Autor Thema: [Fiasco] Sammlung von Fiascos (für jeden offen)  (Gelesen 2104 mal)

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Offline DonJohnny

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The Jersey Side: Organhandel lohnt sich nicht

Die Cousins Ranjid und Michael haben ein Problem. Eine zerrüttete Familie die am Tropf des schlagenden Vaters bzw. Onkels hängt der auch nicht davor zurückschreckt sich mal an den Schwestern von Michael zu vergreifen. Aber mangels finanzieller Möglichkeiten stecken beide in diesem Sumpf fest. Der einzige wirkliche Kumpel von Ranjid, Jesaja einem Juden mit Spitznamen Ariel der versucht sich als Buchmaer zu verdingen hat selber finanzielle Probleme. Als einer seiner Gläubigen mitbekommt dass Ranjid und Ariel sich ab und zu als Kuriere für eine Organhändlerbande verdingen schlägt er ihnen einen Deal vor um sich ihre Freiheit zu erkaufen. Geld für ein paar Nieren. Mit dem Buch "organ transplantation, a simple guide for non-physicians", einem Kühlwagen und einem Baseballschläger machen sich die drei auf den Weg den einzigen Menschen heimzusuchen bei dem sie keine Skrupel haben werden ihn umzubringen: Das Familienoberhaupt. Der Plan: Ariel gibt ihm einen Schubs, er stolpert über einen gespannten Draht und fällt die Treppe herunter. Was die Treppe nicht erledigt, bringt Michael mit dem Baseballschläger zu Ende. Gesagt getan, leicht angetrunken machen sie sich daran den Plan in die Tat umzusetzen. Doch es läuft etwas schief. Ariel stürzt zusammen mit dem Vater die Treppe runter und bekommt dann auch noch eins von Michael mit dem Baseballschläger übergebraten. Zum Glück für sie erwischt Michael doch noch den Vater. Mit zwei Bewusstlosen machen sie sich auf zum Treffpunkt. Angekommen machen sie sich erst mal an dem mittlwerweile erschlagenen Vater zu schaffen, merken aber bald, dass Organentnahme nicht so einfach ist und irgendjemand hätte auch mal das Handbuch lesen sollen. Nach einer blutigen Aktion im Kühlwagen schaffen sie es ein paar Nieren auf Eis zu produzieren und sie dem Kontaktmann zu übergeben. Doch um den ganz großen Coup zu landen beschließen die drei (Ariel ist wieder da, allerdings mit üblen Kopfschmerzen), den Zwischenhändler aufzusuchen um die restlichen brauchbaren Organe zu verticken. Sie verfolgen ihren Kontaktmann, gerade so erwischen sie Don Corleone den Mafiaboss der für den Zwischenhandel verantwortlich ist und können ihn zu einem Deal überreden. Doch als sie von einem kleinen Spaziergang zurückkommen bei denen sie die Vertragsformalitäten klären wollten stellt sich heraus, dass Don Corleone sie übers Ohr haut. Seine Schläger haben schon Stellung genommen Michael dreht durch, zieht eine Knarre und erschießt den Mafiaboss. Dann tauchen auch noch die Cops auf und es kommt zu einer wilden Schießerei. Alles in allem geht es nicht gut aus.  Ariel erwischt es hart und endet als unfreiwilliger Organspender um der Nummer zwei der Mafia, der jetzt zur Nummer eins geworden ist das nötige Startkapital für sein neues Imperium zu verschaffen. Michael ist nach der Schießerei in der es ihn richtig übel erwischt ein Krüppel dem die Mafiosis zu allem übel in einer Gerichtsverhandlung (in der sich nur die Mafiosis teure Anwälte leisten können) hängen ihm die Schweine einiges an. Nur Ranjid ergeht es einigermaßen gut, denn er kann weiter machen wie bisher, nach ein paar Kurierfahrten hat er genug zusammen um mit dem Rest seiner Familie nach Queens zu ziehen.
« Letzte Änderung: 19.03.2011 | 18:51 von DonJohnny »
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Offline Harry

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Re: [Fiasco] Sammlung von Fiascos (für jeden offen)
« Antwort #1 am: 10.06.2011 | 22:39 »
"Self-Made Suicide": Rock'n Roll, wie er sich gehört.

Es ist schon etwa 3 Wochen her, seit meine erste Fiasco-Partie zustande kam. Ich habe mich von den positiven Rückmeldungen hier im Forum anstecken lassen und das Buch bestellt. Dann kam ich länger nicht zum Spielen. Eine Möglichkeit ergab sich in der Drachzwinge - Fiasco ist ja eigentlich (vom Lesen her) nicht so für's Online-Spiel geeignet, von wegen Würfel hochhalten und so. Die netten Leute drüben hatten Fiasco aber schon mal online gespielt und sogar ein MapTool-Campaignset zur Hand, was einem die Würfel würfelte und zusammenrechnete und so. Sehr bequem. Außerdem war es natürlich sehr praktisch, jemanden dabei zu haben der/die die Regeln kennt.

Wir hatten uns im Voraus auf das "Rock Band auf Tournee"-Setup "geeinigt"  ;) . Ich hatte es übersetzt, und der Steffen hat es sogar rechtzeitig in hübsch veröffentlicht. Danke nochmals!

Okay, wie war's?

Inhaltlich:

Wir hatten Zwillinge, einen verdeckten Ermittler, das Verlangen nach Rache, das Verlangen durch die verlorene große Liebe flachgelegt zu werden, ein aufschlussreiches Röntgenbild und... eine brennende Scheune, das war's. Charaktere waren der Sänger der Band, sein Zwillingsbruder (Gitarrentechniker/Verdeckter Ermittler), der Gittarist (Drogendealer) und  das Emo-Groupie, dessen Gedichte vom Sänger als Inspiration verhackstückt genutzt wurden. Die Geschichte entwickelte sich vom Wiedersehen des Gitarrentechnikers mit seiner verlorenen großen Liebe (dem Emo-Groupie), über eine mehrfache Verwechslungsgeschichte bis hin zu einem richtig katastrophalen Debakel bei einem Auftritt im Heimatdorf der Zwillinge (Tote im Publikum, mehrere Dutzend Personen mit schweren Brandverletzungen). insofern: Fiasco, wie man es erwartet.

Vom Spiel her:

Zunächst war ich überrascht, dass das Spiel ein gutes Stück "sperriger" lief, als ich es erwartet hatte. Die Regeln wirken beim Lesen superflüssig (sind ja auch nur ein paar), und das schürte bei mir die Erwartung, dass auch sehr flüssiges Spiel dabei rumkommt. Das war nur zeitweilig so, es gab immer wieder Löcher. Das kann am Medium Teamspeak liegen, an der Tatsache dass wir in dieser Konstellation zum ersten Mal miteinander spielten oder auch daran, dass ich jetzt nicht der allerroutinierteste Erzählspieler bin.

In der Runde bestand nachher der Eindruck, dass Fiasco Übungssache ist. Kann sein. Es hat auf jeden Fall wesentlich länger gedauert als erwartet - statt der im Buch veranschlagten 2-3 Stunden haben wir 4-5 gebraucht. Das hat dann natürlich dazu geführt, dass wir am Ende ziemlich aufs Tempo drücken mussten. Darunter haben v.a. die letzten Szenen und der Epilog (Aftermath) gelitten. Ich bin inzwischen der Meinung dass es ein Fehler war, auf die vorgegebene Montage mit "Dies ist" Aussagen (eine pro Würfel) zu verzichten. Aber mehr war zu dieser Uhrzeit wohl nicht drin.
Weiterhin waren einige Mitspieler(innen) zeitweilig etwas abgehängt, aber das liegt vermutlich auch am Medium.
Angenehm war, dass wir sehr auf unsere Charaktere fokussiert gespielt haben und nicht zig Nebenfiguren eingeführt haben. Das ergab stellenweise sehr dichtes Spiel.

Fazit:

Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht, aber ich muss es mindestens noch ein mal spielen um einen besseren Eindruck zu bekommen. Man sollte sich genug Zeit nehmen. Für's nächste Mal nehme ich mir vor, bei den Szenen noch mehr die Frage zu stellen: Was will mein Charakter? Das habe ich im kreativen Rausch ein wenig vernachlässigt.

Das ist vielleicht mein wichtigstes Fazit: Das Spiel läuft besser, wenn ich konsequent die Interessen meiner Figur verfolge.

Insgesamt kann ich Fiasco sehr empfehlen - auch über TS.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
"Komm auf die weiche Seite der Wurst!"

Offline dx1

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Re: [Fiasco] Sammlung von Fiascos (für jeden offen)
« Antwort #2 am: 11.12.2011 | 14:13 »
Jo, wir haben grad zu dritt gespielt. Ich, der schon drei oder vier Fiascos erlebt hat (unter anderem auch das von Harry geschilderte Rockband on Tour) und neben DSA spielen und leiten sehr gern Indies ausprobiert, meine Frau, die zwar Rollenspiele, aber bisher keine Story-Telling-Games oder Indies allgemein gespielt hat und meine über siebzigjährige Schwiegermutter, die außer Canasta und anderen Kartenspielen nicht so gerne spielt und für die das alles neu war. Coen-Filme kennen und mögen wir alle. Wir haben Boomtown gespielt und es lief … naja … auf ein Fiasko hinaus:

Die Beziehungen
Frau und Schwiegermutter: Arbeit (Pastor und Gemeindemitglied)
Frau und ich: Romantisch (wir waren mal verheiratet)
Schwiegermutter und ich: Gewählte Ämter

Bedürfnis, Ort und Objekt
Raus aus der Stadt — bevor es alle herausfinden,
Bradford Hotel — Postlager mit Bett und Save (clerk's room, safe, freight office),
vierspännige Postkutsche

Das führte dazu, dass meine Schwiegermutter Richter Peter, meine Frau den Pastor Jeremias Silver und ich seine Ex-Frau Bonnie Silver, die Erzprüferin und Postangestellte spielten.

Erster Akt
Grob ging es darum, dass Bonnie ihren Jeremias zurück wollte, dieser aber aus der Stadt wollte — zusammen mit der Kirchenkasse und dem Zahngold der Verstorbenen. Dazu nutzte er den Richter aus, welcher aber seine eigenen Pläne hatte. Wichtigstes Requisit in Akt 1 war ein sterbender Großgrund-, Vieh und Minenbesitzer namens "Colonel", der sein Testament von "an meine Kinder in Boston" auf "an Pastor Silver und die Kirche" änderte. Bonnie erfuhr davon und brachte die Besitzurkunden zum Richter, um sie auf "Bonnie Silver" umschreiben zu lassen. Dieser wollte aber als Gegenleistung von ihr geheiratet werden, worin sie einwilligte. Dann sollte nach Wunsch des Richters der Pastor den Colonel töten, "damit dieser sein Testament nicht noch einmal änderte". Der Pastor beauftragte eine Prostituierte für eine "sexy Sterbehilfe/Giftmord".

Tilt
Versagen — etwas Wertvolles brennt (klassisch) und
Tragödie — Schmerz, gefolgt von Verwirrung.

Zweiter Akt
Bonnie sollte ihrem Ehemann zustimmen, den Pastor zu beseitigen, was sie ablehnte — wahre Liebe usw. — weshalb der Richter ihr ihren Platz in der Gesellschaft erklärte: Putze, Köchin, Betthäschen … und bettelarm. Der Richter hatte die Urkunden nur auf seinen Namen geändert. "Und den Pastor töte ich auch, wenn ich das will." Dem Richter gelang es dann auch noch den Pastor in der Scheune einzusperren, in der der Pastor die Urkunden versteckt wähnte. (Sie waren jedoch vom Richter längst wieder im Frachtbüro verborgen worden.) Dann legte der Richter auch ein Feuer, um den Pastor zu verbrennen. Dieser suchte verzweifelt nach den Urkunden, und verließ die Scheune erst, als er schon lichterloh in Flammen stand. Bonnie schickte die Urkunden aus Versehen an ein Waisenhaus in Dodge City und entschied sich bei dem Konflikt "Postkutsche aufhalten oder Jeremias retten" für die Liebe. Der Richter, rasend vor Eifersucht, durfte sich dann noch anhören, dass er die Unterlagen nie bekommen würde und sie ihn auch verlassen würde. Daraufhin erschoss er sie und sie starb in Jeremias Armen.

Aftermath
Die Folgen habe ich zwar auswürfeln lassen, aber nicht nach der Tabelle ausgelegt. Statt dessen haben wir nur reihum "Das ist …"-Sätze gemacht, welche bei weißem Würfel gut, bei schwarzem Würfel schlecht für den Charakter waren. Das führte z.B. dazu, dass Bonnie (2 weiße, 2 schwarze Würfel = Schwarz-6 gewürfelt) mit dem letzten abgelegten weißen Würfel mit einem Lächeln sterben konnte, weil sie Jeremias' Liebe doch noch zurück bekam und der Richter fast regelgetreu (1 weißer, 3 schwarze Würfel = Schwarz 16) zwar erstmal in einem Scherbenhaufen stand, dann aber die Besitzurkunden einfach neu geschrieben hat und als unbefleckter Sieger aus der Geschichte ging. Der Scheißkerl.

Mein Eindruck
Jede Gruppe spielt anders und wir haben sehr viel kollaboriert und weniger individuell improvisiert. Unsere Szenen kamen dadurch nie sofort zustande, aber nicht, weil keiner am Tische eine Idee hatte, sondern weil jedesmal zwei bis drei Vorschläge kamen (mindestens) und wir dann daraus die Szene gebastelt haben. Einen Konflikt zu gestalten war schwierig, er ergab sich aber spätestens beim Spielen der Szene. Hin und wieder wurde dabei aber doch die ganze Szene neu aufgebaut, weil ein gefundener Konflikt so besser passte. Wir haben teilweise keine klare Trennung von Etablierung und Auflösung der Szenen eingehalten, sondern eher nach Bauchgefühl entschieden und geschaut ob der Spieler im Spotlight beim Brainstorming mehr oder weniger in die Szene eingebracht hat. Ich weiß, dass man Fiasco auch als Improvisationsspiel mit sehr viel mehr IC-Dialog spielen kann, aber das wäre in dieser Rundenzusammensetzung ein Fiasko auf Spielerebene geworden.

Ich denke, dass dieser gelungene Spielvormittag keine Ausnahme war. Fiasco funktioniert immer, solange die Mitspieler ungefähr wissen, was für eine Art Geschichte dabei entsteht. Ob eine Gruppe mehr "Improvisationstheater" oder mehr "Drehbuchkonferenz" macht ist Geschmackssache und eine Frage des eigenen Anspruchs. Ich für mein Teil mag es, wenn alle am Tisch Spaß haben — und den hatten wir.
« Letzte Änderung: 5.01.2012 | 23:10 von dx1 »
… do something right.