kirilow schreibt was zu Von eigenen Gnaden — Teil II: Einstieg ins AbenteuerVon eigenen Gnaden ist eher Minikampagne denn Abenteuer. Man kann hier auf verschiedene Weisen zählen, grob ist die Struktur aber folgendermaßen. An ein kleines Abenteuer, das die Helden erst in die rechte Region und dann auf den thron befördert, schließt sich die Herrschaft der Abenteurer über Zweimühlen an. Die nimmt den größten Teil des Bandes in Anspruch und besteht selbst wiederum aus drei größeren Abenteuern und mehreren kleineren Szenarien.
Beginnen wir — ganz traditionell — von vorne und mit dem Einstiegsabenteuer:
Ein Licht der Hoffnung.
Das Abenteuer beginnt wie so oft mit einer Anwerbung und anschließender Reise. Diesmal ist es ein Pilgerzug des Dreischwesternbundes (eine Kooperation der Travia-, Peraine und Tsakirche), der dringend benötigte Güter (man ist versucht, 'hilfsgüter' zu sagen, die Kulte sind ja gewissermaßen die NGOs Aventuriens) nach Wutzenwald und dort zum Pfleger des Landes bringen soll. "Was ist ein 'Pfleger des Landes'?" mögen die des heutigen Aventuriens Unkundigen fragen. Ich jedenfalls wußte es nicht, TAFKAKB sei Dank habe ich ja auch das
Schild des Reiches hier, das Aufklärung verheißt. ... Doch ach, habe nun ein wenig herumgesucht und nichts dazu finden können; es wird sich wohl um irgendeine klerikale Sache handeln. Es ist auch für das Abenteuer nicht weiter wichtig.
Die Reise sind Wutzenwald ist ziemlich genau das — eine Reise. Da sie auch in erster Linie dazu dient, die Helden 1. an den Ort des Geschehens zu bringen, und 2. die netten Bauern kennenzulernen, deren geraubte Kinder sie bald wiederbeschaffen sollen, ist das auch völlig o.k. Nebenbei trifft man auch schon zum ersten Mal auf einen der zukünftigen Widersacher in der Kampagne, den fiesen Intriganten Fenn Weitenberg von Drolenhorst.
Dieser Part ist als 'nothing to call home about', wie der Angelsachse sagt, wäre da nicht eine sehr feine Tabelle mit Zufallsbegegnungen. Meine zwei liebsten Einträge will ich hier kurz wiedergeben, damit Ihr einen Eindruck gewinnen könnt:
7: 3W6 Orks treffen auf die Pilger und wollen entweder Zoll eintreiben (1-3 auf 1W6), Handel treiben (4), einen rituellen Zweikampf ausfechten (5), oder Blut vergießen (6). [...]
8-12: Der Zug trifft auf einen bewaffneten Haufen (2W6+6 Leute) unter dem Banner des Reiches (1-3 auf 1W20), eines örtlichen Adligen (4-7), eines anderen Kriegsfürsten (8-17) oder gänzlich auf eigene Rechnung (18-20). Diese können gemeinsam mit dem zwölfgöttlichen Zug Nachtlager halten (1 auf 1W6), Geleitschutz für eine kurze Strecke gewähren (2-3), die Pilger vor Gefahren auf dem weiteren Weg warnen (4) oder aber Zoll oder Bestechungsgeld verlangen (5-6).
Man muss kein Freund von Zufallstabellen sein, um sich an 3W6 Orks, die schlicht Blut vergießen wollen, zu erfreuen.
Hier ein kleiner Kritikpunkt am Rande: die wichtige Information, dass man ab der Grenze zur Wildermark zwei mal pro Tag auf der Tabelle würfeln soll, findet sich nur versteckt im Fließtext. ich fände es praktischer, wenn man dies auch auf der Tabelle erführe. Fließtext ist doof zum suchen. Noch etwas: total doof finde ich, dass alle Karten einen Maßsstab vermissen lassen, das ist sehr unpraktisch!
Auf jeden Fall werden die Helden letztlich mehr oder minder wohlbehalten den Wutzenwald erreichen und ein bisschen Belohnung erhalten. Soweit so gut.
Danach können sie dann entweder wieder mit dem nun leeren Pilgerzug zurückreisen oder noch ein paar Tage in der Ortschaft bleiben.
Lassen Sie die Gruppe in diesem Fall einfach einige Tage am Leben im Dorf teilhaben und bei Aussaat, Holzfällerei und und Aufbaumaßnahmen helfen, ...
(Ich habe mit mir gerungen, aber ich konnte Euch diese Perle nicht vorenthalten.)
Wie dem auch sei, die Helden erfahren, dass der Hof der gastfreundlichen Bauern — der werte Leser kennt die Familie schon aus Teil I — zerstört, der Vater bei lebendigem Leibe verbrannt, die Mutter misshandelt und die Kinder geraubt sind. Offenbar werden hier Helden gebraucht und sind ja — Rondra sei Dank! — auch vor Ort.
Hier bietet skizziert das Abenteuer mehrere Möglichkeiten, wie die Spieler dem Entführer auf die Spur kommen sollten, sei es mit Fährtensuche, Detektivarbeit oder der Hilfe zwielichten Gesindels. Sehr schöne Vorschläge mit sehr konkreten Angaben, gefällt mir.
Auf welchem Wege auch immer, den Helden wird es nach einiger Zeit gelingen, auf den Drahtzieher dieser und anderer Entführungen zu kommen: es ist der Mogul Nekrorius, der seit einem halben Jahr die Herrschaft über Zweimühlen innehat. Warum braucht er die Kinder? Für Blutmagie, er ist Nekromant. Ich liebe sprechende Namen!
Die Spieler können die Befreiung der Kinder und — wie zu hoffen ist — die Vernichtung des Moguls nun auf verschiedene Weise angehen. Wieder bietet der Autor einen bunten Strauss von Optionen. Die Lage in der Stadt, die Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen, die Reaktionen der verschiedenen Gruppen in der stadt auf das Vorgehen der Helden — all dies ist gut und nützlich aufbereitet und sollte es leicht machen, diesen Teil des Abenteuers zu leiten.
Obwohl das schon fast euphorisch klingen mag, so hat die Sache doch, ach, einen hässlichen Pferdefuß. Da dies uns noch öfter in
Von eigenen Gnaden begegnen wird, fasse ich mich hier kurz: fast alles bleibt im Ungefähren, es fehlen schlicht wichtige Fakten. Ich habe heute in Vorbereitung dieses Texte das entsprechende Kapitel und den Anhang noch einmal gelesen und es war mir nicht möglich, herauszufinden, wie viele Söldner Nekrorius denn nun hat, wie viele Hausangestellte sich im Schloß befinden und wie viele Auftständische es gibt. Diese Frage verrät weder besondere Hartwurstigkeit noch ist sie nur für 'taktisches Rollenspiel' wichtig. Eine der ersten Fragen, die ich als Spieler in meiner fröhlichen Erzählonkelrunde stellen würde, wenn ich mich mit den Aufständischen treffen würde, wäre die nach der Zahl ihrer Mannen (und Frauen). Das ist ein blödes und unnötiges Versäumnis und leider kein Einzelfall. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen...
Nachdem es den Helden dann gelungen ist, ins Schloss zu gelangen, kommt es zum "Finale", wie dieser Abschnitt auch überschrieben ist. Nun müssen sie eigentlich nur noch in den Keller und den Schwarzmagier umbringen. Tatsächlich hält sich dieser offenbar immer dort auf, denn egal wann und wie die Helden ihn stellen, er ist gerade dabei, das superkrasse Ritual zu vollenden, just in diesem Augenblick steht die schröckliche Opferung an. Ich finde das ja ein wenig schwach. Nachdem das Abenteuer bis dahin so wunderbar optionsreich daher kam, ist all dies am Ende doch recht egal. Nun ist es nicht so, dass ich hier einen Spielstil diskreditieren möchte, in dem der videospielmäßige Endkampf, just in letzter Minute, ein Muss darstellt. Ich finde so etwas schon o.k. ABER: das kann ich nun wirklich auch schnell on-the-fly improvisieren, wenn ich das will. Hingegen wäre eine Übersicht über den Tagesablauf des Schwarzmagiers (etc.) nützlich gewesen und viel aufwendiger selbst zu machen.
Nun gut, durch diesen Reifen müssen die Helden nun springen und er brennt auch wahrlich lichterloh. Fast eine ganze Seite ist dem taktischen Vorgehen dieses Endgegners gewidmet, der auch, so erscheint es zumindest meinem unkundigen Auge, ein ordentlicher Brocken ist. Das scheint so ganz fein durchdacht und ermöglicht sicherlich einen spannenden Kampf auch für die taktisch versierte Gruppe.
Nachdem dieser Gegber bezwungen ist, werden die Helden von der begeisterten dorfbevölkerung (wir erinnern uns: Mit Blick auf den Boden, Mütze in der Hand) empfangen und als neue Herren des Städtchens Zweimühlen begrüßt.
Damit beginnt denn auch der Hauptabschnitt der Minikampagne, davon mehr in den nächsten Teilen.
Fazit: Ein nettes, vermutlich gut spielbares (kleines) Abenteuer, das am Ende etwas schwächelt.
(Ich weiß, das Fazit ist sehr knapp, aber ich schreibe lieber zum Ende der Reihe ein etwas ausführlicheres Fazit.)