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Savage Worlds auch was für hartes Mittelalter?
Herr der Nacht:
--- Zitat von: Schwerttänzer am 1.05.2010 | 19:02 ---Was hat verregeltes Mikromanagement TM mit Simulation, Realism und Mittelalter zu tun?
--- Ende Zitat ---
Das frage ich mich auch immer wieder, aber irgendwie scheinen es viele Leute damit zu assoziieren ;D
Es gibt scheinbar oft das Missverständnis dass je "realistischer" ein System Dinge abdecken soll, esl um so feingranulierter sein müsse.
Ansonsten dass was ErikErikson sagt, für manche Realismus-Fetischisten muss halt eben auch der kleinste Gegenwind, Sonnenstand und ähnliches beim Auswürfeln des Schwerthiebes erfasst werden. Das halten sie dann für realistisch.
Ob es dass ist, darüber kann man natürlich trefflich streiten, ein Grund warum ich auch realistisch in Anführungszeichen geschrieben habe. Ich kenne kein realistisches Rollenspielsystem, ich kenne nur verregelte und funktionale ;D
Boba Fett:
--- Zitat von: ErikErikson am 1.05.2010 | 19:48 ---Und SW hat halt nen niedrigen Auflösungsgrad. Mit Realismus hat das insofern zu tun, als das hochauflösende Regeln Unterstützung geben, um realistisch zu spielen. Bsp. es gibt Regeln für Schleifsteine, dann erzählen die Leute auch gleich, wie sie ihr Schwert schleifen. Das sit realistisch, weil man halt in der Realität sein Schwert schleift. Gäbs nur die niedrigauflösende Regel Ausrüstung reparieren, käme man da über die Regel nicht drauf. Sie hindert einen natürlich nichht dran, es auch so zu erzählen.
--- Ende Zitat ---
Es gibt keine realistischen Regeln im Rollenspiel!
Die Spielregeln eines Rollenspiels sind stets Mechanismen, die Vorgänge in einer fiktiven Welt abhandeln, um zu einem Resultat - zu einer definierten Spielsituation zu kommen.
Ihre Aufgabe ist die Situationsermittlung und nicht die realistische Wiedergabe der Abläufe.
Spielregeln sind die Definition einer Was-passiert-dann-Maschinerie.
Diese Mechanismen können keinen Anspruch auf irgendeinen gearteten Realismus decken, denn sie geben die Wirklichkeit nur sehr grob vereinfacht wieder - egal, wie feinkörnig man diese macht, sie sind stets zu grob um 'realistisch' zu sein.
Ersichtlich wird das, wenn jemand, der sich mit dem Gebiet, in dem eine spezifische Regel Anwendung findet, wirklich gut auskennt. Der wird dann stets belegen können, dass eine Spielregel immer nur eine starke Vereinfachung der Wirklichkeit darstellt.
Den Gebietsexperten hilft dann auch nur "Suspension of Disbelief", um nicht Lachsalven von sich zu geben, wenn es um Spielregeln geht, die ihre Fachgebiete betreffen. Und das ist vollkommen okay, Rollenspiel ist nach wie vor ein Spiel und erhebt keinen Anspruch auf realitätsnahe Simulation einer irgendgearteten Wirklichkeit.
Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Spieleautoren sind ja keine allumfassenden Genies, die sich mit allem auskennen und die Abläufe der Realität auch noch wirklichkeitsgetreu in einfache Spielmechanismen umsetzen können.
Aber ich denke, das ist eigentlich jedem klar...
Letztendlich hat das zwei Dinge zur Konsequenz:
1. Man sollte Spielregeln für die Dinge erschaffen, die Situationsermittlung entscheidend beeinflussen.
Spielregeln, die nur zum Selbstzweck existieren, sind unnötiger Ballast.
Eine Spielregel, die nur existiert, weil es realistisch ist, dass man diesen Aspekt behandelt, ist unnötiger Ballast.
Denn zum einen existieren zu viele Aspekte, die dann geregelt werden müssten (es beginnt der Kampf gegen Windmühlen).
Und zum anderen beeinflussen die diese Aspekte die Situationen kaum (verschwendete Liebesmüh, die an anderer Stelle viel effektiver eingesetzt werden kann).
2. Spielregeln sollten die Abläufe im Spiel behandeln, die man wirklich zum Spielinhalt machen will.
Es existieren keine Spielregeln im Rollenspiel, ob man Probleme bei seiner Nahrungsmittelentsorgung hat (Verdauungsstörungen, Brennen, Inkontinenz, was auch immer). Realistisch betrachtet müsste man aber, genauso, wie man auswürfeln müsste, welcher Charakter wegen seinem Rachenzäpchen schnarcht und damit nachts das Lager wachhält oder wann sich wer nen Fußpilz holt, etc. pp.
Das will einfach niemand zum Spielinhalt machen. Ist ja auch eklig und wir wollen Spaß am Spiel haben.
Es werden also die Inhalte zum Spielregeln gemacht, die relevant die Situation beeinflussen können UND die man auch im Spiel ausspielen möchte.
An diesem Maßstab sollten Regelerfinder ihre Spielregeln ausrichten - ich denke, das ist bei Savage Worlds sehr gut geschehen.
Schleifsteinregeln oder Ausrüstungsreparieren oder oder sind regeltechnisch nicht enthalten, weil sie nicht ausreichend relevant für die Ermittlung von Ablaufresultaten (neuen Situationen) sind.
Das Spiel geht in seinen Regeln grundsätzlich davon aus, dass die Charaktere ihre Sachen in Ordnung halten.
Der Charakter, der das nicht macht, kann sich einen Nachteil dafür ausdenken und bekommt entsprechend einen Bennie, wenn er entscheidet, in einem Kampf festzustellen, dass sein Schwert stumpfer geworden ist und freiwillig eine Schadenswürfelstufe reduziert.
Und der, der gerne einen Charakter spielt, der Krank ist, wählt "kränklich" als Nachteil und erntet bennies, wenn er sich mal wieder eine fette Erkältung oder Grippe eingefangen hat und dementsprechend auch spielrelevante Abzüge erhält.
Wer sowas freiwillig macht?
Na der, der Lust dazu hat, sich mit diesem Nachteil zu belasten und dies zum Spielinhalt zu machen - so funktioniert das bei SW eben.
Für alle anderen (die, die keine Lust darauf haben) ist es egal und dann muss es dafür auch keine Spielregeln geben...
Gruß
Boba
der sich letzten Sommer beim Segeln den ~15 Küchenmessern der Bordkombüse zusammen für 2-3 Stunden mit einem Kumpel und drei Schleifsteinen gewidmet hat und da erstmal feststellte, was man beim Messerschärfen alles falsch machen kann - und beim Lesen sich eben fragte, wie man das auch nur ansatzweise realistisch in Spielregeln fassen sollte... ;)
ErikErikson:
Das stimmt. Dann sollte man sagen, SW ist ein Spiel, das auf Kampf fokusiert, und den recht detailiert abbildet. Im Gegensatz zu DSA, das auch alles mögliche andere detailiert abbildet.
Falcon:
Realismus hat selbstredend etwas mit "Feingranulation" zu tun. Wer versucht die Welt auf einem Bierdeckel oder in einem 40Seiten PDF zu verregeln, wird das sehr schnell merken.
Natürlich reichen auch keine 1000 Seiten und deswegen wir nichts im RPG jemals den Anspruch erfüllen realistisch zu sein. Das heisst aber natürlich nicht, daß man beim Regelschreiben nicht die Intention haben kann, realistische Regeln zu schreiben. In den meisten Rollenspielen richten Schwerter z.b. Schaden an. Das ist ein Realistischer Anspruch. In anderen Systemen heilen sie vielleicht schaden, daß ist realistisch widersinnig aber legitim, eben nur ein anderer Anspruch.
Man muss sich schon klar machen welchen Anspruch man hat und den Anspruch "realistisch" würde ich als Leser nicht ignorieren, denn er ist der verbreitetste (imho).
Und ich finde GUT, daß es diesen Anspruch gibt, ansonsten wären die meisten Rollenspiele gar nicht spielbar.
Das heisst ich schaue mir ERST die Intention des Autors an und schaue dann auf den Detailgrad. üblicherweise muss man von Aspekte zu Aspekt in einem System dann nochmal unterscheiden: Viele SW Regeln aben z.b. einen realistischen Anspruch (Waffen machen Schaden z.b.), aber es gibt auch Haupt und Nebencharaktere, da gibt es den Anspruch nicht.
Und bei den realistischen Regeln schaut man dann wie detailliert sie sind, je detaillierter, je realistischer (vorrausgetzt der Autor macht keine groben Fehler). Man kann zwar nicht sagen, daß ein System realistisch sei, aber man kann sie in Relation zueinander setzen.
Und es ist auch legitim zu sagen System A ist realistischer als B, bzw. Element1 aus SystemA ist realistischer als Element2 aus B.
Die Feststellung, cas kein System wirklich jemals realistisch sein kann, ist ein No-Brainer. Der wird zwar gerne rausgekramt, ist aber unnötig, denn selbst die "Realismusfetischisten" wissen ja um diese Relativität und sind nicht so naiv zu glauben ein System wäre DIE Realität(tm).
Feuersänger:
Kleiner Punkt am Rande -- grundsätzlich wurden die wichtigen Sachen ja schon gesagt -- auch und gerade als "realistisch" entwickelte und angepriesene Regeln haben so die Eigenschaft, oft _meilenweit_ an der Realität vorbeizugehen. Um hier mal beim Schleifsteinbeispiel zu bleiben: ich hab mal irgendwo einen Hausregelvorschlag gesehen, wonach man halt sein Schwert in den und den Abständen schärfen muss, aber es bei jedem Schärfen Stabilität verliert.
(Ich weiß nicht mehr genau, ob das für D&D war. Wenn es DSA gewesen wäre, hätte das Schärfen den Bruchfaktor erhöht.)
Das ist natürlich völliger Humbug. Die Geschichte lehrt, dass gute Schwerter bei konsequenter Pflege Jahrhunderte im Einsatz sein können und auch waren.
Also: ehe man eine Regel erfindet, die man für realistisch _hält_, ohne das auf handfeste empirische Daten stützen zu können, lässt man es lieber gleich bleiben und bleibt bei einem "groben" Ablauf (wie hier die Übereinkunft, dass SCs sich automatisch um ihre Waffen kümmern und es daher keine Extraregeln dafür braucht)
Ansonsten gilt das, was Boba gesagt hat. Vor allem braucht man keine Regeln als Selbstzweck.
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