Autor Thema: Was unterscheidet RPGs und Gesellschaftsspiele – und wann wirds brettspielig?  (Gelesen 23614 mal)

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Offline ArneBab

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Nachdem diese Diskussion in RPG-Design: Es gibt keine verpönten Werkzeuge eigentlich etwas OT ist, möchte ich die Frage hier stellen (um den Thread nicht weiter zu kapern :) ).

Was ist für euch der Unterschied zwischen Brettspielen, Gesellschaftsspielen und Rollenspielen, und wann werden eurem Gefühl nach Rollenspiele brettspielig?
« Letzte Änderung: 24.11.2010 | 17:37 von ArneBab »
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Offline Blutschrei

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Rollenspiele werden in dem Moment brettspielig, indem sich das Spiel abgesehen von Würfeln und Minispielen nurnoch auf dem Spielbrett stattfindet. Das zentrale Element also nicht die Vorstellung einer Geschichte bzw des Spiels ist sondern das Brett als Grundplattform des Spiels.

Zum Glück kenn ich solche Rollenspiele nicht.

Tabletoplastige Rollenspiele wiederum zeichnen sich ja eher dadurch aus, dass die Darstellung mit Miniaturen eine Hilfe beziehungsweise veranschaulichung - ein Teil des ausspielens einer eigenen Geschichte ist, die nicht vom Brett abhängig ist.
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Offline Tudor the Traveller

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Wenn es ausschließlich die in den Regeln genannten - tendenziell sehr beschränkten - Optionen für die Spieler gibt, würde ich von einem Gesellschaftsspiel sprechen (von dem das Brettspiel ein Spezialfall ist). Die Regeln geben das Spielgeschehen vor.

Beim RPG ist es andersherum: Das Spiel gibt die Regeln vor. Die Optionen sind grundsätzlich nur von der Plausibilität eines gemeinsamen Spielerlebnisses eingeschränkt. Die Regeln liefern gewissermaßen "Schablonen" oder Kategorien, mit denen diese Optionen erfasst werden können, um sie handhabbar zu machen, Verhältnismäßigkeiten zu erzeugen und ihnen damit mit anderen Spielelementen eine Wechselwirkung zu erlauben.
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Offline Scylla

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Ich kenne kein Rollenspiel, das zu brettspielig ist. Ein Brettspiel hat einen ganz anderen Kern als ein Rollenspiel, das beginnt schon mal an der begrenzten Dauer und dem sehr klar vorgegebenen Ziel ("Siegen" oder ähnliches). Einige Brettspiele haben rollenspielartige Tendenzen oder Mechanismenanteile, und können mit gutem Ambient und Fantasie zu etwas rollenspielähnlichem ausgebaut werden. Einige Rollenspiele haben Brettspielanleihen (Darstellung von Kampf auf Brett etc.). Im Endeffekt hat doch Rollenspiel irgendwie immer etwas damit zu tun, dass man eine Rolle übernimmt (bis zu einem gewissen Grad der Identifikation), also quasi eine andere Persönlichkeit spielt/imitiert/annimmt. Das würde ich beim Brettspiel nicht so sehen, da scheint mir die Trennung zwischen Spielfigur (die kein Charakter ist!) und Spieler zu stark zu sein.

Anders gesagt:
 :) Beim Rollenspiel übernimmt man eine Charakterrolle (sich mit ihr identifizierend), im Idealfall um der Rolle willen
 :) Beim Brettspiel lenkt man eine Spielfigur (unpersönlich), um das vorgegebene Ziel (Sieg) zu erreichen.

Ist das zu verworren oder könnt ihr mir folgen?

Offline Village Idiot

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Ich würde Rollenspiele als Teil der Gesellschaftspiele sehen.
Meine "Definition" eines Rollenspiels wäre dann: Ein Gesellschaftspiel bei dem die Spieler einen oder mehrere Charaktere durch eine gemeisame Fiktion führen. Hauptaugenmerk wird hierbei auf das Darstellen der Charaktere und dem "Erleben" bzw. Erspielen einer Geschichte gelegt.
Die Art der Regeln beim Rollenspiel ist mannigfaltig. Es bestehen Verwandschaften zum interaktiven Geschichtenerzählen, Imrovisationtheater, Tabeltop und verschiedenen anderen Gesellschaftspielen.

Ein Brettspiel ist hingegen einfach ein (Gesellschafts-)Spiel mit einem Spielbrett. Ein Rollenspiel ist also schlicht und einfach dann auch ein Brettspiel, wenn es über ein Spielbrett verfügt.
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Offline WeepingElf

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Ich definiere es so wie Hashiba.  In einem Rollenspiel spielt man eine Rolle, indem man sich mit einem Charakter identifiziert und in seiner Statt handelt.  In einem Brettspiel bewegt man Spielfiguren nach bestimmten Regeln über ein Spielbrett, aber man schlüpft in keine Rolle.  Man handelt eben als Spieler, üblicherweise um das Spiel zu gewinnen.

"Brettspielig" wird das Rollenspiel dann, wenn die Spieler ihre Charaktere nicht mehr ausspielen sondern nur noch Miniaturen auf der Battlemap hin und her schieben und alle Situationen auswürfeln.

Grundsätzlich sind Rollenspiele natürlich auch Gesellschaftsspiele.  Das ist ein weit gefasster Begriff, der viele verschiedene Arten von Spielen umfasst, unter anderem eben auch Brettspiele und Rollenspiele.
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Offline Village Idiot

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Zitat von: WeepingElf
In einem Rollenspiel spielt man eine Rolle, indem man sich mit einem Charakter identifiziert und in seiner Statt handelt.
Damit tue ich mich echt ein bisschen schwer. :) Ich z.B. identifiziere mich lang nicht mit allen meinen Charakteren - und als Spielerleiter schon mal garnicht. Das ist auch gleich der nächste Punkt, in vielen Rollenspielen übernimmt mindestens ein Spieler gleich mehrere Charaktere und nicht nur einen. Viele Spieler spielen auch garnicht oder nur bedingt eine Rolle, die erzählen bzw. beschreiben viel oder (fast) ausschliesslich. Und anstatt des Charakters handelt der Spieler zumindest beim P&P auch nicht, sondern er bestimmt wie der Charkter, im Zweifelfall im Rahmen der Regeln, handelt.
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alexandro

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Wenn es ausschließlich die in den Regeln genannten - tendenziell sehr beschränkten - Optionen für die Spieler gibt, würde ich von einem Gesellschaftsspiel sprechen (von dem das Brettspiel ein Spezialfall ist). Die Regeln geben das Spielgeschehen vor.
+1

Rollenspiele die diese "Geisteshaltung" vertreten oder gar fördern sind mir noch nicht untergekommen, RollenSPIELER dagegen schon (siehe The Gamers: "I backstab him with a ballista.").

Eulenspiegel

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Für mich zeichnet sich ein Brettspiel dadurch aus, dass die Regeln in Vordergrund stehen. Es kann zwar eine Geschichte erzählt werden, aber diese steht immer im Hintergrund. (Beispiel: "Die Siedler von Catan" oder "Hero Quest - Das Brettspiel")

Rollenspiel zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass die virtuelle Realität im Vordergrund steht. Regeln sind entweder dazu da, diese virtuelle Realität abzubilden oder um Erzählrechte in der VR zu verteilen. Aber letztendlich geht es um die se virtuelle Realität. (Auch (gemeinsamer) Vorstellungsraum oder (S)IS genannt.)

Gerade Hero Quest aber auch Star Quest sind gute Beispiele dafür, dass der Übergang zwischen Rollenspiel und Brettspiel fließend sein kann. (Man kann diese beiden Spiele wie ein Brettspiel spielen. Mit einer kleinen Fokus-Verschiebung kann man diese beiden Spiele aber auch als RPG spielen.)

Gesellschaftsspiele wiederum zeichnen sich imho dadurch aus, dass alle prinzipiell gleichzeitig reden können (z.B. Trivial Pursuit oder Werwölfe im Düsterwald) und/oder Körpereinsatz zeigen (z.B. "Fangen und Verstecken" oder Reise nach Jerusalem).

Offline Crimson King

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Tudors Definition trifft mein Verständnis zu 100%.

Zu denjenigen, die die Trennung an der Rolle fest machen: eine Rolle übernehmen kann ich auch plausibel in vielen Brettspielen. Junta z.B. spielen wir immer mit jeder Menge in Character-Gerede, wir geben uns Namen etc. Deshalb betreiben wir noch lange kein Rollenspiel.

Die Übernahme von Rollen ist eine Grundvoraussetzung für Rollenspiel (auch wenn die Rollen ggf. regelmäßig wechseln), aber keine hinreichende Bedingung.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
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J.W. von Goethe

Offline Crimson King

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Aus der Hüfte: Ein Rollenspiel emuliert eine komplette alternative Realität. Handlungsbeschränkungen sind nicht durch die Regeln vorgegeben, sondern durch Plausibilität, was wiederum das (im allgemeinen stille) Einverständnis der Mitspieler voraussetzt, die zum Thema Plausibilität ja auch eine Meinung haben. Regeln beschreiben keine Handlungsmöglichkeiten, sondern ausschließlich die Aus- und Wechselwirkungen von Handlungen.
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Offline ArneBab

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Ich denke, ich würde mich auch Tudor anschließen: Bei Rollenspiel steht für mich die gemeinsame Vorstellung im Vordergrund und die Regeln dienen dazu, der Vorstellung ein Fundament  zu geben. Im PnP wird die Vorstellung durch Erzählen, Darstellen und Gimmicks geformt.

Brettspielig wird es für mich, wenn die Vorstellung egal ist. Für mich persönlich wird es dann eher langweilig, aber es gibt sehr viele begeisterte Brettspieler da draußen, für das genau das die richtige Art zu spielen sein kann.

„Ich halte der Wache die Knarre unter die Nase: ‚Hände hinter der Kopf und keine Spielchen!‘“ ist in der Vorstellung.

„Mein Charakter richtet seine Waffe auf den Kopf der Wache“ ist auch noch in der Vorstellung.

„Da ist ein Gegner? Schusswaffen. Erfolg. Was kommt jetzt?“ ist Brettspielig.
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Offline Skele-Surtur

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:) Beim Rollenspiel übernimmt man eine Charakterrolle (sich mit ihr identifizierend), im Idealfall um der Rolle willen
 :) Beim Brettspiel lenkt man eine Spielfigur (unpersönlich), um das vorgegebene Ziel (Sieg) zu erreichen.
Ich unterstütze diese Wortmeldung.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline Boba Fett

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Rollenspiele sind für mich Gesellschaftsspiele.
Der Unterschied zu den üblichen Gesellschaftsspiele macht für mich am meisten in der Identifikationsmöglichkeiten mit den Charakteren und der Kontinuität der in Kampagnen sich fortsetzenden Geschichte.
Das haben die anderen Spiele nicht.

Unterschiede zu Brettspielen kann man kaum bewerten.
Einige Rollenspiele haben Tabletopelemente in den taktischen Situationen, die Brettspielen nahezu identisch sind.
Auch dort kann man höchstens den Identifikationscharakter und die Kontinuität hervorheben.
« Letzte Änderung: 24.11.2010 | 21:08 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Wulfhelm

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"Brettspielig" halte ich für einen ziemlich unglücklichen Begriff, aber mir fällt auch kein besserer für folgendes ein:

Der spielinterne Handlungsrahmen der Spieler wird ausschließlich durch eindeutige Spielregeln definiert.

Das trifft auf Brett-, Karten-, Würfel- und Tabletopspiele zu und auf Rollenspiele nicht.
« Letzte Änderung: 24.11.2010 | 21:37 von Wulfhelm »

Eulenspiegel

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Es darf ja eindeutige Regeln haben. Aber die Regeln stehen halt nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht der Vorstellungsraum.

Beim RPG geht es darum, dass du machen kannst, was immer im Vorstellungsraum plausibel ist. Wenn dir die Regeln das erlauben: Prima! Wenn die Regeln dir das verbieten: Werden die Regeln geändert. Wenn die Regeln dazu keine Aussage treffen: Improvisiert man entweder Regeln oder spielt dieses Ereignis ohne Regeln.

alexandro

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Einige Rollenspiele haben Tabletopelemente in den taktischen Situationen, die Brettspielen nahezu identisch sind.
Aber beim Rollenspiel hast du die Möglichkeit, die Tabletopebene zu verlassen, wenn das sich anbietet.

Beim Warhammer oder Battletech TT hast du diese Option nicht.

@ArneBab: "Da kommt ein Atlas-Mech über den Hügel. Er feuert seine LSR-Werfer auf deine Cicada ab, aber die Raketen verfehlen ihr Ziel." Kann ich mir alles vorstellen, ist aber trotzdem ein Brettspiel. Daher halte ich "Vorstellung" für ein schlechtes Kriterium für Rollenspiel.
« Letzte Änderung: 25.11.2010 | 01:30 von alexandro »

Offline Zornhau

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Rollenspiele sind Gesellschaftsspiele

Rollenspiele sind grundsätzlich eine Form der Gesellschaftsspiele. - Man kann Rollenspiele als Spielsitzung NICHT SOLO betreiben, somit braucht man Gesellschaft zum Spielen.


Rollenspiele sind nicht nur Gruppenspiele, sondern auch Solo-Spiele

Spielvorbereitung gehört AUCH zum Rollenspiel und ist ein Spiel mit eigenem Gameplay abseits der Spielsitzung mit der Gruppe. Hier fallen jede Menge Mini-Spiele z.B. zur Weltenerschaffung, zum Erstellen von Fahrzeugen, Raumschiffen, Gebäuden, Wildnisregionen, usw. darunter wie auch die strategischen oder dramaturgischen Überlegungen bei der Kampagnenplanung und -weiterentwicklung.

Bei Spielvorbereitungen haben viele Rollenspiele auch durchaus Verwandtschaft zu "Planspielen", weniger zu Brettspielen oder CoSims (wobei das auch vorkommen kann).

Die Spielvorbereitung ist in den üblichen Rollenspielformen eine Solo-Spieler-Spielform, die direkt und notwendig zum Rollenspiel dazugehört, da ohne diese Vorbereitung die meisten Rollenspiele in Spielsitzungen mit der Gruppe NICHT SPIELBAR wären.

Somit kann man bei Rollenspielen das Spiel WÄHREND der Spielsitzung und das Spiel VOR und NACH der Spielsitzung unterscheiden.

Manche "low-prep"- oder "zero-prep"-Spiele lassen das Davor und das Danach wegfallen, weil die Aufgaben während der Spielsitzung von der Gruppe oder vom Spielleiter übernommen werden. - Die meisten Rollenspielprodukte sind aber KEINE "vorbereitungsarmen" Rollenspiele und können daher als typisch für Rollenspiele gelten.


Elemente anderer Spielformen werden meist als Vorwurf einem Rollenspiel vorgehalten

Wenn man "Brettspieligkeit", "Tabletop-Wargame-Artigkeit", "Sammelkartenspiel-Artigkeit" manchen Rollenspielen zuschreibt, so meist als VORWURF.

Die Powers bei D&D 4E sind ja wie Sammelkartenspiele.
Die Kampfszenenabwicklung bei Savage Worlds ist ja wie ein Tabletop-Wargame.
Die Glory- und Favor-Sammlung bei AGON ist ja wie bei einem Brettspiel.

Diese Vorwürfe werden erhoben, weil eine ANDERE ERWARTUNG an das, was für den Vorwerfenden "Das Rollenspiel an sich (tm)" ausmacht, besteht.

Dabei entstammt das Pen&Paper-Rollenspiel ja ganz direkt den Wurzeln der Tabletop-Wargames, dabei sind Charakterbögen auch nichts anderes als die "Buchhaltungs-Schablonen", die man in anderen Spielformen, gerade in Resourcenverwaltungs-Brettspielen findet, und dabei stammen viele Grundideen von Rollenspiel-Themen aus Brettspielen, CoSims, Computerspielen oder Kartenspielen (und umgekehrt fließen Rollenspiel-Ideen wieder in diese anderen Spielformen zurück).

Somit ist der Vorwurf "Das ist ja ein ..." als eine Nichtgefallensäußerung zu verstehen, nicht als einen qualitativen Makel!


Abgrenzung von anderen Spielformen über den Einflußbereich der Regeln auf die Spielmöglichkeiten

Das lässt den Umkehrschluss zu, dass es für Rollenspiele gar nicht das Ziel sein darf, eindeutige Regeln zu haben,
wenn genau das ein Rollenspiel von den anderen Spielen abhebt?
Die Rollenspielregeln sollten wie die Spielregeln jedes anderen Spieles KLAR und EINDEUTIG sein.

Aber das Besondere beim Rollenspiel ist nicht die (bei der Mehrzahl der Rollenspiele, die ich so kenne und spiele, längst nicht gegebene) Eindeutigkeit, sondern die UNBESCHRÄNKTHEIT der Aktionsmöglichkeiten der Spieler. Ich nenne das die SPIELFREIHEIT, die ein Spieler im laufenden Gruppen-Spiel einer Spielsitzung genießt.

Bei einem Brettspiel definieren die Regeln abseits vom Out-Game-Gelaber ALLE Aktionsmöglichkeiten, die ich als Spieler habe. Was nicht in den Regeln möglich ist, das KANN ICH NICHT mit meiner Spielfigur oder anderen Spielelementen tun. Die Regeln definieren die GESAMTHEIT aller zulässigen Handlungsmöglichkeiten.

Bei Rollenspielen definieren die Regeln zunächst nur MECHANISMEN für die (vom Entwickler so eingeschätzt) KRITISCHEN Bereiche, in denen die Spieler (nach Einschätzung des Entwicklers) die UNTERSTÜTZUNG durch die Regeln benötigen. Unterstützung durch Regeln, damit das Spiel FAIR abläuft und keiner der Mitspieler in direkte Konflikte mit anderen Mitspielern gerät, sondern Konflikte nur innerhalb des Spiels nach den Regeln ausgetragen werden.


Regeln als Hilfe zum gemeinsamen Miteinander

Niemand möchte bei einer Unstimmigkeit, ob der eigene Charakter nun seinen Zauber erfolgreich anwenden kann oder nicht, erst einmal einen STREIT mit Spielleiter und Mitspielern austragen. - Daher sind in solchen Fällen die Regeln eine Unterstützung für das soziale Handeln innerhalb der Spiel-Gruppe.

Die Gruppen-Regeln (also die GESAMTHEIT aller in der Gruppe von den Mitgliedern als zulässiges Verhalten akzeptierten Verhaltensweisen eines Individuums) sind ja weit umfassender als die SPIEL-Regeln. - Die Spielregeln erlauben aber einen naturgemäß KONFLIKTREICHEN Teil der gemeinsamen Aktivität durch eine von allen gemeinschaftlich akzeptierte äußere Instanz, die Regeln, fair und ohne persönliche Streitigkeiten abzuwickeln.

Es gibt Spiele, auch Rollenspiele, wo es KEINE Regeln gibt. Und hier ist es dann die Gruppe ALLEIN, die als soziales Gefüge das Miteinander in der Spielrunde im "grünen Bereich" halten muß. - So bei Engel nach Arkana-"System", welches ja OHNE Regeln gespielt wird. Hier ist allein die "Gruppen-Chemie" ausschlagebend dafür, wie das Spiel abläuft und ob sich jemand entspannt engagieren kann oder übervorteilt und persönlich angegangen fühlt.


Einschränkungen der Spielfreiheit in Rollenspielregeln

Rollenspiel-Regeln DÜRFEN in MANCHEN Bereichen aus Gründen der Fairness die TOTALE Spielfreiheit eines einzelnen Spielers einschränken. Dabei bleibt aber immer noch ein unendlich großer Entscheidungsraum für jeden Spieler offen.

Das ist anders als bei z.B. Brettspielen, wo ALLE zulässigen Handlungen festgelegt sind, und somit alles, was NICHT als zulässig gilt, NICHT MÖGLICH ist.


Vollständigkeit der Regeln von Rollenspielen

Rollenspiele kommen NICHT mit dem Anspruch daher, ALLE ZULÄSSIGEN Handlungsmöglichkeiten eines Spielers VOLLSTÄNDIG in Regeln vordefiniert zu haben.

Das ist der Hauptunterschied auf der Regelseite zu anderen Gesellschaftsspielen, die eben einen für dieses Spiel vollständigen Satz an Handlungsmöglichkeiten und eine strikt vorgegebene Handlungsreihenfolge bzw. Optionsauswahl festlegen.


Abgrenzung zu anderen Spielformen über die Spielfreiheit des Spielers

Spielt man z.B. ein Spiel, in welchem man einen Charakter (als "Avatar" in einer Spielwelt) spielt, der Handlungen ausführen soll, und sind diese Handlungen nur  aus einer FESTEN, VORGEGEBENEN Liste auswählbar, dann ist es KEIN Rollenspiel, sondern eine andere Spielform. Sobald die SPIELFREIHEIT des Spielers auf einen festen, nicht mehr frei gestaltbaren Bereich durch Regelvorgaben eingeschränkt ist, spielt man kein Rollenspiel, sondern z.B. ein Abenteuerspielbuch wie Einsamer Wolf, ein Computerspiel, ein "Abenteuerspiel" (die von Ulisses geprägte Version eines Abenteuerspielbuchs mit Vorleser und Gruppenspielmöglichkeit), oder etwas anderes.

Das betrifft eine regelseitige Abgrenzung von Rollenspielen zu anderen Spielformen, die durchaus "rollenspielähnlich" aussehen können (siehe die Ulisses-Abenteuerspiele).


Andere Abgrenzungsansätze

Das Spielfeld - Rollenspiele verwenden KEIN festes, die GESAMTHEIT aller zulässigen Bewegungen, Regionen, usw. festschreibendes Spielfeld. Das Spielfeld "wandert", wird aufgrund der Spielfreiheit der Spieler immer wieder aufgebaut und neue Zonen ganz nach den Bedürfnissen der aktuellen Situation geschaffen.

Die Spielmaterialien - Ein Charakterbogen ist wie ein Spielbogen in einem Planspiel, wo Resourcen und Eigenschaften verwaltet werden. Manche Brettspiele wählen statt dessen Marker, Zählsteine, usw. Kartenspiele verwenden Karten mit Eigenschaften, die bei Aktivieren durch Positionieren markiert werden. - Und manche Rollenspiele verwenden solche Spielmaterialien auch. Da werden Wunden mit Glassteinen markiert, Glückspunkte mit Pokerchips, Munition mit einer verschiebbar markierten Skala, Powers mit Power-Cards usw. - Das sind jedoch nur Spielmaterialien, die neben einer gewissen haptischen Ansprache des Spielers reine Komfort-Funktion haben und eventuell noch Stimmungsträger sein können. Sie könnte man stets durch Strichlisten auf dem Charakterbogen ersetzen. Daher reichen solche vorgegebenen oder vorgeschlagenen Spielmaterialien nicht aus eine "Brettspieligkeit" zu diagnostizieren.

Das Konkurrenzverhalten - Spielen für den Sieg! - Es gibt einige wenige Brettspiele, in denen kooperatives Spiel "wie im Rollenspiel" vorgesehen ist. Bei den meisten gilt ein "free for all" - jeder gegen jeden. - Manche Rollenspiele heben ebenfalls auf dieses Konkurrenzverhalten der Charaktere gegeneinander ab (Paranoia). Manche sogar auf das Konkurrenzverhalten der SPIELER gegeneinander (AGON, 3:16). - Gerade die Rollenspiele, welche die SPIELER gegeneinander um den SIEG, um das GEWINNEN des Spiels antreten lassen, haben eine spürbare "gefühlte Brettspieligkeit". Es geht weniger darum einen Charakter als Rolle zu verkörpern, denn darum das Spiel zu GEWINNEN. Und das ist in den meisten, den typischen Rollenspielen nicht so üblich. Hier ist der Gewinn sehr UNKLAR beschrieben oder NICHT beschrieben.

Daher kurz festgehalten: Typischerweise haben Rollenspiele KEINE KLAREN Siegbedingungen.


Metagaming - Brettspiele spielt man AUSSCHLIESSLICH im Meta-Game-Bereich, während man bei Rollenspielen "in der Spielwelt" und damit "im Charakter" spielt und "DRUMHERUM", also Metagaming betreibt. Rollenspiele haben somit sozusagen zwei Spielebenen, bei denen sich die Art der Spieleraktivität auch deutlich unterscheidet. Innerhalb der Spielwelt-Ebene wird die Charakterdarstellung, die innere Plausibilität der Spielwelt und der Handlungen in dieser im Vordergrund betrieben. Außerhalb der Spielwelt, im Spiel "hinter dem Spielwelt-Spiel", werden die Regeln "ausgereizt", werden Überlegungen außerhalb des Plausibilitätsgefüges der Spielwelt vorgenommen, werden Eingriffe in die Spielwelt-Eigenschaften, die nicht aus den Handlungsergebnissen der Charaktere resultieren vorgenommen. Damit ist das Metagaming das "Regel-Spiel" und das "Spiel rund um das Spiel herum".
Sogenannte "Spielleiterlose Rollenspiele" sind eigentlich ja nicht existent, sondern es handelt sich um Spielformen, in denen JEDER Spieler die Aufgaben des Spielleiters zum Teil mitübernimmt, somit sind es Spielformen, in denen ALLE Spielenden Spielleiter sind. Meinem Eindruck nach ergeben sich in solchen Spielformen schnell "brettspielige" Spielweisen. Hier wird mehr "um das Spiel herum" mit den Regeln für die Fairness bei der Bemessung der Spielleiter-Eingriffsmöglichkeiten gespielt, als daß das "Spielwelt-Spiel" im Vordergrund stünde. Auch ohne Brett entwickelt sich eine Spieldynamik, die sehr "brettspielig" wirkt, weil eben ALLE möglichen Handlungen eines Spielers in der wichtigen, der entscheidenden Ebene, dem Metagaming, regeltechnisch festgelegt sind. Das ist - siehe oben im Beitrag - der bestimmende Unterschied von Rollenspieligkeit zu Brettspieligkeit: Rollenspiele haben eine absichtsvoll "unterspezifizierte und unterdefinierte" Spielhandlungsbreite. Diese wird ganz essentiell durch das Vorhandensein einer diese Breite gewährenden und sicherstellenden Instanz, dem Spielleiter, bedingt. Ohne einen dedizierten Spielleiter fällt die Spielfreiheit weg, wenn sie nicht durch ein entsprechend stark spezifizierendes und definierendes Regelwerk in Teilen gestützt werden kann.

Das Charakterspiel - Hier ist die Methode "Rollenspiel" als das Spielen der Rolle eines fiktiven Charakters, einer fiktiven Person in einer ebenso fiktiven Spielwelt das Kriterium. In Brettspielen hat man Spielfiguren, die aber nur ein MARKER für eine gewisse Positionierung im Spielfeld und im Spielgefüge darstellen, nicht jedoch eine Art "Alter Ego" des Spielers. Man identifiziert sich nicht mit Halma-Pöppeln und auch nicht mit abstrakteren Spielfiguren. Man kann jedoch durchaus Identifikation bei Tabletop-Wargames feststellen, wobei hier eher die "Rolle" des jeweiligen Kommandeurs "gespielt" wird, während man als Spieler die Konfliktsimulation auf der Platte durchführt.
Daher ist die in manchen Rollenspielen vorgenommene Bezeichnung der Charaktere als "Spielfiguren" außerordentlich unglücklich. Sie impliziert eine weit größere Distanz des Spielers zur gespielten Person, als sie typischerweise in Rollenspielen gewünscht ist.

 
Immersion, radikales "Ideal" als Kampfargument

Hier möchte ich kurz auf ein "Un-Wort" des Rollenspiels eingehen. - Immersion (Untertauchen).

Das Charakterspiel, die Darstellung dieser fiktiven Personen, kommt in einem unterschiedlich breiten Rahmen während des Gruppenspiels einer Spielsitzung vor. Spieler können problemlos im Laufe einer Sitzung in Sekundenbruchteilen in ihren Charakter schlüpfen, dort etwas überlegen, "in character" entscheiden, sofort wieder aus dem Charakter in die Regelebene gelangen und diese Entscheidung mit den korrekten Regelmechaniken umsetzen und wieder ganz raus aus dem Spiel in die Gruppeninteraktion als Spieler gehen und sich einen Scherz oder ein Prahlen über die coole Aktion erlauben, nur um sogleich wieder mitten im Charakter zu sein.

Kritiker der Verwendung von Spielmaterialien wie Markern, Karten, Bodenplänen unterschätzen generell die Fähigkeiten von Spielern zu diesen spontanen, schnellen "Ebenen-Wechseln".

Hier kommt oft ein ideologisch motivierter Anspruch auf, der "Gutes Rollenspiel (tm)" als ein Rollenspiel mit maximierter "Immersion (tm)" ansieht - beide (tm)-Begriffe sind diskussionsuntauglich, da es keinerlei Konsens auch nur bei zwei Personen gibt, was denn nun WIRKLICH "gutes Rollenspiel" und was "Immersion" sei.

Der Anspruch, der erhoben wird, geht davon aus, daß die Zeit, die ein Spieler "im Charakter zubringt", die eigentlich wertvollere Spielzeit sei. - Dabei wird außer Acht gelassen, daß die Motivations- und Spaß-Faktoren in solch komplexen Spielformen wie dem Pen&Paper-Rollenspiel längst nicht so eindimensional sind, wie es die Immersions-Forderer meinen. Man kann auch an unterhaltenden Spielmechaniken Spaß haben (und eine GUTE Spielmechanik sollte auch immer vom Entwickler unterhaltend konzipiert sein, statt mit langweiliger Abarbeitungsfrustration aufzuwarten).

Immersion kann daher keinesfalls als Abgrenzungs-Kriterium zu anderen Spielformen taugen.


Meine Abgrenzungssicht

Ist die Spielfreiheit sichergestellt, d.h. sind NICHT ALLE Handlungsmöglichkeiten der Spieler regeltechnisch festgeschrieben, dann hat man Regeln, die für ein Rollenspiel geeignet sind.
Die Spielfreiheit in einer Gruppe von Menschen kann nur von einer dieses sicherstellenden Instanz gewährleistet werden. Das ist der Spielleiter. Hat man eine Gruppe mit einem Gruppenführer, dem Spielleiter, und den Gruppenmitgliedern, den Spielern, dann ist diese Gruppe möglicherweise eine Rollenspiel-Gruppe.
Das Rollenspiel findet auf unterschiedlichen Ebenen statt - fehlt eine, so liegt kein Rollenspiel mehr vor. Das Spielwelt-Spiel ist die Ebene, in der das Charakterspiel stattfindet, das Regel-Spiel, das Metagaming, ist die Ebene, in der die spielerische Anwendung der Regelmechanik stattfindet. - Daneben gibt es in der Spielgruppe noch alle anderen Ebenen der sozialen Interaktion als Gruppe.

Liegt also SPIELFREIHEIT der Spieler vor, hat man einer Spielgruppe mit einem SPIELLEITER und spielt man sowohl das SPIELWELT-Spiel (und damit auch das CHARAKTER-Spiel) als auch das REGEL-Spiel, dann handelt es sich um ein Rollenspiel TYPISCHER Ausprägung.

Typische Ausprägung, weil es natürlich keine "harten" Kriterien sind, sondern sich die Spiele doch SEHR unterschiedlich präsentieren.

Was für MICH sicher KEIN Rollenspiel ist, das empfindet jemand anderes als normales Rollenspiel.
Wo ICH keinerlei Einschränkung der Eignung als Rollenspiel durch Miniaturen und Szenerie-Einsatz sehe, fühlt jemand anderes sich vom Rollenspiel in ein Tabletop-Wargame versetzt.

Daher hier noch einmal ganz klar: Das sind MEINE Abgrenzungen, die ICH vornehme, wenn ICH ein Spiel beurteile und es als Rollenspiel bezeichne.

Offline 1of3

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Da sind viele schöne Gedanken, die auch alle weitestgehend teile.

i) Rollenspiele haben als zentrales Element, das gemeinsame Erdenken einer fiktiven Welt, in der im Grunde alles passieren kann.

ii) Rollenspiele können Regelmechanismen benutzen, wie man sie von anderen Gesellschaftsspielen, insbesondere Brettespielen, kennt.

iii) Die Wichtigkeit dieser beiden Bereiche zueinander kann von Gruppe zu Gruppe, Spiel zu Spiel und - ganz wichtig - auch innerhalb der gleichen Spielsitzung variieren. Der Eindruck von "Brettspieligkeit" entsteht, wenn die Mechanismen Vorrang vor der Fiktion erhalten. Diese Umkehrung der beiden Elemente ist nicht notwendig als negativ aufzufassen.


@Zornhau: Wirklich schön ausgeführt. Man könnte vielleicht noch ergänzen, dass die fast vollständige Freiheit sich auf die Fiktion bezieht. Die regelseitigen Handlungsmöglichkeiten der Teilnehmer können durchaus als endlich gedacht werden.

Offline Merlin Emrys

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Oh schön, mal wieder ein Definitionsfaden! Da grabe ich doch gleich mal wieder aus, was ich schon einmal geschrieben hatte...

Aber vorweg: Gesellschaftsspiel ist eine Sammelkategorie für Brett-, Karten-, Würfel-, Rollen-, Geschicklichkeits- und noch andere Spiele. Brettspiele sind solche, bei denen das Spielbrett stark in das Spiel eingebunden ist; von daher wären für mich Spiele mit Bodenplänen und Spielfiguren die am ehesten geeignete Version, wie Rollenspiele mit Brettspielen zu fusionieren wären (und daher kommen die Rollenspiele ja wohl auch, insofern kann ich es nicht als Vorwurf sehen, wenn ein Rollenspiel Brettspielanteile hat, auch wenn es meinen Geschmack nicht trifft). Die Grenzen zwischen den einzelnen Spielkategorien sind mE ohnehin offen, da Spiele problemlos zu mehreren Kategorien gehören können, z.B. durch die Verwendung von Brett und Karten sowohl Brett- wie Kartenspiele sein können. Um eine Mehrfacheinordnung zu begründen, sollte allerdings ein Element nicht nur vorkommen (viele Brettspiele verwenden ja Würfel, ohne dadurch zu Würfelspielen zu werden), sondern einen eigenen, prominenten Anteil am Spielverlauf haben. Ein Beispiel für ein Spiel einer Mischform wäre für mich z.B. "Der Blaumilchkanal".

Notwendig sind für mich, um ein Spiel als Rollenspiel einzuordnen:
- Übernahme mindestens eines fest definierten Charakters in einer fiktiven Spielwelt aus einer (ebenfalls fiktiven) "ich"-Perspektive durch einen Spieler
- Existenz eines gemeinsamen Vorstellungsraums, auf den eingewirkt werden kann
- Existenz eines Regelwerks zur Interaktion der Spieler miteinander und mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum

In meinen Augen nicht notwendig, aber als Zusatzkriterien geeignet sind:
- es gibt einen Spieler mit besonderen Pflichten und Rechten, der die Interaktion moderiert (vulgo: Spielleiter)
- komplexe Umwelteinflüsse, die sich aus dem Vorstellungsraum ergeben, werden summarisch durch den Einsatz eines Zufallsgenerators (Würfel, Karten, ...) ins Spiel eingebunden
- der gemeinsame Vorstellungsraum entwickelt sich zumindest in Teilen geschichtlich fort
- ein Teil der Regeln, der sich auch auf die Interaktion zwischen den Charakteren oder mit der fiktiven Umwelt bezieht, liegt als geschriebener Text vor
- die Beteiligung geschieht als Spiel gemäß der Definition von Johan Huizinga: „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

Zum Punkt "Übernahme von Rollen": Für mich ist die strikte Zuordnung von mindestens einer Rolle zu einem Spieler eine wesentliche Bedingung des Rollenspiels. Ich ziehe damit die Grenzen enger als einige andere, die nur die Existenz von übernehmbaren Rollen fordern. Zur Festlegung der Rollen gehören z.B. Charakterblätter, aber auch Konventionen, die dafür sorgen, daß ein fiktiver Charakter wiedererkennbar ist.
Zum Punkt "Teilen der Vorstellung": Man kann, wie schon von anderen erwähnt, auch andere Spiele mit einer fiktiven Handlung unterlegen. Es ist dort meist aber nicht Teil der Regeln, diese Vorstellung zu kommunizieren. In dem Moment, wo dies geschieht, öffnet sich schon die Grenze zum Rollenspiel. Computerspiele sind insofern keine Rollenspiele, als die fiktive Umgebung in ihrem Fall nicht von den Spielern gemeinsam geschaffen wird, sondern durch das Spiel vorgegeben ist. In dem Moment, in dem die Spieler beim Computerspiel die Umgebung selbst formen, würde allerdings auch dort die Grenze sich öffnen. Eine andere Grenzöffnung ergibt sich da, wo ein Spieler für sich allein Rollenspiel betreibt, was ich solange als Rollenspiel bezeichnen würde, wo es sich vom Gruppenrollenspiel in der "Durchführung" nicht wesentlich unterscheidet. Ja, das ist schwammig, ich weiß. Aber ich glaube, das gehört beim Spiel dazu, daß es offen sein kann und damit eben nicht exakt eingrenzbar.

Offline Captain

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Zornhau hat es ziemlich gut ausgedrückt. "Brettspielig" als Kampfbegriff für die Abgrenzung der eigenen Spielweise gegenüber anderen, als minderwetiger empfundenen, ist ein direkter Vorwurf. Ist nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein daß sowas aufkommt. Geschmäcker sind nunmal verschieden.
Wenn man mal versucht den "vorwurf" als solchen von dem Begriff runterzunehmen und betrachtet was die Leute hier so alles assoziieren, ist eigentlich gut zu erkennen, daß hier eine wettbewerbsorientierte Spielweise gemeint ist, die gerne auch mit Battlemap darstellerisch umgesetzt wird. Einen Begriff dafür muß man eigentlich gar nicht mehr abklären, denn den gibts schon. Das ist das, was Ron Edwards als Gamism bezeichnet hat.

Wo die Grenze zwischen Rollenspiel und Brettspiel nun genau verläuft, ist wohl eine subjektive Frage. Für den einen sind Heroquest, Jon Sinclair u.ä. schon Rollenspiele, für den anderen sinds klar Brettspiele. Faktisch sinds Derivate aus beiden Welten. Und ich glaube die Grenze wird in den nächsten Jahren noch viel stärker verschwimmen.
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Offline carthinius

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@Zornhau & 1of3:
Schöne Sachen dabei, denen ich größtenteils zustimme und die ich vermutlich nicht so hätte (be)schreiben können. Danke dafür!  :d
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Offline Teylen

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Wenn man mal versucht den "vorwurf" als solchen von dem Begriff runterzunehmen und betrachtet was die Leute hier so alles assoziieren, ist eigentlich gut zu erkennen, daß hier eine wettbewerbsorientierte Spielweise gemeint ist, die gerne auch mit Battlemap darstellerisch umgesetzt wird.
Nicht unbedingt.
Spiele wie u.A. Pandemie werden auch als Brettspiele bezeichnet obwohl sie kooperativ sind.

Imho zeichnen sich Brettspiele durch ein vollstaendig geschlossenes Regelset aus das primaere konkrete mechanische Handlungsweisen beschreibt / ermoeglicht. Insofern halte ich fast alle PC RPG Spiele fuer brettspielig bzw. elektronische Brettspiele.
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Wulfhelm

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Das lässt den Umkehrschluss zu, dass es für Rollenspiele gar nicht das Ziel sein darf, eindeutige Regeln zu haben,
wenn genau das ein Rollenspiel von den anderen Spielen abhebt?
Allgemein: Präskriptive Definitionen halte ich hier eher nicht für sinnvoll. Was Rollenspiele dürfen oder sollen, ist nicht so interessant wie das, was sie sind.
Ein, ich sage es mal mit aller gebotenen Vorsicht, "pures" Rollenspiel hätte in der Tat keine eindeutigen Regeln. Das kennt man vielleicht unter Begriffen wie "freies Rollenspiel" oder eben auch "regelloses Rollenspiel". In Wirklichkeit hat natürlich auch ein solches Spiel Regeln, aber eben keine eindeutigen.
Die meisten Rollenspiele haben eben auch "brettspielige" Elemente. Ein "brettspieliges" Element ist oft - aber keinesfalls immer - der Kampf. Bei den Regeln für diese Elemente ist natürlich - wie bei Brettspielen üblich - Eindeutigkeit der Normalfall.
Das Alleinstellungsmerkmal von Rollenspielen ist aber in der Tat, dass der spielinterne Handlungsrahmen nicht ausschließlich, oft sogar nur in eher geringem Maße, von eindeutigen Regeln eingeschränkt wird. Es gibt auch einige andere Spiele, bei denen das so ist, und die klassischerweise nicht als Rollenspiele bezeichnet werden - Diplomacy zum Beispiel - aber die ähneln in den relevanten Elementen Rollenspielen doch sehr.
« Letzte Änderung: 25.11.2010 | 12:59 von Wulfhelm »

Offline Tudor the Traveller

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Ein, ich sage es mal mit aller gebotenen Vorsicht, "pures" Rollenspiel hätte in der Tat keine eindeutigen Regeln. Das kennt man vielleicht unter Begriffen wie "freies Rollenspiel" oder eben auch "regelloses Rollenspiel". In Wirklichkeit hat natürlich auch ein solches Spiel Regeln, aber eben keine eindeutigen.

Sehe ich nicht so. Der Simulationsanteil, den jedes Rollenspiel hat, weil es eben eine Spielwelt abbilden will, braucht möglichst eindeutige Regeln, weil die Simulation sonst eben auch uneindeutig wird. Ich sags mal so: Wenn Schwerkraft Teil der Rollenspielrealität ist, und die wenig eindeutigen Regeln dazu führen, dass ein Stein mal nach unten fällt und mal nach oben, läuft was falsch.
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"Da ist es mit dem Klima und der Umweltzerstörung nämlich wie mit Corona: Wenn man zu lange wartet, ist es einfach zu spät. Dann ist die Katastrophe da."

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Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
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