurige Lücken, aber dank des Forums von Wizards kann man die schlimmsten Klippen umschiffen.

Bisher sehe ich viele, viele Vorzüge in der 4. Edition, gegenüber anderen mir bekannten Fantasysystemen allgemein und insbesondere gegenüber der dritten Edition. Das mag sicherlich nicht für jede Gruppe und jeden Spieler gelten, aber für die Bedürfnisse meiner Gruppe und meiner Spieler ist die 4. Edition gut geeignet.

Wir haben wenig gemeinsame Zeit zum Spielen, deshalb die seltenen Termine. Als Spielleiter habe ich bislang den Eindruck, dass das Management der Monster einfacher ist und die Gestaltung von Kämpfen zügiger von statten geht, als es in der 3. Edition der Fall war. Außerdem wird am Tisch weniger in Regelschwarten geblättert. Wenn das so bleibt, bin ich sehr zufrieden.

Meine Hoffnung ist, dass auch das Steigern der Charaktere nicht mehr stundenlanges Knobeln am heimischen Schreibtisch voraussetzt. Zumindest von meinen zwei Spielerinnen kann ich sicher sein, dass sie kein Interesse daran haben, sich durch alle möglichen Bücher durchzuhacken, um den Charakter zu optimieren.

Von den Spielbedürfnissen her sieht es so aus, dass für dreiSpieler die Darstellung des Charakters oder NPCs wichtig ist (Schurke, Hexenmeister, Spielleiter), drei Spieler auf Kämpfe und Action stehen (Hexenmeister, Paladin und Spielleiter) und mindestens zwei Spieler Spaß an Verhandlungen und sozialer Interaktion mit NPCs haben (Schurke, Spielleiter, evtl. Paladin). Zwei Spieler (Hexenmeister, Paladin) sind ganz gewiss daran interessiert, mächtiger als mächtig zu werden (regelkonforme Powergamer). Als Spielleiter habe ich eine Wahnsinnsvorliebe für bewegungsorientierte Kämpfe und Action, wo man Rennen, Klettern, Sprinegen Schwimmen etc. muss.

An der Story interessiert sind eigentlich alle, keiner steht dagegen auf innere Tragödien, Rollenkonflikte und Dilemmata. Die spielerischen Interessen der Gnomenspielerin sind schwer zu bestimmen, ich nehme an, sie gehört zu den Spielern, die in erster Linie Spass daran haben, dabei zu sein und die Story zu verfolgen. Da wir so selten spielen, ist eine gewisse Bier und Bretzel-Stimmung unvermeidlich.

D&D 4. Edition scheint allen unseren Interessen angemessenen Raum einzuräumen, sobald wir voll hinter die Skillchallenge Methode gestiegen sind. Den Abenteuerpfad versuche ich um ein paar Szenen/Begegnungen nach Vorstellungen der Spieler zu erweitern, damit auch jeder seine "persönliche" Story im Pfad unterbringen kann. Dabei gefällt mir besonders, dass die Gestaltung der Begegnungen nicht mehr ganze Nachmittage in Anspruch nimmt. Was mich auch überzeugt hat, war das neue Schatzsystem, denn es hat immer meine Vorstellung von einer Fantasywelt gestört, wenn die Helden mit Rucksäcken voller magischer Gegenstände herumlaufen müssen, um einigermaßen effektiv zu sein. In der dritten Edition war das schlimm, in der 4. wird es hoffentlich besser.

Den Zufallsfaktor, den Christian Preuss angesprochen hat, versuche ich in der nächsten Spielsitzung mithilfe eines Belohnungssystemes ein wenig einzudämmen. Wer am Tisch durch gute Ideen oder Charakterspiel oder ähnliche In-Game-Aktionen für gute Stimmung sorgt, erhält sofort ein Belohnungssteinchen (meine Frau hat mir extra so kleine Glassteinchen gekauft). Die Belohnungssteinchen kann man gegen +1 auf einem Angriffs- oder Fertigkeitswurf eintauschen, die Idee habe ich aus einem Podcast , den ich hier auf Tanelorn gefunden habe. So hoffe ich u.a., den glückloseren Spielern neue  Möglichkeiten einzuräumen.

Ansonsten viel Spaß mit D&D,
Tümpelritter

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