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[Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde

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Minne:
@Bad Horse

--- Zitat ---Ich denke, die Angstspannung in Cthulhu soll aus der Begegnung mit dem Fremden kommen - von der Konfrontation mit etwas unvorstellbar Anderem, etwas, dass der menschliche Geist gar nicht recht erfassen kann und daher daran kaputt geht.

--- Ende Zitat ---

Das ist mir durchaus bewusst, und das habe ich eigentlich versucht zu skizzieren, und es gleichzeitig zu kritisieren mit den 3 Punkten: 1) Wie du schon sagtest, ist der Mythos ziemlich plattgetreten 2) Der Horror der Realität lässt den Horror von Cthulhu imho alt aussehen 3) Es scheint mir nicht wirklich möglich, das Unvorstellbare zum Thema eines Rollenspiels zu machen. Surtur hat das eben nochmal ganz nett zusammengefasst.

@Nin

--- Zitat ---Eine wirkliche Horror-Stimmung zu erzeugen, ist so etwas wie die Königsdisziplin. Fun, Action... alles kein Problem. Thrill? Läßt sich machen.
Aber bei den SpielerInnen eine (individuelle und subtile) Gänsehaut zu bewirken ... das ist echt nicht einfach.
--- Ende Zitat ---
Gut, das ist auch wahr, vorallem weil viele SpielerInnen dazu neigen, wenn sie unter spannung stehen, das Ganze zu ironisieren.


--- Zitat ---Die Meinung teile ich nicht. Ohne direkt involviert zu sein, ist eine Abgrenzung zwar leichter möglich, aber bestimmte Geschehnisse scheinen zwangsläufig Traumata zu verursachen. Es ist wohl kaum möglich, sich solchen Ereignissen komplett zu entziehen (bestimmte Konstrukte erlauben es damit besser klar zu kommen, aber ganz ohne Einfluss geht es denn doch nicht).
--- Ende Zitat ---
Kannst du Beispiele nennen? Das Unheimliche an den Leuten, die später bei den Nürnberger Prozessen verurteilt worden waren,  um bei meinem Beispiel zu bleiben, war imho gerade die Tatsache, dass den meisten von ihnen scheinbar keine geistigen Störungen nachzuweisen waren.

@Heretic

--- Zitat ---Cthulhu kann man wie Kabuki spielen, quasi als Reenactment eines literarischen Stoffs, aber richtig gruseln...? Die SCs: Ja. Die Spieler: Nein.
--- Ende Zitat ---
Da könnte was dran sein.


--- Zitat ---Das mit den Ängsten und Unsicherheitsmomenten ist richtig, aber da haben wir dann das Problem mit den Phobien, die dann beim Spiel getriggert werden können.
Aber, meine Meinung dazu: Der Schaden der dadurch entstehen könnte/kann, ist das bisschen echten Grusel beim Spieler nicht wert.
--- Ende Zitat ---
Das ist natürlich ein interessantes Problem und ich frage mich, wie akut das tatsächlich im Rollenspiel ist. Kann ich aber überhaupt nicht beurteilen. Ich denke, viele Horrorgeschichten funktionieren beispielsweise so, dass erst eine Intimität, eine Vertrauenssituation aufgebaut wird, die anschließend radikal gebrochen wird. Sowas meinte ich. Das scheint ja auch ein lustvoller Moment zu sein, sonst gäbe es die Horrorliteratur wohl nicht.

@Bitpicker


--- Zitat ---Die Kunst besteht darin, seine Denkweise des 21. Jahrhunderts fallen zu lassen und sich in eine Person hineinzudenken, die keine bebilderten oder gar filmischen Massenmedien, keine globale Nachrichtenflut und vor allem keine Tricktechnik kennt. Das Setting funktioniert meiner Meinung nach besser, wenn man es im Zeitrahmen der 20er und 30er Jahre oder früher ansetzt, mit dem Wissen eines heutigen Menschen, da stimme ich zu, sieht die Reaktion auf vieles ganz anders aus. Nur muss sich der Spieler darauf einlassen - wie auf jedes Horror-Szenario.
--- Ende Zitat ---

Ach weißt du, das klingt für mich unheimlich anstrengend. Und auch ein bisschen illusorisch. Ich glaube einfach nicht, dass das in der Art und Weise klappt. Angst ist ein sehr elementares Gefühl, um es künstlich hervorzubringen muss ich mich schon ziemlich bemühen.

Kleiness Gedankenspiel: Wäre natürlich toll, wenn das so ginge, dann könnten wir alle einfach Rollenspieler beim Rollenspiel spielen, die zusammen sitzen und Spaß haben.  ;D

@ Kathy und Surtur

Volle zustimmung!


--- Zitat ---In den Lovecraftschen Geschichten haben die Charaktere ein Leben, Träume, Hoffnungen. Alles Zeug, das kaputt gemacht werden kann. Daraus entspringt viel Horror.
Die Spieler SC sind meist auf Monsterjagd getrimmt, ohne soziale Kontakte außerhalb ihrer Peer-Monsterjäger-Group. Wen störts, wenn so jemand in Gefahr gerät? Wer fürchtet sich, wenn er seinen vorgesehenen Job erledigt, wenn er nix zu verlieren hat?
--- Ende Zitat ---
Definitiv richtig! Vorallem, wenn die Charaktere schon im Voraus mit dem Bewusstsein gebaut wurden "Das ist ein Coc Char, der hällt eh nicht lange..."


Boba Fett:
Ich habe ohnehin arge Schwierigkeiten mich zu gruseln, weil ich in vielen Fällen einfach zu abgebrüht bin und zu sehr rational und problemlösungs-orientiert denke.
Ich denke, dass ist ein Aspekt, der es vielen Rollenspielern den "Horror"-Aspekt zu erleben schwer macht.

Ein weiteres Problem, den ich sehe, ist, dass es bei Horror meistens um Kontrollverlust und die damit verbundenen Ängste geht und dass es gerade beim Rollenspiel den Spielern oft schwer fällt, sich darauf einzulassen. Immerhin spielt man das Rollenspiel ja, um eine fiktive Person zu spielen und mit dieser zu agieren - Kontrollverlust wird da als Gegensatz empfunden, der dem 'agieren können' ja konträr entgegensteht.

Außerdem ist es schwierig, im warmen, hellen, gemütlichen Wohnzimmer, mit Chips und Coke eine entsprechende Horror-Atmo aufzubauen.

Cthulhu beschäftigt sich dazu noch mit mythischen Wesen, und in unserer heutigen Zeit ist der Mensch schlicht zu abgeklärt, um daraus noch "Grusel" zu empfinden. Es gibt keine mythischen Wesen - Punkt...
Horror erleben die Menschen heute eben bei anderen Vorstellungen, sei es bei der Überlegung, dass bestimmte Verschwörungstheorien stimmen könnten, oder bei der Angst vor dystopischen Zuständen. Dementsprechend liegen da die Potentiale der "Mitfieber Abenteuer" unserer Zeit.

Cthulhu modern zu gestalten wäre vielleicht möglich, dann müsste man das über eine Verschwörungstheorie aufziehen, in die die Charaktere stolpern, eine "Geheimgesellschaft", deren innerer Kreis einen Kult betreibt. Irgendwann kommen dann zweifel, ob die Rituale wirklich nur symbolischen Charakter haben, und dann kommt man langsam hinter das Grauen.
Scientology als Cthulhu Kult, dessen "innerer Zirkel" mit okkulten Mächten im Bunde ist.
Da kann schon ordentlich Paranoia aufkommen. Und danach die Erkenntnis, dass das alles keine Spinnerei ist...

Generell denke ich, hat es Horror schwer, und Cthulhu noch schwerer...

First Orko:

--- Zitat von: Xemides am  7.04.2010 | 12:38 ---Und was die Anachronismen angeht, ist das nicht bei der Fantasy irgendwie dasselbe ? Ich versetze mich in eine Zeit und Welt hinein, in der es keine moderne Technik gibt, dafür Magie und Religiösität, obwohl ich evtl. nicht an die Existenz eines Gottes glaube. Das macht doch auch kein Problem.

--- Ende Zitat ---

Anachronismus in Bezug auf den Horror im Mythos. Aufgeklärte Menschen haben eben keine Angst mehr vor dem Unbekannten sondern sind eher neugierig, das passt halt nicht wirklich zum Verhalten der Menschen in den Mythosgeschichten. Die forschen zwar auch nach und schauen in Bücher, in die sie besser nicht schauen sollten, aber diese Personen sind getrieben von einem unbestimmten Drang, dem sie sich nicht entgegenstellen können, einen Trieb wenn man so will. Eigentlich wollen sie nicht weitersuchen, sie tun es aber trotzdem. So ein bißchen wie der Klick auf den Link mit der Beschreibung "wirklich schreckliches Bild, nichts für schwache Nerven und Garantie auf Alpträume"..
Ich finde einfach dass dieses Grauen von damals für Menschen aus unserer Zeit schwerer nachzuvollziehen ist, weil wir uns weiterentwickelt haben und diese diffuse Angst überwunden.

Ich erlebe übrigens durchaus immer wieder Menschen, die eine gewisse Angst vor moderner Technik wie Handys, Computer, Internet haben. Viele verstehen "dieses Internet Ding" gar nicht und sehr viele fühlen sich bei der Arbeit auch damit überfordert (dazu gibts auch Studien, die sich damit beschäftigen). Wenn man sich natürlich nur im Nerd-Umfeld bemerkt, nimmt man das vielleicht anders war, aber das ist nicht die Mehrheit.
Diese ganzen Gesetzesvorschläge zur Internetzensur / Notrufbutton fürs Internet / Seiten die tagsüber geschlossen sein sollen usw. entstehen ja ganau aus dieser Kombination aus Unverständnis und Angst (und noch anderen Faktoren, aber das gehört jetzt nicht hier her). Also eine gewisse Angst vor Neuem ist immer da. Nur findet sich das Grauen nicht mehr in fremden Kulturen, im "fremden" Weltraum und Planeten sondern in dem, was wir als Menschen unserer Zeit nicht verstehen. Und das ist halt was anderes, als vor 90 Jahren.

Teylen:
Ich denke das der Horror wie er von HPL bei Chutulu beschrieben wird durchaus selbst in der heutigen Zeit noch nachvollziehbar ist. Schliesslich funktionieren doch sowohl die Twilight Zone als auch die Outer Limits Episodenhaft nach dem Muster das ein bekannter Sachverhalt durch ueberfremdung dazu fuehrt einen gewisses Gruselgefuehl auszuloesen respektive die jeweils aufgeklaerten Menschen mehr oder minder dicht an den Wahnsinn zu fuehren. Nun und auch aktuellere Serien wie vormals Akte X oder aktuell noch Fringe bauen auf diesen Effekt.
Nun und bei aller Fortschrittlichkeit der heutigen Zeit gegenueber 1920 blueht doch auch der Bereich rund um Urban Fantasy.

Der Bezug zu dem was Ausschwitz, die Atombomben Abwuerfe ueber Japan oder die Bericht Erstattung ueber diverse Kriege betrifft sehe ich nicht. Schliesslich handelt es sich dabei um etwas das nicht abstrakt oder unvorstellbar ist einfach weil es fassbar wurde/ist.

Nocturama:
Interessanterweise habe ich mich bei Cthulhu-Abenteuern schon richtig gegruselt (wie bei einem guten Horrorfilm/Buch, nach dem ich mich manchmal dabei ertappe, mich im dunklen Gang unwillkürlich umsehe...). Allerdings habe ich mich noch nie wegen des Cthulhu-Mythos gegruselt.
Stimmt schon. Der ist schon in Buchform zu abstrakt, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Und wenn man im Rollenspiel auch noch weiß, dass das jetzt ein Dunkles Junges ist oder wasweißich, dann ist das noch mal schwerer. Unheimlich ist halt nur, was man nicht kennt und bei dem man nicht weiß, wie es funktioniert (bei Cthulhu kennt man außerdem die Spielregeln zu gut: "Jetzt sag' schon, wieviel geistige Stabilität verliere ich?").

Gegruselt habe ich mich eher bei einem Versteckspiel - vermutlich, weil ich aus meiner Kindheit das atemlose Ausharren in seinem Versteck und die Hoffnung, bloß nicht entdeckt zu werden, noch gut kenne (im Spiel natürlich gepaart mit der (unbegründeten) Angst, dass etwas Furchtbares passieren würde, wenn man entdeckt wird). Das war eine Situation, in die ich mich gut reindenken konnte. Ein unbeschreibbares Grauen, da kann man sich nun mal nicht so gut reindenken. Das kann man sich ja noch nicht mal vorstellen. Philosophische Existenzangst kann ich zwar im Rahmen des Spiels simulieren, aber als Spieler gruselt es mich nicht.

Im übrigen finde ich in der Regel menschliche Abgründe auch nicht zum Gruseln, da packt mich eher der Ekel.

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