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FATE Smalltalk

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Variety:

--- Zitat von: Jiba am 29.03.2022 | 12:18 ---(Und im experimentellen Bereich wenden einige Fate-Fans durchaus die Frage im Hirn herum, ob man eigentlich Fatepunkte braucht.  8])
--- Ende Zitat ---

Das hat mich zu der Frage angeregt, wie in einem Fate-Spiel ohne Fate-Punkte noch zwischen einem Erfolg mit großem Haken und einem ereignisbasierten Reizen unterschieden werden kann.

Ist der Unterschied zwischen einem Erfolg mit großem Haken und einem ereignisbasierten Reizen denn nicht derjenige, dass ich beim Erfolg mit großem Haken zumindest einen Teilerfolg einfahre, während ich beim Reizen als Ereignis den Fate-Punkt abgreifen kann? Unabhängig davon, dass sich das eine durchs Würfeln ergibt und das andere durchs Erzählen.

Anscheinend ist der gewonnene Fate-Punkt die Entschädigung dafür, dass ich die Komplikation hingenommen habe ohne auf eine Chance zu würfeln, mit ganzem Erfolg durch die Situation zu kommen. Umgekehrt muss ich beim Erfolg mit großem Haken die Komplikationen erdulden (die ich auch durch das ereignisbasierte Reizen hätte) ohne einen Fate-Punkt ausgezahlt zu bekommen, weil ich ja die Chance hatte, zu würfeln und mit einem besseren Ergebnis – ggf. durch Einsatz von Spielressourcen wie Fate-Punkten – nach Hause zu gehen.

Es könnte also aus taktischen Gründen (Durchrechnen der eigenen Möglichkeiten) sinnvoller sein, lieber gleich ins Reizen zu gehen und einen Fate-Punkt einzusacken statt auf treudoof zu würfeln und mit enormer Wahrscheinlichkeit einen Erfolg mit großem Haken herauszuholen, der mir die Komplikation des Reizens gibt aber ohne den entschädigenden Fate-Punkt.
Was z.B. auch heißt, dass es sich in diesem Fall lohnen würde, lieber gleich auf ganzer Linie zu scheitern (also die andere Option des Fehlschlages) als den Erfolg mit großem Haken zu wählen.

Wie sähe das aus in einem Fate ohne Fate-Punkte? Das ereignisbasierte Reizen würde in obigen Situationen wegfallen und man würde per se würfeln, da man a) die Chance behält, einen tatsächlichen Erfolg zu erspielen bzw. mindestens einen Teilerfolg zu haben und b) man auf keinen Spielressourcenzuwachs (Fate-Punkt qua Reizen) verzichtet, denn die Spielressource ist grundsätzlich aus dem Spiel. Und als SL müsste man sich beim Erfolg mit großem Haken sicherlich auf die "paar weiteren Optionen" (Fate Core, S. 198) beschränken.

Wie wird dann in einem Fate-Punkte-losen Fate der Druck auf die Spieler erzeugt, der sie dazu zwingt, stets abzuwägen, ob ihnen eine Aktion das Risiko und den Einsatz wert ist?

Slokmig:
Eine sehr interessante Fragestellung! Ich habe hier vor längerer Zeit auch mal eine Diskussion gestartet, die sich auf die Fate-Punkte-Ökonomie bezog. Und da zeichnete sich ein deutliches Bild ab, dass das selten so funktioniert, wie es im Regelwerk beschrieben ist. Kann man anpassen, beispielsweise durch Verwendung von Erholungsszenen anstatt automatischer Erholung nach jeder Sitzung (wenn es denn überhaupt als störend empfunden wird!!), aber komplett ohne Fate-Punkte (FP) zu spielen...hmm...

Es wurde mal im FateCast erörtert, was denn überhaupt Fate zu Fate macht, und es wurde hierzu der kleinste gemeinsame Nenner in zahlreichen Fate-Erscheinungen gesucht bzw. diskutiert.
(https://faterpg.de/2019/08/fatecast-folge-55-fate-ist-nicht-gleich-fate-oder/  -- ab Minute 27 circa)
Hier war das zentrale Element die Aspekte, und darauf aufbauend die Fate-Punkte. Wenn man sich somit Gedanken über ein Fate ohne FP machen würde, müsste man meiner Meinung nach erst einmal darüber nachdenken, wie die Aspekte denn ohne FP "mechanisch" funktionieren sollen. Das erzählerische Element der Aspekte ist ja klar, dass ist der reine Inhalt des Aspekts. Aber ohne entsprechende Fate-Punkte-Mechanik im Hintergrund wird eine angepasste Formulierung der Aspekte, dass sie "mechanisch" auch benutzt werden können, überflüssig. Was dazu führen würde, dass man einfach eine normale Textbeschreibung seines Charakters hernehmen könnte, da Aspekte dann nur noch ihre Aufgabe der Erzählung erfüllen würden. Und DANN wären wir in fast schon im reinen Erzählspiel, je nachdem ob man dann die Fertigkeiten/Methoden/whatever benutzt...

Ich persönlich kam dann zu den Schluss: Wenn ich die Fate-Punkte entfernen würde, dann kann ich auch gleich ein anderes Regelwerk hernehmen. Darüber kann man streiten (wie immer bei Fragen des eigenen Geschmacks  ;)), aber dann gibt es genug andere Systeme die auch sehr gut ohne Aspekte & Fate-Punkte auskommen, und trotzdem eine spannende Erzählung ermöglichen.

Bei deiner Unterscheidung zwischen "Erfolg mit großen Haken" und "ereignisbasierten Reizen" hast du die Unterschiede sehr gut herausgearbeitet. Ich möchte aber auf eine Formulierung von dir hindeuten:

--- Zitat von: Variety am 31.03.2022 | 01:09 ---Es könnte also aus taktischen Gründen (Durchrechnen der eigenen Möglichkeiten) sinnvoller sein, lieber gleich ins Reizen zu gehen und einen Fate-Punkt einzusacken statt auf treudoof zu würfeln und mit enormer Wahrscheinlichkeit einen Erfolg mit großem Haken herauszuholen, der mir die Komplikation des Reizens gibt aber ohne den entschädigenden Fate-Punkt.
Was z.B. auch heißt, dass es sich in diesem Fall lohnen würde, lieber gleich auf ganzer Linie zu scheitern (also die andere Option des Fehlschlages) als den Erfolg mit großem Haken zu wählen.

--- Ende Zitat ---

"...aus taktischen Gründen (Durchrechnen der eigenen Möglichkeiten)..." finde ich (auch wieder nur MEINE Meinung, Geschmäcker undso) widerspricht etwas der Designphilosophie von Fate (goldene Regel bzw. "Erst Fiktion, dann Regeln!"). Du hast recht, wenn ich die Wahl habe, dann wäre das Reizen sicher ergiebiger. Aber ich überlege gerade, in welcher Fiktion/Situation in-game man vor genau diese Wahl gestellt wird, und es auch fiktiv schlüssig argumentiert werden kann.

aikar:

--- Zitat von: Variety am 31.03.2022 | 01:09 ---Ist der Unterschied zwischen einem Erfolg mit großem Haken und einem ereignisbasierten Reizen denn nicht derjenige, dass ich beim Erfolg mit großem Haken zumindest einen Teilerfolg einfahre, während ich beim Reizen als Ereignis den Fate-Punkt abgreifen kann? Unabhängig davon, dass sich das eine durchs Würfeln ergibt und das andere durchs Erzählen.

Anscheinend ist der gewonnene Fate-Punkt die Entschädigung dafür, dass ich die Komplikation hingenommen habe ohne auf eine Chance zu würfeln, mit ganzem Erfolg durch die Situation zu kommen. Umgekehrt muss ich beim Erfolg mit großem Haken die Komplikationen erdulden (die ich auch durch das ereignisbasierte Reizen hätte) ohne einen Fate-Punkt ausgezahlt zu bekommen, weil ich ja die Chance hatte, zu würfeln und mit einem besseren Ergebnis – ggf. durch Einsatz von Spielressourcen wie Fate-Punkten – nach Hause zu gehen.

Es könnte also aus taktischen Gründen (Durchrechnen der eigenen Möglichkeiten) sinnvoller sein, lieber gleich ins Reizen zu gehen und einen Fate-Punkt einzusacken statt auf treudoof zu würfeln und mit enormer Wahrscheinlichkeit einen Erfolg mit großem Haken herauszuholen, der mir die Komplikation des Reizens gibt aber ohne den entschädigenden Fate-Punkt.
Was z.B. auch heißt, dass es sich in diesem Fall lohnen würde, lieber gleich auf ganzer Linie zu scheitern (also die andere Option des Fehlschlages) als den Erfolg mit großem Haken zu wählen.
--- Ende Zitat ---
Ich glaube der Fehler hier (und den habe ich gerade zu Anfang bei FATE häufig gemacht und es ist ziemlich leicht, da rein zu tappen) ist, den Effekt von Haken oder Fehlschlag mit dem Effekt von Reizen gleich zu setzen.
Ich sollte nicht Reizen nur um einen Wurf zu "verhindern", der kaum Auswirkungen hat. Für so was gibt es Feindliches Einsetzen (Also den Aspekt des SCs für einen Bonus der SL zu nutzen).
Ich reize, um die Situation stark zu verändern oder einen Charakter zu einer Handlung zu bringen.

Wörtlich aus Fate Kompakt "Wenn du ein Reizen anbietest, sorge dafür, dass die Komplikation eine Handlungsoption oder eine große Veränderung der Umstände ist, keine Verweigerung von Möglichkeiten." Auf Seite 39 Fate Kompakt gibt es da auch nochmal eine ausführliche Erklärung dazu.
Zusätzlich gilt ja auch die Regelung (die ich leider auch nach Jahren des Spielleitens immer wieder vergesse): Lass nur Würfeln, wenn es darauf ankommt. Dein "taktisches Durchrechnen" geht nur dann auf, wenn es mir eigentlich egal ist, ob ich das Ziel erreiche. Wenn das Ziel mir aber wichtig ist und ich es potentiell zumindst mit einem Haken erreichen kann, schaut die Sache schon wieder anders aus. Der Haken darf niemals das Erreichen des Ziels negieren. Sonst ist es kein Haken, sondern ein Fehlschlag.


--- Zitat von: Variety am 31.03.2022 | 01:09 ---Wie sähe das aus in einem Fate ohne Fate-Punkte? Das ereignisbasierte Reizen würde in obigen Situationen wegfallen und man würde per se würfeln, da man a) die Chance behält, einen tatsächlichen Erfolg zu erspielen bzw. mindestens einen Teilerfolg zu haben und b) man auf keinen Spielressourcenzuwachs (Fate-Punkt qua Reizen) verzichtet, denn die Spielressource ist grundsätzlich aus dem Spiel. Und als SL müsste man sich beim Erfolg mit großem Haken sicherlich auf die "paar weiteren Optionen" (Fate Core, S. 198) beschränken.
--- Ende Zitat ---
Das klingt für mich dann schon stark nach PbtA mit seiner fixen Voller Erfolg - Teilerfolg mit Haken - Spielleiter ist am Zug - Regelung.

Ich schließe mich da der Ansicht an, die Kernmechanismen von Fate sind Aspekte und Fate-Punkte. Klar kann man eines oder beides davon weg lassen, aber es wäre dann nicht mehr Fate.

Nebenbemerkung: Es ist interessant, dass die Leute immer wieder über das Weglassen der Fate-Punkte sprechen, die sind für mich im Spiel aber selten der große Aufwand (und es haben ja auch andere Systeme Schicksalspunkte, Bennies, etc.). Der Aufwand der mich bei Fate manchmal tatsächlich nervt sind Situationsaspekte und Schübe, die meist zu einer großen Ansammlung an Notizzetteln am Tisch führen.

Haukrinn:
Spannend, ich würde Fate-Punkte nicht unbedingt als den zentralen Aspekt sehen (und ich habe schon reichlich runden gespielt, in denen Fate-Punkte keine nennenswerte Rolle gespielt haben und Aspekte ebenfalls nur bedingt zum Tragen kamen - war trotzdem extrem fatig).

Der ist für mich ganz das Fate-Fraktal, also insb. alles ist ein Charakter.

nobody@home:

--- Zitat von: aikar am 31.03.2022 | 07:47 ---Nebenbemerkung: Es ist interessant, dass die Leute immer wieder über das Weglassen der Fate-Punkte sprechen, die sind für mich im Spiel aber selten der große Aufwand (und es haben ja auch andere Systeme Schicksalspunkte, Bennies, etc.). Der Aufwand der mich bei Fate manchmal tatsächlich nervt sind Situationsaspekte und Schübe, die meist zu einer großen Ansammlung an Notizzetteln am Tisch führen.
--- Ende Zitat ---

Wobei dann ja noch hinzukäme: wenn ich nur die Fate-Punkte selbst streichen wollte, die diversen Methoden, freie Aspekteinsätze und Schübe einzuheimsen, aber nicht, dann wäre das ja einerseits gewissermaßen nur die halbe Miete (denn mit den beiden letzteren hätte ich ja "so was fast wie Fate-Punkte" offensichtlich immer noch im Spiel) -- andererseits dürfte es im Gebälk dann aber doch verdächtig zu knacksen anfangen, wenn ich die auch noch herausnehmen wollte, denn Fate basiert nun mal stark auf der Verwendung solcher sich verbrauchender Einmaleffekte und vermeidet im Gegenzug (und angesichts seiner speziellen Würfel- und Werteskala mMn auch aus gutem Grund) weitgehend statische Situationsboni und -mali. Da würde ich dann also schon zumindest sehr in der Nähe des mechanischen Kerns von Fate herumhacken.

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