Hmmm. Ich verstehe die ganze Problematik nicht.
Leichenfund:
Im Amerika-Quellenband sind alle Berufe ausführlicher beschrieben und dort steht bei Jobs wie Gerichtsmediziner uä., daß sie beim Anblick von Leichen keine STA verlieren. Aber da Cthulhu ohnehin ein Regelsystem verwendet, das eher auf den gesunden Menschenverstand von Spielern und Spielleiter als auf 500 Seiten Regeln setzt, sehe ich kein Problem darin, den Stabi-Verlust an Charaktere und Situation anzupassen.
Und für alle, die Probleme mit dem selbstständigen Denken haben, sind Vorgaben im Regelwerk genannt (wieso spielen die dann überhaupt Cthulhu???).
Wahnsinn:
Man darf sich den Geisteszustand einer Spielfigur nicht binär vorstellen - gesund/wahnsinnig. Da gib es viele viele Abstufungen. Richtig wahnsinnig ist man laut Regelwerk erst bei 0 STA.
Doch im Laufe mehrerer Abenteuer erlebt man eben Szenen, die langsam aber sicher am gesunden Verstand der SCs nagen. Ein gutes Praxisbeispiel sind die Soldaten in den Schützengräben von Verdun. Viele kamen vollkommen verändert aus dem Grauen zurück, hatten Probleme, sich wieder in die Gesellschaft einzufügen, zuckten bei lauten Geräuschen zusammen usw.
Wer die Wahnsinn-Regeln aufmerksam studiert hat, sollte auch auf die Abschnitte "temporäre Traumata" und "Geistesstörungen" gestoßen sein. Hier sind ausgezeichnete Beispiele enthalten, welche Macken man als Ermittler des Unvorstellbaren im Laufe der Zeit abbekommen kann: Schlafstörungen, Eßstörungen, diverse Phobieen uvm. Diese Dinge fallen im normalen Umgang mit Menschen kaum auf, sind aber dennoch vorhanden und wirken sich auf deren Psyche aus.
Noch ein Beispiel aus der Praxis: Eine ehemalige Arbeitskollegin von mit hatte panische (!) Angst vor Mäusen, selbst winzige Schwarzweiß-Zeichnungen (z.B. in "CGI-Programmierung mit Perl") genügten bereits, und dabei ist sie Ende 30 und steht ansonsten mit beiden Beinen im Leben. Auslöser war wohl die nächtliche Begegnung mit einer Maus im Schlafzimmer vor 15 Jahren!
Wenn ich jetzt oberes (harmloses) Beispiel mit SCs vergleiche, die abartigen, grauenhaften Kreaturen gegenüberstehen die es eigentlich nicht geben dürfte (anders als Mäuse) und obercool, terminatorlike nicht mit der Wimper zucken, sich eher noch beschweren, dass man ihnen als SL STA abzieht, dann kommen mir doch leise Zweifel (okay, sie haben rund 200dB), was das Realitätsempfinden mancher Spieler anbelangt.
Viele Spieler scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, daß man bei Cthulhu eben nicht den supercoolen Actionhelden mit Dermalpanzerung, Stimpacks und Gatlingguns im Halfter spielt, sondern ganz normale Menschen: Antiquitätenhändler, Geschichtsprofessor, Künstler...
Dabei ist es ein großes Vergnügen, kleinere geistige Macken auszuspielen, wenn man sich darauf einlassen will. Meine Spieler machen das mittlerweile von selbst, ich brauche ihnen kaum noch Angst einzujagen, sie spielen das von Haus aus richtig - UND haben Spaß daran.
Wer unverwundbare Actionhelden spielen und/oder sei kleines Gemächt im Spiel ausgleichen will, wird an Cthulhu keinen Gefallen finden. Ich empfehle Shadowrun, Fengshui, D&D ...
Mangelnde STA Regeneration:
Auch hierfür gilt die Superhelden-Geschichte. Wer längere Zeit das absolute Grauen erlebt hat KANN daraus nicht geistig gesund hervorgehen (vgl. harmloses Mausbeispiel). Ein anderes (gewagtes!) Beispiel sind vergewaltigte Frauen, die jahrelang oder gar für immer nachts Angst haben, und/oder nicht mehr alleine sein können.
Laut einigen Spielern wäre für sie sowas nach 3 Stunden vergessen. Wo bleibt hier der Realitäts-Check, bitte?
Außerdem entspricht das langsame Abgleiten in den Wahnsinn EXAKT den Protagonisten in Lovecrafts Geschichten und das macht für mich den Reiz dieses Spieles aus.
Losgelöst davon muß ich feststellen, daß meine Spieler nach den Abenteuern netto idR. kein STA verlieren, da sie sich recht intelligent (=feige) anstellen. Ob man bei Cthulhu also Kampagnen spielen kann oder nicht, hängt zum Großteil vom Stil der
Spieler und der Fähigkeit des SLs ab, den Schwierigkeitsgrad des Abenteuers an die Gruppe anzupassen.
Gruß,
Matthias