[das wird mal wieder eines dieser Mehrteiler-Diaries. Mit Glück hab ich den zweiten Teil fertig, bevor Alyne mit dem Polizeibericht kommt
]
Dienstag morgens, nach einer durchzechten Nacht...brrrrRRRING!
brrrrRRRING!
Verfluchtes Telefon, warum hab ich das Mistding nicht aus der Wand gerissen?
brrrrRRRING!
Fluchend, grummelnd, und über die am Boden verstreute Wäsche stolpernd greife ich nach dem Hörer und brumme etwas unflätiges hinein.
“Hier ist Edeltraut, kannst Du nicht vorbeikommen Jan? Es ist wichtig...”
Schon um den Hörer endlich wieder auflegen zu können willige ich ein. Außerdem, Deutschlands letzte Frau gegen das Übernatürliche ist ja ganz ansehnlich, und von Kaffee war auch die Rede. Eine lange Dusche, zwei Aspirin und zwanzig Minuten im Taxi später hielt ich den versprochenen McMasters-Kaffee in der einen, und einen
getippten Schrieb in der anderen Hand.
Sandra Sládek als alte Flamme von Jan einzubauen war eine spontane Idee von mir, als ich das Handout las. Karsten hatte sich eh schon lange darüber beschwert, dass Jan einen viel zu vagen und langweiligen Hintergrund hätte, und doofe Aspekte sowieso. Also änderte ich mit dem letzten Milestone seinen Trouble Aspekt auf “Lieber allein”, weil mein Auftragskiller halt seiner ersten großen Liebe die ihn urplötzlich verlassen hatte hinterhertrauert.
Aus meiner Sicht war alles klar: Edeltraut und Boris saßen tief in der Scheiße. Ich kenne Bullenschreibe, und wenn jemand von “der Ihnen gemachte Vorwurf” schreibt, dann sollte man besser die Stadt und den Namen wechseln. Gut, das kann Frau Hauptkommissarin Manske natürlich nicht so einfach machen. Aber, ein kurzer Blick auf die Unterschriften, unter der Vorladung, dieser Peabody und seine Übersetzerin Sládek scheinen es ja ernst zu me-
Abrupt stelle ich den Kaffee hin. Tatsächlich. Sládek, Sandra Sládek.
Nach all den Jahren...
“ok Edeltraut, ich komme mit nach Prag...”
Prag, DämmerungIm vernebelten Prag treffen wir auf Ayden MacGregor. Keine Ahnung, welche Laus dem Kerl über die Leber gelaufen ist, oder ob alle Schotten so einen Stock im Arsch haben, aber er machte es wirklich nicht leicht ihn zu mögen.
Gefällt mir. Leute nicht mögen zu müssen, macht es einfacher sie später zu erschießen.
Ayden ist eigentlich ein NPC, mit dementsprechend hohen Werten, den Orko als Gastspieler verkörperte. Karstens Regieanweisung war wohl auch “arrogantes Arschloch”, und Orko hat das mit viel Spaß gespielt. Der NPC ist deutlich mächtiger als wir, was sich vor allem in einem ansehnlichen Stapel Fate-Chips wiederspiegelt. Allerdings wird Orko sich im Verlauf des Abends an keiner Stelle in den Vordergrund stellen, sondern einen wirklich spaßigen und herausfordernden aber im Endeffekt auch hilfreichen NPC geben.
Was alle Reiseführer über Prag verschweigen: Dort gibt es nicht nur den Dom und die Altstadt, sondern auch Vampire. Verdammt viele Vampire! Zum Glück hab ich noch Edeltrauts weihwassergetränkte Spezialmunition...
Der erste Kampf des Abends. Wir machen vergleichsweise kurzen Prozess mit den Vampiren, nicht zuletzt dank gepimpter Munition. Der SL macht uns aber klar, dass das nur der Auftakt war, und da noch viel mehr Vampire herumlaufen...
Wir liefern uns eine Rauferei mit den Mistkerlen und retten uns dann in eine Kirche. Gott schütze die Katholiken, mit ihren vielen und stets offenen Kirchen. Der Kerl da oben verzeiht mir auch sicher, dass ich meine Waffen erstmal auf dem Altar durchsehe und die Munition zähle.
Noch 16 von Edeltrauts Patronen übrig, diverse Handgranaten und mehr als genug normale Munition. Hm.
Allerdings frage ich mich, was mit Boris los ist - andauernd schaut er sehnsüchtig nach draußen. MacGregor und Edeltraut klären mich dann endlich auf: Während der Rauferei hat einer der Vampire Boris einmal abgeschleckt - und deren Speichel macht süchtig nach mehr.
Mistkerle.
Karsten versuchte noch, Xemides zu compellen, aber da war doch jemand vorsichtig genug. Boris bleibt erstmal drinnen! Zumal wir aus Erfahrung wissen, dass man zwar einen Fatepunkt bekommt, meist aber mindestens zwei sofort wieder ausgibt, um aus der Situation rauszukommen
Die Situation verschärft sich, als die Blutsauger eines ihrer Opfer “zum Verhandeln” schicken. Boris soll alleine nach draußen kommen. Noch können wir ihn aufhalten, aber wer weiß wie lange. Und sollte er nicht kommen, würden sie ihre sterblichen Diener und “die Hunde” schicken. Hab ich erwähnt, dass ich Hunde nicht ausstehen kann?
“Gib mir fünf Minuten” rufe ich Edeltraut zu, packe meine Sachen und haste den Kirchturm hinauf. Hey, was für die Scharfschützen im zweiten Weltkrieg passte, ist gerade gut genug für mich!
Never split the party, hm? Blödsinn, Jan ist Einzelgänger und Scharfschütze, im Getümmel kriegt er immer gleich was auf die Fresse, also lieber verziehen...
Allerdings sieht die Situation von da oben nicht gerade viel rosiger aus: Vor und um der Kirche wimmelt es von Blutsaugern. Mehr als ich Munition dabei habe. Verdammt.
Gut, wenn man sie nicht alle umbringen kann, dann kann man sie wenigstens ablenken. Schnell ist deren Unterschlupf erspäht. Und da ich ja ein heimliches Kerlchen bin, komme ich auch ungesehen auf das Dach. Angewidert schaue ich durch das große Oberlicht einem armen Kerl zu, der gerade von einer dieser Kreaturen gleichzeitig bestiegen und ausgesaugt wird. Wahrscheinlich bezahlt der sogar Geld dafür. Dennoch fürchte ich, dass er doch nur ein Opfer ist, und so bringe ich die improvisierte Bombe hoch genug im Kaminschacht an, dass er die Explosion hoffentlich überleben wird.
Den Zeitzünder stelle ich auf eine Minute und mache mich von dannen.
Also, ich versuche es. aber der zwischenzeitlich eingesetzte Regen hat das Dach so glitschig gemacht, dass meine Ledersohlen (warum hab ich bloß Anzugschuhe angezogen? Ach ja, Sandra...) abrutschen und der Schwung mich durch das Oberlicht direkt auf das große Bett fallen lässt.
Neben die Vampirin.
Verdammt.
Hier konnte ich dem Fatechip dann doch nicht widerstehen. Taktisch unklug, aber sehr lustig
“Sorry Schätzchen, bin auf dem Sprung. Ein Schluck auf den Abschied?” Wahrscheinlich versteht sie kein Deutsch, aber der Flachmann mit dem Weihwasser gibt mir wenigstens den Hauch einer Chance. Sie springt mich an wie eine Furie, kratzt, beisst und benimmt sich auch ansonsten nicht sehr ladylike. Gut, ich hab ja auch ihr Schäferstündchen/Mitternachtssnack gestört. Und die Uhr läuft, tick-tack, also verabschiede ich mich lieber schnell durchs Fenster.
Und beinahe genau in die Arme der unten herumlungernden Vampire. Gibts im verdammten Prag eigentlich auch noch normale Menschen?! Gerade eben halte ich mich noch an der Leuchtreklame fest (“Red Flesh Palace - GIRLS GIRLS GIRLS”) und verschanze mich auf dem Sims.
Schlechte Idee, wer hätte gedacht, dass diese Drecksvampire so gut klettern können? Ein paar Salven aus der Maschinenpistole halten sie zwar kurz in Schach, aber allmählich wird echt die Zeit knapp.
Ein paar Meter Seil hab ich noch. “I AM THE GODDAMNED BATMAN!” brülle ich den Mistkerlen entgegen, werfe den Wurfanker um den nächsten Laternenpfahl und schaffe es irgendwie, über die Blutsauger hinwegzuschwingen. Gut, die zeitgleiche Explosion des kompletten Dachstuhls könnte als Ablenkung auch irgendwie geholfen haben...
Ohne länger nachzudenken gebe ich Fersengas und verschwinde...
Vor der Kirche sieht es zwischenzeitlich nicht wirklich gut aus. Hat sich ja keiner an meinen Zeitplan gehalten, und Boris ist schon draußen. Zum Glück ist MacGregor doch kein ganz so großes Arschloch, und hat ihn mit einem Schutzschild ausgestattet. Und obwohl Boris dumm genug war rauszugehen, ist er doch schlau genug sich zu wehren - allerdings hat er es mit der örtlichen Obervampirin (nennt man die so?) zu tun, was nicht einfach zu sein scheint.
Aber nicht dumm: MacGregor kennt wohl die Schwachstellen der hiesigen Blutsauger und mit Erde kann man denen ziemlich was verpassen - und damit ist Boris ja nicht ungeschickt, und Edeltraut hat inzwischen auch ein paar Tricks drauf. Als ich endlich wieder zurück komme, sind die Vampire entweder tot oder verschwunden. Wir bleiben lieber nicht unnötig lange und machen uns auf zum Portal ins Nevernever.
in diesem Kampf wurde schon sehr schön mit der Deklaration von Aspekten gespielt. Orko definierte z.B. mittels Lore-Wurf, dass die Prager Red Court Vampire besonders anfällig gegen Erdmagie seien. Und es zeigte sich, wie gut es funktioniert, wenn man erst einmal Aspekte auf den Gegner legt, und diese dann in einem fulminanten Angriff zum Schadenssteigern nutzt.
Nevernever, und meine Uhr geht nicht mehr.Ich muss sagen: Die Nevernever-Version von Prag schlägt jedes Disneyland. MacGregor führt uns durch hübsche Gassen in denen anscheinend mittelalterliche Bauern Seite an Seite mit Feen in Bankeranzügen leben. Dennoch, die Szenerie ist verstörend genug um mich davon abzuhalten, hier länger als unbedingt notwendig zu verharren.
Aufgehalten werden wir natürlich trotzdem: Die Straße führt uns nach kurzer Zeit an einen Fluß. Auf dem Hinweg, erzählt uns MacGregor, gab es eine Brücke. Jetzt nur noch einen Haufen kläglicher Trümmer, und in der Luft hängt der Geruch von Salzwasser...
Boris wagt sich näher an den Fluß heran, während Edeltraut etwas von “Algen, ganz viele Algen, die die Brücke zerrissen” murmelt. Ich hab ja ein ganz mieses Gefühl bei der Sache, und werde prompt bestätigt, als ein Haufen glitschig-grüner Algententakel nach MacGregor greifen!
Ich bleib besser im Hintergrund, und überlass den Fingerwacklern das Feld - dass Kugeln dem Ding was ausmachen bezweifle ich eh. Boris wehrt sich mit seiner Magie, MacGregor sorgt mittels großen Luftblasen dafür, dass niemand ertrinkt und Edeltraut wirft sich mit dem Dolch ihrer Mutter auch ins Getümmel.
Zwei Gründe für Jans Feigheit: Zum einen taugt er echt gar nix im Nahkampf, zum anderen bereite ich hier vor, gleich einen Fate Chip abzugreifen
Als ich sehe, dass all diejenigen, die mich aus dieser Albtraumwelt herausholen können dennoch ziemlich in Bedrängnis sind, langt es auch mir. Mein Messer ist zwar kein so mystisches Hokuspokus wie das der Manske, aber anscheinend hilft es dennoch.
et voilá: Erfolgreich meinen Trouble “Lieber Allein” compelled und den eigenen Stapel wieder etwas aufgefrischt...
Am Ende sehen wir alle aus, als hätten wir eine Wattwanderung im Regen gemacht, aber das Monster ist - tot? Vernichtet? Nur vertrieben? Ich habe keine Ahnung, meine Hilfe an dieser Stelle war wohl eh nur marginal. Eigentlich will ich nur noch eine heiße Dusche und wieder nach Hause - aber zum einen wird MacGregor für mich sicherlich keine Extratour machen, und dann ist da ja noch Sandra.
Zum Glück sind arrogante alte schottische Magieraristokraten eitel - nur damit er sich vor seinen Kollegen keine Blöße geben musste, wackelt MacGregor kurz mit den Händen, und Sekunden später sind wir alle wieder sauber. Und da sag einer, Magie sei zu nichts nütze.
Der Rest der Reise ist dann zum Glück friedlich, und ein großer Findling auf der Wiese entpuppt sich als Eingang zum Hauptquartier des Weißen Rates unter Edinburgh.
Unter Edinburgh, nachtsWobei “unter” hier das wichtige Wort ist. Teilweise fühle ich mich an billige Stargate-Sets erinnert - ganz viele Gänge und Räume ohne Fenster, nur eben mittelalterlicher. Allerdings gibt es wenigstens so etwas wie eine Klimaanlage, und die Wandteppiche scheinen tatsächlich echt zu sein. Nobel, wenn auch etwas leer. Die verbleibenden Leute (Boris erklärt mir, dass ihre braunen Bademäntel, heh, nein, Roben sie als Zauberlehrlinge auszeichnen) erzählen was von einem großen Angriff des Roten Hofes der Vampire in Kairo. MacGregor lässt das so erscheinen, als ob die Sache in Prag dagegen ein Spaziergang war. Was zur Hölle?!
Während die anderen darüber diskutieren, ob und wie man den Leuten in Kairo zu Hilfe eilen könnte, such ich mir lieber etwas zu essen. Als ob wir da irgendwas reißen könnten - ich bin gut, aber so gut nun auch wieder nicht.
Was Jan hier unterschlägt: An dieser Stelle gab es massig nützlichen und guten Infodump und Mood setting. Wie steht der Krieg gegen den Roten Hof, wie sieht es in Edinburgh aus, und so weiter.
Die Braunroben in der Kantine beäugen mich misstrauisch, anscheinend fällt man ohne Bademantel hier sofort auf wie ein bunter Hund. Ich überlege mir gerade noch, wie ich die Kinder einschüchtern kann, als ein mir viel zu bekanntes Parfüm von hinten um die Nase streicht...
“Hast Du wirklich gedacht, Du könntest ewig vor mir weglaufen Sandra?”