Da die Gewalt bei Cthulhu meist kurz und schmerzhaft für die Charaktere ist, wird eigentlich noch eine ganz andere Frage aufgeworfen; nämlich ob Cthulhu überhaupt rollenspieltauglich ist? Damit niemand mich falsch versteht ich bin ein großer Verehrer von Lovecraft, dem System und vor allem dem Quellenmaterial, aber niemand kann eine Cthulhu-Kampagne so spielen, wie es eigentlich vorgesehen ist. Das Horror-Genre dreht sich meist um Geschichten, in denen die Charaktere eine grausige Entdeckung an einem einsamen Ort machen und meist im Laufe der Geschichte auf der Strecke bleiben. Vielleicht nicht alle, aber doch einige. Was heißt das für ein Rollenspiel? Ganz einfach, die Spieler würfeln etwa jede zweite oder dritte Sitzung einen neuen Charakter aus - wenn es gut geht und oft unabhängig davon, wie vorsichtig die Gruppe agiert. Natürlich nimmt spätestens nach dem dritten 'neuen' Charakter niemand mehr das Spiel wirklich ernst. Das ist nur logisch, da der Reiz des Rollenspiels ja in der Éntwicklung eines Charakters liegt. Auch Chaosium hat dieses Problem erkannt und die Abenteuer, im Vergleich zu den Hard Core Zeiten, doch etwas entschärft. Der Keeper wird nicht mehr ermutigt möglichst viele Charaktere möglichst grauenhaft umzubringen oder in die Anstalt zu schaffen. Dennoch ist eine Horror-Serie oder Kampagne immer ein Widerspruch in sich. Akte X oder auch John Sinclair können (unabhängig vom Niveau) einfach nicht sonderlich gruselig sein, zumal die Erzeugen von Grauen, neben der Komik, mit zum schwersten gehört, was es gibt. Nun, meine Konsequenz ist eine Cthulhu-Kampagne mit Indiana Jones Elementen. So entsteht zwar kein echtes Grauen, aber Charakterentwicklung. Meine Runde hat viel Freude am Spiel (nicht zuletzt wegen des tollen Quellenmaterials) und das ist schließlich die Hauptsache. Selbstverständlich gibt es auch bei mir keinen Freifahrschein, aber wenn man sich in der Erzähltradition von Indy Jones sieht, dann ist es schon schwierig einen gut gespielten Charakter, einfach wegen der blöden Würfel, wegzupusten - dafür gibt es zu wenig von der Sorte. Meine Einstellung ist wahrscheinlich nichts für Puristen, aber sie hat sich in 12 Jahren Cthulhu spielen (mit teilweise wirklich grauenhaften Erfahrungen) herauskristallisiert.
Servus, Lyonesse