Pen & Paper - Spielsysteme > Cthulhu RPGs
[Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
Bitpicker:
Die Kunst besteht darin, seine Denkweise des 21. Jahrhunderts fallen zu lassen und sich in eine Person hineinzudenken, die keine bebilderten oder gar filmischen Massenmedien, keine globale Nachrichtenflut und vor allem keine Tricktechnik kennt. Das Setting funktioniert meiner Meinung nach besser, wenn man es im Zeitrahmen der 20er und 30er Jahre oder früher ansetzt, mit dem Wissen eines heutigen Menschen, da stimme ich zu, sieht die Reaktion auf vieles ganz anders aus. Nur muss sich der Spieler darauf einlassen - wie auf jedes Horror-Szenario.
Das Hörspiel zu "Krieg der Welten" ist seinerzeit in den 30ern zum Beispiel auch von vielen Hörern ernst genommen worden, weil es wie eine Radio-Reportage aufgemacht war. Könnte man heute mit dreibeinigen Invasionsmaschinen vom Mars noch jemanden hinterm Ofen hervorlocken?
Der typische Mensch in den USA der 1930er lebte in einer noch relativ geordneten Zeit, in der man die "Wahrheit" zu kennen glaubte. Diese Wahrheit ist sehr leicht ins Wanken zu bringen. Heute leben wir in einer Welt mit vielen, kollidierenden Wahrnehmungen der Realität, daran gewöhnt man sich. Zeitgemäßer Horror ist leichter zu bewerkstelligen, wenn man mit den wenigen allgemeingültigen Dingen spielt, die heute gelten - sehr gute Horroreffekte habe ich in KULT durch unkonventionellen Umgang mit Zeit und Raum erzielt. Das sind Grundfesten unseres heutigen Realitätsverständnisses, und wenn man daran wackelt, kann man auch Grusel erzeugen.
Allerdings steht und fällt auch das mit der Bereitschaft des Spielers, sich darauf einzulassen und das sichere Sofa, auf dem er sitzt, auszuklammern. Wer sich nicht gruseln möchte, wird beim Rollenspiel dazu auch nicht zu zwingen sein.
Robin
ErikErikson:
Die eher philosophischen Ansätze von euch stimmen alle.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Spielweise. Sobald es in Schema F abdriftet-Brief vom Kumpel, Recherche, Monster finden, Monster töten-ist der Horror oft gelaufen. Man muss schon irgendetwas fremdartiges einbringen, was die Spieler nicht erwarten und nicht verstehen. Beispielsweise ein Monster, das so fremdartig denkt, das man seine Pläne gar nicht mehr nachvollziehen kann. Das macht dir dann leider auch den Dedektivteil kaputt.
Wenn ich den Spielern bei CoC Angst machen wöllte, würde ich außerdem sämtliche Konventionen übern Haufen werfen. Ich würde willkürlich ihre Chars übernehmen, hin und wieder mit einzelnen Spielern oder auch der halben Gruppe aus dem Raum gehen, ihnen ihre Charblätter wegnehmen, wichtige Details in Beschreibungen weglassen usw. Dazu braucht man auch wieder Leute, die sich auf sowas einlassen. Der Horror kommt bei CoC daher, das etwas sehr fremdes in das Leben der Chars eindringt. Nicht notwendigerweise etwas böses.
Heretic hat recht, es würde noch interessanter werden, wenn man die Leute fragt wovor sie Angst haben, und darauf ehrliche Antworten bekommt. Würde ich gerne mal probieren. Das geht aber übel in den Privatbereich, wer würde sowas schon öffentlich machen? Ich hab das einmal versucht, indem ich den Leuten gesagt habe, sie sollen mir irgendeine psychische Krankheit sagen, die ihr Char hat (und mit der man arbeiten kann, war meine implizite Zielsetzung). Ich stand dann da mit drei Hundephobien, einer Schlangen- und einer Kleintierphobie. :D
Kynos:
Ich denke, das wesentliche Problem besteht oftmals darin, daß sich die Spieler nicht auf den Horror-Aspekt einlassen können oder wollen. Ich kann Cthulhu auch nicht viel abgewinnen, weil ich in diese Stimmung nicht abtauchen kann. Spiele ich eben lieber Solomon Kane oder Rippers und überlasse Cthulhu den Spielern (und Spielleitern), die das eben können und wollen.
Viel hängt aber auch von der Stimmung ab. Wenn ich ne Cthulhu-Runde aufziehen würde, würde eh nur im Herbst oder Winter bei recht düsterem Wetter gespielt, nachts, irgendwo in einer Hütte abseits der üblichen Wege wo es relativ dunkel ist. Dazu lediglich Kerzenschein und möglichst ruhige, dumpfe, tieftönende Musik leise im Hintergrund. Ist aber nicht ernsthaft machbar.
Ein weiteres Problem ist auch, daß die Spieler zuviel über den Hintergrund wissen und man niemals sein Spielerwissen gänzlich vom Charakterwissen trennen kann. Also verliert auch das dem Charakter unbekannte seinen Schrecken, da der Spieler weiß, was dahinter steckt.
Benjamin:
Stimmung Schmimmung, Spieler entmündigen oder aus dem Raum nehmen! Ihr schreibt wirklich gruseliges Zeug! :ctlu:
Ich stimme dem Eingangspost soweit zu, behaupte aber, dass Spieler immer dann den Horror kriegen können, wenn sie nicht wissen, was abgeht.
Wenn man es eben doch schafft, bei den Spielern das Gefühl einer Machtlosigkeit (in der Spielwelt!) und einer absoluten Unwissenheit zu wecken.
Aber das zu forcieren dürfte wohl oft in einer Katastrophe von einem Spielabend enden.
Ansonsten denke ich, dass Cthulhu mit seiner Pflock-im-Auge-Brutalität eher Grusel und Action als Horror im Sinne Lovecrafts ist.
Ich mein, Regeln um den Horror abzubilden? Mehr braucht man nicht wissen.
Dash Bannon:
der wichtigste Punkt wurde schon genannt:
man muss sich als Spieler drauf einlassen, fast schon ein wenig "hineinsteigern" um bei CoC (und bei jedem anderen RPG eigentlich auch) die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Das erfordert dann ein hoes Mass an Bereitschaft sich "drauf einzulassen"/sich begruseln zu lassen. Wirklichen Horror erlebt man ohnehin nur dann, wenn beim Spieler die entsprechende Könpfe gedrückt werden (hat Heretic glaube ich aber auch schon gesagt).
Und ein weiterer wichtiger Punkt der schon genannt wurde ist, dass die Geschichten von Lovecraft heute nicht mehr wirklich schrecklich/erschreckend sind.
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