Da ich in vielen Post bereits meine Spielweise angeschnitten habe und von mehreren Leuten nach einem Post im Theoriebereich gefragt wurde, gibt es hier mein Storyplayer-Manifest. Ich wünsche mir eine konstruktive Theoriediskussion ohne Definitionskrieg.
Zum Vorbeugen einige Definitionen:
- storyorientiertes Spiel ist eine Sammlung von Spielstilen, die das erschaffen einer möglichst schönen Geschichte zum Hauptziel der Rollenspielrunde machen.
- spielerzentriertes Spiel ist ein Stil des SLs, die das eingehen auf die Wünsche der Spieler zum Ziel hat und bei dem der SL das Abenteuer um die Entscheidungen der Spieler herum aufbaut.
Storyplayer
STORYorientiertes Rollenspiel mit hoher PLAYER-Freiheit.
Ziele
- storyorientiertes Rollenspiel
- vorbereitetes, komplexes Storygerüst (Spannungsbogen, überraschende Wendungen, intensive Szenen, fordernde Entscheidungen)
- schriftliche (kauf-)Abenteuer und Ergebnisoffenheit vereinen
- spielerzentriertes Spiel
- maximale Gestaltungsfreiheit für Spieler UND Spielleiter
- erlebnisorientiertes, kreatives Lösen von Herausforderungen
Umsetzung
1.) Gestalten nicht Simulieren
Damit die Geschichten das Niveau erreichen, das man erreichen will dürfen Spieler und SL nicht durch eine unnötige Weltsimulation eingeschränkt werden. Der Spielleiter gestaltet also die Welt nicht vor dem Spielabend (zur späteren Simulation) sondern im Moment, in dem gespielt wird. Er gestaltet die Welt quasi für die Spieler und angepasst auf die Handlungen der Charaktere. Limitiert ist der Spielleiter durch zwei Regeln:
a) Erzählen definiert: Alles, was bereits vom SL oder von den Spielern durch Erzählen oder Spielen in die Welt eingebracht wurde, ist in der Welt real. Neue Schöpfungen müssen zu den bereits existierenden Inhalten passen und in der bereits definierten Welt plausibel sein.
b) Gemeinsames gilt: Nur das, was sich alle so vorstellen, bindet. Je besser man erzählt oder spielt, desto eher wird ein Detail in der Vorstellung anderer etabliert. Nur das, was alle sich in der Runde vorstellen ist real in der Welt.
2.) Modularer Abenteuerbau
Als Vorbereitung für ein Abenteuer baut man ein Abenteuergerüst bestehend aus Erzählstrukturen, Herausforderungen und Weltbausteinen. Alle diese Elemente sind unabhängig voneinander und in größerer Anzahl vorhanden, als sie im Spiel benötigt werden. Dadurch kann der SL leichter improvisieren und trotz Freiheiten der Spieler die dramatische Struktur aufrechterhalten. Die Spieler erhalten im Gegenzug die volle Freiheit wie Herausforderungen gemeistert werden, wie ihr Charakter auf die Welt reagiert (Charakterspiel) und können den Verlauf der Geschichte in entscheidenden Stellen beeinflussen. Völlige Handlungsfreiheit, wie beim Sandboxing, erhalten sie nicht wiederstrebt aber auch dem Designziel.
a.) Erzählstrukturen: Ein Spannungsbogen ist meist zentraler Bestandteil von Erzählstrukturen. Es kann ein Konflikt sein, der sich während des Abends zu einem Höhepunkt zuspitzt, besondere unbeeinflussbare Ereignisse, die die Spieler konfrontieren oder Charaktere, die durch besondere Umstände eine Veränderung durchmachen. Wichtig ist, dass diese Erzählstrukturen losgelöst von Szenen, Herausforderungen und konkreten Umsetzungen sind und dass es Angriffspunkte für Veränderungen durch die Spieler gibt, ohne das die Erzählstruktur völlig zusammenbricht.
b.) Herausforderungen: Herausforderungen sind Hindernisse, Aufgaben, Rätsel – eben alles, was von den Spielern in irgendeiner Form überwunden werden muss, um in der Geschichte voranzukommen. Ob und wie eine Herausforderung bewältigt wird, ist dabei dem Spieler überlassen. Wichtig ist nur, dass der Spielleiter genügend Herausforderungen für die verschiedenen Spielsituationen vorbereitet hat. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein Zweikampf oder eine Verfolgungsjagd je aus 10 Herausforderungen bestehen kann, und nicht nur je eine Herausforderung darstellt. Kampftaktik, Hindernisse, besondere Ereignisse stellen jeweils Herausforderungen dar, die der SL abhängig von den Charakteraktionen den Spielern präsentieren kann. Durch diese Herausforderungen wird eine Szene nie langweilig und man kann auf die Spieler eingehen. Herausforderungen können aber auch aus Unterherausforderungen bestehen und haben gemeinsam, dass es immer mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt und sie auch ganz ausgeschlagen werden können. Als Hilfsmittel hat sich die Herausforderungsliste mit Herausforderungen in Stichwortform bewährt.
c.) Weltbausteine: Orte, Szenen mit einer Grundstimmung, NSCs und Hilfen zur Stimmungsmanipulation sind Weltbausteine. Diese werden ebenfalls in größerer Menge vorbereitet, sodass sie spontan in der Geschichte verwendet werden können. Dabei ist jeder Weltbaustein erst realer Bestandteil der Spielwelt, sobald er im Spiel benutzt wurde. Manche Weltbausteine schließen sich auch gegenseitig aus oder werden niemals eingesetzt. Wurde der Attentäter zum Beispiel schon in der feuchten, steinigen Gasse gestellt, dann muss man ihn natürlich nicht über den überfüllten, lauten Marktplatz verfolgen.
3.) Charaktereinbindung
Ein Abenteuer besteht nicht nur aus Geschichten und Charakterreaktionen sondern in vielen Abenteuern erzeugen die Charaktere erst das Drama der Story oder es sind die einzigartigen Charaktere der Spieler, die die Story entscheidend beeinflusst. Damit dies geschehen kann, füllen die Spieler ihr Charakterblatt mit Flags und Einzelheiten der Persönlichkeit. Dadurch können diese vom Spielleiter gezielt in die Erzählstruktur eingebaut werden und der Charakter so gezielt konfrontiert werden. Außerdem können so die anderen Spieler den anderen Charakter gezielter anspielen und es folgt eine intensivere Charakterinteraktion.
Wünschen die Spieler noch intensiveres Charakterspiel, so kann auch das Abenteuer selbst auf diesen Flags aufgebaut werden oder die Spieler dürfen gewisse Details des Abenteuergerüsts angeben oder mitgestalten.
4.) Steuerungsmechanismen
Um das bekannte Railroading zu vermeiden, wird auf eine Mischung aus Motivationssteuerung und Anpassung an die Spielerentscheidungen gesetzt. Einerseits gibt es klare Herausforderungen, die dem Charakter abhängig von dessen Wahrnehmung gegeben werden („Da du Krieger bist, schätzt du, dass ein Kampf unrealistisch zu gewinnen ist allerdings gen osten eine Fluchtmöglichkeit besteht, was tust du?“ - Der Spieler hat immer noch die Wahl dieser Einschätzung zu folgen). Andererseits wird durch selektive Wahrnehmung das Besondere (und gleichzeitig auch das Gewünschte) herausgestellt („Aus der Schenke kommt eine laut schreiende Frau gerannt und fällt etwa zehn Meter vor euch auf die Kniee. Was tut ihr?“ - immer noch die Wahl). jenseits dessen werden keine Entscheidungen aufgezwungen sondern die vorbereiteten Bausteine auf die Handlungen der Spieler angepasst. Da man die Welt jedoch nicht simuliert sondern die Welt für die Spieler gestaltet, hat man damit bereits genügend macht zur Lenkung der Spieler.
5.) Der Spieler ist verpflichtet, den Charakter zu gestalten.
Der Charakter ist ein Gestaltungsobjekt, das von vielen Runden noch lange nicht ausgereizt wird und er gehört (fast) alleine dem Spieler. Fast bedeutet (wie alles), dass es mit dem Rest der Gruppe zusammenpassen muss. Jenseits dessen können Hintergrund, Ursprung, soziales Umfeld, Freunde, Feinde, innere und äußere Konflikte, Hobbies, Alüren, Stimmungen samt Umsetzung im Charakterspiel ausgestaltet werden. Dabei haben die Spieler genauso wie der SL die Pflicht, der Gruppe etwas zur Unterhaltung zu bieten. Limit zur Ausgestaltung ist wieder die gemeinsame Vorstellung, der Unterhaltungswert für die Gruppe und die Gruppenkompatibilität, doch diese Maße sind alle sehr weit dehnbar.
6.) Rahmenbedingungen: leichtgewichtige Systeme, kreatives Spiel und PE
Diese Spielweise ist ausgelegt für Runden mit hohen Freiheitsgraden in der Lösung der Herausforderungen. Nicht die Spielregeln, sondern vielmehr die Ingame-Logik sollte die Grenze für die Kreativität der Spieler sein. Jede Aktion sollte mit tollen Ideen einhergehen. Herausforderungen mit besonderen, kreativen und kooperativen Maßnahmen gelöst werden und in allen Spielsituationen sollten Kreativität und Erlebnis vor Taktik stehen. Um dies zu erreichen, bevorzuge ich leichtgewichtige Rollenspiele und im gewissen Umfang Player Empowerment bei der Lösung von Herausforderungen. Player Empowerment bedeute hier im engeren Sinne das schaffen von Fakten innerhalb des Lösungswegs und das Benutzen der Spielumgebung im Lösungsprozess. Dadurch wird die gemeinsame Vorstellung ausgekleidet und der Spielwelt leben eingehaucht (siehe: Erzählen definiert!).
Ich hoffe das mein Spielstil dadurch klar wurde und freue mich auf eure Fragen und euer Feedback. Wer bisher mit mir Mystix gespielt hat, hat genau nach diesem Konzept gespielt.