Everything Everywhere All At Once ist zweifelsohne alles auf einmal.
In jedem Fall hat der Film mich nicht mehr losgelassen. Auf der Heimfahrt musste ich darüber grübeln. Ich musste ihn auf die Seite drehen, ihn umstülpen und ich
glaube (mehr Gewissheit gibt es da aktuell nicht), dass das insgesamt ein guter Film war. Ich mochte die übersteuerte Buntheit des Films; seine tolle Kampfchoreo (vor allem zu Beginn, im beherzten Einsatz der Bauchtasche!); die Tatsache, dass er im Kern mehr Familiendrama als Kung-Fu-Achterbahnfahrt ist. Fast jeder Sprung ins nächste, wahnwitzige Universum bietet sich als eine Allegorie auf die Beziehung Vater-Mutter-Kind an.
Tatsächlich haben die Regisseure Daniel Kwan und Daniel Scheinert diese Version des Metaverse-Themas geradezu solipsistisch angelegt: Die Hauptfigur Evelyn (Michelle Yeoh, wie kann man da auch nein sagen) ist nicht nur Protagonistin, sondern scheinbar eine Art Mittelpunkt des Universums, weil alle Variablen und Abweichungen von ihr ausgehen und damit ihren Entscheidungen unterliegen – erst in einer ziemlich gelungenen Anspielung auf "2001" wird das kurz gebrochen.
Dem Film haftet der in Multiverse-Medien verbreitete Nihilismus an: Wenn es uns unendlich viele Male gibt, hat nichts Bedeutung, dann sind wir doch nur "shit", wie die Antagonistin des Films gerne betont. Aber gleichzeitig bringt der Film eine hoffungsvolle Grundstimmung und ein positives Menschenbild mit, das Multiverse-Stoffen wie "Rick & Morty" oder "The Buterfly Effect" fehlt: Wenn jede Entscheidung potenziell ein neues Universum hervorbringt, dann hat jede Entscheidung Gewicht. Und in jedem dieser vielen Universen ist der Mensch wirklich frei.
Klingt das prätenziös? Wahrscheinlich. Und von den Vorwurf, oftmals ein wenig zu dick aufzutragen und immer in den wichtigen Szenen in einen verkorkst-verkopften Tonfall abzugleiten, muss sich "Everything Everywhere All At Once" doch gefallen lassen. Die alternativen Realitäten sind Hit-or-Miss: So kippt das Wurstfinger-Universum schnell ins Unerträgliche und auch der Antagonistin fehlt in ihrem schillernden Auftreten ein wenig die Nuance (den Twist riecht man meilenweit gegen den Wind). Es stecken viele Albernheiten im Film, und viele Gags tänzeln auf der Grenze des "Jungshumor" (höhö, guck mal, wie diese Trophäen geformt sind). Und ich schwöre, der Film wäre gut eine halbe Stunde kürzer, wenn die Macher nicht jede Actionszene mit Slow-Motion zukleistern würden. "Everything Everywhere All At Once" größte Schwäche ist wahrscheinlich sein Pacing und die Regisseure verharren auf jeder ihrer Szenen eine weirde Idee zu lang. Das lenkt dann leider manchma von der grandiosen Cast ab, die ihre Rollen mit viel überactetem Leben füllen. Besonders in den stillen Szenen, die zu den stärksten des Film gehören, können die Schauspieler glänzen (mein Favorit hier klar Ke Huy Quan als Waymond Wang; dieser Typ füllt jedes seiner Parallel-Ichs mit so viel Nuance... wenn man wen braucht, der in einem Film einen jüngeren Jackie Chan gibt, der ist es!).
Also ja, "Everything Everywhere All At Once" musste noch eine Weile gut in meinem Hirn nachreifen, bis ich ihn richtig schätzen konnte. Aber er ist... ähm... gut? Vielleicht sogar wirklich gut?
Ach Mensch, triff eine Entscheidung, Jiba!
Gut: "Everything Everywhere All At Once" war klasse! Die Versionen von mir, die gerade etwas Anderes schreiben, haben keine Ahnung!