Es kommt darauf an, was man erreichen will und wie die Situation gerade ist. Aber ich sehe keinen Grund, warum man nicht aus der Deckung heraus dem Gegner zurufen können soll, dass er aufgeben sollte, weil Verstärkung schon unterwegs ist. Oder dass man ihm nach jedem Ausweichen ein freches "Daneben!" an den Kopf wirft, um ihn zu provozieren und zu Dummheiten zu verleiten. Oder dass man sich todesmutig dem Angreifer unbewaffnet, aber verführerisch entgegenstellt. Oder dass man auf ihn einredet, während man den Schlägen ausweicht, bis seine Wut verraucht ist. Oder dass man, wenn er mit einem Messer unterwegs ist, seine Pistole zieht und gebieterisch "Halt!" sagt. Oder dass man dem Killer zuruft, dass er einen nicht töten soll, weil er schwanger ist.
Das würde ich in einem Kampf mit physischer Komponente in jedem Fall als Manöver behandeln.
Ich persönlich finde, dass sozialer/Mentaler Kampf im Dresdenverse eine andere Gewichtsklasse ist, als das, was du hier beschreibst, Scimi. Wenn man jemanden wirklich
angreifen will (also kein soziales/mentales Manöver, sondern wirklich Schaden mit Stress und Konsequenzen), dann reicht ein einfaches Wortgeplänkel einfach nicht aus. Jemandem mit Worten zu schaden, erfordert einfach mehr Aufwand - man muss etwas über das Gegenüber wissen, womit man ihn wirklich verletzen kann. Mal ins Blaue hinein die Mutter zu beleidigen wird einem Standard-Straßenschläger vermutlich nur ein müdes Lächeln abringen. Wenn man aber über Harry weiß, dass er seine Mutter verloren hat, zieht es um einiges mehr, wenn man diese Schwachstelle kennt und nutzt. Für mich wäre ein angemessener Rahmen für soziale/mentale Konflikte z.B. eine Gerichtsverhandlung, oder ein geschäftliches Treffen der örtlichen Yakuza-Bosse, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Alle Beteiligten können und müssen sich auf die Schächen ihrer Gegner vorbereiten, und agieren entsprechend mit harten Bandagen. Einen Troll zu überreden, mich über die Brücke zu lassen? Na ja, das würde ich mit Sicherheit nicht mit einem sozialen Konflikt regeln, sondern mit nem vergleichenden Skillwurf (consequentional contest).
Klar sind die sozialen und mentalen Stresstracks der meisten Gegner niedriger, als ihre physischen. In den Regeln steht auch nirgends explizit, dass man nicht zu Beginn eines physischen Kampfes einfach mal wild mit einem sozialen Skill gegen einen Gegner herumwürfeln kann. Aber es sind einfach zwei paar Stiefel, zwei Subsysteme, die man nicht wild mischen sollte. Ist ein Kampf vorrangig physisch, sollte man die Regeln für den physischen Kampf zur Resolution nehmen. Soziale Komponenten lassen sich da gut über die Manöver abbilden. In einem physischen Kampf hat sozialer/mentaler Schaden imho nichts zu suchen.
Umgekehrt verhält es sich genauso: natürlich können in einem Schachduell der Großmeister plötzlich die Beteiligten aufspringen und sich gegenseitig Ohrfeigen, aber hier läge für mich primär ein mentaler Konflikt zugrunde, und das ohrfeigen wäre dann als Manöver zu behandeln.
Und jetzt kommt natürlich die Ausnahme. Es gibt Kräfte in DF, die explizit vorsehen, im Kampf verwendet zu werden, und die mentalen/sozialen Stress verursachen. Das finde ich völlig okay und legitim, da hier im Endeffekt die Kraft einen 'Sondereinsatz' der sozialen/mentalen Skills ermöglicht.
Für Pure Mortals oder Leute, die keine speziellen Übernatürlichen Fähigkeiten in dieser Richtung haben, würde ich aber nicht erlauben, dass sie 'einfach so' Leute anquatschen und ihnen Stress erzeugen können. Behält man nämlich im Auge, dass laut Regeln sich Gegner z.B. nicht gegen mentale Angriffe wehren dürfen (kein Defense-Wurf!), wären soziale Angriffe ohne entsprechende Rahmenbedingungen echte Game-Killer.
Aber mal abgesehen von der Regelseite fände ich es auch irgendwie nicht Genre-konform, wenn meine Spieler jetzt einfach anfingen, ihre Gegner aus dem Kampf hinauszulabern