Ah, mein Lieblingsthema
Allerdings gehe ich, villeicht auch geprägt durch langjähriges selber musizieren etwas anders an die Sache heran als du.
1.) Grundsätzliches
Zuerst muss man sich im Klaren darüber sein, das Musik fürs Rollenspiel in erster Linie ein Stimmungsträger und -unterstützer ist. Anders als im Film, wo die Handlung in einzelne Szenen geschnitten ist, verläuft ein Rollenspielabend nicht immer so. Die einzelnen Szenen bzw. Szenerien werden i.d.R. bedeutend länger bespielt, Szenen wiederholen sich von der Grundstimmung her, Ereignisse sind optional verschiebbar je nach Gruppenaktionen etc. pp. Demzufolge wird, wenn man sich für ein Setting / Abenteuer / Kampagne einen Soundtrack zurücklegt, die überwiegende Mehrheit der Musikstücke dafür da sein, in einer länger bespielten Szenerie eine gewisse Grundstimmung zu supporten.
Eine Ausnahme bilden hier SLs mit Hang zum schnellen Szenenspiel. Da gelten etwas andere Gesetzmässigkeiten und man kann meist bei 3.) Arten von Tracks Punkt A der dort vorgestellten Gewichtung ignorieren.
Neben dem eigenen Leitungsstil muss man sich auch sicher sein, was die Gruppe will. Ich kenne durchaus Gruppen, die Musik ablehnen, weil sie vom Spiel ablenkt. Andere wiederum lassen einen bestimmten Soundtrack einfach während des Spieles durchlaufen. Wieder andere arbeiten verstärkt mit Soundeffekten und weniger mit Musik als solcher.
Den "Heiligen Gral" zu finden ist hier ziehmlich schwer, da jeder von uns Musik anders wahrnimmt. Ersteres Beispiel ist reine Einstellungssache ( bezeichnete Gruppe bin ich derzeit dabei zu "bekehren" ), das zweite kann für jemanden, der Musik nicht nur als Hintergrundbeschallung empfindet, sehr stöhrend sein ( hier kommen die von Jörg schon erwähnten falschen Spotlights voll zur Geltung ), das dritte nervt einfach auf die Dauer, weil vielleicht einige Schockmomente auftauchen, aber der "Bass", der Stimmungsträger fehlt.
Leitet man im "home sweet home", kennt man meist seine Pappenheimer ( und umgekehrt
). Auf "neutral grounds" sprich neue Gruppe, sollte man vorher wie bei den sensiblen Spielthemen kurz kommunizieren, wohin die Reise gehen soll.
Einer gemeinsamen Musikauswahl stehe ich skeptisch gegenüber, aus dem oben schon genannten Grund, das das Überraschungsmoment flöten gehen kann - und es gibt Themes, die sich nicht halb so gut einbauen lassen, wenn man vorher schon weiss, was einen erwartet.
Kurzum : Rollenspielmusik ist in erster Linie Stimmungsträger und der Musikeinsatz ist direkt abhängig vom Spielleitungsstil und der Spielerzusammenstellung.
2.) Was nehme ich ?
Wilkommen in der riesigen Welt der Soundtracks.....eine gigantische Auswahl an Musik, noch dazu von Leuten, die sich schon vor dir Monate lang Gedanken darüber gemacht haben, wie ihre Musik deine Ohren streicheln soll.....schick, nicht wahr ? Sollte man ja eigentlich schnell fündig werden ! Stimmt auch !
Es gibt nur ein Problem.....
Filmmusik kann dein bester Freund oder dein schlimmster Feind sein !
Musik verfolgt immer das Ziel, Stimmungen und Botschaften zu vermitteln sowie einen gewissen Wiedererkennungswert zu haben. Bei Filmmusik rückt die Botschaft in den Hintergrund, dafür klappt das mit der Stimmung und dem Weidererkennungswert umso besser. Während die Stimmung ja genau das ist, was wir vermitteln wollen, schleicht sich der Wiedererkennungswert von hinten an und droht die ganz Mühe ad absurdum zu führen.
Denn leider verknüpft unser Gehirn bei der Abspeicherung von Erinnerungen verschiedene Sinneseindrücke miteinander. So kommt es z.B. dazu, das viele Leute beim Vorspielen gewisser Filmmusikstücke immer die passende Szene im Kopf haben. Das passiert auch im Rollenspiel, abhängig davon, wie einprägsam der Film war, aus dem man die Musik benutzt hat.
Das absolute Paradebeispiel dafür ist der "Lord of the Rings"-Soundtrack. Mir persönlich sind keine 2 Leute bekannt, die den Soundtrack nicht innerhalb der ersten 2-4 Takte erkennen und entsprechende Szenen im Kopf haben, hervorgerufen auch dadurch, das der gute Howard Shore es hervorragend verstanden hat, alle 3 Teile hindurch nur eine Handvoll Themes zu verwenden, diese sehr genial immer wieder zu variieren und dennoch dadurch die Grundstimmung kontinuierlich bis zum Ende zu steigern.
Ich persönlich habe erst einmal den LorR-OST verwendet - das allerdings mit dem Erfolg, das die eigentlich nicht sehr lang geplante Trauerszene am Ende eines harten Abenteuers ganze 2h gedauert hat und ich weinende Spieler am Spieltisch hatte....."May it be" hat gewaltig auf die Tränendrüsen gedrückt. Ein Beispiel dafür, das so ein Soundtrack auch voll einschlagen kann, wenn er im richtigen Moment eingesetzt wird.
Ähnlich verhält es sich mit Star Wars, allerdings gibt es darin so Perlen wie "Duell of the Fates" aus Episode 1, der absolut beste Track für einen epischen 1on1-Swordfight und "The Emperor`s Throne Room", wenn man den düsteren, leisen Teil aus der Mitte rausschneidet und solo verwendet. Star Trek ist ähnlich, der Soundtrack zum letzten Film ist meiner Ansicht nach allerdings bemerkenswert gut geworden.
Erwähnen sollte ich auch noch Pirates of the Carribean - der Soundtrack ist absolut top, passt auf Piraten-Settings wie die Faust aufs Auge und trotzdem hab ich persönlich nie eine konkrete Szene aus dem Film vor Augen. Aber auch hier gilt, das andere Ohren da ganz anders entscheiden können.
Wesentlich besser fährt man mit weniger bekannten Filmsoundtracks oder Soundtracks von PC-Games. Bei letzteren geht seit einigen Jahren der Trend immer mehr dahin, sie mit kompletten Orchestern einzuspielen, sie kommen also auch von der Qualität her locker an "richtige" Flimmusik heran. Mit etwas Mühe lassen sie sich direkt aus dem Spiel extrahieren ( ggf. muss sie dann kurz in ein gängiges Format konvertiert werden ), einie lassen sich auch schon for free aus dem Netz herunterladen.
PC-Games bieten häufig auch eine Fülle von nutzbaren Soundeffekten, dazu später mehr.
Eine weitere Quelle für gute Rollenspielmusik sind Künstler, die genau auf Leute wie uns zugeschnittene Musik liefern. Erdenstern ist eine solche Kombo aus 3 Hamburger Musiker/innen, deen Musik ich wirklich empfehlen kann.
Ein paar Beispiele für ( aus meiner Sicht ) richtig gute Musik
Kingdom of Heaven OST ( mittelalterlich/orientalisch )
The Dark Knight OST( düster/actiongeladen )
Der Name der Rose OST ( düster/mittelalterlich/klerikal )
Age of Conan - Hyborean Adventures Game-OST ( Fantasy/düster/mysterious )
Erdenstern - eigentlich die komplette Diskographie, die CDs sind farblich codiert und thematisch gegliedert, man kann sich also die passende Musik für sein Setting holen
www.erdenstern.deKurzum : Ohren auf beim aussuchen von Musik - ist sie passend zur Stimmung und unterstützt sie zu erwartende Szenen ? Laufe ich Gefahr "den falschen Film" zu drehen ?
Tip : manchmal lohnt es sich, eine unabhängige zweite Meinung einzuholen - einfach mal die Freundin/den Freund den neuen Soundtrack vorspielen und aushorchen, was er oder sie sich bei den einzelnen Tracks denkt.
3.) Arten von Tracks
Ich persönlich bin kein grosser Freund von schnellem Szenenspiel, deshalb folgt hier eine Gruppierung unter dem Gesichtspunkt von länger, intensiver bespielten Szenerien, ein Zeitraffer erfolgt nur in Ausnahmefällen. Wie bei Punkt 1.) schon angerissen, entfällt weitestgehend der erste der nun folgenden Punkte, wenn man flottes Szenenspiel bevorzugt.
A) Tracks, die "normale" Szenen untermalen, Stimmung unterstützen und als Hintergrunduntermalung dienen
Beispiele sind Musikstücke, wenn die Gruppe längere Zeit ohne grössere Spotlights in einer Stadt zu tun hat, Reise-Tracks oder ähnliches. Solche Stücke sollten Loop-bar sein, da sie meist über einen längeren Zeitraum laufen.
Mittlere Chance, den Track mehr als einmal im Abenteuer zu gebrauchen.
B) Tracks, die eine gewisse Kategorie von Szenen untermalen
Klassisches Beispiel für Musik, die man immer wieder mal braucht, Kampfuntermalung ist hier ebenso zu finden wie Schleichszenen bei Nacht. Sie sollten Loop-Bar sein, da erfahrungsgemäss solche Szenen nciht innerhalb der klasischen 3:50min durch sind.
Hohe bis sehr hohe Chance, den Track mehr als einmal im Abentuer zu gebrauchen.
C) Tracks für gewisse Stunden, äh, Szenen.....
Für die absoluten Highlights, sei es der Prolog des Abenteuers, eine Einleitung mit Sprecheinlage, der erste Auftritt des Antagonisten, der klassische Endfight, Träume, Highlights/Themes einzelner Charaktere ( bei mir eher selten, da es nie vorraussehbar ist, welcher Charakter in Szene xyz seinen Glanzmoment hat ) oder die romantische Liebeszene auf dem Balkon ( das wäre so ein Glanzmoment - aber wer weiss schon mit Sicherheit, wer/n sich die holde Maid angelt ?
). Solche Tracks wiederholen sich i.d.R. nicht, haben ungeheuer grosses Potential und verdienen deshalb besondere Auferksamkeit.
Äusserst geringe Wahrscheinlichkeit, den Track mehr als einmal im Abenteuer zu gebrauchen.
Die quantitative Gewichtung der Tracks innerhalb einer typischen Soundtrack-CD von mir ist recht unterschiedlich und abhängig von der Dichte des Abenteuers. Durchschnittliche Verhältnisse sind 4:5:3 oder 5:4:3 würde ich spontan sagen. Als Medium nutze ich die gute alte CD, kombiniert mit notierter und vor mir liegender Tracklist und einer im Raum verkabelten Stereoanlage nebst Fernbedienung sowie einen Kopfhörer nebst langem Kabel wenn Einzelbeschallung nötig ist ( z.B. für Träume ). Handy und Laptop erreichen nie die gleiche Soundqualität wie eine Anlage, ausserdem stört mich so ein Teil auf dem Spieltisch.
Kurzum : Überlegen - was brauche ich wofür und wann, entsprechend in der Playlist/auf der CD ordnen, ggf. bearbeiten, Notizen/Booklet anfertigen und griffbereit halten.
4.) Effekte - Schwerter, Pyrotechnik und Schauergeschichten
Hier kommen wir zum Projekt mit dem grössten Potential zum scheitern und brillieren : den Soundeffekten.
Zu Anfang wieder die philosophische Frage nach dem Ende : was will ich ? Kampfszene mit Schlachtgemetzel im Hintergrund ? Relativ einfach zu bewerkstelligen. Darstellung einer spannenden Szene in der dunklen Bibliothek mit Dielenknarren etc. ? Etwas kniffliger. Schlüsselszene mit eingebauter Sprechstimme oder frei gesprochenem Text inkl. virtuellem Kameraslide, dem man akustisch nachvollziehen soll ? Das hätte schon Hörspielqualität. Ist aber alles machbar, wenn man ein wenig übt.
Vorraussetzungen sind ein Audioschnittprogramm, ein einigermassen gutes Headset, eine passable Soundkarte ( on-board geht auch ), Musikstücke und die zu verarbeitenden Soundeffekte ( und ein leiser Rechner sowie möglichst wenig Hintergrundgeräusche beim einsprechen der Texte ).
Soundeffekte zu organisieren ist bedauerlicherweise gar nicht so leicht. Ich hatte vor Jahren mal den Geistesblitz und hab mir ne 4er-CD-Box damit geholt, die ich immer noch nutze, mittlerweile aufgestockt mithilfe eines meiner Mitspieler, der gute Kontakte zur Uni hat. Ausserdem kann man wie schon erwähnt, aus einigen PC-Games mit etwas Detektivarbeit wunderbare Sachen herauskitzeln. "Die Gilde 1" beispielsweise bietet einen hervorragenden Soundschnipsel zur Darstellung von Kneipen, nebenbei noch für andere städtische Gewerbe.
Mittlerweile bietet das World Wide Web einige wirklich passable Seiten zum Download von Soundeffekten.
www.freesound.org ist eine davon, ist leider inzwischen etwas beschnitten worden, bietet aber dennoch einiges an gutem Material.
Was die Programme angeht, nutze ich einmal Audacity 2.6, ist als Freeware im Netz zu bekommen und wird von mir hauptsächlich zur Stimmaufnahme und zum Schneiden benutzt. Headset anschliessen ( TIP : nutzt den Line-in-Eingang, nicht den normalerweise fürs Headset gedachten ), Record drücken und losprobieren. Zum kompletten arrangieren und abmischen nutze ich den Magix Music Maker in 2 Varianten, der bietet etwas mehr als Audacity, ist allerdings auch kostenpflichtig.
Eine Allmächtige Anleitung kann ich dazu leider nicht geben. Hier gilt ausprobieren, üben und nicht verzweifeln, wenns beim ersten Mal nicht klappt oder nicht den eigenen Wünschen entspricht. Ich hab an einigen meiner Arrangements 2h gesessen, bis sie so klangen wie ich mir das vorgestellt hatte.
Kurzum : Effekte können, aber müssen nicht sein, sie einzubauen erfordert etwas Übung und Fingerspitzengefühl.
Fazit : Musik abspielen kann jeder, aber jeder nimmt Musik anders war. Der Trick besteht darin, sie erfolgreich als Werkzeug zu gebrauchen, sei es, den Spielern einfach die Welt etwas plastischer erscheinen zu lassen oder mit geschicktem Timing von Musik und Stimme so richtig Gänsehautfeeling zu erzeugen. Macht man alles richtig und ist die Gruppe mit einem auf einer Wellenlänge, ist einem der Dank der Spieler sicher - ich hatte auch schon standing ovations in meiner Runde. Aber auch hier gilt wie beim ersten Mal SL sein : anfangs nicht zu tief in die Trickkiste greifen.
Ich hoffe ich konnte einen Eindruck vermitteln, wie ich das Thema sehe. Fragen, Anregungen, Erfahrungsberichte und Kritik sind erwünscht. Wenn alles nach Plan läuft, wird das ein Workshop-SubThema auf dem nächsten NordCon.
Gruss
Bernd