... erlebe ich eine zweite Rollenspiel-Jugend. Das klingt vielleicht abgedroschen und hört sich an, als hätte ich Jahre mit D&D, AD&D, AD&DII, D&D3, D&D 3.5 verschwendet, ...
Das kann ich SO GUT nachvollziehen!
Für mich war mit D&D 3E das Ende der Fahnenstange erreicht. Wir spielten (wie so oft) mit rotierenden Spielleitern und es war nun an mir, der ich GERNE Spielleiter bin, unsere D&D 3E Runde fortzusetzen. Das war so ein ÄRGER mit den Vorbereitungsaufwänden, so ein KRAMPF von den Regeln her, und so generell UNBEFRIEDIGEND, daß ich es hingeschmissen habe - und beinahe dem Hobby insgesamt den Rücken gekehrt hätte, wenn nicht Engel und Deadlands Classic mich noch dabei gehalten hätten.
Und dann kam SW. - Und ich gehörte mit zu denen, die u.a. im alten Pinnacle-Forum über dieses doofe "Deadlands Light"-System GESCHIMPFT hatten. Ich war enttäuscht, daß nicht mehr Material zum genialen DL-Classic-Regelsystem herauskommen sollte. Und ein "aufgepustetes Tabletop-Regelsystem", das wollte ich nicht spielen!
Bis eine der Savages im Pinnacle-Forum, ein US-Amerikaner, der in der weiteren Umgebung von Ulm studierte, anbot, eine Proberunde zu leiten. Diese Runde hatte neben vielen (normalen) Rollenspielszenen eben auch eine Kampfszene mit ca. 30 bis 40 Beteiligten. In Deadlands Classic wäre das "abendfüllende" Beschäftigung gewesen. In SW war der SEHR SPANNENDE Kampf binnen 45 Minuten rum! Ich war selten so konzentriert MITTEN IM GESCHEHEN statt mit beiden Händen in Kampfregelkapiteln in Regelbüchern jonglierend, wie hier.
Direkt danach hatte ich mir das SW-Grundregelwerk (1st Ed., die mit dem häßlichen Cover) zugelegt, dann gleich auch Evernight und ganz frisch 50 Fathoms.
Für Evernight hatte ich es geschaft "die Band wieder zusammen zu bekommen". Unsere "Alte Säcke (tm)"-Runde, damals noch mit Durchschnittsalter Mitte 40, inzwischen bald 50.
Wir haben "D&D-like" Fantasy mit Evernight gespielt, wie damals in den AD&D 1st Ed. Tagen!
Es war die gleiche, hohe ENERGIE, das intensive ENGAGEMENT der Spieler für diese Kampagne, und - ganz wichtig - die durchgängig hohe POWERGAMING-Spielfreude da, wie wenn die Beteiligten 20 oder 30 Jahre jünger gewesen wären.
Für mich hat Savage Worlds die LUST am Spielleiten wieder zurückgebracht.
Mit Deadlands Classic verbindet mich eine ganz besondere Liebe, weshalb ich es TROTZ seines hohen Crunch-Anteils und der langsamen Abwicklung gerne spiele. - Aber DL Classic ist so ziemlich das regelaufwendigste Spiel, was ich heutzutage noch spielen und vor allem leiten mag.
Alle anderen müssen sich an dem (geringen!) Aufwand für das Spielleiten messen lassen, den ich mit Savage Worlds einfach GEWOHNT bin.
Ich mag nicht mehr "Buchhalter" spielen, wenn ich doch mit SW ein intensiver MITSPIELER als Spielleiter sein kann! Bei SW schreibe ich während des Spiels praktisch NICHTS mehr auf, sondern bleibe einfach immer mitten im Spielgeschehen.
Das ist so BEFREIEND, daß es andere Systeme wirklich schwer haben, mich zu begeistern. Bei Barbarians of Lemuria ist dies gelungen, auch wenn man dort immer noch mal etwas im Spiel notieren muß.
Ich spiele jetzt nun SW seit der 1st Ed. und habe WEDER irgendwelche "Versions-Schismen" noch irgendwelche "Kanon-Bürgerkriege" erlebt, die andere Spiele so auszeichnen (auch Deadlands Classic hat von beidem etwas zu bieten, aber natürlich kein Vergleich zu dem, was bei D&D so abgegangen ist).
Und was ich wirklich BEMERKENSWERT finde: Meine Begeisterung für SW ist UNVERMINDERT über all die Jahre ausgesprochen HOCH geblieben!
Und das, obschon ich mit anderen Rollenspielen zwischenzeitlich "Freundschaft geschlossen" habe wie eben z.B. Funky Colts, Barbarians of Lemuria, HeroQuest 2.0, und anderen. Aktuell versuche ich mich aktiv mit Fate "anzufreunden", was mit Diaspora auch wohl gelingen könnte (nach mehreren nicht so glücklichen Versuchen mit anderen Fate-getriebenen Rollenspielen).
Aber wenn ich die Gelegenheit habe SW zu spielen, dann ist das so, wie wenn ich in den auf meine persönlichen Bedürfnisse angepaßten, höchst ausgereizten Formel-1-Boliden steige. Da durchströmt mich gleich diese ganz besondere Energie, diese LUST AM SPIELEN, die über so lange Zeit dauerhaft zu bieten, noch kein anderes Rollenspiel geschafft hatte.
Selbst früher nicht, weil wir da schon immer "rotiert" hatten und auch jahrelange Kampagnen dann an anderen Wochentagen mit anderen Spielen im Wechsel gespielt wurden, damit man nicht vor lauter "Monokultur" einschläft. - Bei SW kommt dieses "Monokultur"-Gefühl NICHT auf. Jedes Savage Setting ist so anders und so eigen, daß man immer wieder etwas Neues zu entdecken hat. Und die Regeln sind so VERLÄSSLICH, daß man sich entspannt ins Spiel stürzen kann, weil das Regelnetz einen bei ALLEM, was man tun möchte, sicher abfedert.
Savage Worlds ist für mich ein echtes, ein überraschendes Phänomen.