Autor Thema: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?  (Gelesen 67380 mal)

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Offline carthinius

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #175 am: 12.01.2010 | 01:47 »
(Meiner Meinung nach unterscheidet sich ein gutes Abenteuer von einem schlechten dadurch, dass das schlechte Abenteuer ausschließlich die Hammer-Variante als Möglichkeit ansieht, während das gute andere Wege akzeptiert bzw. sogar vorbereitet hat - sich auf jeden Fall nicht auf den Hammer beschränkt, sondern dem SL deutlich macht "Wichtig ist nur, dass am Ende das Bild an der Wand hängt").
Vielen Dank für dieses Statement, Chris! Geht auf jeden Fall schon in eine gute Richtung, mit der ich mich wohl anfreunden könnte! :) Was mich allerdings noch stört ist eben, dass ein DSA-Abenteuer oft genug nicht sagt "Hauptsache, das Bild hängt am Ende", sondern stattdessen "Hauptsache, Horst-Kevin hat mit dem goldenen Hammer aus dem Wohnzimmer das Bild an die Wand genagelt; die Spieler dürfen vielleicht den Nagel halten, wenn sie möchten". Du verstehst, was ich meine?
Ich hab irgendwo im Savage-Worlds-Bereich mit Zornhau eine ... ich nenne es mal "rege Diskussion" über "Realms of Cthulhu" gehabt, bei der ich ihm versucht habe klar zu machen, dass man durchaus offen spielen kann, auch wenn der Ausgang feststeht - aber eben im Sinne von "Es ist ziemlich sicher, dass die SC am Ende wahnsinnig werden" oder "Den Spielern sollte klar werden, dass sie das Ritual selbst nicht mehr aufhalten können - aber sie haben die Möglichkeit, den Schutzkreis der Kultisten zu zerstören und sie somit dem Dämon auszusetzen" oder sowas. Er konnte das nicht verstehen, weil er meinte, dass das doch die Spieler beschneiden würde bzw. hat diesen Spielstil als "Taschenlampenfallenlasser" runtergemacht. Klar ist das kein absolut freies Spiel mehr - aber ich kann da als Spieler immer noch was machen. Wenn dann aber noch die Story geskriptet ist, dann geht das halt nicht mehr.
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Samael

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #176 am: 12.01.2010 | 08:07 »
Ich würde gerne noch weitergehen. "Hauptssache, das Bild hängt am Ende" reicht mir nicht. Ich will so etwas wie: Falls die Charaktere es nicht schaffen, das Bild aufzuhängen, könnte es so und so weitergehen und dies hätte die und die Auswirrkungen auf den Rest des Abenteuers. So etwas geht zugegebenermaßen nicht immer, wenn man sich nicht völlig vom Abenteuertext lösen möchte. Aber es wäre gut es zumindest ab und zu mal zu lesen.

Offline Xemides

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #177 am: 12.01.2010 | 10:18 »
Ich würde gerne noch weitergehen. "Hauptssache, das Bild hängt am Ende" reicht mir nicht. Ich will so etwas wie: Falls die Charaktere es nicht schaffen, das Bild aufzuhängen, könnte es so und so weitergehen und dies hätte die und die Auswirrkungen auf den Rest des Abenteuers.

Nun ja, wenn das Bild am Ende hängt oder auch nicht geht das Abenteuer em Ende sowieso nicht weiter, da es ja zu Ende ist. Einzig sowas wie loose Enden und Ideen zu Geschehnissen danach sind ja möglich.

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wjassula

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #178 am: 12.01.2010 | 10:52 »
Ich fände es schön, wenn das Heft auflisten würde, welche Gegenstände es in der Umgebung so gibt, und die Gruppe dann selbst entscheiden könnte, ob sie ein Bild aufhängen will, ein Bild malen, eine Katze jagen oder die Katze in ein Bild verwandeln und das dann NICHT aufhängen, sondern meistbietend verkaufen oder zu Ehren ihres Gottes verbrennen will. Um mal im Bild zu bleiben ;). Will sagen, es sind ja Abenteuer denkbar, die keine Ziele vorgeben, weil sie keine Geschichten vorgeben.

Das Denken in Geschichten scheint mir das zu sein, wo die Befürworter unterschiedlicher Spielerlebnisse aneinander vorbei reden. Mein Eindruck von vielen DSA-Spielern ist, dass sie die Geschichte als im Hintergrund laufende Bühne verstehen, auf der sie mit Genuss ihre Charaktere darstellen können. Es ist ihnen gar nicht so wichtig, auf diese Geschichte Einfluss zu nehmen, deshalb kann man es getrost der Spielleitung überlassen, sie voranzutreiben. Sie ziehen ihren Spielspaß aus anderen Dingen; die Geschichte ist für das Erleben der Spieler nur insofern relevant, als sie Anlässe bietet, eine Charakterdarstellung zu bieten, die von den anderen am Spieltisch positiv aufgenommen wird. Wenn man aber den Spielspaß daraus zieht, gegen gewissermaßen objektive Hindernisse anzutreten, die von Spielerseite durch Eigeninitiative zu bewältigen sind (was also so als "relevante Entscheidungen" bezeichnet wird, ein Begriff, den ich für falsch halte - als wäre das andere nicht relevant), also Handlungsverläufe "ehrlich zu erspielen", dann muss man sich von der Idee einer "Geschichte", die zwangsläufig ablaufen soll, verabschieden.

Gleiches gilt, wenn man durch das Charakterspiel eine Veränderung erforschen möchte, die bestenfalls auch noch eine "Aussage über den Charakter" trifft. Dann müssen die Spieler per Regeln die Macht bekommen, die "Geschichte" so zu lenken, dass Situationen entstehen, die den Charakter in interessante Richtungen lenken, in Situationen bringen, in denen Veränderungen zwangsläufig sind und die Aussage getestet wird. Auch das wird dann wieder mit "Relevanz" umschrieben.

In dem Spielstil, den ich für DSA als typisch empfinde, ist die Geschichte also eigentlich am unwichtigsten, sie läuft halt so mit, und man möchte natürlich gerne was möglichst spannendes erzählt kriegen, aber der Spielspaß liegt woanders. In den beiden anderen Spielarten, die ich davon unterscheiden würde, spielt die Geschichte eine viel wichtigere Rolle, einmal als Produkt, das seinen emotionalen Wert daraus bezieht, dass es gewissermaßen erkämpft ist, einmal, weil sie Anlässe zu Aussagen über den Charakter bietet. Hier müsen Regeln und Spieltechniken unbedingt Ergebnisoffenheit ermöglichen; wenn aber der Spaß darin liegt, vor dem Hintergrund einer sich abspulenden Geschichte zur eigenen und zur Freude der anderen den Charakter zu performen, ist egal, ob man die "Geschichte" beeinflussen kann. Da kann gutes Abenteuerdesign dann tatsächlich heißen, eine "gute Geschichte" in dem Sinn zu liefern, wie auch ein Buch eine "gute Geschichte bringt, nämliche eine, die genügend Haken bietet, an die man als Spieler seine Charakterdarstellung für das Publikum der restlichen Spielrunde andocken kann (kohärente Welt, viele Details, Historie usw.)

Daher: "Geschichte" bzw. "an die möglichen Reaktionen der Spieler denken" kommt aus bzw. produziert zwangsläufig das letztgenannte Spiel, meine ich. Was nichts Schlechtes sein muss (wie unter anderem der große Erfolg von DSA beweist). Nur, wenn man ausdrücklich was anderes will, darf man auch an ABs nicht so herangehen.
Ich glaube, das wurde alles schon mal gesagt :). Ich Dummerchen.

Offline Glgnfz

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #179 am: 12.01.2010 | 11:23 »
Sehr schön formuliert - das kommt meinen Gedanken schon sehr nah, weswegen ich diesen Thread aufmachte: http://tanelorn.net/index.php/topic,52268.0.html Ich bin mal gespannt, was die beiden Spielrunden dazu sagen, denen ich das "Abenteuer" geschickt habe.
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Offline Herr der Nacht

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #180 am: 12.01.2010 | 11:38 »
Ich bitte dich darum, die RSH mal zu lesen. Du brauchst nicht die ganze Schwarte durchzuackern, der Alberniateil sollte reichen (ca. ein Drittel). Dann kannst du ja mal sagen, wie nah das an die ultimative Sandbox in einem Mehrweguniversum (!) rankommt.

Das ist ne super schöne RSH, die Feenwelten (die du nicht lesen sollst, sie liegen außerhalb :) ) sind mein persönlicher Favorit.

Zumindestens aus meiner Warte ist das für eine Sandbox etwas zu undetailliert. Idealerweise (das ist jetzt meine Auslegung) habe ich in der Sandbox auch schon komplette Auflistungen der Parteien und ihrer Ressourcen sowie genügend Setting und NSC-Ausarbeitungen.

Erstere beiden sollten vorhanden sein, bei letzterem krankt die Spielhilfe da meist nur die hochrangigen beschrieben sind.

Aber ehrlich gesagt hast du mich jetzt auf eine dumme Idee gebracht, nach dem offiziellen Ausgang des Settings könnte man wirklich daraus was machen  :)
Zu doof dass ich mittlerweile so Meridiana-zentriert bin. Ich benötige einen Klon ;)

Wegen dem neumaligen Sender&Empfänger:
Deshalb habe ich ja extra mal meine Problematik anhand eines Beispiels aufgeführt. Mich würde der exemplarische Ablauf eines Abenteuers eben NICHT stören wenn ich genügend Ressourcen dafür habe alles auch anders darzustellen. Das fehlt jedoch den meisten szenischen Abenteuern. Denke an die Western-Stadt.
Vielleicht reden wir aber auch aneinander vorbei und meinen etwas ähnliches, denn du sprichst ja auch von Hybriden.

Übrigens versuche ich mich gerade an so einem Hybriden. Ich habe ein Setting ausgearbeitet (Dorf&Echsenziggurat), es mit NSCs und ein paar Storyhooks gefüllt und bespiele es gerade aktiv mit meinen Spielern. Daraus entwickle ich dann einen Beispielverlauf denn ich mitanbiete.
Für diejenigen die szenisches Spiel nicht interessiert, die können es überlesen, diejenigen die es mögen bekommen hier Anregungen wie man dieses Setting bespielen kann in einem Abenteuer.

Wenn ich das Ding fertig gestellt habe (müsste eigentlich nach dem heutigen Spielabend abgeschlossen sein) kann ich es ja mal irgendwo hochstellen, so als Diskussionsgrundlage.

@ Jasper

Zustimmung, so gebrauche ich Abenteuerausarbeitungen auch, leider ist das eher selten so vertreten.

Offline Xemides

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #181 am: 12.01.2010 | 11:51 »
@Jasper:

Also ich habe das Rollenspiel eigentlich immer Geschiten-Orientiert erlebt, mit einem klaren Ziel für ein ABenteuer.

Sei es bei DnD früher, Traveller, Midgard Cthulhu oder seit einigen Jahren DSA.

Und gerade bei DSA kann ich sagen, dass sehr viele Abenteuer immer daraus bestanden, eine Geschichte mitzuerleben und die Spieler ein klar vorgegebenes Ziel haben:

Der Wolf von Winhal, Der Attentäter, Verschwörung von Gareth, KAnäle von Grangor, Phileoasson, Jahr des Greifen, 7 Gezeichneten, Jahr des Feuers, etc. pp.

Wie du den von dir beschriebenen Spielstil als am DSA-typischsten bezeichnen kannst ist mir ein Rätsel, wenn doch alle Kaufabenteuer ein klaren Ziel haben.



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Offline carthinius

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #182 am: 12.01.2010 | 12:00 »
Und gerade bei DSA kann ich sagen, dass sehr viele Abenteuer immer daraus bestanden, eine Geschichte mitzuerleben und die Spieler ein klar vorgegebenes Ziel haben:
(...)
Wie du den von dir beschriebenen Spielstil als am DSA-typischsten bezeichnen kannst ist mir ein Rätsel, wenn doch alle Kaufabenteuer ein klaren Ziel haben.

Du sagst es doch selbst: Die Geschichte wird nur MITerlebt - da die SC sie aber nicht ändern können, müssen halt andere Inhalte für die Spieler her. Vielleicht beruht darauf auch das Hartwurstige - wenn ich schon nicht Einfluss auf die Story habe, muss halt Tavernenspiel her. Oder ausgespieltes Einkaufen. Beides überspitzt, aber ich denke, du verstehst, was gemeint ist.  :)
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Humpty Dumpty

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #183 am: 12.01.2010 | 12:06 »
Du sagst es doch selbst: Die Geschichte wird nur MITerlebt - da die SC sie aber nicht ändern können, müssen halt andere Inhalte für die Spieler her. Vielleicht beruht darauf auch das Hartwurstige - wenn ich schon nicht Einfluss auf die Story habe, muss halt Tavernenspiel her. Oder ausgespieltes Einkaufen. Beides überspitzt, aber ich denke, du verstehst, was gemeint ist.  :)
Ja, carthinius, so kann man sich aus meiner Sicht aber nicht dem Phänomen nähern. Denn offensichtlich hat auch die von Dir so verschmähte Komponente ihren Reiz. Jasper hat da einen sehr schönen Anfang gewagt, finde ich. Er ist nämlich keineswegs ein Dummerchen, sondern einer der ganz wenigen, die sich respektvoll dem nähern, was Leute an DSA-artigem Spiel so fasziniert. Ich finde das manchmal auch toll, ganz aber nicht wirklich greifen, was es ist. Jasper kommt dem schon nahe, aber so richtig trifft er den Punkt bislang noch nicht. Kann selbst leider in den nächsten Tagen kaum was beitragen, denke aber unterwegs mal drüber nach. Mittwoch bis Samstag gibts zwei Konferenzen ohne Eigenbeitrag. Da bleibt beim Zuhören mit Sicherheit auch genügend Zeit, um zu Rollenspielen abzuschweifen und zu sinnieren :D

wjassula

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #184 am: 12.01.2010 | 12:08 »
Ja, das ist sicher richtig, Xemides. Eine Geschichte zu präsentieren ist die Aufgabe der SL bei diesem Vorgehen, und dazu gehört natürlich auch ein Ziel, ein Abschluss. Nur, das erreicht die Gruppe ja sowieso irgendwann. Das erleben die Mitspieler sicher auch als Höhepunkt. Ich wollte darauf hinaus, dass der Einfluss auf den Verlauf der Geschichte für die Spieler hier nicht so wichtig ist; sie machen im Verlauf des Spielabends andere Dinge, ihre Aktivität richtet sich auf etwas anderes. Die Geschichte ist nicht unwichtig, aber sie wird eben durch die SL vorangetrieben, nicht durch die Spieler. Die kümmern sich um andere Sachen. Natürlich werden sie sagen "Boah, krass, da fällt eine fliegende Festung auf Gareth, wie geil ist das denn!". Aber es geht ihnen nicht so sehr darum, dass sie etwas dafür tun müssen, dieses Ereignis zu ermöglichen oder zu verhindern. Es ist ihnen auch weniger wichtig, anhand dieses Ereignisses eine Aussage über ihren Charakter zu treffen, die sich aus seinem Verhalten in Konfliktsituationen ableitet. Mein Eindruck vom DSA-Spielen (und Lesen) ist, dass sie eher Spaß daran hätten, darzustellen, wie ihre Charaktere reagieren. Diese Reaktion wird von den anderen nach verschiedenen Faktoren mit Applaus bedacht (Übereinstimmung mit bisheriger Darstellung, Übereinstimmung mit Spielweltlogik, Rolle in der Spielwelt, Übereinstimmung mit Atmosphäre der Situation/am Spieltisch, Gelungenheit der Darstellung, Witz, emotionale Tiefe, wasweißich). Diese Situation kann dann später ingame und outgame wieder aufgegriffen werden: "Erinnert euch, ihr Recken, an die düstren Tage von Gareth..." bzw. "Ey, und dein Magier hat den Fulminictus rausgehauen und ich konnte die Frau nicht retten, wie krass war das denn!" - "Bester Spielabend ever!". So ungefähr. Wenn ich sage, die Geschichte ist hier nicht wichtig, ist das ungenau ausgedrückt. Sie liegt nicht im Bereich der Spieleraktivitäten (anders als bei anderen Spielarten von Rollenspiel). Aber sie ist natürlich wichtig als Bühne, als emotionaler Anker, als Stichwortgeber, als zusätzliche Dimension, die aber nur ein Spieler (die Spielleitung) einbringen darf.

Diese Art zu spielen ist sicher auch nichts DSA-exkulsives, als ein Element unter vielen kommt sie sicher in den meisten Rollenspielen vor. Die meisten Rollenspielgruppen spielen ja immer mehrere Spiele gleichzeitig an einem Abend oder sogar gleichzeitig, in denen alle die Ebenen, die ich oben genannt habe, bedient werden. Es kommt selten vor, dass es Verabredungen gibt, die das Spiel auf genau eine dieser Ebenen zu beschränken versuchen (in manchen Forge-Spielen oder bei manchen ARS-Modellen wird das versucht, und das nervt dann die Leute, weil sie glaube ich intuitiv merken, dass sie das AUCH machen, aber eben NICHT NUR).

 Ich glaube aber, dass sich bei DSA eine sehr stakre Kultur um dieses Element entwickelt hat, was mit der Entwicklung der Welt, der Regeln und vielleicht auch, wie der Hofrat immer sagt, mit der Abwesenheit einer anderen, weniger auf das Prinzip "Geschichte" fokussierten Kultur (durch Abwesenheit von D&D-Derivaten) zusammenhängt.

Und weil diese Dimension der "Geschichte" als genügend komplexe und anregende Bühne halt sehr schwierig zu erarbeiten ist, zahlen Leute Geld für DSA-Kaufabenteuer. Und deswegen sehen die so aus, wie sie aussehen. Ich mag so nicht immer und nicht durchgängig spielen, es ist aber schon ein ziemlich einmaliges und interessantes Phänomen.
« Letzte Änderung: 12.01.2010 | 12:16 von Jasper »

Humpty Dumpty

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #185 am: 12.01.2010 | 12:14 »
@ Jasper: Spitze! Das finde ich präziser und passender. Und noch mal zur Erinnerung: DSA ist ja auch keine unendliche Schienenstrecke, sondern beinhaltet selbst in den hartgesottensten Runden nach meinem Eindruck durchaus viele freie Elemente. So kommen dann auch die anderen Bedürfnisse und Geschmäcker auf ihre Kosten.

Offline carthinius

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #186 am: 12.01.2010 | 12:24 »
@TAFKAKB:
Schon richtig, ich wollte ja auch weder Jaspers Ansatz niederreden (den finde ich nämlich gut, s.u.) noch Xemides etwas vor den Latz knallen, sondern ihm nur zeigen, was meiner Meinung nach der Ansatzpunkt ist, den Jasper meinte: Dass das Miterleben wichtiger ist als das direkte Eingreifenkönnen.
(oh, und Frohes Sinnieren bei der Tagung! ;) )

Die Geschichte ist nicht unwichtig, aber sie wird eben durch die SL vorangetrieben, nicht durch die Spieler. Die kümmern sich um andere Sachen. (...) Aber es geht ihnen nicht so sehr darum, dass sie etwas dafür tun müssen, dieses Ereignis zu ermöglichen oder zu verhindern. Es ist ihnen auch weniger wichtig, anhand dieses Ereignisses eine Aussage über ihren Charakter zu treffen, die sich aus seinem Verhalten in Konfliktsituationen ableitet. Mein Eindruck vom DSA-Spielen (und Lesen) ist, dass sie eher Spaß daran hätten, darzustellen, wie ihre Charaktere reagieren. Diese Reaktion wird von den anderen nach verschiedenen Faktoren mit Applaus bedacht (Übereinstimmung mit bisheriger Darstellung, Übereinstimmung mit Spielweltlogik, Rolle in der Spielwelt, Übereinstimmung mit Atmosphäre der Situation/am Spieltisch, Gelungenheit der Darstellung, Witz, emotionale Tiefe, wasweißich). (...) [Die Geschichte] liegt nicht im Bereich der Spieleraktivitäten (anders als bei anderen Spielarten von Rollenspiel). Aber sie ist natürlich wichtig als Bühne, als emotionaler Anker, als Stichwortgeber, als zusätzliche Dimension, die aber nur ein Spieler (die Spielleitung) einbringen darf.
Ich glaube, für mich ist es genau das. Danke, Jasper! Kann man das runterbrechen auf "Die Spieler agieren eigenständig hauptsächlich auf Charakterebene, aber auf Handlungsebene reagieren sie meist nur."? Oder verkürzt/verfälscht das zu sehr?
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wjassula

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #187 am: 12.01.2010 | 12:27 »
Jaja, natürlich weichen DSA-Runden auch mehr oder weniger stark von diesem Prinzip ab. Wie gesagt, ich glaube, es gehört zum Prinzip Rollenspiel allgemein, (mindestens) alle drei von mir oben genannten Spielarten gleichzeitig oder abwechselnd zu bedienen. Rollenspiel ist nie nur ein Spiel, es ist immer mehrere. Die Kunst, was dann so "gutes Rollenspiel" oder "gute Spielleitung" heißt, besteht eben darin, die jeweilige Gemengelage unter den Mitspielern zu erkennen (egal ob als Spielleitung oder als Spieler) und passend zu reagieren. Ich sage bewusst nicht: immer auch auszusprechen und zu planen, weil ein Teil des rollenspielerischen Zaubers sich eben durch das relativ flexible switchen zwischen diesen Aggregatszuständen ergibt, die sich nie gegenseitig ausschließen. Okay, Extremformen sind schwer zu vereinbaren, aber ich denke, dass die meisten Gruppen, die nicht bewusst etwas anderes versuchen, ohnehin mehr oder weniger explizite Regeln finden, wie sie zwischen diesen Spielfoki wechseln können - die meisten Menschen sind da sozial kompetenter und geschickter, als uns manche Theorien glauben machen wollen. Was manchmal als "Kohärenz" bezeichnet wird, ist eine Ausnahmeerscheinung und für die meisten Leute auch ein unnefriedigendes Erlebnis. Ich mag ja sehr die Fokussierung (zB in vielen PtA-Runden, in denen ich mit großem Vergnügen gespielt habe), aber ich wette, wenn da eine Beobachterin daneben gesessen hätte, hätte sie bestimmt auch so manchen Wechsel in einer andere als die "Geschicht muss offen, weil sonst keine Charakteraussage" - Spielweise beobachtet.

wjassula

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #188 am: 12.01.2010 | 12:29 »
Zitat
Die Spieler agieren eigenständig hauptsächlich auf Charakterebene, aber auf Handlungsebene reagieren sie meist nur

Na, wahrscheinlich müsste man sagen, sie reagieren durch die Charakterebene auf die Handlungsebene und komplettieren sie so...irgendwie gibt es da schon ein Wechselverhältnis. Muss ich mal drüber nachdenken, wie man das am besten ausdrückt.

Achamanian

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #189 am: 12.01.2010 | 13:13 »
Ja, das ist sicher richtig, Xemides. Eine Geschichte zu präsentieren ist die Aufgabe der SL bei diesem Vorgehen, und dazu gehört natürlich auch ein Ziel, ein Abschluss. Nur, das erreicht die Gruppe ja sowieso irgendwann. Das erleben die Mitspieler sicher auch als Höhepunkt. Ich wollte darauf hinaus, dass der Einfluss auf den Verlauf der Geschichte für die Spieler hier nicht so wichtig ist; sie machen im Verlauf des Spielabends andere Dinge, ihre Aktivität richtet sich auf etwas anderes.

Sehr schön ausgearbeitet; In gewissem Maße trifft das auf die von mir erlebten DSA-Runden zu, trotzdem spiele ich gerade in meinen beiden Gruppen völlig unterschiedliche Stile:

Einmal gibt es da unsere von dir geleitete Simyala-Kampagne; Da trifft deine Darstellung sehr gut zu, finde ich: Die "Haupthandlung" ist da etwas, das wir zwar mit Hingabe "bewohnen", auch beeinflussen - sie ist aber nicht direkt die Geschichte unserer SC, sondern eher eine Verkettung außergewöhnlicher Ereignisse, in die sie verwickelt sind. Das eigentliche "spielerische" findet auf Nebenschauplätzen statt - verräterische Brüder, entführte Eltern, Traumvisionen von ermordeten Geistern, Volksaufstände in Gareth. Insofern mischt sich da in meinen Augen das von dir so schön beschriebene "klassische" DSA (Ausarbeitung des Charakters durch Reaktion auf die Welt und die sich in ihr abspielende Geschichte) mit der ergebnisoffenen Entwicklung der Story durch die Charaktere (wie ich das ja eigentlich bisher nur bei Vampire und Unknown Armies angetestet habe). Letzteres findet eben eher auf Mikrospielfeldern statt.
Ich glaube, dadurch kommt auch der komödiantische Aspekt der Kampagne bei uns zustande - nicht nur wegen der schlauen und blöden Intime-Witze, die dauernd gemacht werden, sondern auch, weil unsere Charaktere in weltverändernde Ereignisse verstrickt sind, vom Schicksal ausersehen und so, und das auch alles brav mitmachen, nebenbei aber mit mindestens ebenso viel Leidenschaft an den richtig großen Plänen für ihr Leben basteln, z.B. ein Geschäft für echt elfische Luxusartikel in Gareth eröffnen, ein Gasthaus nach sich benennen lassen oder den Akt der Liebe mit Gräfin Quelltanz vollziehen ...

Zum Vergleich habe ich meine personell komplett anders besetzte 7G-Kampagne, die läuft auch ganz anders: Da ist die Kampagnenhandlung tatsächlich das zentrale Element für alle Beteiligten, und es geht gar nicht so sehr darum, seine Charaktere in Reaktion auf die Welt zu definieren, sondern eher, in der fortlaufenden und stark geskripteten Geschichte den richtigen Slot für sie zu finden, wo sie sich in die Ereignisse einfügen und eine feste Rolle erhalten.
Da wir die Kampagne mit wechselnden Spielleitern spielen, entwickelt sie sich inzwischen immer mehr dahin, dass die SLs sich absprechen und gegenseitig Wege finden, die Charaktere der anderen an entscheidender Stelle einzubinden, ihnen einen dauerhaften Platz in der Geschichte zu geben, als zentrale Figur (dabei werden oft auch NSC in ihren Rollen ersetzt). Die Charaktere definieren sich vor allem dadurch, dass sie eben die passende Rolle einnehmen. (Z.B. wird der Kongress in "Rohals Versprechen" bei uns von einem SC-Magier ausgerichtet, was aber Ergebnis einer Outtime-Absprache zwischen mir und dem Spieler ist und nicht das irgendwelcher Spielsitzungen, in denen der Magier entscheiden hat, man müsste jetzt mal eien Kongress abhalten.)
Dann gibt es wiederum auch kleine echte "Spielzonen", wo alles ziemlich frei ist und wir Gelegenheit haben, wieder etwas stärker in die Haut des Charakters zu schlüpfen (z.B. auf dem Magierkongress, wo man dann Gelegenheit hat, sich Freunde und Feinde zu machen). Aber diese Momente werden immer schlaglichtartiger. Eigentlich habe ich den Eindruck, dass unsere Charaktere uns mehr und mehr zu NSC geraten, über die wir uns gegenseitig was erzählen, wobei die Vorlage die 7G-Kampagne ist und der Gag darin besteht, möglichst gelungene Wege zu finden, die Charaktere in die geskripteten Ereignisse einzubinden.

Insofern ist meine 7G-Gruppe großes Drama und Pathos, wo das Hauptgewicht durchaus auf den geskripteten Ereignissen und deren Beeinflussung durch die SC liegt (und nicht auf der Reaktion der SC auf die Welt), nur ist diese Beeinflussung halt durch das Spielleiterkollektiv stark geplant. Das hat manchmal fast was von einer Runde PtA, nur, dass man eben schon einen festen Storyrahmen hat - so was wie ein Expose für eine Einzelfolge einer Fernsehserie, an dessen Grundgerüst die Autoren sich halten müssen.

Dagegen spielt die Simyala-Gruppe eher eine Farce, Gigantisches geschieht, aber die Charaktere segeln da irgendwie mit dem Glück der Narren durch, während sie sich um alles mögliche den Kopf zerbrechen, nur nicht um das Schicksal des kommenden Zeitalters.

So, genug bla vom Spieltisch ...

Offline Naga

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #190 am: 12.01.2010 | 13:41 »
Ich habe lieber ein gutes Abenteuer, in dem Konfliktfelder vorgezeichnet sind, die schwere Entscheidungen für die SC beinhalten, und dann liegt es in der Natur der Sache, dass der Abenteuerautor diese Entscheidungen nicht zuverlässig vorhersehen kann

Das ist irgendwie so der Standard-Wunsch der "guten" Rollenspieler. ;)

Für mich muss ja sagen: Brauch ich nicht, will ich nicht. Mehr als einmal ist die Gruppe IT an zuviel Nabelschau zerbrochen. Dazu kommt, das "Diskutieren was jetzt zu tun ist" für nicht wenige Gruppenmitglieder OT eher öde ist, wenigstens zwei haben der Gruppe deswegen schon den Rücken gekehrt.


Gerade da mag ich den Ansatz von DSA-Abenteuern, von einer gewissen "Grund-Gutheit" auszugehen. Denn das bietet auch eher unterschiedlichen Charakteren einen gemeinsamen Nenner, und kann entsprechend als gemeinsamer Abenteueraufhänger verwendet werden. Ist also meiner Meinung nach eher ein praktischer Mechanismus - käme da nicht auf die Idee das als "pädagogisch" zu werten.

Achamanian

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #191 am: 12.01.2010 | 13:51 »

Gerade da mag ich den Ansatz von DSA-Abenteuern, von einer gewissen "Grund-Gutheit" auszugehen. Denn das bietet auch eher unterschiedlichen Charakteren einen gemeinsamen Nenner, und kann entsprechend als gemeinsamer Abenteueraufhänger verwendet werden. Ist also meiner Meinung nach eher ein praktischer Mechanismus - käme da nicht auf die Idee das als "pädagogisch" zu werten.


Ja, will ich ja nicht abstreiten, dass das seinen hier dargelegten Reiz hat. Grundabsprachen über die Richtung einer Kampagne zu treffen, halte ich sowieso fast immer für richtig, und das kann durchaus heißen, dass man eben gute, verantwortungsbewusste Charaktere spielt. Allerdings gibt es natürlich Konfliktlagen, mit denen man auch und gerade grundgute Charaktere so richtig in Zwiespalt bringen kann, und die werden bei DSA-Abenteuern ja tendenziell eher vermieden. Meistens wird ja dafür gesorgt, dass die Spieler keinen Zweifel daran haben müssen, ob sie auf der richtigen Seite stehen.

Bei ernsthaft ergebnisoffenen Abenteuern geht es ja gar nicht unbedingt um "planen, was zu machen ist" - das wäre eher der o.g. Fall von "Das Bild muss an die Wand", nur, dass die Spieler/Charaktere sich eben selbst überlegen sollen, wie das zu bewerkstelligen ist, anstatt das der SL ihnen mit dem Hammer vor der Nase rumwedelt. Vielmehr geht es ja darum, "zu entscheiden, was richtig ist", also ob man das Bild nicht doch lieber verkauft oder wasweißich.
Solche Konflikte muss aber auch nicht jedes DSA-Abenteuer bieten, da hast du völlig recht. Dass DSA-Abenteuer damit tendenziell nicht aufwarten können, kann aber durchaus als Mangel empfunden werden, den man bei der Menge des DSA-Ausstoßes ja mal beheben könnte.

Offline Elwin

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #192 am: 12.01.2010 | 14:20 »
Was mich allerdings noch stört ist eben, dass ein DSA-Abenteuer oft genug nicht sagt "Hauptsache, das Bild hängt am Ende", sondern stattdessen "Hauptsache, Horst-Kevin hat mit dem goldenen Hammer aus dem Wohnzimmer das Bild an die Wand genagelt; die Spieler dürfen vielleicht den Nagel halten, wenn sie möchten". Du verstehst, was ich meine?
Ja, das verstehe ich. Dazu kann ich sagen, dass es mein Ziel ist, mehr "Hauptsache, das Bild hängt" durchzusetzen, sprich die Anzahl der Nadelöhre in einem solchen Abenteuer zu reduzieren (dass ich nicht schreibe "ganz abzuschaffen" hängt mit meinen später folgenden Antworten zusammen):


dass man durchaus offen spielen kann, auch wenn der Ausgang feststeht - aber eben im Sinne von "Es ist ziemlich sicher, dass die SC am Ende wahnsinnig werden" oder "Den Spielern sollte klar werden, dass sie das Ritual selbst nicht mehr aufhalten können - aber sie haben die Möglichkeit, den Schutzkreis der Kultisten zu zerstören und sie somit dem Dämon auszusetzen" oder sowas. Er konnte das nicht verstehen, weil er meinte, dass das doch die Spieler beschneiden würde bzw. hat diesen Spielstil als "Taschenlampenfallenlasser" runtergemacht. Klar ist das kein absolut freies Spiel mehr - aber ich kann da als Spieler immer noch was machen. Wenn dann aber noch die Story geskriptet ist, dann geht das halt nicht mehr.
Da bin ich ganz bei Dir! Ich bin nämlich auch der Meinung, dass es nicht schädlich ist, wenn es in der Spielwelt Dinge gibt, die sich von den Spielern nicht beeinflussen lassen (auf dem letztjährigen Ratcon-Workshop habe ich von "Katastrophen-Abenteuern" gesprochen, wo man übertragen gesprochen zwar nicht verhindern kann, dass der Wolkenkratzer abbrennt, aber dass man die Menschen evakuieren oder sonstige wichtige Ziele erreichen kann).

Ich würde gerne noch weitergehen. "Hauptssache, das Bild hängt am Ende" reicht mir nicht. Ich will so etwas wie: Falls die Charaktere es nicht schaffen, das Bild aufzuhängen, könnte es so und so weitergehen und dies hätte die und die Auswirrkungen auf den Rest des Abenteuers. So etwas geht zugegebenermaßen nicht immer, wenn man sich nicht völlig vom Abenteuertext lösen möchte. Aber es wäre gut es zumindest ab und zu mal zu lesen.
Ich denke, der Wunsch ist nicht unerfüllbar. Eigentlich ist es beim näheren Nachdenken auch unerklärlich, warum es sowas (etwa im Stile der "Debugging"-Kapitel alter Shadowrun-Abenteuer) nicht schon längst gibt.

Ich fände es schön, wenn das Heft auflisten würde, welche Gegenstände es in der Umgebung so gibt, und die Gruppe dann selbst entscheiden könnte, ob sie ein Bild aufhängen will, ein Bild malen, eine Katze jagen oder die Katze in ein Bild verwandeln und das dann NICHT aufhängen, sondern meistbietend verkaufen oder zu Ehren ihres Gottes verbrennen will. Um mal im Bild zu bleiben ;). Will sagen, es sind ja Abenteuer denkbar, die keine Ziele vorgeben, weil sie keine Geschichten vorgeben.
An Moritz' nachfolgender Reaktion konnte man ja erkennen, dass es das ungefähr ist, was "LARM" auszeichnet. Ich denke, dass ein solches Setting, in dem die Helden sich frei entscheiden können, ein Bild aufzuhängen oder eben nicht, eher durch die Regionalspielhilfen ausgedrückt wird, während die Abenteuer im Grunde immer eine konkrete Zielsetzung verfolgen. Aber vermutlich sind die Regionalspielhilfen dafür wieder zu unkonkret in ihrer Ausarbeitung.
Ich bin auf das Feedback der DSA-Runden zu "LARM" gespannt, ob das ankommt oder ob die Spieler davon stehen wie die Ochsen vor dem Berg. :)

Mein Eindruck von vielen DSA-Spielern ist, dass sie die Geschichte als im Hintergrund laufende Bühne verstehen, auf der sie mit Genuss ihre Charaktere darstellen können. Es ist ihnen gar nicht so wichtig, auf diese Geschichte Einfluss zu nehmen, deshalb kann man es getrost der Spielleitung überlassen, sie voranzutreiben. Sie ziehen ihren Spielspaß aus anderen Dingen; die Geschichte ist für das Erleben der Spieler nur insofern relevant, als sie Anlässe bietet, eine Charakterdarstellung zu bieten, die von den anderen am Spieltisch positiv aufgenommen wird. Wenn man aber den Spielspaß daraus zieht, gegen gewissermaßen objektive Hindernisse anzutreten, die von Spielerseite durch Eigeninitiative zu bewältigen sind (was also so als "relevante Entscheidungen" bezeichnet wird, ein Begriff, den ich für falsch halte - als wäre das andere nicht relevant), also Handlungsverläufe "ehrlich zu erspielen", dann muss man sich von der Idee einer "Geschichte", die zwangsläufig ablaufen soll, verabschieden.
Teilweise kann ich zustimmen, teilweise auch nicht.
Ich glaube nämlich, dass es üblicherweise nicht ausreicht, wenn die Spielleitung "die Geschichte vorantreibt" und die Spieler sich der Charakterdarstellung widmen. Vielmehr glaube ich, dass viele Spieler einverstanden damit sind, dass bestimmte Dinge am Ende des Abenteuers passiert sein werden (das ist sozusagen der Geschichtsverlauf, von dem Du sprichst), dass sie aber bestrebt sind, mit ihren Charakteren für dieses Ende zu sorgen - und dass es für sie frustrierend ist, wenn sie selbst es nicht schaffen und der SL ihnen "goldene Brücken baut".
Um es etwas klarer zu machen: Wenn ein Abenteuer lautet: "Tötet den Schwarzmagier", dann kann man bei DSA davon ausgehen, dass der Schwarzmagier am Ende tot ist, weil für die Kontinuität der Spielwelt davon ausgegangen wird, dass dieses Abenteuer global gesehen erfolgreich abgeschlossen wird und man also mit diesem Schwarzmagier später nichts mehr anfangen kann (Nebenbei: natürlich kann man das Schicksal des Schwarzmagiers offenlassen und dem Spielleiter überlassen, so dass in der jeweiligen privaten Runde der Bursche entkommen sein kann, noch eine Zeit lang sein Unwesen treibt, bis die Helden sich ihm ein zweites Mal entgegen stellen usw. Auch das ist eins meiner Ziele für DSA, nachdem ich es inzwischen bitter bereue, bei Xeraan nicht ebenso vorgegangen zu sein). Aber ich denke, dass die meisten DSA-Spieler sich nicht damit begnügen, dass der SL für sie irgendwie den Tod dieses Schwarzmagiers inszeniert, sondern dass sie das schon selbst machen wollen, sprich: auch selbst Ideen entwickeln wollen, wie der Schwarzmagier überwunden werden kann. Dass an dieser Stelle die DSA-Abenteuer bislang zu einigen Gelegenheiten Einschränkungen machten (z.B. der Schutzschild des Magiers kann nur durch die Heilige Lanze von Blablubb, getränkt im mystischen See der Dingelsfee überwunden werden), steht auf einem anderen Blatt.

In dem Spielstil, den ich für DSA als typisch empfinde, ist die Geschichte also eigentlich am unwichtigsten, sie läuft halt so mit, und man möchte natürlich gerne was möglichst spannendes erzählt kriegen, aber der Spielspaß liegt woanders. In den beiden anderen Spielarten, die ich davon unterscheiden würde, spielt die Geschichte eine viel wichtigere Rolle, einmal als Produkt, das seinen emotionalen Wert daraus bezieht, dass es gewissermaßen erkämpft ist, einmal, weil sie Anlässe zu Aussagen über den Charakter bietet. Hier müsen Regeln und Spieltechniken unbedingt Ergebnisoffenheit ermöglichen; wenn aber der Spaß darin liegt, vor dem Hintergrund einer sich abspulenden Geschichte zur eigenen und zur Freude der anderen den Charakter zu performen, ist egal, ob man die "Geschichte" beeinflussen kann. Da kann gutes Abenteuerdesign dann tatsächlich heißen, eine "gute Geschichte" in dem Sinn zu liefern, wie auch ein Buch eine "gute Geschichte bringt, nämliche eine, die genügend Haken bietet, an die man als Spieler seine Charakterdarstellung für das Publikum der restlichen Spielrunde andocken kann (kohärente Welt, viele Details, Historie usw.)
Wie Du selbst später schriebst, existieren diese drei Spielarten zumeist in irgendwelchen Mischformen. Und zumindest aus der Sicht auf die konkreten Spielrunden ist das auch für DSA zutreffend. Ich habe ja nur meine privaten Erfahrungen, die aber mit mehreren festen Runden und zahlreichen One-Shots auf Cons und Treffen usw., und daraus kann ich kein einheitliches Bild ziehen.
Ich stimme jedenfalls zu, dass die gegenwärtigen Abenteuer bisweilen recht stark in einer Richtung tendieren, nämlich die von Dir als "typisch DSA" bezeichnete. So einseitig ist es am Spieltisch nicht, aber wenn es dort in stärker in eine andere Richtung gehen soll, sind die SL gefordert. Das könnten die Abenteuer aber auch schon liefern und genau das ließe sich in gewissen Maßen sicherlich auch umsetzen. Allein schon aus den Bewertungen der Abenteuer bei dsa4.de (von eingefleischten DSAlern) lässt sich eine kleine Tendenz erkennen (nein, und damit meine ich NICHT, dass man die Borbarad-Kampagne am besten noch dreimal neu auflegen sollte... :) ).

Und dazu noch ein Nachschlag:
Ich wollte darauf hinaus, dass der Einfluss auf den Verlauf der Geschichte für die Spieler hier nicht so wichtig ist; sie machen im Verlauf des Spielabends andere Dinge, ihre Aktivität richtet sich auf etwas anderes. Die Geschichte ist nicht unwichtig, aber sie wird eben durch die SL vorangetrieben, nicht durch die Spieler. Die kümmern sich um andere Sachen.
Die Frage ist natürlich: was machen sie denn dann?
Ausgehend von den letzten DSA-Sitzungen, die ich in verschiedenen Gruppen gespielt habe, würde ich sagen, dass sehr häufig die Auseinandersetzung mit der Spielwelt im Vordergrund steht. Man ist "mittendrin statt nur dabei", man nimmt an der Spielwelt teil und wird mit seinem Helden selbst ein Teil dieser Spielwelt. Das geht weit über Tavernenabende und Einkaufsgänge hinaus, aber ja, häufig wird die "Geschichte" derart inszeniert, dass die Helden mit bestimmten Elementen der Spielwelt in Kontakt kommen und sie "erleben", bzw. auch Position dazu beziehen können. Natürlich traten aber auch immer Mischformen auf.

Wenn es also das ist, was das DSA-Spiel auszeichnet, und wenn die Spielarten stets in irgendwelchen Mischformen existieren (und es auch nach meinem Verständnis gar nicht so reizvoll ist, ein hochgezüchtetes Extrem zu spielen, das wenig Breite im Spiel bietet), dann ist ein Hybrid-Abenteuer wie "Von eigenen Gnaden" wohl tatsächlich die wegweisende Richtung. Ein gänzlich freies Abenteuersetting ist da ja noch etliche Schritte weiter und es stellt sich die Frage, ob es kommerziell erfolgreich wäre. Denn der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Ich persönlich habe z.B. keine Probleme mit der Eingrenzung von Abenteuerzielen, solange die Anzahl der Nadelöhre überschaubar bleibt (ich empfehle Autoren immer ein kapitelweises "Zusammensammeln" der einzelnen Wege) und mehrere und längere Wege zwischen den Öhren existieren. Das ist nach meinem Verständnis auch schon recht weit weg vom "Railroading", bei dem es stets nur einen Weg gibt, der auch noch zwingend erforderlich ist. Ich denke, mit solchen Abenteuerformen lässt sich DSA gut bedienen. Ein freies Abenteuersetting wäre mal einen Testballon wert (so wie die Veröffentlichung eines neuen Soloabenteuers, was sich als Erfolg herausgestellt hat), der Herr Lindner nimmt sicherlich gerne Exposés in Empfang (hähä  >;D ).

Gruß
Chris
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Offline Naga

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #193 am: 12.01.2010 | 14:25 »
Allerdings gibt es natürlich Konfliktlagen, mit denen man auch und gerade grundgute Charaktere so richtig in Zwiespalt bringen kann, und die werden bei DSA-Abenteuern ja tendenziell eher vermieden.

Eben aus oben genanntem Grund. Eine gemeinsame Linie zu finden, wie man in eine Richtung geht (das Verfolgen der gemeinsamen Interessen, im Standard-DSA-Abenteuer also "gut sein"), ist deutlich einfacher, als bei einer moralischen Richtungsdiskussion einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Die meisten DSA-Runden (so meine Erfahrung) sind wild zusammengewürfelt. Spalten fällt da wirklich einfach; die Gruppe zusammenzuhalten und trotzdem die kulturellen Unterschiede nicht unter den Tisch fallen zu lassen scheint mir da wesentlich anspruchsvoller.

Denn die Frage ist halt: Was geschieht denn, wenn der Zwiespalt nicht ganzheitlich gelöst wird? Dann hat's eine auseinandergebrochene Gruppe. Wenn man auf Abenteuer- oder Soap-Spiel aus ist, ist das schlicht kontraproduktiv. Genauso wenn man lieber was erlebt, statt sich mit Gruppenzusammenführungen zu befassen. ;)

Achamanian

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #194 am: 12.01.2010 | 15:06 »
Denn die Frage ist halt: Was geschieht denn, wenn der Zwiespalt nicht ganzheitlich gelöst wird? Dann hat's eine auseinandergebrochene Gruppe. Wenn man auf Abenteuer- oder Soap-Spiel aus ist, ist das schlicht kontraproduktiv. Genauso wenn man lieber was erlebt, statt sich mit Gruppenzusammenführungen zu befassen. ;)


Ich glaube, wenn es dazu kommt, fehlt es an Outtime-Kommunikation. Ich bin (inzwischen) mehr ein Freund davon, dass man sich im Vorlauf der Kampagne gemeinsam Gedanken über Kampagnentyp, Charaktere und deren Zusammenhalt usw. macht. Zusammenführungen spielen bin ich dagegen eher rpnizipiell leid, lieber entwerfe ich schon im vorhinein die Verbindungen zwischen den Charakteren. Und wenn die Charaktere tatsächlich unterschiedliches wollen, lässt sich das mit ein wenig Fingerspitzengefühl auch wunderbar bespielen, vorausgesetzt, die Spieler sind sich Outtime darüber einig, dass ihr eigentliches Ziel darin besteht, gemeinsam eine interessante Geschichte zu erleben bzw. zu generieren. Eine Gruppe mit Charakteren, die sich nicht einig sind, ist noch lange keine auseinandergebrochene Gruppe.

Klar, DSA eignet sich typischerweise am besten für das Heldenteam, das in Einmut den Gegner zur Strecke bringt. Da ist auch prinzipiell nichts Falsches dran. Andererseits ist es aber nicht so, dass es im Rollenspiel prinzipiell keine anderen Wege gibt.

EDIT: Ich kenne allerdings auch das Problem einer gewissen nervigen Spieler-Sturheit bei DSA, die in die Richtung geht: "Mein Praiosgeweihter will aber die Hexe verbrennen!", wo dann die Positionen der Charaktere ganz absolut dastehen. Das liegt sicher u.a. daran, dass man bei DSA eben ganz oft impliziert kriegt, "gutes Rollenspiel" sei die korrekte Darstellung eines bestimmten Aventurien-Stereotyps. Da hast du dann natürlich ganz schnell die zerbrochene Gruppe, wenn Uneinigkeit über das richtige Verhalten herrscht.
Ich glaube aber, da liegt das Problem eher in dem Fehlschluss, dass das sture Festhalten an Stereotypen "gutes Rollenspiel" kennzeichnet. Jetzt mal den pädagogischen begriff des "guten" außen vorhaltend, würde ich sagen: Interessantes Rollenspiel ist eher, wenn man es den Charakteren erlaubt zu wanken, mit widersprüchlichen Anforderungen (die eigene Kirche vs. das eigene Gerechtigkeitsgefühl vs. treue zu den Freunden) zu ringen, auch mal opportunistisch oder inkonsequent statt prinzipienreiterisch zu sein. Wenn dann ein Geweihter mal gegen seine Rolle handelt, ist das nicht "schlechtes Rollenspiel", sondern eventuell hochinteressant, und wenn das Folgen hat, dann sind die auch keine Strafe für schlechtes Rollenspiel, sondern Teil einer Geschichte.
Wenn man etwas lockerer mit dem guten Rollenspiel nach DSA-Lehre umgeht, dann kann man sicher viel leichter mit Konflikten in der Gruppe umgehen, auch, weil dann niemand meint, dass er sich durch besondere Sturheit in der Darstellung seines Charakters als "guter Rollenspieler" hervortun kann. Interessant ist der Rondragläubige Krieger nicht dann, wenn er mal wieder niemanden von hinten angreift, sondern dann, wenn er einem übermächtigen Gegner das Schwert in den Rücken rammt, weil er fürchten muss, dass dieser sonst gleich den heißgeliebten Thorwaler-Gefährten niederstreckt.
« Letzte Änderung: 12.01.2010 | 15:18 von Achamanian »

Offline Quendan

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #195 am: 12.01.2010 | 15:32 »
Ein freies Abenteuersetting wäre mal einen Testballon wert (so wie die Veröffentlichung eines neuen Soloabenteuers, was sich als Erfolg herausgestellt hat), der Herr Lindner nimmt sicherlich gerne Exposés in Empfang (hähä  >;D ).

Tut er tatsächlich. Aber vorsicht, Herr Gosse. Was auf meinem Schreibtisch landet, kommt früher oder später auch auf deinen. :P

Denn die Frage ist halt: Was geschieht denn, wenn der Zwiespalt nicht ganzheitlich gelöst wird? Dann hat's eine auseinandergebrochene Gruppe.

Oder eine lange und peinliche Diskussion auf einer Geburtstagsfeier am nächsten Tage ... 'tschuldigung, mein persönliches Trauma.  :-X ;)
Und DAS ist dann auch zu viel Outtime-Kommunikation, Achamanian. :D

---

Um aber auch noch irgendwas feigenblattartig zum Thema hinzuzufügen: Chris gibt meine Sichtweise da ganz gut wieder. Ich halte aber auch gar nichts schlimmes davon, ein Ziel vorzugeben (halte es in Metaplot-Abenteuern sogar für notwendig) - der Weg dahin ist der Knackpunkt. Da lief früher praktisch alles falsch und heute noch einiges. Besserung ist aber erkennbar und auch ich möchte daran arbeiten, dass es weiter besser wird.

Wo ich nicht zustimmen kann ist die weiter oben genannte These, dass DSAler eine Geschichte nacherleben wollen. Ich denke jede Gruppe will die Geschichte gestalten, vorantreiben, Einfluss auf sie ausüben. Zwar innerhalb eines bestehenden Rahmens, aber die reine Charakterdarstellung vor der Bühne des Plots scheint mir etwas zu narzistisch. Denn wenn wir uns das Thema Abenteuerstruktur genau anschauen zeigt sich doch, dass eine vorgeplante Geschichte (=Plot) keineswegs ausschließt, dass die Helden starken Einfluss nehmen. Man muss nur zur Erreichung eines Zieles ausreichend die Ressourcen beleuchten und Wahlmöglichkeiten anbieten. Und zwar nicht nur für das finale Ziel, sondern auch für Zwischenziele. Dabei mag es passieren, dass die Helden sich gänzlich von der Geschichte lösen und entfernen, dann ist das auch gar nicht schlimm - lebt halt der Schwarzmagier weiter oder die Geliebte der Helden wurde geopfert oder es ist keine Stadt auf Gareth gestürzt. Das offiziell natürlich bei großen Sachen ein Ergebnis benötigt wird ist klar. Kleine Sachen sind heute hingegen nicht selten ohnehin schon frei gehalten.

Achamanian

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #196 am: 12.01.2010 | 16:07 »

Und DAS ist dann auch zu viel Outtime-Kommunikation, Achamanian. :D

Es müssen ja nicht immer bitterernste Gruppen-Beziehungsgespräche voller "Du hast mich enttäuscht!"'s und "Wäre ich damals nur bei der Sturmbringer-Runde geblieben, die hätte mir so etwas nie angetan!"'s sein.

Ich habe nur manchmal den Eindruck, dass so viel von der Warte aus diskutiert werden, dass Spieler und SL als Einzelkämpfer dastehen, die das Ausspielen ihres Charakters, die Durchführung des Plots usw. gegen den Rest durchsetzen. Kommt ja leider auch vor, und dann gibt es das große Unverständnis: "Wieso, ich habe nur meinen Charakter richtig ausgespielt, und jetzt bin ICH Schuld, dass alles den Bach runtergegangen ist?"; Oder: "Wieso, ich Esel-SL rette euch mit Biegen und brechen den Arsch, und jetzt bin ich ein böser Railroader?"
Dagegen hilft es, sich ab und zu auch explizit gegenseitig zu sagen, dass man das macht, um gemeinsam Spaß zu haben, und sich überlegt, wie man das anstellt.

Das heißt für mich auch, dass man als Spieler mitdenkt und im Zweifelsfall mit seinem Charakter Konflikte ansteuert, die interessantes Geschichtenpotential für die ganze Gruppe bieten. Vielleicht auch, indem man sich mal ganz spontan überlegt, dass der eigene Thorwaler eigentlich allen Elfen misstraut, von diesem einen aber völlig eingenommen ist. Oder umgekehrt. Bei den wichtigen Entscheidungen vielleicht ab und zu durchatmen und sich nicht nur fragen: "Okay, was würde ein Rondrageweihter laut Buch tun?", Sondern überlegen: "Vor welchen Möglichkeiten steht mein Charakter? Was könnte ihn zu welcher Entscheidung veranlassen?" Und wenn es mehrere denkbare Entscheidungen gibt (was eigentlich immer der Fall ist), die wählen, die am Interessantesten ist. Oder auch mal die, die es anderen ermöglicht, interessante Entscheidungen zu treffen.

Wenn das gut läuft, hat man einen flow, bei dem auf dauer interessantere Charaktere entstehen, und dafür ist es m.E. wichtig, dass der SL nicht an seiner Story klebt und die Spieler nicht an absolut klar definierten Charakteren. Das kann je nach Gruppendynamik dann auf entspanntes DSA-Geschichten-Nachspielen rauslaufen oder auf ambitioniertes Selber-Zielesetzen der Charaktere. Oder auf allerlei dazwischen. Hauptsache, man klärt immer mal wieder ab, was man da gerade treibt - bzw. man klärt es ab, sobald man merkt, dass irgendwelche Leute unzufrieden sind.

Offline Quendan

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #197 am: 12.01.2010 | 16:17 »
Klar, da würde ich dir gar nicht widersprechen. Bei dem Thema kam mir nur wirklich dieser (lange zurückliegende) traumatische Abend in den Sinn und ich hab ein bisschen gespammt. ;) [Wo mir das gerade auffällt muss ich doch noch was dazu sagen: damals wurde mir von zwei Spielern vorgeworfen, dass ich NICHT GENUG gerailroadet hätte. Zwar in anderen Worten, schließlich kannten wir damals den Begriff gar nicht, aber doch unmissverständlich. Und da stemmten ich als Leiter und zwei weitere Spieler sich vehement gegen. Der ultimative Kampf zwischen gut und böse ist also schon alt. Und manche Spieler wollen geführt werden. Wollte das nur kurz noch nachschieben, weil mich das gerade schmunzeln lies. ;) ]

Mit dem Luxus einer seit neun Jahren bestehenden Runde kann ich da aber auch gar nicht so genau mitreden, weil wir schon sehr lange eine gemeinsame Linie haben und seit Jahren praktisch gar nicht mehr über sowas wie die Gruppen- oder Spielausrichtung reden müssen.

Mitdenken ist natürlich immer nötig. Ein "mein Charakter macht das aber so" ist nicht immer die richtige Antwort, wenn damit gerade das Spiel in sehr unschöne oder destruktive Bahnen gelenkt wird. Man sollte sich immer bewusst sein, dass man gemeinsam ein Abenteuer erleben möchte und daher (bei aller Liebe zu spielfördernden Konflikten) nicht den Arschloch-Modus anschalten. Dazu gehört es, in der eigenen Gruppe keine unüberbrückbaren Streits vom Zaun zu brechen (er hat mich beleidigt, also steche ich ihn ab) oder auch das mühsam vorbereitete Abenteuer des Spielleiters nicht einfach abzulehnen, "weil mein Char sowas nie machen würde". In so Fällen lohnt es sich, mal kurz einen Gang rauszunehmen und im Zweifel auch mit der Gruppe kurz darüber zu reden.

Ansonsten gilt natürlich auch was du zu Klischees bei Spielerreaktionen sagt. Man spielt schließlich keine reinen Abziehbilder, zumindest in den meisten Fällen.
« Letzte Änderung: 12.01.2010 | 16:20 von Quendan »

wjassula

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #198 am: 12.01.2010 | 16:42 »
Zitat
Denn wenn wir uns das Thema Abenteuerstruktur genau anschauen zeigt sich doch, dass eine vorgeplante Geschichte (=Plot) keineswegs ausschließt, dass die Helden starken Einfluss nehmen.

Doch, das denke ich schon, jedenfalls, wenn man Ergebnisoffenheit antstrebt bzw. wenn es um das Bewältigen quaisobjektiver Herausforderungen oder das Schaffen von aussagekräftigen Charakter-Ziwckmühlen geht.  In dem Moment, wo eine Geschichte in dem Sinn vorgegeben ist, dass klar, wie die Sache ausgeht - schon in dem Moment, wo man so plant, also in Begriffen von Geschichte denkt - sind die Spieler im Handeln nicht mehr frei und diese beiden Spielvarianten sind stark erschwert. Man kann diese Illusion mehr oder weniger geschickt aufbauen, aber es bleibt eben eine Illusion, denke ich.

Hier sei gleich noch einmal eingeschoben, dass ich das auch gar nicht unbedingt schlimm finde, ich meine das rein beschreibend. Deiner und Chris´Antwort entnehme ich, dass ich meine Vorstellung offenbar nicht ganz deutlich gemacht habe - vielleicht klingt sie zu abwertend oder "Ausgestalten des Charakters" usw, klingt zu schwach, zu öde, nach zu wenig. Ich meine damit aber etwas, was schon sehr viel Spaß machen kann und sich auch in der gemeinsamen Fiktion niederschlägt, ihr eine spezielle Farbe verleiht.

Wenn ich von der "Darstellung des Charakters" usw. spreche, wird das natürlich in den meisten Spielerunden bedeuten, dass der Magier versucht, den Schwarzmagier durch die besseren Sprüche auszuschalten, dass die Kriegerin sich noch ein mächtigeres Schwert besorgt, dass der Phex-Geweihte vor dem Endkampf das Gelände auskundschaftet, dass die Gruppe die Bediensteten besticht und sich das Artefakt von XY aus den Katakomben von R´krss´rkh besorgt, das allein den Schwarzmagier töten kann.

Edit, später: Es gehört zum gelungenen Spiel in dieser Variante, dass die Charakterdarstellung nicht einfach irgenwas beinhaltet, sondern sich in die Backstory einfügt. Die Charaktere spielen also nicht Harfe oder zitieren aus den Werken Rohals, während Gareth brennt. Sie unternehmen schon was, was auch zur Situation passt.

 Nur: Das ist - jedenfalls für die Frage nach dem Einfluss auf den Plot -egal. Der Schwarzmagier stirbt eh. Wenn nicht jetzt, dann später. Wenn nicht so, dann so. Es ist nicht das, was man "relevant" nennt, wenn man ein Spiel spielt, das zu den anderen beiden von mir beschriebenen Varianten gehört. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Abenteuertext eine Lösung zulässt, drei, zehn oder was.

Was da betrieben wird (auch wenn es natürlich auf die "Plotziele" gerichtet ist), ist Darstellung des Charakters, oder, wie Achamanian das nennt, "den Slot füllen". Ich erkenne die Leerstellen in der durch die SL präsentierten Story und versuche die so ausfüllen, dass es mir und den anderen am meisten Spaß macht. Und zeige dabei den anderen, wie ich in Einklang mit der Spielweltlogik, meiner Vorgeschichte und möglichst mit Humor und Stil die mir zugeschriebene Rolle ausfülle. Und das kann Spaß machen! Je besser und fantasievoller das den Mitspielern gelingt, desto mehr.  

@Regionalspielhilfen: Wie du schon selber schriebst, Chris, sind die mir bekannten RSHs dafür nicht geeignet aufbereitet. Grob gesagt zu viel Fließtext, aus denen man sich die Infos rausklauben müsste, zu wenig Tabellen, zu wenig Werte. Kirilow hat das bei seinen Gedanken zu VeG schon etwas ausgeführ
« Letzte Änderung: 12.01.2010 | 17:13 von Jasper »

Offline kirilow

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Re: DSA: Warum Abenteuer, warum keine Romane?
« Antwort #199 am: 12.01.2010 | 16:56 »
Was da betrieben wird (auch wenn es natürlich auf die "Plotziele" gerichtet ist), ist Darstellung des Charakters, oder, wie Achamanian das nennt, "den Slot füllen". Ich erkenne die Leerstellen in der durch die SL präsentierten Story und versuche die so ausfüllen, dass es mir und den anderen am meisten Spaß macht. Und zeige dabei den anderen, wie ich in Einklang mit der Spielweltlogik, meiner Vorgeschichte und möglichst mit Humor und Stil die mir zugeschriebene Rolle ausfülle. Und das kann Spaß machen! Je besser und fantasievoller das den Mitspielern gelingt, desto mehr. 
Hui. Das ist ja mal eine schlaue Beschreibung dieses Vorgangs.
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