Pen & Paper - Spielsysteme > Fate
FATE Smalltalk
nobody@home:
--- Zitat von: Marduk am 21.02.2022 | 14:14 ---Fate ist KEIN Regelleichtgewicht, sondern (für manche) überraschend crunching. Ich würde es eher in die Mittelgewichtsklasse stecken.
Hinzu kommt halt dann auch noch, daß es mit einigen Paradigmen des klassischen Rollenspiels bricht und es daher für alteingesessene Rollenspieler schwerer zu verdauen ist.
--- Ende Zitat ---
Kommt in etwa hin, würde ich sagen. Fate ist spätestens seit Core insoweit "leichter" als viele gängige Systeme, als es nicht mit allen möglichen bitteschön auswendig zu lernenden Sonderregeln für N+1 Spezialfälle und -situationen aufwartet. Dafür sind aber die vorhandenen Kernelemente auf oft nicht unmittelbar offensichtliche Weise komplexer als anderswo; schon eine "einfache" Überwinden-Aktion mit allen potentiellen Schikanen wie möglichem offiziellem Gleichstand beim Wurf (einem Ergebnis, das andere Systeme so in der Regel gar nicht erst produzieren), Erfolg mit mehr oder weniger großem Haken und dergleichen ist schon substantiell "mehr" und braucht ggf. mehr Hirnschmalz beim Interpretieren des Ergebnisses als ein simpel-binärer Erfolg-oder-Fehlschlagswurf, wie ihn viele andere Systeme immer noch standardmäßig in denselben Situationen verwenden würden...und ja, das ist schon eine Umgewöhnung, wenn man von denen her kommt.
Variety:
--- Zitat von: Marduk am 21.02.2022 | 14:14 ---Fate ist KEIN Regelleichtgewicht, sondern (für manche) überraschend crunching. Ich würde es eher in die Mittelgewichtsklasse stecken.
--- Ende Zitat ---
Das ist etwas aus dem Kontext gerissen. "Fate ist ein Regelleichtgewicht (...), wenn man es beherrscht ".
Regelleichtgewichte sind für mich solche Systeme, bei denen ich in situ irgendwann nicht mehr nachschlagen brauche. Nicht, weil ich 95% der Regeln ignorieren würde, sondern weil ich sie aus dem FF kenne. Regelschwergewichte sind solche Systeme, bei denen ich immer wieder Sonderdetails, Feats, Reiterkampf, Manöver und Zusatzmodule aus weiteren Crunch-Büchern nachschlagen muss, weil die Datenmenge meine Hirnkapazität übersteigt.
aikar:
--- Zitat von: Variety am 21.02.2022 | 14:34 ---Umlernen ist das Stichwort. Ich denke, wenn man seine erste RPG-Berührung mit Fate oder vergleichbaren Spielen hatte, kommt man viel schneller in den Modus.
--- Ende Zitat ---
Dachte ich früher auch, aber ich bin mir da nicht mehr sicher. Anfänger verstehen FATE nicht wirklich besser oder intuitiver, sondern sie akzeptieren es einfach als Teil der neuen Erfahrung Pen & Paper Rollenspiel und vertrauen sicher auch mehr darauf, dass ihnen der Spielleiter schon sagt, was sie tun müssen.
Das funktioniert, ist aber eigentlich genauso ein falscher Zugang zu FATE, weil die Spieler die Freiheit, als Spieler die Geschichte mit zu gestalten und den Reiz daran, auch die Probleme ihrer Charaktere auszuspielen ebenso (noch) nicht verinnerlicht haben.
Ich denke inzwischen FATE ist easy to learn, hard to master. Man kommt sehr schnell soweit, dass man spielen kann. Aber es dauert, bis man verstanden hat, wo FATE seine wirklichen Stärken hat und wie man mit diesen umgeht.
Erfahrene Rollenspieler haben vom ersten Punkt nichts, sie wissen ja, wie Rollenspiele funktionieren. Sie werden also gleich mit dem Sprung auf die zweite Stufe konfrontiert und der ist hart.
Evtl. braucht es sowas wie eine FATE-Bibel, angelehnt an die Heftchen, die die OSR-Szene so ausspuckt. Ich glaube, ich werde mich mal an so was versuchen.
tannjew:
Ich hatte ein ähnliches Thema mit Dungeon World (weit bevor es die deutsche Ausgabe gab). Erst nach der Lektüre des Dungeon World Guides habe ich so richtig verstanden, was dieses PbtA von mir will ;D
Variety:
--- Zitat von: aikar am 21.02.2022 | 15:02 ---Erfahrene Rollenspieler haben vom ersten Punkt nichts, sie wissen ja, wie Rollenspiele funktionieren. Sie werden also gleich mit dem Sprung auf die zweite Stufe konfrontiert und der ist hart.
--- Ende Zitat ---
Kann bei allem mitgehen was du sagst, aber hier würde ich einhaken, denn meiner Meinung stolpern erfahrene Spieler eben doch über Punkt 1. Zum "Wie RPG funktioniert" gehören für mich nämlich nicht nur die weichen Faktoren wie Kommunikation sondern auch die Tatsache, dass es Regeln gibt und wie sie angewendet werden. Dabei meine ich nicht einmal konkrete Regeln sondern die Art und Weise, wie Regeln an sich verwendet werden.
Beispiel 1: Das "Fiction first!" von Fate – d.h. die Regeln kommen erst im zweiten Schritt und dienen nur der Resolution – ist ja genau umgekehrt zu dem, wie ich es einst gelernt habe: Zuerst kam immer die Regel, und die hat man dann erzählerisch interpretiert. "Ich greife mit dem Manöver Wuchtschlag an" statt "Ich versuche ihn mit einem Wuchtschlag aus der Balance zu bringen. Welche Regel wäre das?" Oft war auch schon bei der Regel Schluss und man bewegte sich in einem formalen Rahmen (dem Subsystem des Kampfes, dem Subsystem der Magie, ...). Fate geht ja sogar noch weiter und definiert über die Regel das Pacing der Spielsitzung ("Ist dieser Kampf nur eine Überwinden-Probe, eher eine Herausforderung oder ein ausgewachsener Konflikt?").
Beispiel 2: Und auch der Mechanismus des Reizens war völlig unbekannt. Es gab nur binär die "Spielleiter-Willkür" oder "ein Geschehen wirklich anhand der Regeln herbeigewürfelt"; nichts dazwischen. Das Reizen bei Fate ist hier ein sowohl als auch: Es ist eine harte Regelmechanik, aber ihre Bedingungen und Konsequenzen sind rein kommunikativ und geschehen ohne zu würfeln.
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