Wir bauen die Mechanik um, bis sie kann, was wir wollen, dass sie kann?
Bennies sind ein Mechanismus, der eine gewisse STEUERUNG der ART der Aktionen der Spieler am Spieltisch leisten soll.
Bennies sind KEINE "Hitpoints". - Die SW- Hitpoints sind die drei Wundenstufen. DAS sind echte Hitpoints in Funktion und Abstraktionsgrad.
Bennies sind STEUER-Elemente. Feingranulare Steuerelemente für den MOMENTANEN Spielstil des einzelnen Spielers (positives Feedback) und der gesamten Gruppe (Gesamtbewegung der Bennies über die Spielzeit).
Man KANN mit neuen Mechaniken kommen, um einen bestimmen Bennie-Strom festzuschreiben, in der Hoffnung, daß er das erzeugt, was man eben mit dieser Steuerung bezwecken möchte. - Das geht jedoch meist KRASS in die Hose!
Praktische Erfahrung: In den Daring Tales of Adventure gibt es eine ganze Reihe an Settingregeln, die SW-Grundregeln "entschärfen" und "konsequenzen-weicher" machen (Extras haben keine explodierende Schadenswürfel, sie können keinen wirklich tödlichen Schaden verursachen, Wunden werden beim Wechsel eines "Aktes" im Szenario automatisch abgebaut, usw.). - Und eine dieser Regeln ist, das Bennies viel schneller und stärker aufgefrischt werden, als sonst üblich. Bei Kampfbeginn bekommt JEDER SC automatisch erst einmal einen Bennie (so er weniger als einen Startwert an Bennies auf der Hand hat).
Das SOLL die Spieler zu mehr krassen, cinematischen Stunts anhalten, weil sie ja Bennies haben, mit denen sie auch "Es ist eine Chance von eins zu einer Million - aber es könnte klappen."-Situationen nachwürfeln können.
Jedoch: Als Spieler und als Spielleiter habe ich feststellen müssen, daß man als Spieler KEINE NOT mehr verspürt seine Hindrances anzuspielen und zum Tragen zu bringen! - Normalerweise fängt man spätestens auf dem letzten Bennie an seine Hindrances zu "melken", damit wieder Bennies reinkommen. - Das führt zu intensivem Ausspielen der diesbezüglichen Charakterzüge.
Bei DTA bleiben die Charaktere hingegen SEHR FLACH. Unter anderem, weil die Spieler immer genug Bennies haben!
Sie müssen seltener Soak-Würfe machen, weil Extras ja keine explodierende Schadenswürfe mehr haben, und sie somit vor Horden von Extras KEINE Angst mehr um ihren Charakter haben müssen. - Ist das RISIKOBEWUSSTSEIN gering, muß man sich auch nicht mehr ANSTRENGEN. - Man spielt mit WENIGER POWER, als man es sonst getan hätte!
Durch weniger Soak-Würfe und sehr häufige Bennie-Refeshs ist das DTA-Spiel außerordentlich HERAUSFORDERUNGSARM. - Hinzu kommt eine teilweise recht heftige Railroading-Komponente. - Beides zusammen, also sehr HART geführter Handlungsablauf ohne viel Gelegenheit mal "auszubrechen" und innerhalb der vorgezeichneten Handlung dann ausgesprochen minder-herausfordernde Szenen durch reichlich Bennies und "gelähmte" Gegner, führt zu einem ziemlich unbefriedigenden Spielerlebnis.
Unsere Lösung: Bennie-Vergabe wie gewohnt durch "Abholen" durch die Spieler und nicht über "Bennie-Geschenke". Extras sind wie im Grundregelwerk zu behandeln. Verwundungen ebenso.
Am Railroading konnte man nicht viel drehen, wenn man noch die Kauf-Abenteuer spielen wollte. Das war schon in Ordnung, da man zwar "mit dem Zug zur nächsten Station" fahren mußte, dort aber wenigstens ein ECHTES RISIKO des Scheiterns bestand.
Und hier kommt noch etwas zu cinematischen Aktionen: Die Bennies können einem SC den Arsch retten, wenn mal was schief geht.
Bei uns werden Bennies aber eingesetzt, um die ZIELE des Charakters (in seinen Hindrances und in seinem Charakterkonzept angelegt) zu erreichen. Je nach Setting gehen bei uns über die Hälfte der Bennies für Skill- und Attributs-Würfe AUSSERHALB von Kampfsituationen raus. Und das liegt eben daran, daß ein Bennie einer Handlung - EGAL was für einer - einen vom SPIELER gewollten und durch den Bennie kommunizierten NACHDRUCK geben kann. Das kann man mit "Hitpoints" nicht.
Der Steuerungsmechanismus, den Bennies in SW darstellen, ist einer, der SEHR GRUPPENINDIVIDUELL arbeitet.
Es ist NICHT der Spielleiter alleine, der hier "gibt und nimmt". Bennies sind auch KEINE "Almosen", sondern man VERDIENT sich seine Bennies!
Wie?
Indem man eben seine Charakter-Anlagen (Konzept, Hindrances, aber auch Beziehungen, erspielte Verzahnungen mit der Spielwelt) in Konflikte einbringt.
Bennies gibt es NICHT VOR einer "cinematischen Einlage", sondern DANACH. (Das ist der grobe Fehler bei den DTA-Settingregeln.)
Bennies gibt es NICHT VOR einer kritischen Aussprache mit den wichtigen NSCs, sondern DANACH.
Das RISIKO ist geprägt von den noch verfügbaren Bennies (somit kann der SPIELER selbst das Timing seiner Aktionen, die ihn eventuell Bennies kosten könnten, bestimmen). Und es ist geprägt davon, WORUM es geht - ob es um harte, schwere Handicaps des Charakters geht (charakterbezogenes Risiko), oder um handlungsbogen-bedeutsame Punkte (Kampagnen-Handlungsbogen-bezogenes Risiko), oder um für die jeweilige Spielsitzung und die bereits verstrichene Spielzeit relevanten Punkte (resourcenbezogenes Risiko, dramaturgisches Risiko).
Cinematik kommt NICHT von Bennies, sondern vom WILLEN des SPIELERS seinen Charakter für stilistisch auf bestimmte Weise geprägte Handlungen zu RISKIEREN.
Daher kann man auch in "Gummipunkte-freien" Regelsystemen cinematisch spielen. - Nur mit einem in vielen Bereichen HÖHEREN Risiko und größerer KONSEQUENZEN-HÄRTE.
Ein gewagter Stunt erfordert einen Agility-Wurf, um von einem Streitwagen auf den gegnerischen zu springen. Das Risiko liegt in der äußeren Gestaltung der Szene - Abstand, Wagenart, usw. - d.h. aus dem Setting heraus erwachsender Randbedingungen (hier keine besonderen). Dann in den regeltechnisch vorgegebenen. Die Vierergespanne sind rasend schnell unterwegs. Daher ist für den Stunt -1 wegen der hohen Geschwindigkeit fällig. - Dann liegt das Risiko im jeweiligen Charakter. Macht der Agility d10 und Acrobat-Edge besitzende Charakter diesen Stunt, oder der Agility d4 Charakter? - Dann kommt der Resourcen-Aspekt ins Spiel. Hat der Charakter schon eine Wunde oder einen Level Fatigue? - Und es kommt ein gewisser Zufallsaspekt mit rein: Hat der Charakter einen Joker als Aktionskarte, hat er eine passende Adventure Card, oder einen Runen-Bennie?
Und dann wird gewürfelt.
Bis zu dem Wurf, war alles noch OHNE großen Unterschied zu Bennie-losen Regelsystemen (die Runen-Bennies aus Hellfrost sind in dieser Einsatz-Art ANDERS als normale Bennies).
Klappt der Wurf, dann war der Stunt erfolgreich.
Klappt er NICHT, dann greift erst die Möglichkeit Bennies zur Wurfwiederholung einzusetzen. - Und hier kann es sein, daß nicht mehr genug Bennies verfügbar sind, oder der Spieler andere Gründe hat, das SCHEITERN zu AKZEPTIEREN.
Dann bekäme im vorliegenden Beispiel der Charakter ordentlich Schaden durch den Sturz vor die anderen, nachfolgenden Wagen des Wagenrennens. - Hier kann er Bennies, so er noch welche hat, aber auch zum Soak-Wurf verwenden.
Interessant wird dabei aber, WARUM der Charakter eigentlich den Stunt machen soll.
Ist er Overconfident? Das wäre einen Bennie wert - den er NACH dem Sprung (egal ob erfolgreich oder nicht) bekäme.
Ist er Vengeful und der Lenker des anderen Wagens einer auf seiner schwarzen Liste? Das wäre auch einen Bennie wert.
Wie sieht es mit anderen, nicht über Spielelemente wie Edges oder Hindrances dokumentierten Motivationen aus? - Vielleicht möchte sich der Charakter einen Namen bei den Zuschauern im Circus machen? Damit auch auf sein ZIEL hinarbeiten? - Das ist dann natürlich einen Bennie wert.
Hat der Charakter überhaupt KEINEN Grund für den waghalsigen Stunt, sondern der Spieler hielt es für eine gute Idee und beschreibt entsprechend packend, was sein Charakter tut, dann ist das auch einen Bennie wert (in diesem Falle NICHT abgeholt, sondern als Steuerung durch den Spielleiter vergeben). - Es könnte aber sein, daß der Spielleiter ein etwas weniger Hollywood-Kino-reifes Setting erstellt hat, und er solche Stunt-Einlagen nicht gerade passend findet. Dann gibt es KEINEN Bennie!
Nimmt der Spieler das SCHEITERN seines Stunt-Versuchs hin, so könnte dies aber wiederum die Härte und Gefährlichkeit des Settings untermauern. Und dann ist das Hinnehmen des Scheiterns einen Bennie wert!
Schon allein bei einem "einfachen Stunt" ist hier eine ganze Menge an sehr unterschiedlichen Einflußfaktoren auf Bennie-Einsatz und Bennie-Vergabe zu betrachten. - Das KANN ein geübter Spielleiter und ein geübter Spieler praktisch ohne jegliche Zeitverzögerung. - Aber ein REGELMECHANISMUS, der ALL das (und noch mehr!) mit harten Regeln abzudecken vermag, ist hier so gut wie überhaupt nicht zu erstellen.
Der MECHANISMUS kann zwar die Bennie-Vergabe mit mehr Entscheidungsbäumchen härter regeln und nachvollziehbarer machen, aber er kann NICHT STEUERN!
Steuern kann immer nur ein Mensch. Jemand mit einem WILLEN!
Und der Bennie-Einsatz eines Spielers, die Bennie-Vergabe eines Spielleiters sind nichts anderes als WILLENS-BEKUNDUNGEN!
Wer das einmal realisiert hat, dem fällt das Herstellen eines Bennie-Flusses, der dem jeweils aktuellen Spielinteresse der gesamten Gruppe angemessen ist, deutlich leichter.
Bennies drücken den WILLEN des sie verwendenden Spielenden aus. - Ein Spieler WILL hier Erfolg haben, WILL hier bestimmte Konsequenzen vermeiden, WILL sich an ein magisches Relikt binden, usw. - Ein Spielleiter WILL seinen Oberschurken noch nicht einfach so abkratzen lassen, ein Spielleiter WILL mehr Player-vs.Player-Konflikte um moralische Fragestellungen, ein Spielleiter WILL das Verfolgen von Fernzielen eines Charakters fördern, ein Spielleiter WILL den Einsatz improvisierter Waffen stärker betonen, ... - Das alles sind WILLENS-Bekundungen, die über den Bennie, dessen Ausgabe und Vergabe man HÖRT, SIEHT und FÜHLT (im Gegensatz zu nur auf dem Charakterbogen stehenden "Glückspunkten" oder so etwas) auch eine stoffliche Entsprechung finden.
Und da Bennies nichts anderes als Willens-Bekundungen sind, dienen sie nur der ABSPRACHE innerhalb der Gruppe. Einer Absprache, die OHNE viel explizite Worte und PARALLEL zum Spielgeschehen erfolgt.
Der Bennie-Fluß ist ein DIALOG über die Art, wie das Spiel gerade läuft und wie es demnächst (in den nächsten 10, 20 Minuten laufen soll).
Da der Bennie-Fluß eine Art Dialog ist, also eine Form der Kommunikation darstellt, ist ein Bennie-Vergabe-Mechanismus nach strikten Regeln geradezu ERSTICKEND und KNEBELND.
Strikte Vergabemechanismen stellen den an sich nach Grundregelwerk FREIEN Kommunikationsfluß auf eine Stufe mit "strukturierten Dialogen" wie "Wenn sie mehr Verfolgungsjagden wollen, dann drücken sie die 1. Wenn sie mehr zwischenmenschliche Interaktion möchten, drücken sie die 2. Wenn sie ...". - DAS ist es, was ein STRIKTES Vergaberegelwerk aus einer bis dahin FREIEN REDE ALLER Spielenden in der Gruppe miteinander macht.
Daher kann ich von Versuchen Bennie-Vergaben strikter zu regeln nur ABRATEN.
Bennie-Fluß als KOMMUNIKATIONS-Fluß mit einem Spielleiter, der auf diese Kommunikation sensibel HÖRT und sich mittels seines Bennie-Einsatzes und seiner Bennie-Vergabe KLAR ÄUSSERT, stellt ein ausgesprochen wenig aufgesetzt wirkendes Mittel zum Aushandeln der Spielweise der Gruppe während einer laufenden Spielsitzung dar, und - über mehrere Sitzungen - zum Ausprägen eines bestimmten "Kommunikations-Stils" innerhalb der Gruppe, d.h. eines bestimmten Stils im Umgang mit Bennies, im Geben und Nehmen, und dem, was dies auslöst und was man damit erreichen will.
Der Spielleiter hat dabei - wie üblich im "klassischen" Rollenspiel - eine besondere Rolle: Er MODERIERT diese Kommunikation einerseits, und andererseits LENKT er sie auch. - Das ist wie alle sonstigen Funktionen bei der klassischen Rollenverteilung von Spielleiter und Spielern. Der Spielleiter gehört ZUR Gruppe, ist aber NICHT TEIL der Gruppe.
Diese Funktion durch einen strikten, d.h. auch externen Mechanismus ohne Willen ersetzen zu wollen, wirkt auf mich wie von einem UNSICHEREN Spielleiter aufgebracht. - So ja auch andere lenkende, entscheidende, bewertende Funktionen eines Spielleiters, die manchen, die sich mehr oder weniger ungern in der Rolle des Spielleiters wiederfinden, UNANGENEHM sind, und die sie von sich weisen wollen. - Delegieren an irgendwelche Mechanismen. Mechanismen, die irgendwie OHNE IHRE BETEILIGUNG ablaufen können, so daß sie sie nur ja NICHT mit ihrem WILLEN und damit auch mit ENERGIE und PERSÖNLICHKEIT zu etwas entscheiden müssen.
Der Ruf nach Mechanismen kommt mir eben wie der Versuch vor, sich der VERANTWORTUNG für das gemeinsame Spielerlebnis entziehen zu wollen.
Das ist jetzt ziemlich krass formuliert, aber das ist der "Oberton", der da immer mitschwingt, wenn die - aus GUTEM GRUND - klassische Rollen-, Aufgaben- und Verantwortungs-Verteilung zwischen Spielleiter und Spielern irgendwie geändert werden soll.
Wer seinen Bennie-Fluß in seiner Gruppe nicht hinbekommt, der sollte halt einfach mal mit mehr ACHTSAMKEIT ausprobieren und OFFEN und SENSIBEL für die Reaktionen am Spieltisch sein. - Wer zu unsensibel ist, für den ist solch ein Mechanismus als Spielleiter nichts.
Wer mit "klein-klein"-Gummipunkten, die mindere Effekte, mindere Bedeutung haben, klar kommt, aber nicht mit den BEDEUTENDEN Gummipunkten wie Bennies oder Fate-Chips, der sagt mir damit, daß er die Willensbekundungen seiner Spieler NICHT möchte oder sie für MINDERWICHTIG hält, und daß er sich nicht in der Lage sieht STEUERND, MODERIEREND das Spiel zu leiten.
Auch wieder absichtsvoll krass formuliert, um mal durch harten Kontrast herauszustellen, was mir besonders wichtig ist: HÖRT auf die Spieler! HÖRT auf Euren Spielleiter! - Und zwar STÄNDIG! - Mitten im Spiel, bei ALLEM, was am Spieltisch passiert!
Und da ist ein Mechanismus wie die Bennies ihn darstellen einfach besonders NETT, weil er dieses Hören zu einem Hören UND Sehen UND Fühlen macht. Viel intensiver geht es kaum noch.