Autor Thema: Rechtfertigung von Storytelling  (Gelesen 7024 mal)

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Catweazle

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Rechtfertigung von Storytelling
« am: 2.07.2003 | 22:37 »
Nachdem es einen Thread "Rechtfertigung von Powergaming" gibt, finde ich, dass man sich auch für Storytelling rechtfertigen sollte.

Ich erinnere mich noch gut an einen Spieleabend:
S1: "Ey - ein Vorsintflutlicher, den Diableriere ich"
SL: "Ist nicht drin. ihr müsst das ausdiskutieren."
S1+S2+... +SX: "Voll öde ey. So ein SCH...!"

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #1 am: 3.07.2003 | 00:20 »
Was ist Storytelling überhaupt und was ist der Unterschied zu Rollenspiel? Ist Storytelling vielleicht nur ein Marketing-Gag?
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #2 am: 3.07.2003 | 09:57 »
Storytelling ist der bewusste Versuch, dem Rollenspiel einen Fokus auf Erzählung zu geben und es in der Folge mit den Mitteln der Literatur zu versehen. Das Rollenspiel kann eine mündliche Literaturform sein (sozusagen eine postmoderne Form des Geschichtenerzählens aus vorschriftlicher Zeit), augestattet mit literaturwissenschaftlichen Begriffen wie 'Stimmung', 'Thema' usw. Das beste Beispiel dafür sind die Essays in Spieler- und Spielleiterhandbüchern von White Wolf. Letztendlich hat diese Firma (zumindest, was die größeren Publikationen angeht) erstmalig bewusst eine Brücke vom Rollenspiel zur Literatur geschlagen.

Das heißt nicht, dass vorher nie beim Rollenspiel erzählt wurde; aber so wie Roman, Novelle, Kurzgeschichte, Comic unterschiedliche Formen der Literatur sind, die unterschiedliche Techniken und Möglichkeiten haben, ist auch das Rollenspiel eine Literaturform, die Gemeinsamkeiten mit anderen Literaturformen aufweist, aber auch einer Menge Eigenständigkeiten besitzt. Erkannt und thematisiert wurde dies seitens der Verlage erst im Verlauf der 90er.

Robin
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #3 am: 3.07.2003 | 11:58 »
Ich glaube, dass viele Rollenspieler unbewusst Storytelling betreiben. Storytelling ist eine bewusste Abgrenzung zu den typischen Abenteuern a la: Da ist ein Dungeon. In Raum eins liegt ein Heiltrank und zwei Zaubertränke. raum zwei ist ein Skellet, Raum 3 Riesenratten und natürlich zwei Heiltränke und nach vielen Räumen kommt trifft man natürlich auf den Endgegner. Ein Dämon, oder ein Drachen. Das ganze ist lieblos mit einer obskuren Geschichte verwoben.
Ok, das ist jetzt ziemlich übertrieben, aber ihr wisst was ich meine.
Heute ist es ganz normal, die einzelnen Abenteuer miteinander zu verbinden, mit Rückblenden zu arbeiten, die Heldengruppen werden nicht immer in der Taverne zufällig zusammengewürfelt. Der Sinn des Rollenspiels liegt nicht im Abschlachten von Gegnern, auch eine umgangene Gefahr ist eine gute Gefahr. Die Abernteuer sind flexibler und die Charaktere haben mehr persönlichkeit, als der Zwerg, der Elf, der Magier und der Krieger.
Zumindest ist es das, was ich neben vielen anderen Dingen unter Storytelling verstehe. Spannung wird eben durch Dramaturgie erzeugt und nicht durch große Monster.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #4 am: 3.07.2003 | 12:02 »
Der Wald-und-Wiesen-Rollenspieler wird heute, nachdem die Verbindung zur Literatur herausgearbeitet ist, sicher mehr literarische Elemente in seinem Spiel haben, auch wenn er mit der Theorie gar nichts anfangen kann - ebenso wie das GNS-Modell auch Spieler beschreiben kann, die das Modell nicht kennen.

Die Annäherung an die Literatur (oder Kunstformen wie das Theater, siehe LARP) ist eine Folge der Abkehr von den TableTop-Wurzeln. Vom personalisierten, individualisierten Kriegs-'Brett'-Spiel hat sich das Rollenspiel dahingehend gewandelt, Geschichten zu erzählen.

Im Gegensatz zu 'mündlicher Überlieferung', also dem Legenden- und Märchenerzählen der vorschriftlichen Kultur, hat das Rollenspiel natürlich große Unterschiede, aber man kann es als eine neue mündliche Literaturform ansehen.

Robin
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #5 am: 3.07.2003 | 12:26 »
Auch wenn ich Rollenspiel gern als Kunst- oder Literaturform betrachte, liebe ich auch den Spielaspekt, der durch das Vorhandensein eines Plots erzeugt wird (Ja, auch ein Dungeon hat einen Plot: Durchkommen oder nicht). Womit man mich jagen kann sind so extreme Erzählrollenspieler, die das gesamte Leben ihres Charakters ausspielen... Echt nichts für mich...

Aber ein wirklich interessanter Gedanken: Rollenspiel geht nicht darum, Geschichten nachzuspielen oder zu entwickeln, sondern nur darum, Geschichten als Vehikel zu benutzen, um fiktive Erlebnisse zu erzeugen. Die Geschichte erzeugt die Spannung und den Druck, um uns in unsere Rollen zu versetzen - und dieses Erlebnis der Identifikation wird nur bedingt von anderen Kunstform bedient (denn sonst funktioniert Identifikation mit der Hauptfigur nur durch Passivität und nicht durch aktives Verkörpern, bzw. (bei Computerspielen oder Büchern) kommt nur der Entdeckungsfaktor aber nur sehr bedingt der Gestaltungsfaktor oder -Entscheidungsfaktor zum tragen...
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #6 am: 3.07.2003 | 12:44 »
Ich habe mich mit diesem Thema ja in meiner Magisterarbeit beschäftigt, und die Eckdaten der Beschreibung der Literaturform Rollenspiel darin sind etwa die:

Es gibt keine Trennung von Autor und Leser (Rezipient), sondern Autoren und Rezipienten sind ein Kollektiv mit sehr begrenzter Mitgliederzahl (SL und Spieler).

Es gibt Mechanismen, die ebenfalls eine auktoriale Rolle erhalten (z. B. Würfel) und das Geschehen mitbestimmen.

Anders als mündliche Überlieferung dient diese Erzählung in keiner Weise dem Kulturerhalt (was nach Margaret Meads Modell der post-, co- und präfigurativen Kulturen in der unseren auch nicht länger wünschenswert oder sinnvoll ist).

Die Identifikation mit einer bestimmten Figur ist unmittelbar und wird von keinem anderen Rezipienten geteilt (weil jeder seine eigene Figur hat).

Das entstandene Werk ist ephemerisch, es kann nicht festgehalten werden; eine herkömmliche erzählte Geschichte kann niedergeschrieben oder aufgenommen werden, aber weder eine Audio- noch eine Videoaufnahme oder ein Mitschnitt einer Rollenspielsession kann das darin entehende literarische Werk fixieren, weil es nur im Geist der Mitspieler wirklich existiert.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #7 am: 3.07.2003 | 12:49 »
Das einzige, was ich bei deiner Beschreibung von einem Cultural Studies bzw. medienpädagogischen Ansatz kritisieren würde, ist der Punkt des Kulturerhalts: Ich bin sicher, dass Rollenspiele Genres emulieren und dadurch auch am Leben erhalten: Pulp (mit Adventure!) wäre so ein Beispiel oder Steampunk (Space 1889, Falkenstein)

Aber das gilt wahrscheinlich auch für eine Minderheit.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #8 am: 3.07.2003 | 14:21 »
Beim Kulturerhalt geht es nicht um den Erhalt des Mediums oder Genres, sondern um den Erhalt von Facetten der Kultur, die durch die Erzählung weitergegeben werden. Weil sich die Kultur unserer Gesellschaft aber schneller verändert, als wir mitwachsen können, gibt es nichts zu erhalten; der gleiche Effekt macht auch postmoderne Literatur überhaupt erst möglich. Wir bedienen uns aller möglichen Einflüsse (z. B. Genre-Crossover) etc., eben weil der Erhalt nicht mehr im Vordergrund steht, sondern die Elemente als Versatzstücke beliebig für den Moment kombiniert werden können.

Hand in Hand damit geht die Verschiebung des interpretatorischen Ansatzes von Texten von 'was will der Autor sagen' über 'was sagt der Text aus und wie ist er getaltet' hin zu 'was nimmt der Leser aus dem Text mit' von den 50er Jahren bis heute. Früher nahm man an, ein Autor habe eine feste Aussage. Dann hat man den Autor (den man ja nicht kennt) ausgeklammert und sich auf den Text konzentriert. Heute fragt man, was sagt der Text dem individuellen Leser. Dabei kann das Ergebnis etwas völlig anderes sein, als der Autor überhaupt intendieren konnte. Er transportiert also nicht mehr seine eigenen Werte im Text in die Zukunft, sondern der Text wird umgedeutet. Der geschriebene Text bleibt zwar fixiert - aber es gibt genügend Textsorten auch außerhalb des RPGs, die das umgehen (literarische WIKI-Projekte, collaborative storytelling usw.)

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #9 am: 3.07.2003 | 15:56 »
*impressed*
Bitti hats voll drauf...
(Mußte mal gesagt werden)

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #10 am: 3.07.2003 | 16:04 »
:D

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #11 am: 3.07.2003 | 16:47 »
Irgendwie hatte ich den Eindruck, daß Dailor eigentlich keine Analyse des literarischen Ansatzes, der hinter dem Storytelling-Rollenspiel steht, haben wollte...  :D

Exzessives Storytelling kann genauso nervig sein wie exzessives Powergaming. Der Spieler, der ständig quengelt "Mein Charakter ist aber nicht motiviert", oder der die Gruppe mit der Aussage "Ich spiel hier nur meinen Charakter" in die Scheiße reitet, ist ein Phänomen der eher nervigen Sorte. Dem geht es nämlich - im Gegensatz zum Namen "Storytelling" - nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, statt dessen möchte er seinen eigenen Charakter in den Mittelpunkt rücken. Das "charaktergerechte" Ausspielen wird dabei letzten Endes zur Entschuldigung, die erzählte Geschichte a) zu ignorieren oder b) zu torpedieren.

Aber darum geht es ja auch nicht. Wir sind ja irgendwo alle kleine Storyteller, die ihren Charakter gerne im Rampenlicht sehen, zerfressen von verschiedenen Motiven und Loyalitäten... und wir labern ja auch alle furchtbar gerne rum und leben die Familienplanung unserer Charaktere aus. Und das ist auch gut so! Warum? Weil´s Spaß macht! (Kleiner Tip am Rande: Es sollte allen Spaß machen....)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #12 am: 3.07.2003 | 16:50 »
Ich habe die Aussage "Ich spiel hier nur meinen Charakter" in meinen langen Jahren als Spieler uns eSeL HASSEN gelernt!  >:(
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #13 am: 3.07.2003 | 17:09 »
Du bist nicht der einzige... :P
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #14 am: 3.07.2003 | 17:41 »

Ich hab irgendwann angefangen diesen Spruch mit "Das ist schön und gut, aber wir spielen keine Charaktere, sondern Menschen!" zu beantworten.

Zumindest bei der Sorte Spielern, die zwar tatsächlich ihren Char auspielen, dieser Char aber nur ein Verhalten an den Tag legt. (Beispielsweise: "Der asoziale Rigger", "Der arogante Ventrue" und der "Der eingebildete Elf")

Tja, es ist ja auch wirklich furchtbar, daß manche Rollenspieler wert auch Charaktere mit Tiefgang legen...
Schlimm.

M
Ich praktiziere leidenschaftlich 4enfreude.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #15 am: 3.07.2003 | 18:20 »
Zitat
Der Spieler, der ständig quengelt "Mein Charakter ist aber nicht motiviert", oder der die Gruppe mit der Aussage "Ich spiel hier nur meinen Charakter" in die Scheiße reitet, ist ein Phänomen der eher nervigen Sorte

Das sind auch keine Storyteller.
Vielleicht sollten wir einen Thread aufmachen "Rechtfertigung von Method Acting" ;)...

Zitat
"Ich spiel hier nur meinen Charakter"
In meiner Erfahrung meist(!) gelogen und eine Ausrede dafür Mist gebaut zu haben. Mehr nicht.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #16 am: 3.07.2003 | 20:19 »
Zitat
"Ich spiel hier nur meinen Charakter"
In meiner Erfahrung meist(!) gelogen und eine Ausrede dafür Mist gebaut zu haben. Mehr nicht.
Mach das aber mal dem betreffenden Spieler klar! Der glaubt nämlich meistens seiner eigenen Ausrede. >:(
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #17 am: 3.07.2003 | 20:22 »
Wobei mir einfällt, dass Munchkins ihren Chars gerne Charakterzüge wie "eiskalt", "misstrauisch" und "brechnend" mit auf den Weg geben und mit dem Satz "Ich spiel hier nur meinen Charakter" ihren Munchkinism mit vorgeschobenem Storytelling zu übertünchen versuchen. ::)

Story-telling ist das dann meist wirklich nicht, weil der Satz idR. genau dann benutzt wird, wenn man sich von der Story gerade einen guten Schritt weit wegbewegt hat.

-----edit-----
Aus aktuellem Anlass das Wort 'Powergamer' korrekterweise durch 'Munchkin' ersetzt. ;D
-----edit-----
... und das noch später sogar noch richtig geschrieben. ::)
« Letzte Änderung: 3.07.2003 | 23:23 von Snapshot »

Offline Boba Fett

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #18 am: 3.07.2003 | 20:25 »
Eine der wichtigsten Regeln für ein Gruppenrollenspiel lautet, dass keine Charakterisierung das Miteinander im Spiel ausschließen darf.
Eine Charakterbeschreibung, die kein "Gemeinsam" erlaubt, schließt ein "miteinander spielen" im Rollenspiel aus. Und darum geht es schließlich im Spiel.
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Offline Der Nârr

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #19 am: 3.07.2003 | 21:30 »
Storytelling ist der bewusste Versuch, dem Rollenspiel einen Fokus auf Erzählung zu geben
Ja, dies ist m.E. der Kern des Storytelling. Allerdings sollte noch ergänzt werden, dass dies unter Vernachlässigung der Charaktere geschieht: Nicht die Erzählung richtet sich nach den Charakteren, sondern die Charaktere richten sich nach der Erzählung.
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Offline Sara Pink [DA]

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #20 am: 4.07.2003 | 02:45 »
Nicht die Erzählung richtet sich nach den Charakteren, sondern die Charaktere richten sich nach der Erzählung.

Macht das nicht gerade das Srtory Telling aus? Dass eben NICHT die zu erzählende Geschichte im Vordegrund steht, sondern die Charaktere, die eine Geschichte voran treiben und sie mitschreiben? Eine Eigenschaft die ich mit Storytelling nämlich auf jeden Fall in Verbindung bringe ist Flexibilität... sowohl des SLs auch als der Spieler.

Offline Minne

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #21 am: 4.07.2003 | 09:24 »
Mich verwirrt das ganze jetzt ein weing, ist sorytelling jetzt;

a) das was Sara Pink gemeint hat
(Die Geschichte bildet sich um die Charaktere, deren Interaktion maßgebend ist)

oder

b) das Nachspielen einer bestimmten Geschichte
(die Charaktere folgen einem vorher bestimmten Plot im Kopf des meisters der sich mit der Zeit entfaltet, was logischerweise bedeutet das die "bewegungsfreiheit" der charaktere innerhalb der geschichte begenzt sind)

Ich meinte irgendwo mal die B als definition für storytelling gelesen zu haben...


Offline Boba Fett

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #22 am: 4.07.2003 | 09:24 »
Gute Frage...
Wenn die Story im Vordergrund steht, würde ein Storyteller (-Spieler) seinen Charakter ohne weiteres sterben lassen, wenn dies die Story voranbringt.
Liegt der Fokus auf den Charakteren, würde er lieber seinen Charakter behalten, auch wenn die Story dadurch leidet (an Glaubwürdigkeit, Realismus, Spannung oder so).

Frage: Was von beiden ist "Storytelling"? Ich würde sagen ersteres.
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Offline Minne

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #23 am: 4.07.2003 | 09:39 »
Hmm, ich würde mich eher als ein sotryteller bezeichnen, aber charaktere würde ich nicht sterben lassen, ausser vieleicht am entgültigen knackpunkt der geschichte.
Muss sotrytelling bedeuten das die Spieler Opfer wie Charaktere für die Geschichte bringen müssen?
Also ich finde den Charactertod als dramaturgisches Mittel weniger gut, denn ein "gewachsener charakter bietet ein enormes POtential für due geschichte das ein neues char erstmal wieder aufbauen muss, von der identifikation mit der figur ganz zu schweigen

Offline Bitpicker

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #24 am: 4.07.2003 | 09:44 »
Storytelling ist der bewusste Versuch, dem Rollenspiel einen Fokus auf Erzählung zu geben
Ja, dies ist m.E. der Kern des Storytelling. Allerdings sollte noch ergänzt werden, dass dies unter Vernachlässigung der Charaktere geschieht: Nicht die Erzählung richtet sich nach den Charakteren, sondern die Charaktere richten sich nach der Erzählung.

Und das ist in weiten Teilen der Unterschied von Narrativist und Simulationist.

Bei narrativistischem Spiel steht die Entwicklung der Erzählung als kongruentes und interessantes (und dabei nicht notwendigerweise 'realistisches' oder glaubwürdiges) Ergebnis im Vordergrund, notfalls auf Kosten stimmiger Charakterisierung.

Beim simulationistischen Spiel wird die Story notfalls der Glaubwürdigkeit geopfert. 'Ich habe nur meinen Charakter gespielt' ist in simulationistischen Kreisen eine Aussage, die man gar nicht machen muss, weil es jedem Beteiligten klar ist.

Robin
« Letzte Änderung: 4.07.2003 | 09:48 von bitpicker »
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Offline Boba Fett

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #25 am: 4.07.2003 | 09:49 »
Muss sotrytelling bedeuten das die Spieler Opfer wie Charaktere für die Geschichte bringen müssen?
Es geht ja nicht um das müssen, sondern um das "wie würden sie entscheiden"...
Wenn ein Charaktertod dramaturgisch sinnvoll ist, um der Story den richtigen Kick zu geben (Boromirs Tod im HdR), was würden sie entscheiden?
Soll der Spieler seinen Charakter behalten, obwohl die Qualität der Story durch den Tod gesteigert würde und obwohl es ziemlich unrealistisch aussehen würde, wenn er die Begegnung mit dieser Vielzahl an Orks überleben würde.
Oder soll er einen neuen Charakter bekommen, evtl. mit einem Ausgleich für den Verlust des alten Charakters?
Der reine Storyteller würde sagen: Lasst ihn sterben.

(Anm.: Ich zähle mich nicht zu den reinen ST)

Zitat
Also ich finde den Charactertod als dramaturgisches Mittel weniger gut, denn ein "gewachsener charakter bietet ein enormes POtential ...
Eine gewachsene Geschichte auch.
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Offline Bitpicker

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #26 am: 4.07.2003 | 09:50 »
Gute Frage...
Wenn die Story im Vordergrund steht, würde ein Storyteller (-Spieler) seinen Charakter ohne weiteres sterben lassen, wenn dies die Story voranbringt.
Liegt der Fokus auf den Charakteren, würde er lieber seinen Charakter behalten, auch wenn die Story dadurch leidet (an Glaubwürdigkeit, Realismus, Spannung oder so).

Frage: Was von beiden ist "Storytelling"? Ich würde sagen ersteres.

Ich stimme zu, dass ein Charakter der Story geopfert werden kann - aber umgekehrt wird der Storyteller (Narrativist) den Tod eines Charakters verhindern, wenn er die Story beeinträchtigt. Der Simulationist würde den Tod (oder das Weiterleben) des Charakters in Kauf nehmen, auch wenn das der Story schadet.

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #27 am: 4.07.2003 | 10:16 »
Ich erinnere mich an eine Szene, wo ein Spieler seinen Zwerg auf eine Brücke zurücklies, um die Verfolger aufzuhalten, während seine Kollegen die befreiten Gefangenen nach draußen geleiteten.
Für den Zwerg war es eine rollengerechte Entscheidung, da unter den Gefangenen eine für ihn wichtige Person weilte.
Es war eine absolut dramatische Situation und sie bedeutete den sicheren Tod, denn es war unzweifelhaft, dass die Verfolger den Zwerg besiegen würden, es war nur eine Frage der Zeit, die der den anderen schinden konnte.

Als Spielleiter habe ich entschieden, dass durch dieses "Opfer" die Flucht auf jeden Fall erfolgreich verlaufen würde (weil die Flüchtenden eben immer zufällig genug Zeit hatten), weil ein Mißerfolg sicherlich das frustrierenste überhaupt für den Spieler gewesen wäre (wofür hätte er dann das Opfer gebracht).

Am Ende waren wirklich alle begeistert und einige reden heute noch davon und der Spieler erntet manchmal noch die Schulterklopfer, die sein Zwerg verdient hätte. Durch den Tod des Charakters, den der Spieler entschieden hatte, wurde eine Story zu einem wirklich legendären Ereignis in dieser Runde.
Viele Charaktere, die erfolgreicher waren wurden inzwischen in die Vergessenheit gespielt, aber dieser Zwerg ist immer noch im Gedächtnis der anwesenden Spieler und die Geschichte wird immer mal wieder rausgekramt. Das nenne ich wahres Storytelling.
Die Story steht eben auch vor dem Opfer eines Charakters.
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #28 am: 4.07.2003 | 10:52 »
a) das was Sara Pink gemeint hat
(Die Geschichte bildet sich um die Charaktere, deren Interaktion maßgebend ist)
Das ist die Spielart, die ich bevorzuge. Aber das ist eben kein Storytelling.

Zitat
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #29 am: 4.07.2003 | 11:35 »
@Boba:

Ich würde sagen, dass dies ein Moment war, in dem sich Narrativismus und Simulationismus die Hand gaben. Der Zwerg war ein Held, damit war es charactergerechtes (simulationistisches) Rollenspiel. Dieses führte außerdem zu einer befriedigenden Story (Narrativismus und Storytelling).

Wäre es jetzt aber eine nicht entscheidende Situation gewesen und der Zwerg wäre aufgrund einiger Würfelpatzer gestorben, dann hätte die Story gelitten - und der Narrativist und Storyteller hätte dem entgegengewirkt, der Simulationist hätte es akzeptiert (ebenso wohl der Gamist, weil er 'verloren' hätte).

Die Gretchenfrage ist die: arbeitest du als Storyteller gegebenenfalls auch auf den Tod eines SC hin, weil es für die Story notwendig ist?

Robin
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #30 am: 4.07.2003 | 12:02 »
Da ich kein Storyteller bin, weil mir die Erwartungen der Spieler ans Rollenspiel wichtiger als die "Story" an sich sind, ist das keine Gretchenfrage. Ich definiere mich nicht als Narrative-GM.
Narrative ist ein Element im Rollenspiel, aber für mich nicht das wichtigste.
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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #31 am: 4.07.2003 | 12:18 »
Ich betrachte mich vornehmlich als Narrativist mit deutlichem Simulationisten-Einfluss. Wenn ich das Prädikat 'Storyteller' bewerten soll, würde ich sagen, jawohl, bin ich.

Mein System nimmt den 'Tod durch das Erreichen von 0 Trefferpunkten' aus dem Spiel. Tot ist, wer vom SL für tot erklärt wird. Es gibt für einen SC mit 0 oder weniger Trefferpunkten immer zumindest die Chance zu überleben (siehe z. B. mein Werwolf-Ritualbeispiel im 'besondere Momente'-Thread).

Wenn es der Story dienlich ist, kann ein Charakter durch Regelmechanismen sterben, er kann aber auch für tot erklärt werden, ohne dass Mechanismen bemüht werden.

Wenn es der Glaubwürdigkeit der Story (also dem Realismus) schadet, wird kein Charakter verschont.

Was Spielerinteressen angeht, werden vorgeplante Charaktertode meist durch etwas aufgewogen oder später zurückgenommen (Träume, Duplikate aus Parallelwelten etc.).

Zentral ist also die Story, aber immer mit einem Blick auf Realismus (innerhalb der Gesetze der Spielwelt). Mit heroischem oder cinematischem Spiel kann ich wenig bis nichts anfangen.

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Offline Boba Fett

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #32 am: 4.07.2003 | 12:47 »
Da der Begriff "Erzählforschung" für "Erzählforschung" steht, und das im Rollenspiel nicht viel aussagt, denn es definiert ja nicht, wie man Rollenspiel betreibt, sondern nur, dass man sich um das "wie" kümmert, ist der Begriff "storytelling orientiertes Rollenspiel" besser, weil verständlich.
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Offline Lord Verminaard

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #33 am: 4.07.2003 | 13:25 »
@ Minneyar:

Zitat
a) das was Sara Pink gemeint hat
(Die Geschichte bildet sich um die Charaktere, deren Interaktion maßgebend ist)

Das stimmt insofern, als der Gang der Handlung natürlich durch die Aktionen der SCs bestimmt wird. Die entscheidende Frage ist aber: Wonach richten sich diese Aktionen? Nach einer realistischen Einschätzung der Reaktion des Charakters (Method Actor / Simulationist), nach dem, was den größten Erfolg verspricht (Gamist) oder eben nach dem, was dramaturgisch am schönsten ist (Storyteller / Narrativist)?

Zitat
b) das Nachspielen einer bestimmten Geschichte
(die Charaktere folgen einem vorher bestimmten Plot im Kopf des meisters der sich mit der Zeit entfaltet, was logischerweise bedeutet das die "bewegungsfreiheit" der charaktere innerhalb der geschichte begenzt sind)

Spieler und SL erzählen die Geschichte gemeinsam. Sie muss nicht vorbestimmt sein, sondern kann sich auch während des Spiels völlig frei und unerwartet entwickeln. Als SL muss man ja eigentlich von "berufswegen" auf die Dramaturgie achten. Echte Storyteller tun dies aber eben auch, wenn sie Spieler sind. Und dadurch, nicht etwas durch den SL, funktioniert das Ganze.


@ Jesto:

Zitat
Rollenspiel geht nicht darum, Geschichten nachzuspielen oder zu entwickeln, sondern nur darum, Geschichten als Vehikel zu benutzen, um fiktive Erlebnisse zu erzeugen. Die Geschichte erzeugt die Spannung und den Druck, um uns in unsere Rollen zu versetzen - und dieses Erlebnis der Identifikation wird nur bedingt von anderen Kunstform bedient (denn sonst funktioniert Identifikation mit der Hauptfigur nur durch Passivität und nicht durch aktives Verkörpern, bzw. (bei Computerspielen oder Büchern) kommt nur der Entdeckungsfaktor aber nur sehr bedingt der Gestaltungsfaktor oder -Entscheidungsfaktor zum tragen...

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Offline Minne

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #34 am: 4.07.2003 | 13:38 »
Vielen dank Lord Verminaard durch deine Erklärung wurde für mich vieles klarer :)

Mir scheint es das Storytelling und Simulationismus ein kombiniert ein gutes Paar abgeben... oder sich zumindest nicht grundsätzlich abstossen müssen (es kommt auf die SCs an...)  

Allerdings wird mir diese diskussion langsam zu hoch, ich steige jetzt aus, bin ja vergleichen mit euch alten Hasen nur Junior-Meister ;D


Offline Sara Pink [DA]

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #35 am: 4.07.2003 | 14:53 »
Ich glaub ich muss mich nochmal erklären  ;)


Ich wollte damit eingentlich nur sagen, dass nicht die Charaktere sich nach der Erzählung richten, sondern die Charaktere die Erzählung erst so richtig entstehen lassen, nämlich durch diesen dramaturgischen Tiefgang im Falle vom Story Telling. Damit ist auch gemeint, dass es nicht nur nötig ist, dass der Spielleiter ein Narrativist ist, sondern auch die Spieler sich auf diesem Niveau begegnen.

Das hat sich beim Hamf aus der Dose in meinen Augen so gelesen, als ob nicht nur die Charaktere, sondern auch deren Geschichte vernachlässigt werden würde .... deswegen meine Aussage ;)


Offline Bad Horse

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #36 am: 9.07.2003 | 18:36 »
Am besten ist es natürlich, wenn sich Charaktere und Geschichte miteinander verweben, d.h. wenn diese Geschichte so auch nur mit diesen Charakteren funktioniert. Ich erzähle eine Geschichte ja nur zum Selbstzweck (wie etwa ein Autor), sondern um die Spieler und ihre Charaktere in ihren Fokus zu stellen und so die Geschichte voranzutreiben und zu verändern.

Auch als Spieler bemühe ich mich, die Gratwanderung zwischen Charakterspiel und dem Vorantreiben der Geschichte zu bewerkstelligen. Bis zu einem gewissen Grad bin ich dann auch bereit, meinen Charakter zu verbiegen ("na gut, ich mag keine Sethiten, aber Senenta scheint ja ganz nett zu sein, also helfen wir ihm eben..."), allerdings nicht so weit, daß er unlogisch oder völlig inkosequent erscheint (wenn Senenta Hilfe bei einem Drogenschmuggel gebraucht hätte, wäre der Charakter nicht mitgekommen...).
Bei One-Shots fällt es mir natürlich leichter, meinen Charakter an die Story anzupassen - der Char ist nicht so definiert wie ein Kampagnencharakter. Bei einem Kampagnencharakter erwarte ich aber auch vom SL, daß er dessen Persönlichkeit kennt und in die Abenteuerplanung einfließen läßt (daß der Charakter aus dem Beispielt oben keinen Drogenschmuggel betreibt, sollte dem SL eigentlich klar sein). Bei einem One-Shot kann der SL nicht für die Charaktere planen. Beispiel: Stahlengel hat neulich ein kurzes Horror-Abenteuer geleitet, wir haben selber Chars gebaut (laute linksliberale Studenten, die Skifahren gehen wollten). Mein Char ist dann irgendwann völlig durchgedreht und hat sich kichernd an ihre Axt geklammert... sie ist dann auch gestorben (war von mir auch völlig beabsichtigt  :)). Ich hätte es einfach langweilig gefunden, wenn keiner der Studenten durchgedreht wäre...
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Reviel

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Re:Rechtfertigung von Storytelling
« Antwort #37 am: 9.07.2003 | 19:02 »
Da ich mich bei den Systemen auf Exalted spezialisiert habe und Exalted ein sehr cineastisches RP ist (man beachte die Begriffe "Episode", "Geschichte" und "Serie") bin ich absolut pro Storytelling.

Natürlich ist das von Runde zu Runde und von System zu System verschieden (dürfte bei SR etwas schwierig werden), aber bei Exalted und 7te See sollte man so etwas denke ich schon machen.
Es kommt einfach mehr Feeling auf, wenn man als Spieler begreift, wie tief man doch in dieser Welt drinsteckt und wenn man die Folgen seines Handelns auch später noch erkennen kann. Da man bei 7te See ohnehin nur in wenigen Fällen ohne den WUnsch des SL oder Spielers sterben kann, können Tode dort auch sehr zur Untermalung genutzt werden.
So wird einer meiner Charaktere am Ende ihrer Abenteurerkarriere auch draufgehen, einfach weil es passend ist. Und wenn ein Charakter gegen eine Übermacht antritt, um seine Freunde fliehen zu lassen, halte ich so etwas auch für eine heldenhafte Tat.

Genauso werde ich es auch bei Exalted handhaben, das heißt, dass den Charakteren immer mal wieder Personen aus ihrer Vergangenheit begegnen und dergleichen. Rollenspiel (im passenden Setting) ist an sich auch nur eine Serie, solange die Runde vorhanden bleibt. Eine Endlos-Soap, könnte man sagen.
Aber im Gegensatz zu einer Soap passieren im RPG auch Dinge, die man einfach niemals vergessen kann, selbst wenn man es wollte. Ich schätze das ist mit eine der wichtigsten Regeln für wirklich befriedigendes Rollenspiel, wenn ein Charakter nicht nur eine Figur auf einem Blatt ist, sondern zumindest eine rundeninterne Legende.