Autor Thema: [Savage Worlds] Savage Shadowrun. Nie mehr Schnarchen in den Schatten.  (Gelesen 2187 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Falcon

  • HvD
  • Titan
  • *********
  • Raise Your DICE !
  • Beiträge: 12.009
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tiamat
Im Großen und Ganzen erfolgreich lief unsere Savage Worlds Shadowrunkampagne an, die ich leiten werde. Für mich war das seit 7 Jahren eine unerwartete Rückkeher in die Schatten und nach ca. 1 1/2 Jahren zurück zu Savage Worlds.
Ich möchte vor allem von der Spielerfahrung mit SW Neulingen und der Umsetzung von SR auf SW auf Basis der Savage Run Konvertierung von Rinas unstrukturiert aus dem Nähkästchen erzählen.
Kurzversion: SW+SR, eine explosive Kombination, die sich gewaschen hat.



Wir spielen mehr oder weniger in der Shadowrun 4 Welt 2070. Wir haben uns auf eine Ganger/Organized Crime Kampagne in den Strassen von Seattle geeinigt. Der unkomplizierte Aufhänger der Kamapgne ist, daß die Charaktere noch aus Schulzeiten gute Freunde sind, sich aber seit ~10 Jahren aus den Augen verloren haben, bis einer ihrer Freunde (ein NSC) sich bei ihnen mit einem Problem zurück meldet. Und natürlich geht es um seine Familie.
Für die wöchentlichen Spielabende bleiben uns jedes Mal nur ca. 2 1/2 Stunden, was natürlich wieder spezielle Ansprüche an die Abenteuer stellt. Ich habe daher vor, es schnell und einfach und klischeebeladen, mit vielen Szenen und Ortswechseln umzusetzen.

Meine drei Spieler führen,

- einen fiesen, rücksichtslosen Ork Ex-Ganger Drohnenrigger, der sich an einer feindlichen Gang rächen will (naturally). Er ist der einzige Charakter mit Cyberware
- einen Mensch Ki-Adepten, der sich auf Fernkampf spezialisiert hat (Gun Kata?), ein Draufgänger mit gutem Herzen
- einen Mensch Magier, der sich aus körperlichen Konflikten heraushält, sich auch kaum verteidigen kann und auf Schutzmagie ausgerichtet ist. Er ist ausserdem das "Face" der Clique.

Die Charaktere sind im Grunde noch Grundgerüste und werden, so hoffe ich, noch ausgebaut.

Savage Worlds und die Neulinge:
Die Vorbehalte gegen einen Austausch der Shadowrunregeln gegen etwas "anderes" waren und sind erwartungsgemäß groß. Es gab auch Bedenken wegen des Lernaufwands für ein neues System (worüber ich zugegeben nur müde lächeln konnte). Und die Savage Worlds Umsetzung kann man erwartungsgemäß als "stripped version" von SR bezeichnen, wenn man es mit den detaillierten Wertespannen von SR vergleicht. Ein Culture Clash war also vorprogrammiert. Jedoch finden sich viele Elemente wieder, die einfach prädestiniert für eine SW Verregelung sind.
Karma findet sich in den Bennies wieder, der Wundenmonitor findet sich in den Wundstufen von SW wieder, sogar das Hochwürfeln wird 1:1 durch die explodierenden Würfel abgebildet und selbst Dinge wie Manadrain, Geisterbeschwörung oder Rigging ergeben sich quasi logisch und instantan aus den Regeln. All das wurde auch von der Savage Run Konvertierung berücksichtigt, mit der ich bislang sehr zufrieden bin (die unvermeidbaren Anpassungen mal ausgenommen). Da die Konvertierung noch keine Finalversion ist, sind selbstredend einige Lücken aufgefallen. Das Matrixsystem wirkt unvollständig, ebenso die Fahrzeugregeln und bei einzelnen Cyberwareumsetzungen fehlt es an Flair der Shadowrunwelt. Das sind Dinge, die selbstständig aufgefüllt werden mussten und noch müssen. Ausserdem ist uns aufgefallen, daß die Verfolgungsjagdregeln nicht vorsehen sich zurück fallen zu lassen. Ich bin als SL einfach davon ausgegangen, daß man sich in seiner Runde beliebig weit zurückfallen lassen kann.

Die Konvertierung verwendet Cyberware ausserdem als Ausrüstung und nicht, wie von einigen Savages gefordert und erwartet, aus den Talenten oder magischen Mächten -  und dafür bin ich sehr dankbar. Kombiniert mit dem tödlichen aber actionreichen Ansatz der Regeln für mich eigentlich der nächste logische Schritt der Evolution im Shadowrunrollenspiel.

Die Spielrunde ist HÖCHST heterogen, und wie üblich bekräftigen sich meine Annahmen, wenn es um Spieler mit "klassischem Rollenspielhintergrund" geht. Hier zeigt sich wieder, daß SW KEIN System für Spieler ist, die bereits Rollenspiel "erfahrung" haben. Hier traten schon Probleme bei einfachen Proben auf, so war das ganze Konzept der Würfelstufen teilweise ein Buch mit sieben Siegeln ("Wie? Stufe2 ist W6. 2? 6? und 3 ist 8? Und ich schreibe hier jetzt W6 hin? Hilfe").
Ich war zwar darauf vorbereitet, habe das in dem Ausmaß aber noch nicht erlebt. Die äusserst zuvorkommende Art und Weise meiner Spieler (doppelplusgut!) glich das aber wieder aus. Ich beschloss mich dann auf "show, don't tell" zu verlagern, was auch wesentlich besser funktionierte. Was jetzt noch nur noch fehlt, ist daß sich die Spieler mit dem Spielfluss der Regeln vertraut machen müssen.

Das Abenteuer:
Die Handlung kann ich hier nicht verraten aber im Grunde ist sie auch nur ein Ansatzpunkt, um in das Spiel zu kommen.
Ein ehemaliger Freund meldet sich per Commlink bei den Runnern und bittet sie um Hilfe und ein Treffen in "ihrem alten Versteck". Das Telefongespräch wird (natürlich) von Pistolenschüssen unterbrochen. Das Versteck war ein verlassenes, amerikanisches 1 Familien Papierhaus in den heruntergekommenen Suburbs von Renton. Dort hatte sich ihr Freund einen kleinen Hacker Panic Room eingerichtet, in dem die Spieler Hintergründe zum Problem ihres Freundes finden konnten. Das Haus hatte der Hacker mit einfachen Überwachungsmaßnahmen geschützt.
Probleme tauchten in der Gestalt zweier Ganger vor Ort auf, die den Auftrag hatten den Panic Room zu knacken. Die Hinweise führten die Runner zu einer alten Fischfabrik im Tacoma Hafen.

Ich hatte dazu ein kleines Handout mit Fotographien und GoogleEarth Bildern von Seattle gebastelt, das man in dem Panic Room finden konnt. Reichlich unnötige Arbeit, wie sich zeigte (siehe Probleme, unten). Habe ich schon erwähnt, daß ich GoogleEarth in Realweltsettings liebe? Das werde ich auch weiterhin nutzen.

Die Szenen:
Der Einstieg war kurz und schmerzlos und die Charaktere waren "im Abenteuer". Das war aber auch mehr oder weniger so abgesprochen. Auch ein Rückruf auf das Commlink des Freundes brachte nur eine tote Leitung. Angekommen am verlassenen Haus wollte ich die Spieler mit den Proben vertraut machen (Schleichen, Wahrnehmen usw.) und direkt mit Widersprüchen überraschen (Sicherheitskameras in einer Hausruine?). Die Spieler konnten sich mit ihren Fertigkeiten etwas austoben (scouten mit Drohnen, astrales Projizieren). Im Keller warteten dann die Ganger, die an dem Panic Room herumwerkelten. Die beiden wurden schnell und effektiv überwältigt. Alle Achtung, daß die Spieler einen schnellen Plan gefasst und durchgezogen haben. Der Drohnenrigger steuerte eine kugelförmige Flashbangdrohne in den Keller und der Adept war zur Stelle um den ersten, angeschlagenen Ganger umzunieten.
Allerdings gab es HIER schon einen Toten und ein Ingamekonflikt zwischen den Charakteren. Eine Situation, die den Schatten auf folgende Spielprobleme werfen sollte. Der lebende Trollganger wurde ausgequetscht (unser Magier ist recht gut im Einschüchtern) und schwupps kannten die Spieler den nächsten Plotpoint.
Zwischenzeitlich meldeten sich die Entführer ihres Kumpels über dessen Commlink bei den Runnern. Diesen Anruf nutzten die Entführer, um die Runner zu lokalisieren. Mr.Magier konnte zwar effektiv die "ich hatte mich verwählt"- Masche durchziehen, allerdings wussten die Entführer dort bereits, daß sich diese beim Versteck des Freundes befanden.
Unser Ork-ich mach alles platt- Spieler kam dann auf die spontane Idee das Haus abzufackeln (aah... jo).

Bei der Abfahrt trat dann die Unterstützung der Ganger auf den Plan, eine Motocrossräderkolonne mit MPs bewaffnet. Es sollte natürlich eine coole Verfolgungsjagd auf den Autowrackübersäten Squatterstrassen folgen. Natürlich aus reinen Demonstrationszwecken. Leider hatte ich die Wild Card Fähigkeiten mal wieder unterschätzt. Nach einem Schockzauber und einem Rempler unseres Ork Riggers waren die 4 schwarz behelmten Motorradfahrer hinüber. Zwei Runden und 7 Minuten Spielzeit. Memo an mich selbst: Mehr Extras benutzen.

Angekommen am Hafen und beim Anschleichen an der Fischfabrik zerfiel das Abenteuer allerdings an der immer weiter sinkenden Motivation und Kopf-durch-die-Wand-Mentalität der Spieler, die sich durch den sinnlosen Mord am ersten Ganger und dem Abfackeln des Hauses schon andeutete, zu sinnlosem Klamauk, an dem ich selber nun keinen Spass mehr hatte.
An dieser Stelle zog ich eine Quintessenz, notierte mir die Problemquellen der Spielrunde und habe beschlossen diese erst nachzujustieren, bevor weiter gespielt werden kann.


Der "Drive" der Spielregeln kam meiner Meinung nach gut rüber. Zumindest bei mir. Es gab an zwei Abenden (2x 2Stunden) einen einfachen Einbruch, drei kleine Hacks, einen kurzen Kampf, ein Verhör, eine Datensuche und eine Verfolgungsjagd. Dies an einem Ort innerhalb des Abenteuers, was mich völlig zufriedenstellte, die Spieler aber trotzdem unverständlicherweise mit einem "nichts-geschafft"-Gefühl zurückließ. Nicht zuletzt führe ich das aber auch darauf zurück, daß viele Vorhaben begannen zerredet zu werden, zumindest bin ich ein paar mal dazwischen gegangen, da ich für die "Hausszene" allenfalls 1 Stunde eingeplant hatte. Das Bewusstsein, daß für dieselben Aktionen mit den Shadowrunregeln ein vielfaches der Zeit nötig gewesen wäre, wurde offensichtlich ausgeblendet (eine Verfolgungsjadg und Matrixaktivität an EINEM Abend? Das ich nicht lache). Auch die "filmischen" Konzepte wie Extras und WildCards oder Bennies für Nachteile nehmen sie SEHR wörtlich ("hier, ich war fies, wo ist mein Bennie?"). Bislang bewerte ich das aber noch als ein gutes Zeichen.
Das die Stimmung noch weiterhin gut ist, werte ich natürlich auch als gutes Zeichen.


Fehler, die ich gemacht habe:
- Ich habe viele Subregeln vergessen. Extras sterben nicht automatisch bei einer Wunde, Ich habe zu wenig Extras verwendet, in Verfolgungsjadgen bekommt der Schnellere einen Probenzuschlag, automatisches Feuer verursacht Abzüge. Das sind aber alles Dinge, in die ich nach einigen Spielabenden sicher wieder hinein finden werde.
- Ich hatte Probleme den Adepten ins Spiel zu bringen, da ich keine Herausforderungen für ihn jenseits von Kämpfen sah.
- Was den Plot betrifft: Ich hätte dem Trollganger nicht einfach essenteille Informationen geben dürfen. Dadurch war mein mühsam erarbeitetes Handout beinahe nutzlos und damit auch die Beinarbeit der Spieler. Das Handout beinhaltete zwar noch unzählige Informationen über die Widersacher der Spieler, sowie den persönlichen Hintergründen ihres "Freundes", jedoch waren die Spieler bereits im "Wir kennen das Ziel, jetzt mit dem Kopf durch die Wand"-Modus. Persönliche Motivationen spielten nur noch eine untergeordnete Rolle. Das zeigt mir auch, daß das Einfühlen in die Spielwelt quasi noch nicht vorhanden ist. Allerdings wäre die Geschwindigkeit ohne die Trollinfos schnell rausgekommen. Schwierig.
- Die Charakterkompetenzen sind nicht eindeutig definiert. Unser Adept kann im Endeffekt nur gut kämpfen, zudem spielt er einen "guten" Charakter, der dem rüpelhaften Ork "sozial" im Grunde unterlegen ist. Das führte dazu, daß der Spieler die größte Zeit nur dumm rumstehen konnte. Selbst im Kampf gegen die Motorradfahrer hat ihm der Defensivmagier (!) die Show gestohlen. Der Orkcharakter hat sich zudem in KEINEM Moment als kooperativ erwiesen, wollte vorzeitig abfahren, hat sich alleine im Panic Room eingeschlossen, um die Infos zu sichten (!!!) oder ungefragt bewusstlose Ganger erschossen. Damit wurden quasi ALLE Bedingungen, und es waren EINFACHE Bedingungen, die ich an die Spieler gestellt hatte, gebrochen. Der Klamauk und Zusammenbruch des Abenteuers war nichts anderes als offensichtlicher Protest einzelner Spieler.
In der Konstellation sehe ich die Charaktergruppe als nicht spielbar und dies ist auch das Problem, was ich als nächstes angehen werde, bevor ich bereit bin, weiter zu leiten. Die Motivation ist auf jeden Fall da, daher sehe ich das als reines Know-How Problem.
- Ich muss im Auge behalten, daß sich die Örtlichkeiten regelmäßig wechseln. Man kann eine Szene mit noch so viel Handlung und Äktschn füllen, wenn die Runner nicht herumkommen ist das nichts wert.


Eine Runde mit viel Potential, die vom schnellen Spielfluss und guter Situationsdarstellung der Savage Worldsregeln sicher noch profitieren kann. Ich habe auch selten zum Teil so aktive und so viele Spielerideen gehabt, also macht es definitiv Spass.
« Letzte Änderung: 1.12.2010 | 20:17 von Falcon »
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

Offline Dimmel

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 987
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dimmel
Yeah, ich hab auch Lust auf ein schnelleres SR! Vielleicht sollte ich doch mal SW testen! Danke dann für den Link, dass sehe ich mir dann mal an. Und auch danke für das Diary!  :d

Gruß Dimmel