Autor Thema: [Deadlands] Savage West Solo Play  (Gelesen 26563 mal)

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Offline Schalter

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #250 am: Gestern um 18:29 »
Die weite Ödnis im Umland von Gomorra kann sich jederzeit in einen Hexenkessel verwandeln, und daher will ich mal meine selbstgeschriebene Tabelle Auf den Trails zu dem Fußweg befragen.
Das Kartenlegen ergibt sowohl Unwegsamkeiten, als auch extremes Wetter. Joycelyn hat eine Hofkarte, also wird für sie obendrein eine Begegnung ermittelt.
Die Wild Cards klettern also, angeführt von Tioga Joe und Hope In Winter, über Kieshänge und zwischen schroffen, rötlichen Felsen hindurch. Dafür schaffen sie mehrheitlich ihre Vigor-Würfe, das reicht, um eine zusätzliche Begegnung zu vermeiden. Der Januarwind wird unterwegs immer schärfer, und es beginnt zu schneien. Erneut würfeln alle Vigor, um einer Cold Hazard zu widerstehen. Alle außer Miss Kentrall schaffen es, die feine Dame hat nur Vigor W4 und schlottert ganz erbärmlich unter ihrem Wintermantel. Sie bekommt dafür ein Level Fatigue.
„Schauen Sie nur, Marcus!“, sagt Byrd fürsorglich, „Unsere Miss Kentrall wird uns gleich zu einem Eiszapfen. Geben Sie ihr doch flugs mal ein Schlückchen von Ihrem medizinischen Alkohol! Das wärmt!“
„Aber Mister Byrd!“, rügt der Chirurg, „Medizinischer Alkohol ist nicht zum Verzehr bestimmt!“
Mallory fügt hinzu, „Pfui, lassen Sie gut sein! Der Herr verhüte, dass ich mir jetzt auch noch die Sünde des Trinkens zuschulden kommen ließe!“
Luca zuckt mit den Schultern, „Na gut, auch gut. Hey Marcus, aber ich nehme ein Schlückchen!“
Der Erfinder schüttelt den Kopf, fast ein bisschen ungläubig über das, was er da hört.

Ich ziehe eine weitere Karte, um die Art der Begegnung für Joycelyn zu bestimmen. Die Tabelle sagt, ein möglicher Alliierter läuft dem Aufgebot über den Weg. Da bediene ich mich flugs erneut bei den vielen, vielen Charakteren aus dem Doomtown-Trading Card Game, nehmen wir mal den mexikanischen Söldner ‚Gordo’ Andrade her:

„Oh! Señorita Lancaster! Señorita, hola! Hier drüben!“, ruft eine aufgeregte Stimme, und sofort peitscht ein Pistolenschuss über die felsige Einöde! Alle fahren zusammen und werfen sich in Deckung, und Byrd zieht blitzschnell seine eigenen Schießeisen, John einen seiner Wurfspeere!
No no no, nicht doch!“, stellt die Stimme hastig hinterher, „Das war doch nur, um Aufmerksamkeit zu kriegen, Compadres! Waffen runter, eh? Ich mache auch, eh?“
Zwischen den Felsen steht ein dicklicher Mexikaner mit einem Sombrero und einem Walross-Schnauzer, und einem Fellmantel unter seinem ollen Poncho. Im Schneegestöber war er kaum zu sehen. Er steckt demonstrativ beide seiner Pistolen in die Holster zurück.



'Gordo' Andrade, einer von Gomorras Revolverhelden ohne feste Gruppenzugehörigkeit


„Sie haben uns ordentlich erschreckt, Mister! Was hatten Sie denn damit …“, setzt Marcus an.
„Señorita guapa!“, sagt der Mexikaner, und klettert behende zwischen den Brocken hinab, und kommt näher, „Was für eine Überraschung, eh? Was machen Sie denn hier draußen, Verehrte?“
„Meinen Sie mich?“, fragt Joycelyn verwirrt, und rückt ihren kleinen Hut zurecht.
Sí! Me llamo ‚Gordo’ Andrade, bekannt wie kundiger Hund, eh, ich bin großer Verehrer!“, und er strahlt Joycelyn an.
„Ich erinnere mich an Ihr Gesicht, aus dem Publikum“, sagt die Sängerin.
„Und ganzes Gomorra Valley erinnert sich an meine gefürchteten pistolas“, ergänzt Gordo großspurig, „Die Linke ebenso schnell wie die Rechte!“
„Was machst Du hier draußen, Fremder?“, knurrt John misstrauisch, „Weißt Du nicht, dass man hier in der Gegend den Scouts der Sioux über den Weg laufen kann? Weißt Du denn nicht, dass es dann nicht klug ist, das Blei des Weißen Mannes sprechen zu lassen?“
„War doch nur, um Signal zu geben, eh? War sozusagen Salute! Freue mich ausnehmend, solch eine guapa hier draußen anzutreffen! Bin eigentlich wegen was anderem hier, eh.“
„Und weswegen“, knurrt John bedrohlich, aber er kann sich schon denken, was den Söldner hierher führt.
„Die Sweetrock will sicher gerne wissen, ob das stimmt, was Shouting Tom heute früh von sich gegeben hat! Ich finde raus, und verkaufe den Geldsäcken die informaciones!“
„Wohl kaum“, entgegnet John, und sein Blick ist so finster, und sein Ton so bedrohlich (und sein Intimidation-Ergebnis so hoch), dass Gordo unwillkürlich einen Schritt zurückweicht, furchtsam.
„Na na, aber John!“, rügt Joycelyn, „Dieser Gentleman will uns sicherlich nur sein Geleit anbieten! Er berichtet doch nicht hinterher der Sweetrock, was hier vorgefallen ist!“, und sie lächelt ihren Verehrer zuckersüß an.
Ich gewinne ein schnelles Quick Encounter, und die Wild Cards machen Gordo klar, dass er hier in eine echt brisante Sache hinein gestolpert ist, und dass er echt verlässlich die Fresse darüber halten muss, ganz besonders gegenüber den Schergen von Howard Findley, oder den Regierungsschnüfflern. Gordo gelobt also Stillschweigen, sogar bei seiner Frau Mutter und den Gebeinen seiner Frau Großmutter, und stellt seine Ballermänner in den Dienst des Schutzes der Miss Lancaster. Damit ist er vorerst unser Ally, sogar ohne Sold. Hier sind schon mal Spielwerte für ihn:

🌵 ‚Gordo‘ Andrade
Advances: 4
Attributes: Agility d8, Smarts d4, Spirit d6, Strength d6, Vigor d8
Skills: Athletics d8, Common Knowledge d4, Fighting d6, Intimidation d6, Notice d6, Persuasion d6, Shooting d10, Stealth d6, Survival d4, Taunt d4
Pace: 6; Parry: 5; Toughness: 6
Hindrances: Overconfident, Stubborn, Quirk (Talks a lot in Spanish as if everybody would understand it)
Edges: Ambidextrous, Two-Gun Kid
Gear: Two bowie knives, two Colt Peacemakers, ammo bandoliers, hatchet, Winchester rifle, water canteen

(Als Miniatur taugt für ihn Pablito aus dem Grundspiel von Zombicide: Undead or Alive.)


Schließlich erreicht das Aufgebot das Versteck. Erneut warten einige der Wild Cards lieber im Abseits, Marcus und unser neuer Verbündeter Gordo. Die stehen Schmiere, zumal ja außer dem Mexikaner durchaus auch noch andere Neugierige aus der Stadt ihren Weg hierher finden könnten.

John, Joycelyn, Luca, und die beiden Scouts gehen tiefer in die kleine Klamm, gefolgt von einer nervösen Mallory, und entdecken dann den Schein des Lagerfeuers: Die Wildnis-Experten der Eingeborenen haben in einer kleinen Felsenhöhle eine Feuerstelle errichtet, die von außen nicht zu sehen ist, und deren Rauch durch einen Spalt in der Decke abziehen kann. Im Eingang sitzt der junge Krieger Benjamin Nightsinger, und schaut ihnen stumm entgegen. Er trägt traditionelle Lederkleidung, aber er ist kein Anhänger der Alte-Wege-Bewegung. Neben ihm lehnt eine alte Springfield-Büchse an der Höhlenwand, und um seinen Hals hängt ein großer, hölzerner Anhänger, der mit etwas Phantasie sogar ein christliches Kruzifix sein könnte.
Von tiefer aus dem Inneren der Höhle schaut das blasse Gesicht der Astronautin auf. Sie ist in indianische Decken gehüllt, und ihre Haare sind etwas länger geworden, seit man sie zum letzten Mal gesehen hat.



Die 'Weltraum-Dame'


Die vier Eingeborenen reden eine Weile unter sich. Es scheint ihnen etwas schwer zu fallen, denn nicht alle sprechen die Algonkin-Sprache gleich gut, sie mischt sich hier sogar mit vereinzelten Brocken von Englisch.
Schließlich winkt John die Bleichgesichter heran.
„Hallo Darling!“, ruft Joycelyn vorsichtig ins Innere der Höhle, aber es kommt keine Antwort von der Soldatin.
„Was hat sie denn letztlich so von sich erzählt?“, fragt die Sängerin die Ureinwohner.
„Weiterhin spricht sie die meiste Zeit in Rätseln“, antwortet Benjamin Nightsinger, „Ihre Reise zwischen den Sternen hat sie in den Wahnsinn getrieben.“
Hope In Winter ergänzt, „Schon letztes Jahr haben Joseph Eyes-Like-Rain, Wise Cloud, und ein paar andere unserer größten Medizinleute versucht, ihren Verstand zurückzubringen. Hatten nur wenig Erfolg. Die Geister werden sie zurück geleiten müssen zu den Sternen — wenn sie denn überhaupt wollen, dass Bleichgesichter, die noch am Leben sind, dort oben verweilen. Das wissen wir nicht.“
Benjamin Nightsinger nickt, „Und die Geister und die Manitous sind in großer Aufruhr wegen dem Reckoning des Medizinmannes Raven vor 13 Jahren. Vielleicht ist das der Grund für das Erscheinen der Sternen-Squaw bei uns. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sie immer noch nicht zurückkehren kann. Die Geister der Ewigen Jagdgründe sind uneins, und oftmals im Kampf miteinander. So jedenfalls sagen es unsere weisesten Leute, im ganzen Land.“
„Ihr werdet die Gute vermutlich verlegen müssen, nachdem die Sweetrock-Kackstiefel jetzt Wind von diesem Versteck gekriegt haben“, sagt Joycelyn, „Dürfen wir mal mit ihr reden?“
Benjamin Nightsinger nickt, und die Wild Cards gehen vorsichtig in die Höhle, und setzen sich zu der Gefangenen. Hier am Feuer ist es angenehm warm.
„Howdy“, sagt Byrd, und tippt lächelnd an seinen ollen Hut, „Sie gestatten doch?“
Die Ex-Soldatin guckt die vier unverwandt an, sonst nichts.
„Wir wollten mal fragen, wie’s Ihnen so geht, Ma‘am!“, redet Byrd weiter, „Lang’ nicht gesehen, wie? ... Joah, die guten, alten Sioux haben uns seit dem Herbst klargemacht, dass Sie, Ma‘am, deren Angelegenheit sind! Nicht nur, weil man Sie verstecken muss, sondern auch, weil alle Leute, die von den Sternen kommen, das Fachgebiet der Schamanen sind! Egal ob rot, weiß, oder womöglich kariert im Gesicht!“
„Ich weiß“, sagt die Angesprochene. Sonst nichts.
„... Wie fühlen Sie sich?“, fragt schließlich Joycelyn.
„Wie soll‘s mir schon gehen hier draußen?“, fragt die Soldatin etwas dumpf, „Ich bin in Händen der Widerständler, da stecken die Anouks dahinter. Man lässt mich seit Monaten nicht mir der EXFOR sprechen! Und ich bin die ganze Zeit on-planet, das ist nicht mein Ding, ich bin am besten an Zero-G gewöhnt.“
„Was, äh, wie bitte, und an was bitte gewöhnt?“, fragt Byrd amüsiert.
Zero-G, Du Heini! Schwerelosigkeit. Scheiß-Hinterweltler-Wüste. Verdammtes Banshee“, ihre Stimme klingt fast, als würde sie im Schlaf sprechen.
„Aber die Indianer haben Ihnen doch schon gesagt, dass Sie nicht auf einem Stern namens Banshee sind“, versucht Joycelyn behutsam einzulenken, „Sie sind auf der Erde! Vermutlich würden Sie sagen, dass dies die Vergangenheit für Sie ist!“
„Diese Widerständler-Hackfressen sind alles Esoteriker! Das machen die, weil die Anouks auch so ticken … Alles BS.“
„Wenn sie BS sagt, meint sie die Scheiße von Bullen“, erklärt John.
Joycelyn schaut ihn fragend an, „Aber hast Du nicht gesagt, Eure Medizinleute hätten schon Erfolge gehabt beim Versuch, ihr zu vermitteln, in welcher Lage sie wirklich ist?“
John erwidert, „Ja, und manchmal lebt sie auch im Hier und Jetzt. Und zu anderen Zeiten ist es wie jetzt gerade. Da denkt sie, sie hat ihre eigene Zeit nie verlassen. Manche Menschen bestehen aus verschiedenen Seelen, in einem einzigen Körper.“
Neugierig richtet Luca das Wort wieder an die Fremde, „Ich hab‘ letztes Jahr meine geliebte Taschenuhr leider verschenken müssen, wissen Sie … können Sie mir grade mal sagen, welches Jahr gerade ist?“
Sie zögert eine Weile, in dumpfes Schweigen gehüllt, dann sagt sie schleppend, „2094. … Da hier auf Banshee Winter ist, vielleicht mittlerweile 2095, nach terranischer Zeitrechnung. Sie lassen mich ja nicht mit der EXFOR sprechen, also kann ich’s nicht genau wissen.“
Mallory Kentrall hat nervös ihre Karten zu mischen begonnen in ihren vor Kälte tauben Fingern. Sie verwendet erfolgreich ihre Kartentechnik Empathy, und hört sogleich das Wispern der unsichtbaren Toten, welche ihr zutragen, was oberflächlich im Gemüt der Soldatin vorgeht.
„Ich verstehe, dass Sie verwirrt und verzweifelt sind, Miss“, sagt das Medium, „Aber denken Sie, wir könnten mit dem Teil von Ihnen sprechen, der akzeptiert hat, dass Sie im Jahr 1877 sind? Es wäre leichter für uns, zu entscheiden, wie wir weiter mit Ihnen verfahren können. Wir müssen Sie verlegen, in ein anderes Versteck. Wir könnten Sie ein neues Leben beginnen lassen, wenn Sie sich bereit dazu fühlen. Dafür müssten Sie aber bereit sein, einiges hinter sich zu lassen. Insbesondere jene Organisation, die Sie EXFOR nennen.“
„Ich habe den anderen Widerständlern schon deutlich gemacht, dass ich Ihnen nichts preis gebe, außer meiner Dienstnummer …“, raunt die Soldatin.
Das Wispern trägt an Mallorys Ohr, dass sich Erinnerungen wie ein Schleier über das Gemüt des Gegenübers legen, um ihre existenzielle Angst mit Gleichmut zu betäuben.
„Würden Sie denn ein anderes Leben vorziehen, Miss?“, fragt die Hucksterin weiter, „Ich weiß, was in Ihnen vorgeht. Wenn wir Sie hier draußen in der Wildnis lassen, ergibt sich vielleicht irgendwann die Chance, dass Sie nach Hause zurück versetzt werden könnten. Aber wenn Sie bereit wären, sich auf diese neue Wirklichkeit einzulassen, könnte der Herrgott es geben, dass Sie wieder normal leben können, als ein Mensch dieser Zeit. Dann wären Sie sicher vor den Machtgruppen hier in Kalifornien … und vor der Regierung!“
Da würfelt Mallory mal Persuasion, ihre Empathy-Kraft gibt ihr dadür einen +1-Bonus. Sie erzielt jedoch trotzdem keinen Erfolg gegen den Spirit-W6 der Befragten.
Die sagt eine Zahlenfolge vor sich hin wie gebetsmühlenartig, das scheint die erwähnte EXFOR-Dienstnummer zu sein.
„So enden diese Gespräche oft“, sagt John leise, „Wann immer sie gerade denkt, noch in der Zeit ihres Sternen-Schiffs zu sein.“
Joycelyn sagt besorgt zu ihm, „Also müssen wir alleine entscheiden, ob wir sie von hier wegbringen. Wieder über den Kopf der Ärmsten hinweg.“
„Mein Vater Joseph Eyes-Like-Rain sagt, ihr Geist müsse gereinigt werden. Von der Kälte ihres Todesschlafs zwischen den Sternen, und von der Angst vor den blauen Spinnen mit den Mäulern wie Raubfische. Von dem Schrecken, obendrein in einer Zeit zu sein, die ihr fremd ist. Es gibt große Medizinmänner in den Sioux Nations, die ein solches Ritual der Reinigung zu tun vermögen. Dies wäre jedoch eine weite Reise. Und die Squaw müsste diese Reise wirklich machen wollen.“
„Auf die Gefahr hin, dass sie das Loch in der Landschaft im Gomorra Valley verpassen würde, wenn es je wieder auftauchen sollte“, sagt Byrd.
Joycelyn sieht ihn an, und sagt kopfschüttelnd, „Das ist Monate her, Luca. Vielleicht geschieht das einmal alle hundert Jahre, oder alle tausend Jahre. Wer weiß! Es gibt jedenfalls keinen Weg dorthin zurück.“

Mallory lauscht weiter auf die wispernden, unsichtbaren Stimmen, die nur sie vernehmen kann aufgrund ihrer Hex-Formel. Wenn die Soldatin dieses Gespräch zwischen den anderen also gerade mithört, was geht dabei in ihr vor?

Wir fragen die Orakelwürfel dazu, und diese bestätigen die Vermutung, dass sie ein anderes Leben führen wollen würde, aber das Ergebnis ist äußerst knapp.

„Ich vermute, tief im Inneren wäre sie bereit dazu, hier auf der Erde zu leben“, raunt Miss Kentrall, „Auch wenn das bedeuten würde, alles hinter sich zu lassen, was vorher war.“