Autor Thema: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde  (Gelesen 15821 mal)

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Offline Minne

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Ich habe neulich mal wieder Delta Green gespielt und ein Eindruck, den ich schon des längeren hatte, hat sich noch einmal bestätigt: Cthulhu ist alles mögliche, es mag auch mal spannend, makaber oder splattebehaftet sein, aber es ist einfach nicht wirklich unheimlich. Zumindest die meisten Abenteuer sind es nicht, und das liegt imho weniger an schlechten Abenteuerdesign als an zentralen Bestandteilen der Cthulhu-Welt und des Systems. Ein Thema von Cthulhu ist ja, dass die Protagonisten, während sie mehr und mehr über die wirkliche Beschaffenheit der Welt, die zutiefst irrational sein soll und von irgendwelchen kryptischen Mächten beherrscht wird, erfahren, immer tiefer in den Wahnsinn sinken.

Nun, seit Ausschwitz wissen wir denke ich recht gut, dass die Menschen mit etwas absolut wahnsinnigem, jeder Humanität oder Rationalität trotzendem Grauen konfrontiert werden können, und dabei, solange es ihre Existenz nicht direkt bedroht, ohne bleibende psychische Schäden davon kommen können. (Ich meine damit, damit mich niemand falsch versteht, dass man offensichtlich über Ausschwitz reden oder sogar Witze machen kann, sich Bilder davon angeschaut haben kann, oder scheinbar sogar als Täter am Holocaust teilgenommen haben kann, ohne verrückt zu werden, nicht dass das für die Überlebenden kein zutiefst traumatisches Ereignis war.) Cthulhu hingegen erwartet offenbar, dass wir uns irgendwie gruseln, wenn uns irgendwelche Fischmenschen oder Tentakelblobs beschrieben werden, obwohl wir mit ähnlichen oder drastischeren Bildern seit unserer Kindheit im Fernsehen bombardiert werden oder sogar mit Karikaturen der entsprechenden Wesen (unspeakable vault anyone?) aufgewachsen sind. Ja, das Spiel simuliert sogar eine psychische Schockreaktion, die überhaupt nachzuvollziehen schon eine riesige Menge von emotionalem Engagment erfordert, zu spielen ist sie wohl nur, wenn man es schafft sich irgendwie angestrengt in einen Zustand der Hysterie zu versetzen. Unsere Welt ist voll von Verschwörungstheorien, phantastischen Gedankengebäuden und merkwürdigen Glaubensbekenntnissen. Aber wohl kaum jemand bekommt Angstschübe, wenn über solchen Kram geredet wird. Leute kriegen in unserer Welt einen Knacks, wenn sie dauerhaft unter Stress stehen, wenn man sie nicht schlafen lässt oder ihr soziales Umfeld erschüttert wird. Dinge die ihnen gestern noch übernatürlich erscheinen, sind wenig später normal. In Cthulhu dahingehen laufe ich Gefahr einen Knacks zu kriegen, wenn ich in irgendwelchen alten Pergamenten von irgendwelchen großen Alten, die irgendwann mal die Welt beherrscht haben sollen, zu lesen bekomme.

Diese sollen irgend eine irrationale Bedrohung darstellen, dennoch finden sich die ganzen Mythoswesen sauber katalogisiert und kanonisiert in der Wikipedia aufgereit. Der Mythos ist banal geworden, die Entwicklung der Welt seit Lovecraft lässt seine Phantasien fast schon grau aussehen. Von seiner eigenen Parodie ist er oftmals nur durch die Autorenintention zu unterscheiden. Was ist die Bedrohung eines Cthulhu gegen die Bedrohung der Atombombe? Auch dieses Thema, dass diese ganzen Wesen auf irgend eine unvorstellbare Art und weise falsch sein sollen, und deshalb den menschlichen Verstand schon beim bloßen Anblick durch den Mixer jagen. Aber was nicht vorstellbar ist, davon kann man auch nicht sprechen, und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Okay, das waren jetzt 2 Cent für die Sprüchekasse, trotzdem bleib der Punkt: Wie soll es funktionieren, das Unvorstellbare, Antirationale in einem Spiel zu thematisieren, in dem es im wesentlichen um Vorstellung, Hineinversetzen und Interaktion geht? Höchstends als Leerstelle vielleicht, wie auch immer sich das Umsetzen ließe, aber das wäre dann vielleicht Kafka aber bestimmt nicht mehr Lovecraft.

Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch gute, oder sogar gruselige Cthulhu Abenteuer (oder Lovecraft-Geschichten) gibt, aber sie sind imho in der Regel nicht primär wegen dem Mythos gruselig, sondern weil bestimmte Ängste und Unsicherheitsmomente psychologisch geschickt verwendet werden. Dies habe ich bei Cthulhu aber bisher fast nie erlebt.
« Letzte Änderung: 7.04.2010 | 00:58 von nnhndrtzwlf »

Offline Bad Horse

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #1 am: 7.04.2010 | 01:04 »
Nur ganz kurz, weil ich müde bin und eigentlich ins Bett sollte:

Ich denke, die Angstspannung in Cthulhu soll aus der Begegnung mit dem Fremden kommen - von der Konfrontation mit etwas unvorstellbar Anderem, etwas, dass der menschliche Geist gar nicht recht erfassen kann und daher daran kaputt geht.

Dazu gehört natürlich der "suspension of disbelief", der aber - und da hast du völlig recht - durch Cthulhu-Puschen und Knuddel-Nyarlhoteps wesentlich erschwert wird. Der Mythos an sich ist dem Rollenspieler zu geläufig, um noch ohne Anstrengung als gruselig wahrgenommen zu werden.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Nin

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #2 am: 7.04.2010 | 01:10 »
Dazu geht mir spontan folgendes durch den Kopf:

Eine wirkliche Horror-Stimmung zu erzeugen, ist so etwas wie die Königsdisziplin. Fun, Action... alles kein Problem. Thrill? Läßt sich machen.
Aber bei den SpielerInnen eine (individuelle und subtile) Gänsehaut zu bewirken ... das ist echt nicht einfach.

Nun, seit Ausschwitz wissen wir denke ich recht gut, dass die Menschen mit etwas absolut wahnsinnigem, jeder Humanität oder Rationalität trotzendem Grauen konfrontiert werden können, und dabei, solange es ihre Existenz nicht direkt bedroht, ohne bleibende psychische Schäden davon kommen können.
Die Meinung teile ich nicht. Ohne direkt involviert zu sein, ist eine Abgrenzung zwar leichter möglich, aber bestimmte Geschehnisse scheinen zwangsläufig Traumata zu verursachen. Es ist wohl kaum möglich, sich solchen Ereignissen komplett zu entziehen (bestimmte Konstrukte erlauben es damit besser klar zu kommen, aber ganz ohne Einfluss geht es denn doch nicht).

Offline Heretic

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #3 am: 7.04.2010 | 01:14 »
Das Problem ist, meiner Meinung nach, dass Lovecraft teils überholt ist. Das Ding ist halt auch: Willst du die Spieler gruseln?
Das kann ÜBEL ins Auge gehn, wenn du jemanden dabei hast, und du triggerst eine seiner Phobien. Dann wird aus dem Spaß "Rollenspiel" ganz schnell ein traumatisches Erlebnis. Dazu kommt dann noch das Problem, dass mich andere Dinge gruseln als dich, oder als Boba, oder Bad Horse.
Du müsstest deine Spieler psychologisch durchleuchten, aber wer will das schon mit sich machen lassen, nur um ein RPG zu spielen?
Und dann kommt erschwerend noch hinzu, einen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten, mal ganz abgesehen von der Schwierigkeit, seine Spieler dazu zu bringen, sich auf dieses andere Denken einzulassen, wie es zu Lovecrafts Zeit und Jahre davor noch akut war.

Cthulhu kann man wie Kabuki spielen, quasi als Reenactment eines literarischen Stoffs, aber richtig gruseln...? Die SCs: Ja. Die Spieler: Nein.
 
Das mit den Ängsten und Unsicherheitsmomenten ist richtig, aber da haben wir dann das Problem mit den Phobien, die dann beim Spiel getriggert werden können.
Aber, meine Meinung dazu: Der Schaden der dadurch entstehen könnte/kann, ist das bisschen echten Grusel beim Spieler nicht wert.

Zu dem Thema gibts übrigens einen recht guten kurzen Abschnitt im Supernatural RPG, der beschäftigt sich mit genau dem Thema.  


p.s.:
Offtopic: Lovecrafts Werke drehn sich um Dinge-und-Realitäten-wie-sie-nicht-sein-dürften, und um das Entdecken der Tatsache, dass die Welt nicht so ist, wie man sie gern hätte, sondern nicht nur böse, grausam und nihilistisch ist, sondern auf eine wahrlich unmenschliche Art und Weise böse, grausam und nihilistisch.  


Nyarlathothep an sich ist z.B. nicht gruselig. Aber das Prinzip, das Konzept, das er verkörpert. Wenn man das umsetzen kann, dann kann man Grusel erzeugen, so man will.
Nebenbei: HPL ist DAS Paradebeispiel für Pulp Fiction. Hate me now.
« Letzte Änderung: 7.04.2010 | 01:21 von Heretic »
ErikErikson: Ich weiss immer noch nicht, wie ich meinen Speer am besten einführe.
kirilow (IRC): Ich denke mir aber, dass Du gerne ein Misanthrop wärst.
oliof (IRC): Zornhau: Ich muss gleich speien.

Offline Waldviech

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #4 am: 7.04.2010 | 01:26 »
Ich wollt jetzt eigentlich was schreiben - aber Heretic hat mir da schon einiges vorweggenommen.

Zitat
p.s.:
Offtopic: Lovecrafts Werke drehn sich um Dinge-und-Realitäten-wie-sie-nicht-sein-dürften, und um das Entdecken der Tatsache, dass die Welt nicht so ist, wie man sie gern hätte, sondern nicht nur böse, grausam und nihilistisch ist, sondern auf eine wahrlich unmenschliche Art und Weise böse, grausam und nihilistisch.  
Very richtig. Und gerade in dem Punkt "altert" Lovecraft halt ganz gewaltig. In den 30igern mag die Message "Die Erde ist nur ein Staubkorn" mit all den daran hängenden Konsequenzen ja noch eine gewisse Schockwirkung gehabt haben. Heute hat sie das nicht mehr....
Barbaren ! Dekadente Stadtstaaten ! Finstere Hexenmeister ! Helden (oder sowas Ähnliches)!

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Offline Bitpicker

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #5 am: 7.04.2010 | 07:08 »
Die Kunst besteht darin, seine Denkweise des 21. Jahrhunderts fallen zu lassen und sich in eine Person hineinzudenken, die keine bebilderten oder gar filmischen Massenmedien, keine globale Nachrichtenflut und vor allem keine Tricktechnik kennt. Das Setting funktioniert meiner Meinung nach besser, wenn man es im Zeitrahmen der 20er und 30er Jahre oder früher ansetzt, mit dem Wissen eines heutigen Menschen, da stimme ich zu, sieht die Reaktion auf vieles ganz anders aus. Nur muss sich der Spieler darauf einlassen - wie auf jedes Horror-Szenario.

Das Hörspiel zu "Krieg der Welten" ist seinerzeit in den 30ern zum Beispiel auch von vielen Hörern ernst genommen worden, weil es wie eine Radio-Reportage aufgemacht war. Könnte man heute mit dreibeinigen Invasionsmaschinen vom Mars noch jemanden hinterm Ofen hervorlocken?

Der typische Mensch in den USA der 1930er lebte in einer noch relativ geordneten Zeit, in der man die "Wahrheit" zu kennen glaubte. Diese Wahrheit ist sehr leicht ins Wanken zu bringen. Heute leben wir in einer Welt mit vielen, kollidierenden Wahrnehmungen der Realität, daran gewöhnt man sich. Zeitgemäßer Horror ist leichter zu bewerkstelligen, wenn man mit den wenigen allgemeingültigen Dingen spielt, die heute gelten - sehr gute Horroreffekte habe ich in KULT durch unkonventionellen Umgang mit Zeit und Raum erzielt. Das sind Grundfesten unseres heutigen Realitätsverständnisses, und wenn man daran wackelt, kann man auch Grusel erzeugen.

Allerdings steht und fällt auch das mit der Bereitschaft des Spielers, sich darauf einzulassen und das sichere Sofa, auf dem er sitzt, auszuklammern. Wer sich nicht gruseln möchte, wird beim Rollenspiel dazu auch nicht zu zwingen sein.

Robin
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ErikErikson

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #6 am: 7.04.2010 | 07:48 »
Die eher philosophischen Ansätze von euch stimmen alle.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Spielweise. Sobald es in Schema F abdriftet-Brief vom Kumpel, Recherche, Monster finden, Monster töten-ist der Horror oft gelaufen. Man muss schon irgendetwas fremdartiges einbringen, was die Spieler nicht erwarten und nicht verstehen. Beispielsweise ein Monster, das so fremdartig denkt, das man seine Pläne gar nicht mehr nachvollziehen kann. Das macht dir dann leider auch den Dedektivteil kaputt.

Wenn ich den Spielern bei CoC Angst machen wöllte, würde ich außerdem sämtliche Konventionen übern Haufen werfen. Ich würde willkürlich ihre Chars übernehmen, hin und wieder mit einzelnen Spielern oder auch der halben Gruppe aus dem Raum gehen, ihnen ihre Charblätter wegnehmen, wichtige Details in Beschreibungen weglassen usw. Dazu braucht man auch wieder Leute, die sich auf sowas einlassen. Der Horror kommt bei CoC daher, das etwas sehr fremdes in das Leben der Chars eindringt. Nicht notwendigerweise etwas böses.

Heretic hat recht, es würde noch interessanter werden, wenn man die Leute fragt wovor sie Angst haben, und darauf ehrliche Antworten bekommt. Würde ich gerne mal probieren. Das geht aber übel in den Privatbereich, wer würde sowas schon öffentlich machen? Ich hab das einmal versucht, indem ich den Leuten gesagt habe, sie sollen mir irgendeine psychische Krankheit sagen, die ihr Char hat (und mit der man arbeiten kann, war meine implizite Zielsetzung). Ich stand dann da mit drei Hundephobien, einer Schlangen- und einer Kleintierphobie.  :D
« Letzte Änderung: 7.04.2010 | 07:55 von ErikErikson »

Kynos

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #7 am: 7.04.2010 | 07:59 »
Ich denke, das wesentliche Problem besteht oftmals darin, daß sich die Spieler nicht auf den Horror-Aspekt einlassen können oder wollen. Ich kann Cthulhu auch nicht viel abgewinnen, weil ich in diese Stimmung nicht abtauchen kann. Spiele ich eben lieber Solomon Kane oder Rippers und überlasse Cthulhu den Spielern (und Spielleitern), die das eben können und wollen.

Viel hängt aber auch von der Stimmung ab. Wenn ich ne Cthulhu-Runde aufziehen würde, würde eh nur im Herbst oder Winter bei recht düsterem Wetter gespielt, nachts, irgendwo in einer Hütte abseits der üblichen Wege wo es relativ dunkel ist. Dazu lediglich Kerzenschein und möglichst ruhige, dumpfe, tieftönende Musik leise im Hintergrund. Ist aber nicht ernsthaft machbar.

Ein weiteres Problem ist auch, daß die Spieler zuviel über den Hintergrund wissen und man niemals sein Spielerwissen gänzlich vom Charakterwissen trennen kann. Also verliert auch das dem Charakter unbekannte seinen Schrecken, da der Spieler weiß, was dahinter steckt.

Offline Benjamin

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #8 am: 7.04.2010 | 08:21 »
Stimmung Schmimmung, Spieler entmündigen oder aus dem Raum nehmen! Ihr schreibt wirklich gruseliges Zeug!  :ctlu:

Ich stimme dem Eingangspost soweit zu, behaupte aber, dass Spieler immer dann den Horror kriegen können, wenn sie nicht wissen, was abgeht.

Wenn man es eben doch schafft, bei den Spielern das Gefühl einer Machtlosigkeit (in der Spielwelt!) und einer absoluten Unwissenheit zu wecken.
Aber das zu forcieren dürfte wohl oft in einer Katastrophe von einem Spielabend enden.

Ansonsten denke ich, dass Cthulhu mit seiner Pflock-im-Auge-Brutalität eher Grusel und Action als Horror im Sinne Lovecrafts ist.

Ich mein, Regeln um den Horror abzubilden? Mehr braucht man nicht wissen.

Offline Dash Bannon

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #9 am: 7.04.2010 | 08:41 »
der wichtigste Punkt wurde schon genannt:

man muss sich als Spieler drauf einlassen, fast schon ein wenig "hineinsteigern" um bei CoC (und bei jedem anderen RPG eigentlich auch) die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Das erfordert dann ein hoes Mass an Bereitschaft sich "drauf einzulassen"/sich begruseln zu lassen. Wirklichen Horror erlebt man ohnehin nur dann, wenn beim Spieler die entsprechende Könpfe gedrückt werden (hat Heretic glaube ich aber auch schon gesagt).

Und ein weiterer wichtiger Punkt der schon genannt wurde ist, dass die Geschichten von Lovecraft heute nicht mehr wirklich schrecklich/erschreckend sind.
 
Es gibt drei Arten etwas zu tun. Die richtige Art, die falsche Art und die Dash Bannon Art.

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #10 am: 7.04.2010 | 09:15 »
Ich finde Cthulhu denkbar ungeeignet, um damit Horror zu erzeugen. Selbst leichter Grusel ist schwer mit dem Lovecraft'schen Hintergrund zu erzielen. Für mich liegt das an folgendem:
1) Für mich resultiert Horror aus menschlichen Abgründen und Handlungen. Die Vorstellung, dass etwas Horror 'einfach so' erzeugen könnte, weil es eben 'böse' ist, finde ich weder nachvollziehbar noch erzählerisch spannend.
2) Cthulhu ist Pulp und lässt sich im Endeffekt darauf reduzieren, dass man versucht nichtmenschliche Monster zu töten, bevor sie einen selbst töten. Das ist okay, allerdings kann ich sowas wenig abgewinnen. Ich schätze es, wenn Charaktere durch ihre Handlungen in moralische Dilemmas gestürzt werden, wenn ihre Entscheidungen zu persönlichem Horror führen. Ein uraltesabgrundtiefböses Tentakelmonster zu töten ist keinesfalls moralisch fragwürdig.
3) Wenn man dem Genre oder dem literarischen Werk Lovecrafts gerecht werden will, laufen die meisten Cthulhu Storys gleich ab. Selbst wenn es einem also gelingt, sich beim ersten Abenteuer noch zu gruseln, wird das ziemlich schwer, wenn man mal eine gewisse Ahnung vom Mythos hat.

Ich leite gerade eine Cthulhu-Kampagne, und Momente des Gruselns sind selten. Wir genießen das Sightseeing in den 30er-Jahren und betrachten den Grusel-Faktor des Settings eher so wie in einem alten B-Movie. Das macht durchaus Spaß!

Um richtigen Horror zu spielen eignen sich imho aber Spiele wie UA, Kult und Konsorten wesentlich besser.

Offline גליטצער

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #11 am: 7.04.2010 | 10:26 »
Für mich sind dieses 20er Jahre Flair, die Delta Green Abteilung usw. grosse Hemmnisse für Horror in Cthulhu, zusammen mit der schrecklich pseudo-antiquarischen Aufmachung der Buecher. Lovecrafts Geschichten spielen in seiner Zeit, nicht vor seiner Zeit, genauso sollten Cthulhu Abenteuer im Jedermanns-Jetzt angesiedelt werden.

Meiner Meinung nach schaffen es viele Cthulhu Produkte nicht, die Stimmung der Buecher zu vermitteln. Man könnte wahrscheinlich vieles retten, wenn man das Malleus Monstrorum verbrennt und ein RuneQuest oder BasicRoleplay Moster-Buechlein zu Rate zieht. Gebt den Mostern einfach noch einen Stabilitätsverlust. Die Spieler wissen nicht mehr was sie trifft, vollkommene Ratlosigkeit,... "Wir werden alle sterben" Horror ist da, Auftrag erfüllt :D

In den Lovecraftschen Gschichten wirken die Monster viel weniger komisch als in den Rollenspielwerken, de vergeblich versuchen, alles zu erklären...
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ErikErikson

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #12 am: 7.04.2010 | 10:36 »
In den Lovecraftschen Geschichten haben die Charaktere ein Leben, Träume, Hoffnungen. Alles Zeug, das kaputt gemacht werden kann. Daraus entspringt viel Horror.
Die Spieler SC sind meist auf Monsterjagd getrimmt, ohne soziale Kontakte außerhalb ihrer Peer-Monsterjäger-Group. Wen störts, wenn so jemand in Gefahr gerät? Wer fürchtet sich, wenn er seinen vorgesehenen Job erledigt, wenn er nix zu verlieren hat?

Offline Andhur

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #13 am: 7.04.2010 | 10:52 »
Bisher fand ich Cthulhu-Runden eigentlich meistens sehr unheimlich und spannend.

Man weiß nicht mit welchem Schrecken man es zu tun hat, forscht in geheimen Bibliotheken nach uralten Sagen, durchstöbert Folianten nach Hinweisen und stets ist man der Gefahr ausgesetzt dem Wahnsinn zu verfallen.
Schleichend wird an der geistigen Stabilität genagt, man wird von Kultisten verfolgt und hinter der nächsten finsteren Ecke droht ein Wesen aus einer anderen Dimension.

Ich weiß nicht warum es bei manchen Menschen nicht so gut wirkt, aber vielleicht liegt es einfach daran, dass man zum spielen Leute benötigt, die sich auf einen "unheimlichen" Abend einlassen können.
Ja, ich denke dieses "Einlassen können" ist der Schlüssel.

Die Spieler SC sind meist auf Monsterjagd getrimmt, ohne soziale Kontakte außerhalb ihrer Peer-Monsterjäger-Group. Wen störts, wenn so jemand in Gefahr gerät? Wer fürchtet sich, wenn er seinen vorgesehenen Job erledigt, wenn er nix zu verlieren hat?

So macht das Spiel natürlich auch keinen Spaß.


In den Lovecraftschen Gschichten wirken die Monster viel weniger komisch als in den Rollenspielwerken, de vergeblich versuchen, alles zu erklären...

Warum sollten Rollenspielwerke nichts erklären? Die Infos sind doch für den Spielleiter. Der sollte natürlich den Spielern nicht alles erklären. Oder habe ich deine Aussage falsch verstanden und du willst du dich beim lesen des Regelwerkes gruseln?

« Letzte Änderung: 7.04.2010 | 11:05 von Andhur »

Offline Megan

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #14 am: 7.04.2010 | 10:58 »
Ich hab mich früher auch mehr gegruselt. Ich denke, inzwischen weiß ich einfach zu gut, was Cthulhu bedeutet, was mich erwartet usw.. Gruseln tut man sich, glaube ich nur, wenn man keinen Plan hat, was kommt. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass so eine Runde gruseliger wird, wenn die Spieler nicht wissen, dass sie Cthulhu spielen und der SL es schafft, das aufrechtzuerhalten.

Übrigens werde ich schon gerne als *Spieler* emotional berührt (begruselt, erfreut, traurig gemacht), weil nur die Gefühle des Charakters darzustellen mir persönlich meist zu wenig ist.

Offline גליטצער

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #15 am: 7.04.2010 | 11:50 »
Warum sollten Rollenspielwerke nichts erklären? Die Infos sind doch für den Spielleiter. Der sollte natürlich den Spielern nicht alles erklären. Oder habe ich deine Aussage falsch verstanden und du willst du dich beim lesen des Regelwerkes gruseln?

Nein, aber ich komme aus der Tradition des fliegenden Meisterwechsels, das heisst jeder von uns will auch gerne mal Spielen. Das macht natuerlich dann keinen Spass wenn die anderen Meister Ihre Monster nur aus dem Kompendium abkopieren, ohne eigene Ideen hinzuzufügen. ABer ich glaube das ist auch egal, bei uns ist Cthulhu in zwei Spieletraditionen zu untergliedern:

Variante A:
Die Spieler müssen die Welt retten unter Einsatz Ihres Lebens udn verlieren dabei ganz schnell den Verstand...

Variante B:
Die Spieler sammeln Mythoswissen udn werden die heimliche Elitekaste des Planeten...

Das ist beides irgendwie doof, daher spiele ich es nicht mehr aktiv sondern stelle es nur noch in den Schrank bis eines Tages wuerdigere Mitspieler auftauchen.
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Offline First Orko

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #16 am: 7.04.2010 | 12:01 »
Der Cthulhu Mythos wie er in Lovecrafts Erzählungen auftaucht ist ein Anachronismus. Der Schrecken, der diese Geschichten damals begleitete entstand aus der Angst der Menschen vor dem Fremden, dem Unentdeckten und den Errungenschaften der Wissentschaft die dieses Unentdeckte ans Tageslicht brachten. Die Menschen hatten Angst vor dem, was man vielleicht aufdecken würde, viele waren wohl auch der Meinung, dass man besser nicht so genau nachschauen sollte. Daraus hat Lovecraft seine Alpträume, seine Wesen und deren Prinzipien entwickelt die den unseren so vollkommen entgegenstehen und die - und das ist das Erschreckende - unsere Gesellschaft schon seit Urzeiten formt und beeinflusst.

Wir können dieses Grauen heute nicht richtig nachvollziehen, denn wir sind in einer Welt aufgewachsen, die getränkt ist mit Wiedersprüchen, sich wiederlegenden Theorien und Prinzipien, neuen Entdeckungen und geseschaftlichen Wandel. Das ist das, wonach wir streben nicht wovor wir Angst haben.

Trotzdem lässt sich der Mythos auch in diese Welt integrieren, nur muss man anders vorgehen. In den Cthulhu Now!- Büchern wird da sehr schön drauf eingegangen. Das Grauen kommt auf, wenn sich unsere Errungenschaften gegen uns wenden, wenn wir feststellen, dass wir die ganze Zeit von falschen Vorraussetzungen ausgegangen sind. Was wenn es Außerirdische gibt - aber sie uns nur als "minderwertiges Spielzeug" ansehen und uns vielleicht sogar überdrüssig sind? Wenn ihre Technik die unsere beherrscht und wir uns auf nichts mehr verlassen können? Wenn der Große Plan ist, uns von eben dieser Technik abhängig zu machen, und diejenigen die dies erkennen gar nichts dagegen machen können?

Ein anderer Aspekt des Grauens ist die Verfremdung der Menschen voneinander. Persönliche Kontakte werden nur noch online gepflegt, für echte Freunde hat man weniger Zeit, man kennt sich kaum noch. Mehr und mehr menschliches geht verloren und man weiß nicht, womit sich der Nachbar beschäftigt...

Meiner Meinung nach kann man den Horror aus den Lovecraft Geschichten schon in die heutige Zeit transportieren. Aber das "Nachspielen" in den 20er Jahren hat mich persönlich auch nie wirklich gereizt. Mir fehlt da einfach der Bezug zur Lebensweise, zu den Vorstellungen und Ängsten der Menschen aus der Zeit, um mich ausreichend in die Charaktere zu versetzen und ein wenig von deren Horror spüren. Bei Merkwürdigkeiten in unserer Welt sieht das u.U. anders aus.

@Heretic: Lovecraft hat AUCH Pulp Ficiton geschrieben. Ein Großteil seiner phantastischen Geschichten und Romane bedient aber kaum die typischen Motive von Groschenromanen. Als Paradabeispiel kann man ihn also wohl kaum bezeichnen.
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

ErikErikson

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #17 am: 7.04.2010 | 12:09 »
Ich halte die Theorie, das der Zeitgeist einen solchen Einfluss hat, und damit CoC praktisch veraltet ist, für falsch.

Ich persönlich fürchte mich eher davor, kein Geld zu haben oder an Ansehen einzubüßen. Genauso wie die Leute früher.

Mir gehts völlig am Arsch vorbei, was die Ausserirdischen machen und die Technik wächst mir auch nicht übern Kopf. Genauso glaub ich nicht, das damals außer nen paar Spinnern jemand Angst vor wissenschaftlichen Entdeckungen hatte.

Angst vor dem Fremden und Unbekannten ist universell, deshalb funzt CoC immer noch genauso. Trotzdem sollte mans IMHO eher in der Gegenwart spielen lassen, damit sich die Leute halbwegs vorstellen können, in was für einer Welt sie überhaupt agieren. 

Offline Skele-Surtur

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #18 am: 7.04.2010 | 12:28 »
Ich persönlich will mich bei CoC garnicht "gruseln". Ganz ehrlich: Ich hab in meinem Alltagsleben ausreichend Grund, mich zu ängstigen. Im Rollenspiel bin ich mit Spannung völlig zufrieden. Angst ist ja nur ein etwas verschlüsseltes Gefühl für Hilflosigkeit und wenn ich etwas nicht will, dann mich hilflos fühlen.

Die Grundidee des Cthulhu-Mythos ist ja, dass man Wahnsinnig wird, wenn man Dinge zu begreifen gezwungen ist, die unser Verstand sich eigentlich weigert zu akzeptieren. Im Grunde ist das ja auch, soweit ich da informiert bin, auch eine denkbare Theorie: Wenn der Verstand etwas nicht ertragen kann, dann entwickelt er gegenmaßnahmen. So soll es Fälle von Kindesmißbrauch gegeben haben, bei denen das Opfer, um sich zu schützen, eine multiple Persönlichkeit entwickelt hat.
Nun, und genau da liegt, wie der Threadstarter sehr richtig erkannt hat, ein Problem: Wenn sich der Verstand weigert, es zu akzeptieren, dann sind wir wohl kaum in der Lage, es in einem Spiel nachzuvollziehen.

Daher ist man als SL/Abenteuerschreiber/Autor auf andere, handfestere Dinge beschränkt: Absurdität, Splatter, unmittelbare oder mittelbare Gefahr. All diese Dinge hat aber der Cthulhumythos nicht für sich gepachtet. Einige Werke des Mythos wirken ja heute eher langweilig, weil Dinge nicht ausformuliert sind. Da steht dann halt: "Es war eine schreckliche Gestalt" oder so. Das nimmt der Leser zwar zur Kenntnis, wirklich ängstigen tut er sich dabei aber nicht. Aber wie soll man auch mit Worten etwas beschreiben, was so schrecklich ist, dass man es nicht beschreiben kann? Eben. Geht nicht.
Damit ist der Mythos im Prinzip für Horror nicht notwendig - er schadet aber auch nicht.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline Xemides

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #19 am: 7.04.2010 | 12:38 »
Hallo,

schon einiges wurde hier geschrieben, einiges kann ich unterstützen, anderes nicht.

Zum einen denke ich auch, dass es bei CoC (und bei allen anderen Rollenspielen) stark darauf ankommt, dass die Spieler sich auf das Spiel einlassen.

Ich erinnere mich noch daran, dass wir einst versuchten ADnD in Ravenloft zu spielen, der SL versuchte, Athmosphäre entstehen zu lassen und ein Spieler diese durch Scherze und witzige Sprüche zerstörte.

Nun habe ich gewiss nichts gegen solche Spieler und Witze und Sprüche am Spieltisch, doch wenn sie die Spannung und Stimmung zerstören sind sie halt kontraproduktiv.

Bei CoC spiele ich lieber in Lovecrafts Welt in den 20/30er Jahren als in der Gegenwart und habe auch kein Problem, mich in die Gedankenwelt hineinzuversetzen.

Und was die Anachronismen angeht, ist das nicht bei der Fantasy irgendwie dasselbe ? Ich versetze mich in eine Zeit und Welt hinein, in der es keine moderne Technik gibt, dafür Magie und Religiösität, obwohl ich evtl. nicht an die Existenz eines Gottes glaube. Das macht doch auch kein Problem.

Beim unserem Con hatte ich ein kurzes Gespräch mit Karsten darüber, wie schwer es ist, im Rollenspiel Horror und Angst zu verursachen. Ich glaube, dass es kein CoC-spezifisches Problem ist, sondern ganz allgemein ein Problem des Rollenspieles, weil ich halt nicht die Stilmittel des Buches oder des Filmes benutzen kann.
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Offline Minne

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #20 am: 7.04.2010 | 13:03 »
@Bad Horse
Zitat
Ich denke, die Angstspannung in Cthulhu soll aus der Begegnung mit dem Fremden kommen - von der Konfrontation mit etwas unvorstellbar Anderem, etwas, dass der menschliche Geist gar nicht recht erfassen kann und daher daran kaputt geht.

Das ist mir durchaus bewusst, und das habe ich eigentlich versucht zu skizzieren, und es gleichzeitig zu kritisieren mit den 3 Punkten: 1) Wie du schon sagtest, ist der Mythos ziemlich plattgetreten 2) Der Horror der Realität lässt den Horror von Cthulhu imho alt aussehen 3) Es scheint mir nicht wirklich möglich, das Unvorstellbare zum Thema eines Rollenspiels zu machen. Surtur hat das eben nochmal ganz nett zusammengefasst.

@Nin
Zitat
Eine wirkliche Horror-Stimmung zu erzeugen, ist so etwas wie die Königsdisziplin. Fun, Action... alles kein Problem. Thrill? Läßt sich machen.
Aber bei den SpielerInnen eine (individuelle und subtile) Gänsehaut zu bewirken ... das ist echt nicht einfach.
Gut, das ist auch wahr, vorallem weil viele SpielerInnen dazu neigen, wenn sie unter spannung stehen, das Ganze zu ironisieren.

Zitat
Die Meinung teile ich nicht. Ohne direkt involviert zu sein, ist eine Abgrenzung zwar leichter möglich, aber bestimmte Geschehnisse scheinen zwangsläufig Traumata zu verursachen. Es ist wohl kaum möglich, sich solchen Ereignissen komplett zu entziehen (bestimmte Konstrukte erlauben es damit besser klar zu kommen, aber ganz ohne Einfluss geht es denn doch nicht).
Kannst du Beispiele nennen? Das Unheimliche an den Leuten, die später bei den Nürnberger Prozessen verurteilt worden waren,  um bei meinem Beispiel zu bleiben, war imho gerade die Tatsache, dass den meisten von ihnen scheinbar keine geistigen Störungen nachzuweisen waren.

@Heretic
Zitat
Cthulhu kann man wie Kabuki spielen, quasi als Reenactment eines literarischen Stoffs, aber richtig gruseln...? Die SCs: Ja. Die Spieler: Nein.
Da könnte was dran sein.

Zitat
Das mit den Ängsten und Unsicherheitsmomenten ist richtig, aber da haben wir dann das Problem mit den Phobien, die dann beim Spiel getriggert werden können.
Aber, meine Meinung dazu: Der Schaden der dadurch entstehen könnte/kann, ist das bisschen echten Grusel beim Spieler nicht wert.
Das ist natürlich ein interessantes Problem und ich frage mich, wie akut das tatsächlich im Rollenspiel ist. Kann ich aber überhaupt nicht beurteilen. Ich denke, viele Horrorgeschichten funktionieren beispielsweise so, dass erst eine Intimität, eine Vertrauenssituation aufgebaut wird, die anschließend radikal gebrochen wird. Sowas meinte ich. Das scheint ja auch ein lustvoller Moment zu sein, sonst gäbe es die Horrorliteratur wohl nicht.

@Bitpicker

Zitat
Die Kunst besteht darin, seine Denkweise des 21. Jahrhunderts fallen zu lassen und sich in eine Person hineinzudenken, die keine bebilderten oder gar filmischen Massenmedien, keine globale Nachrichtenflut und vor allem keine Tricktechnik kennt. Das Setting funktioniert meiner Meinung nach besser, wenn man es im Zeitrahmen der 20er und 30er Jahre oder früher ansetzt, mit dem Wissen eines heutigen Menschen, da stimme ich zu, sieht die Reaktion auf vieles ganz anders aus. Nur muss sich der Spieler darauf einlassen - wie auf jedes Horror-Szenario.

Ach weißt du, das klingt für mich unheimlich anstrengend. Und auch ein bisschen illusorisch. Ich glaube einfach nicht, dass das in der Art und Weise klappt. Angst ist ein sehr elementares Gefühl, um es künstlich hervorzubringen muss ich mich schon ziemlich bemühen.

Kleiness Gedankenspiel: Wäre natürlich toll, wenn das so ginge, dann könnten wir alle einfach Rollenspieler beim Rollenspiel spielen, die zusammen sitzen und Spaß haben.  ;D

@ Kathy und Surtur

Volle zustimmung!

Zitat
In den Lovecraftschen Geschichten haben die Charaktere ein Leben, Träume, Hoffnungen. Alles Zeug, das kaputt gemacht werden kann. Daraus entspringt viel Horror.
Die Spieler SC sind meist auf Monsterjagd getrimmt, ohne soziale Kontakte außerhalb ihrer Peer-Monsterjäger-Group. Wen störts, wenn so jemand in Gefahr gerät? Wer fürchtet sich, wenn er seinen vorgesehenen Job erledigt, wenn er nix zu verlieren hat?
Definitiv richtig! Vorallem, wenn die Charaktere schon im Voraus mit dem Bewusstsein gebaut wurden "Das ist ein Coc Char, der hällt eh nicht lange..."



Offline Boba Fett

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #21 am: 7.04.2010 | 13:03 »
Ich habe ohnehin arge Schwierigkeiten mich zu gruseln, weil ich in vielen Fällen einfach zu abgebrüht bin und zu sehr rational und problemlösungs-orientiert denke.
Ich denke, dass ist ein Aspekt, der es vielen Rollenspielern den "Horror"-Aspekt zu erleben schwer macht.

Ein weiteres Problem, den ich sehe, ist, dass es bei Horror meistens um Kontrollverlust und die damit verbundenen Ängste geht und dass es gerade beim Rollenspiel den Spielern oft schwer fällt, sich darauf einzulassen. Immerhin spielt man das Rollenspiel ja, um eine fiktive Person zu spielen und mit dieser zu agieren - Kontrollverlust wird da als Gegensatz empfunden, der dem 'agieren können' ja konträr entgegensteht.

Außerdem ist es schwierig, im warmen, hellen, gemütlichen Wohnzimmer, mit Chips und Coke eine entsprechende Horror-Atmo aufzubauen.

Cthulhu beschäftigt sich dazu noch mit mythischen Wesen, und in unserer heutigen Zeit ist der Mensch schlicht zu abgeklärt, um daraus noch "Grusel" zu empfinden. Es gibt keine mythischen Wesen - Punkt...
Horror erleben die Menschen heute eben bei anderen Vorstellungen, sei es bei der Überlegung, dass bestimmte Verschwörungstheorien stimmen könnten, oder bei der Angst vor dystopischen Zuständen. Dementsprechend liegen da die Potentiale der "Mitfieber Abenteuer" unserer Zeit.

Cthulhu modern zu gestalten wäre vielleicht möglich, dann müsste man das über eine Verschwörungstheorie aufziehen, in die die Charaktere stolpern, eine "Geheimgesellschaft", deren innerer Kreis einen Kult betreibt. Irgendwann kommen dann zweifel, ob die Rituale wirklich nur symbolischen Charakter haben, und dann kommt man langsam hinter das Grauen.
Scientology als Cthulhu Kult, dessen "innerer Zirkel" mit okkulten Mächten im Bunde ist.
Da kann schon ordentlich Paranoia aufkommen. Und danach die Erkenntnis, dass das alles keine Spinnerei ist...

Generell denke ich, hat es Horror schwer, und Cthulhu noch schwerer...
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Offline First Orko

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #22 am: 7.04.2010 | 13:04 »
Und was die Anachronismen angeht, ist das nicht bei der Fantasy irgendwie dasselbe ? Ich versetze mich in eine Zeit und Welt hinein, in der es keine moderne Technik gibt, dafür Magie und Religiösität, obwohl ich evtl. nicht an die Existenz eines Gottes glaube. Das macht doch auch kein Problem.

Anachronismus in Bezug auf den Horror im Mythos. Aufgeklärte Menschen haben eben keine Angst mehr vor dem Unbekannten sondern sind eher neugierig, das passt halt nicht wirklich zum Verhalten der Menschen in den Mythosgeschichten. Die forschen zwar auch nach und schauen in Bücher, in die sie besser nicht schauen sollten, aber diese Personen sind getrieben von einem unbestimmten Drang, dem sie sich nicht entgegenstellen können, einen Trieb wenn man so will. Eigentlich wollen sie nicht weitersuchen, sie tun es aber trotzdem. So ein bißchen wie der Klick auf den Link mit der Beschreibung "wirklich schreckliches Bild, nichts für schwache Nerven und Garantie auf Alpträume"..
Ich finde einfach dass dieses Grauen von damals für Menschen aus unserer Zeit schwerer nachzuvollziehen ist, weil wir uns weiterentwickelt haben und diese diffuse Angst überwunden.

Ich erlebe übrigens durchaus immer wieder Menschen, die eine gewisse Angst vor moderner Technik wie Handys, Computer, Internet haben. Viele verstehen "dieses Internet Ding" gar nicht und sehr viele fühlen sich bei der Arbeit auch damit überfordert (dazu gibts auch Studien, die sich damit beschäftigen). Wenn man sich natürlich nur im Nerd-Umfeld bemerkt, nimmt man das vielleicht anders war, aber das ist nicht die Mehrheit.
Diese ganzen Gesetzesvorschläge zur Internetzensur / Notrufbutton fürs Internet / Seiten die tagsüber geschlossen sein sollen usw. entstehen ja ganau aus dieser Kombination aus Unverständnis und Angst (und noch anderen Faktoren, aber das gehört jetzt nicht hier her). Also eine gewisse Angst vor Neuem ist immer da. Nur findet sich das Grauen nicht mehr in fremden Kulturen, im "fremden" Weltraum und Planeten sondern in dem, was wir als Menschen unserer Zeit nicht verstehen. Und das ist halt was anderes, als vor 90 Jahren.
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Offline Teylen

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #23 am: 7.04.2010 | 13:19 »
Ich denke das der Horror wie er von HPL bei Chutulu beschrieben wird durchaus selbst in der heutigen Zeit noch nachvollziehbar ist. Schliesslich funktionieren doch sowohl die Twilight Zone als auch die Outer Limits Episodenhaft nach dem Muster das ein bekannter Sachverhalt durch ueberfremdung dazu fuehrt einen gewisses Gruselgefuehl auszuloesen respektive die jeweils aufgeklaerten Menschen mehr oder minder dicht an den Wahnsinn zu fuehren. Nun und auch aktuellere Serien wie vormals Akte X oder aktuell noch Fringe bauen auf diesen Effekt.
Nun und bei aller Fortschrittlichkeit der heutigen Zeit gegenueber 1920 blueht doch auch der Bereich rund um Urban Fantasy.

Der Bezug zu dem was Ausschwitz, die Atombomben Abwuerfe ueber Japan oder die Bericht Erstattung ueber diverse Kriege betrifft sehe ich nicht. Schliesslich handelt es sich dabei um etwas das nicht abstrakt oder unvorstellbar ist einfach weil es fassbar wurde/ist.
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Offline Nocturama

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Re: [Rant] Warum ich Cthulhu nicht unheimlich finde
« Antwort #24 am: 7.04.2010 | 13:26 »
Interessanterweise habe ich mich bei Cthulhu-Abenteuern schon richtig gegruselt (wie bei einem guten Horrorfilm/Buch, nach dem ich mich manchmal dabei ertappe, mich im dunklen Gang unwillkürlich umsehe...). Allerdings habe ich mich noch nie wegen des Cthulhu-Mythos gegruselt.
Stimmt schon. Der ist schon in Buchform zu abstrakt, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Und wenn man im Rollenspiel auch noch weiß, dass das jetzt ein Dunkles Junges ist oder wasweißich, dann ist das noch mal schwerer. Unheimlich ist halt nur, was man nicht kennt und bei dem man nicht weiß, wie es funktioniert (bei Cthulhu kennt man außerdem die Spielregeln zu gut: "Jetzt sag' schon, wieviel geistige Stabilität verliere ich?").

Gegruselt habe ich mich eher bei einem Versteckspiel - vermutlich, weil ich aus meiner Kindheit das atemlose Ausharren in seinem Versteck und die Hoffnung, bloß nicht entdeckt zu werden, noch gut kenne (im Spiel natürlich gepaart mit der (unbegründeten) Angst, dass etwas Furchtbares passieren würde, wenn man entdeckt wird). Das war eine Situation, in die ich mich gut reindenken konnte. Ein unbeschreibbares Grauen, da kann man sich nun mal nicht so gut reindenken. Das kann man sich ja noch nicht mal vorstellen. Philosophische Existenzangst kann ich zwar im Rahmen des Spiels simulieren, aber als Spieler gruselt es mich nicht.

Im übrigen finde ich in der Regel menschliche Abgründe auch nicht zum Gruseln, da packt mich eher der Ekel.
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