Ich lese gerade "Zoriachs Kinder" für Mythras, den ersten Teil der Saga von Silber & Wahnsinn. Ich hatte das Glück, die ganze Kampagne Mitte der 90er beim Autor Steffen Schütte zu spielen (Damals hieß sie noch "Ariochs Kinder" und war für Sturmbringer) und war damals ziemlich begeistert davon - und ziemlich geschockt, als kurz darauf Laurin die Pforten dicht gemacht hat und die Kampagne vermeintlich für immer in Steffens Schublade verschwinden musste ...
Ich lese gerade erst das erstet Szenario im Band, aber sofort werden Erinnerungen wach. Als Leser würde ich jetzt sagen: Sie steht wirklich stellvertretend für das beste am deutschsprachigen Rollenspiel in den 90ern: Atmosphärische Schauplätze, gerne auch mal große Ideen, die zwar gelegentlich einen Hang zum Railroading mitbrachten, und schlicht und einfach Texte, die man gerne liest. Ich denke mal, wer sich z.B. für die Drachenland-Sachen begeistern kann, wird auch die Saga von Silber und Wahnsinn toll finden ...
Schon auf den ersten 20 Seiten werden tolle Schauplätze präsentiert (eine Stadt aus Korbhäusern, die auf einem Fluss schwimmt, ein Minen-Straflager in einem Krater, umringt von Wachtürmen des Goldar-Kults, die mit riesigen Linsen, Hörrohren und meditierenden Mystikern ein perfektes Panoptikon erschaffen haben), die wunderbar die leicht verrückte und metaphernfreudige Energie eines Michael Moorcock einfangen - und ja, auch der Kampf zwischen Ordnung und Chaos findet sich hier in der für Moorcock typischen ironisch gebrochenen Weise wieder (und keine Seite kommt besonders gut weg dabei).
Die Kampagne hat übrigens trotz eines oft leichten, humorvollen Tons ziemlich grausige Inhalte, darauf sollte man vorbereitet sein - Kinder, die dem Wahnsinn anheim fallen und ihre Eltern ermorden, sind schon ziemlich harter Tobak ...
Ein paar Minuspunkte gibt es für die etwas altherrenwitzmäßig anmutenden Anwerbesituation (im Prinzip soll wohl eine eher überflüssige Wer-ist-der-Vater-Komödie inszeniert werden ...). Vielleicht auch nicht so ideal für die Umsetzung am Spieltisch ist der Hang zu sehr langen Fließtexten ohne Zwischenüberschriften - die lesen sich gut, aber wenn auf 3 bis 4 Seiten alles mögliche über die Wahrsilberminen erzählt wird, dann finde ich da halt später nicht so schnell irgendwelche Einzelinformationen wider. Dieser Hang zum Romanhaften ist wohl auch etwas, das ein bisschen typisch für die 90er ist.
Schon jetzt würde ich sagen: Das gehört eigentlich in fast jeden Rollenspielschrank - ein verlorenes Werk einer Ära, die ihre ganz eigenen herausragenden Qualitäten hatte und in ihren besten Momenten wirklich Denkwürdiges hervorgebracht hat.
Ich werde die Kampagne hoffentlich demnächst mal mit den Regeln von BoL/Everywhen leiten, die dürften gut passen und ich wollte das System eh mal auf eine Langzeitprobe stellen.