Autor Thema: Text vermittelalterlichen  (Gelesen 75384 mal)

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Pyromancer

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Text vermittelalterlichen
« am: 12.08.2011 | 12:35 »
Da muss doch schon mal jemand ein Tool dafür programmiert haben: Ich hab einen neuhochdeutschen Text, und würde den gerne in pseudomittelalterliche Sprache übersetzen, am besten automatisch. Weiß da jemand weiter?

Offline Scimi

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #1 am: 12.08.2011 | 12:50 »
Sprach- und Übersetzungssoftware ist ja nicht so ohne, da man nicht nur Ahnung von der Programmtechnik, sondern auch von Sprachwissenschaft haben muss. Und wenn das steht, braucht man riesige Datensätze, damit das Programm beide Sprachen kann.

Dazu kommt, dass "mittelalterlich" ein recht schwammiger Begriff ist, wenn es nur um Atmosphäre geht, ist wahrscheinlich die künstliche Marktsprache am nächsten dran, die hat zumindest ein paar Regeln.

Ansonsten mach das, was die meisten tun und nutze die Suchen/Ersetzen-Funktion deiner Textverarbeitung, um alle kleinen "i" und "ü" innerhalb eines Wortes durch "y" zu ersetzen. Damyt bekommt man eynen Text, der zymlych altertymlych aussyht (und wyrklych albern scheynt). Dann noch eyn paar "t" durch "th" ersetzen und ferthyg ist der Sprachsalath.

Offline Waldviech

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #2 am: 12.08.2011 | 13:01 »
Was ich ja an der Marktsprache so richtig interessant finde, ist dass sie weit "mittelalterlicher" klingt als echtes Mittelhochdeutsch, dass in Satzbau und Wortwahl oft weit moderner wirkt. (außer man hat gerade einen lyrischen Text)  ;D
Wenn du richtig antiquiert und gestelzt klingendes Geschwurbel haben willst, empfehle ich barockes Kanzleideutsch. Überall lateinische Fremdworte, jedes dritte Wort ist "itzo" oder "dieweil" und es ist kein Problem, auch mal Satzkonstruktionen mit 63 Nebensätzen zu verwenden.  ;D
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Offline Bad Horse

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #3 am: 12.08.2011 | 18:34 »
Du könntest den Google Translator verwenden, um den Text vom Deutschen ins Niederländische zu übersetzen. Das dann noch ein bißchen poliert, und es klingt verständlich, aber total altertümlich.

"Op een dag een vreemdeling kwam naar de stad" (Eines Tages kam ein Fremder in die Stadt)  :)

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Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Glgnfz

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #4 am: 12.08.2011 | 18:35 »
Gib ihn Jörg Raddatz. ::)
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Offline Laivindil

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #5 am: 13.08.2011 | 08:28 »
Das mit dem Niederländischen ist keine dumme Idee, der lokale Dialekt ist in der Regel recht nah an der mittelalterlichen Ausdrucksweise.
Es kommt natürlich darauf an, ob die Spieler mit dem Text umgehen können. Wenn es noch verständlich sein soll, ist Marktsprech sicherlich die bessere Wahl.

Offline Sphärenwanderer

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #6 am: 13.08.2011 | 09:50 »
Ansonsten mach das, was die meisten tun und nutze die Suchen/Ersetzen-Funktion deiner Textverarbeitung, um alle kleinen "i" und "ü" innerhalb eines Wortes durch "y" zu ersetzen. Damyt bekommt man eynen Text, der zymlych altertymlych aussyht (und wyrklych albern scheynt). Dann noch eyn paar "t" durch "th" ersetzen und ferthyg ist der Sprachsalath.
So wird das in der Regel gemacht. Dazu noch ein paar "E"s einsetzen, wo keine hingehören und jetzt durch itzo ersetzen. Satzkonstruktionen mit "so" und "derweil" sind beliebt. Und ß durch sz ersetzen. Und viel mit Genitiv arbeiten.

"So nehmet itzo eynen groszen Becher des feynsten Mets und schytthet ihn in euren Bauche."

Aber willst du das deinen Spielern wirklich antun? ;)
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Offline Erdgeist

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #7 am: 13.08.2011 | 09:58 »
Wenn es Übersetzung in eine andere Sprache sein soll, dann empfehle ich ja Plattdeutsch anstatt Niederländisch. Platt ist noch vergleichsweise weit an mittelalterlicher Mundart dran, aber dabei tatsächlich halbwegs verständlich, ohne Fremdsprachenkurse belegt haben zu müssen.

Leider habe ich dafür auf die Schnelle keinen automatischen Übersetzer zu geben. :(

Offline Wyrδ

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #8 am: 13.08.2011 | 10:21 »
"Marktsprech" klingt grauenhaft und albern. Diese Pseudo-Sprache ist so mittelalterlich wie Bratkartoffeln, weshalb es auch nach meinem Empfinden keinerlei Atmosphäre verbreitet. Darüber mag man zwar unterschiedlicher Meinung sein, aber ich würde es als SL schon allein deshalb nicht verwenden, um sicher zu gehen, dass mich die Spieler verstehen. Wenn die ewig nachfragen müssen, nervt es auf die Dauer. Allein das Zuhören könnte auf Dauer ermüdent sein.

Ich hatte als Spieler jetzt schon zwei Meister, die nicht in der Lage waren auch nur zwei Sätze unfallfrei vorzulesen, ohne sich zu verhaspeln. Nach einer Weile habe ich schlichtweg nicht mehr hingehört, weil es nicht auszuhalten war, was natürlich kontraproduktiv ist.
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Offline גליטצער

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #9 am: 13.08.2011 | 10:32 »
"Marktsprech" klingt grauenhaft und albern.
:d
Atmosphäre kommt da bei mir auch nicht auf. Marktsprech klingt eher nach Disneyland. Aber es ist ja nicht jeder Altgermanist oder befasst sich hobbymässig mit alter Sprache. Ich würde erst mal klären, wie Deine Mitspieler mit sowas umgehen, nicht dass Du Dir hier erst voll die Mühe machst und die dann alle angeeklet den Kopf abwenden.
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Online 1of3

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #10 am: 13.08.2011 | 10:48 »
Dann macht doch einfach mal sowas auf: http://tanelorn.net/index.php/topic,21861.0.html

Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #11 am: 13.08.2011 | 11:34 »
Willst du Marktsprech oder etwas, was dem mittelalterlichen Deutsch nahe kommt?
Bei ersterem muß ich passen, da Marktsprech bei mir akute Brechreizattacken verursacht. ;)

Wenn du spätmittelalterliches Deutsch (Frühneuhochdeutsch) simulieren willst, nimmst du am einfachsten einen bairischen (ohne y) oder alemannischen Dialekt und schreibst alles so, wie es gesprochen wird. Also bayrisch, schwäbisch, alle möglichen österreichischen Dialekte. Da eine moderne, hochdeutsche Schriftsprache noch nicht erfunden war, wurde alles recht direkt zu Papier oder Pergament gebracht - also so wie's Maul gewachsen war.
Du kannst noch lokale Feinheiten einbauen, wie ei durch ai, z und tz durch cz ersetzen, teilweise i durch y oder d durch t und b durch p. Eine oft gesehene Eigenheit ist z.B. auch, daß bei Anrede in der 2. Person das Du mit dem Verb verschmilzt. Also "willst du" -> "wiltu". Ebenso wie die (aus heutiger Sicht) falsche Verwendung von doppelten oder einfachen Buchstaben, also l statt ll oder ck statt k.
Damit bekommst du natürlich keinen Text in richtigem Frühneuhochdeutsch, aber eine fürs Rollenspiel ganz brauchbare Simulation.

Ein Textbeispiel von echtem Frühneuhochdeutsch (aus dem Codex Wallerstein):

Item ob du ainen pauren wild schaczen so vas
im dy haut zu samen an seinen hals und stich
im dar durch, als hie gemalt stet so maint
er man hab im denn hals ab geschnitten und schat nit

Wenn du einen Bauern ausrauben willst, so fasse
seine Haut an seinem Hals zusammen und stich
ihm da durch, wie es hier gemalt ist, so daß er meint,
man habe ihm den Hals abgeschnitten, und es schadet nicht.

Achja, Groß/Kleinschreibung gab es in dem Sinn auch noch nicht. Es wurde meistens alles klein gescdhrieben, außer am Satzanfang, Eigennamen und wichtige Wörter, die man hervorheben wollte (das konnten dann auch Verben oder Adjektive sein).
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #12 am: 13.08.2011 | 12:14 »
Einen sehr schönen Text möchte ich noch als Beispiel bringen. Mitte des 15. Jahrhunderts hat ein alter Fechtmeister (Hans Talhoffer) dieses Gedicht seinem jungen Schüler (einem Adligen aus Königsegg) als Einleitung in sein Fechtbuch geschrieben.

Vorweg zur Erklärung: °, ~ und ¨ sind Ligaturzeichen und wurden über dem vorangehenden Buchstaben geschrieben. ° wird als o (oder manchmal als er) gelesen und ~ meistens als n oder r (ergibt sich aus dem Sinn). ¨ steht für ein e.
mu°t -> muot (Mut)
frawe~ -> frauen (Frauen)
trw¨ -> true (Treue)

Im Text fällt auch auf, daß statt u konsequent v oder w geschrieben wird.

Aber nun zum Text:

Jung man nu lern
got liebhãn vñ frawe~ eren
red frawen woll
vnd biß manlich da mã soll
hüt dich võ lügen
vnd vor schamlichen krüge~
setz din syn vff erlich sach
vnd gedenck nach ritte~ schafft
mit freiden üben
stain werffen vñ stang schüben
tantzen vnd springen
fechtten vnd rÿngen
stechen vnd turniere~
schönen frawe~ hofiere~
ainß schimpff sande~ schertz
fechtten wil haben ain h°tz
Jung man erschrickst du gern
so soltu nit fechtte~ lernen
Es wer v°lore~ kunst
wen võ dem schlag de~ dãnst
vnd die grossen straich
machñt ain zag h°tz bald waich
Nu~ hab ain manß mu°t
gen dem der dir vnrechtt tu°t
wiltu mit eren beliben
so soltu die warheit nit v°triben
hüt dich vor den bösen
die trw¨ nit kündent lösen
haust du das recht v°numen
so gesell dich zu° den frumen
wen man dir rãt wil geben
so soltuß mercken gar eben
sol machst du v°stãn dabÿ
ob es dir gu°t oder schad sÿ
Also redt der talhoffer
Nu~ merck vff die rechtu mer
du solt dich ga° woll besÿnne~
wer du wilt fechtten oder rÿnge~
vnd merck vff des fechtes trw¨
der sÿtt de~ ist nit nw¨
getrw nit ÿederman
vnd stand vast als der ber
das du nit schliffest hin vnd her

Daruff so mercke vnd bruch all din stercke
als in der rechtte wage nach gu°tter kunst so frage
vnd sich dein bu°ch gar eben an so vindst du eß gemalet võ dir stãn



Die Übersetzung:

Junger Mann, nun lern
Gott zu lieben und die Frauen zu ehren.
Sprich von Frauen wohl
und sei tapfer, wie ein Mann es sein soll,
hüte dich vor Lug
und vor schändlichem Trug.
Setze deinen Sinn auf ehrliche Sachen
und befleißige dich in der Ritterschaft.
Mit Freuden sollst du üben:
Steine werfen und Stangen schieben,
Tanzen und Springen,
Fechten und Ringen,
Lanzenstechen und Turnieren,
und schönen Frauen zu hofieren.
Sei aufgelegt zu Schimpf und Scherz,
Fechten verlangt Herz.
Junger Mann, erschrickst du gern,
so sollst du nicht das Fechten lernen.
Es wäre verlorene Kunst,
denn das Dröhnen des Schlages
und die großen Streiche
machen ein zaghaftes Herz bald weich.
Nun habe eines Mannes Mut,
gegen den, der dir Unrecht tut.
Willst du bei Ehren bleiben,
so sollst du die Wahrheit nicht vertreiben.
Hüte dich vor den Bösen,
die keine Treue halten können.
Hast du das recht vernommen,
so geselle dich zu den Frommen.
Wenn man dir Rat will geben,
so überdenke diesen gar eben.
So erkennst du dabei,
ob er dir gut oder schädlich sei.
So spricht der Talhoffer!
Nun lerne die rechte Lehre:
Du sollst dich gar wohl besinnen,
wenn du willst fechten oder ringen.
Und bleibe dem Fechten treu,
denn der Brauch ist nicht neu.
Traue nicht jedermann.
Und steh fest wie ein Bär
daß du nicht wankst hin und her.

Das merke dir und brauch all deine Stärke
also in der rechten Waage. Nach guter Kunst so frage
und schau dein Buch gar eben an, so findest du sie gemalt vor dir stehen.
« Letzte Änderung: 13.08.2011 | 16:21 von Rabenstein »
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Ranor

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #13 am: 13.08.2011 | 12:37 »
Jung man nu lern
got liebhãn vñ frawe~ eren
red frawen woll
...
Ich würde wohl direkt aufstehen und gehen wenn mir mein Spielleiter so einen Text (oder etwas ähnliches) vorsetzen würde...  :gasmaskerly:

Ansonsten: Ich bezweifle, dass es so ein Tool gibt. Denn A) gibt es keine "mittelalterliche" Sprache und B) sind bspw. Übersetzungstools immer noch mit auch aktuellen Sprachen überfordert.
« Letzte Änderung: 13.08.2011 | 12:39 von Ranor »

Offline Gorai

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #14 am: 13.08.2011 | 13:21 »
@Pyromancer: Aus welcher Ecke von Deutschland stammst Du?

Früher, im Mittelalter wurde in jedem anderen Landesteil von Deutschland ein anderer Dialekt und/oder Mundart gesprochen.
Vielleicht gibt es in Deinem Familien- und/oder Bekanntenkreis, der noch Eure alte Mundart spricht und fragst ihn, ob er/sie
Dir den Hochdeutschen Text übersetzt.
Der Text sollte von Deinen Spielern noch am leichtesten zu übersetzen sein ;)
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #15 am: 13.08.2011 | 13:22 »
Das Problem an alten Sprachen ist, daß sie eben alt sind und das auch sozusagen rüberbringen. In der Gegenwart der Rollenspielwelt sollte man also besser gegenwärtiges Deutsch verwenden (und eventuell nicht versuchen, krampfhaft Hochdeutsch zu reden). Ältere Sprachen eignen sich dafür gut für entsprechend ältere Texte in der Rollenspielwelt.
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Offline Salva

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #16 am: 24.08.2011 | 15:39 »
Hallo,

hier hilft dir wohl nur ein Abend brainstorming nachdem man sich in eine passende Stimmung versetzt hat. Ich lese für solche Zwecke gerne ein paar "alte" Sachen die ich im Netz zusammengestöbert habe, besonders die Zeitungsarchive, die manche Gemeinde inzwischen online hat, haben durchweg was nettes.
Das geht zwar nur um max 1850 zurück, aber könnte wirklich jemand sagen, die folgende Einleitung (so oder ähnlich von mir mal aus einer alten Zeitung übernommen) klänge nicht mittelalterlich?

"... gegeben Anno x.y.1886, um also zu berichten was sich Interessantes und Nützliches in z. und auch den umliegenden Landen zugetragen und ereignet." (auf das "hat" hier z.b. absichtlich verzichtet, das habe ich in dem ein oder anderen alten Text durchaus mal gefunden).

Wirkliches mittelalterliche Geschriebene würde doch heut kein Mensch mehr verstehen. Wenn man es aber schafft Satzbau und Ausdrucksweise zu altertümisieren ist das eigendlich ausreichend. Dazu reicht es aber bereits 200 Jahre zurückzugehen. Tools dafür wirst du aber nicht finden, schätze ich.

Gruß
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Offline korknadel

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #17 am: 24.08.2011 | 15:46 »
Wirkliches mittelalterliche Geschriebene würde doch heut kein Mensch mehr verstehen.

Da unterschätzt Du einige Deiner Mitmenschen aber ein bisschen  ;).

Ansonsten gebe ich Dir grob gesagt recht. Hilfreich ist auch, sich den Simpicissimus in einer nicht allzu sehr normalisierten Ausgabe zuzulegen (gibt es ja allenthalben wie Sand am Meer). Oder halt andere Texte aus dem 16. und 17. Jahrhundert, da wird man bei Reclam und Konsorten ja fabelhaft fündig. Dann ein wenig schmökern, und alsobald läuft der Hase.
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #18 am: 24.08.2011 | 16:12 »
Also wie schon gesagt ist spätmittelalterliches Deutsch (also Frühneuhochdeutsch) nicht so schwer zu verstehen. Geschriebenes laut vorlesen hilft da meistens. Und es hilft natürlich auch, wenn man mit Dialekten aufgewachsen ist. Da tun wir uns in Österreich vielleicht leichter. ;)

Spannender wird's schon beim Mittelhochdeutsch (also grob gesagt hochmittelalterliches Deutsch). Da klingen Wörter und Grammatik schon etwas fremder. Das allseits bekannte Palästinalied wäre da ein Beispiel für Mittelhochdeutsch.
Das Verstehen endet dann aber spätestens beim Althochdeutsch (grob Frühmittelalter), das hat für den Laien kaum noch was mit heutigem Deutsch zu tun. Ein bekanntes Beispiel dafür sind z.B. die Merseburger Zaubersprüche.

Mittelalterliches Deutsch kann also viel sein. Für uns interessant ist am ehesten Frühneuhochdeutsch, sofern man keine verständnislosen Blicke bei seinen Mitspielern ernten will.  wtf? ;D
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Offline korknadel

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #19 am: 24.08.2011 | 16:21 »
Ich bin sowieso für Rollenspielhilfen in die Richtung. Mit ordentlichen Ablaut-Zufallstabellen. Der etwas grobkörnige Einheitsplural ist freilich nur was für SW-Spieler.
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #20 am: 24.08.2011 | 16:45 »
Nicht zu vergessen die umfangreichen Verständnistabellen mit Gebirgstalmodifikatoren. ;)
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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #21 am: 24.08.2011 | 16:52 »
Nicht zu vergessen die umfangreichen Verständnistabellen mit Gebirgstalmodifikatoren. ;)
Vor allem bei DSA, wo sie sich in den Kulturmodifikatoren der jan-Verbenkonjugation niederschlagen. Alles nachzulesen im roten Band "Wege des Rückumlauts".
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Offline Glgnfz

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #22 am: 24.08.2011 | 17:35 »
Ich werde mich direkt mal als Autor für "Wege der 2. Lautverschiebung" bewerben.
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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #23 am: 24.08.2011 | 17:52 »
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Offline asri

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #24 am: 24.08.2011 | 18:46 »
ich würd mir erstmal überlegen, was Du mit der Sprachveränderung erreichen willst. Ist die Sprachveränderung der richtige Weg dafür? Ist Deine Spielgruppe die richtige dafür?

Falls Du das bejahst: Hast Du in Deiner Gruppe Germanisten? Tu es nicht, außer Du weißt, was Du tust. Als zünftige mediävistische Nerds könntet ihr freilich komplett mittelhochdeutsch spielen (und ich würde gerne mal zusehen und -hören).

Ansonsten, wie schon gesagt wurde, ziel besser auf Frühneuhochdeutsch als auf Mittelhochdeutsch. Ziel auf spätes Frühneuhochdeutsch (17. Jahrhundert), das reicht. Die eher ahistorische Marktsprache reicht vielleicht auch. Dialekte können auch klappen (niederdeutsch ist übrigens nicht mittelalterlicher als hessisch oder alemannisch), können aber auch ein ganz anderes Flair erzeugen.

Lies ein paar frühneuhochdeutsche Texte. Was aus der Lutherbibel z.B., oder Flugblätter o.ä. Der Simplicissimus wurde schon genannt. Es gibt ne Menge online, z.B. unter http://de.wikisource.org/wiki/Kategorie:Fr%C3%BChneuhochdeutsch. Naheliegenderweise würde ich Texte wählen, die etwa zu den Geschichten passen, wie sie bei Euch am Tisch entstehen sollen.

Ich würde allgemeine Lautveränderungen (oder Schreibkonventionen) höchstens minimal einsetzen. Statt dessen würde ich (wenn überhaupt!) gezielt (und nach und nach) einzelne "neue" (also alte) Vokabeln einführen. Archaismen, braucht nix zu sein, was keine Sau mehr kennt, kann aber natürlich. Die können durchaus auch an die neuhochdeutschen Gepflogenheit angepasst sein (also Lautverschiebungen etc.). Kretschem statt Dorfschenke, verchwund statt tödlich verwundet. (OK, mir gefallen die beiden Beispiele nicht. Aber ich will ja auch kein Mittelaltersprech spielen. >;D)
Die Spielwelt durch "Fachwörter" zu bereichern, hat unter anderem auch schon Johnn Four (Roleplayingtips.com) vorgeschlagen.

Vielleicht gefällt dir ja auch sowas wie Starckdeutsch (http://de.wikipedia.org/wiki/Starckdeutsch) oder die Gesellschaft zur Stärkung der Verben (http://verben.texttheater.net/Startseite). Ich find sowas witzig - aber fürs Rollenspiel? Eher nicht so mein Geschmack. ;D

Offline Jiba

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #25 am: 24.08.2011 | 18:54 »
...die Gesellschaft zur Stärkung der Verben (http://verben.texttheater.net/Startseite)...

Ist das Satire oder meinen die das wirklich ernst?!?  wtf?
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline asri

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #26 am: 24.08.2011 | 19:01 »
Na klar.

Oh, das war eine Oder-Frage.

Offline Jiba

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #27 am: 24.08.2011 | 19:09 »
Selbst wenn's keine Satire ist, amüsier ich mich grad königlich, wenn ich mir das durchlese... vielen, vielen Dank für den Link!  :d
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Waldviech

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #28 am: 24.08.2011 | 19:19 »
Von mir auch einen herzlichen Dank. Da lacht der Sprachwissenschaftler in mir!!!  ;D
Zitat
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...ist das geil..... ~;D
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Offline Jed Clayton

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #29 am: 24.08.2011 | 20:17 »
Was ich ja an der Marktsprache so richtig interessant finde, ist dass sie weit "mittelalterlicher" klingt als echtes Mittelhochdeutsch, dass in Satzbau und Wortwahl oft weit moderner wirkt. (außer man hat gerade einen lyrischen Text)  ;D
Wenn du richtig antiquiert und gestelzt klingendes Geschwurbel haben willst, empfehle ich barockes Kanzleideutsch. Überall lateinische Fremdworte, jedes dritte Wort ist "itzo" oder "dieweil" und es ist kein Problem, auch mal Satzkonstruktionen mit 63 Nebensätzen zu verwenden.  ;D

Oh, fein. Solche Themen mag ich... Meine erste (und prägende?) Begegnung mit "itzo" hatte ich wie wahrscheinlich viele durch die Hörspielfolgen von Hui Buh, das Schlossgespenst. Hui Buh sagte auch gern "horrido", "mordio" und "malefitz" - auch wenn er sonst gar nicht so unmodern sprach.

Das "mittelalterliche" Englisch in englischsprachigen Ländern ist meist ähnlich unhistorisch wie unsere Mittelaltermarkt-Fantasy-Larper-Sprache. Dort wird auch oft irgendetwas aus Shakespeares Renaissance-Englisch genommen, das "you" durch "thou" ersetzt, hier und da ein stummes -e an Substantive und Adjektive angehängt, i durch y ersetzt und ansonsten allenthalben die Schreibweise so geändert, dass sie an alte Zeiten gemahnen soll.

Ye Olde Workshoppe
usw.

Was sprachhistorisch völliger Quatsch ist, da "ye" im Englischen niemals ein Artikel war. Das "ye" hat sich hier nur eingeschlichen, weil eine Schreibschriftvariante der Thorn-Rune für das "th" mit einem Ypsilon verwechselt wurde. Es war also immer ein "the" gemeint.
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Offline Waldviech

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #30 am: 25.08.2011 | 00:29 »
Zitat
Das "mittelalterliche" Englisch in englischsprachigen Ländern ist meist ähnlich unhistorisch wie unsere Mittelaltermarkt-Fantasy-Larper-Sprache. Dort wird auch oft irgendetwas aus Shakespeares Renaissance-Englisch genommen, das "you" durch "thou" ersetzt, hier und da ein stummes -e an Substantive und Adjektive angehängt, i durch y ersetzt und ansonsten allenthalben die Schreibweise so geändert, dass sie an alte Zeiten gemahnen soll.
Ist, denke ich auch naheliegend. Ich habe mich mit mittelalterlichem Englisch nicht wirklich eingehend beschäftigt (beim Lesen der Reclamausgabe der Canterbury-Tales z.b. habe ich eigentlich nur die deutsche Übersetzung im Blick gehabt ;)), aber ich vermute mal, die Differenzen zwischen modernem Englisch und mittelalterlichem Englisch werden ähnlich groß sein wie die zwischen Neuhochdeutsch und Mittelhochdeutsch. Das brächte bei Mittelaltermärkte natürlich Probleme mit sich. Auch wenn´s und Historiker und Sprachwissenschaftler beim Hören graust: "Marktsprech" hat seine Daseinsberechtigung für sowas. Echtes Mittelhochdeutsch (oder gar Mittelniederdeutsch) würde nämlich keine Sau verstehen - außer den paar Piepeln, die sich im Studium zufälligerweise mal mit Mediävistik beschäftigt haben.
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Offline korknadel

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #31 am: 25.08.2011 | 09:09 »
Das Problem beim Mittelhochdeutschen ist natürlich auch das, dass man damit meist in seiner lyrischen Form in Kontakt kommt. Und Lyrik ist von vornherein immer (oder doch meistens) etwas vertrackter als Prosa. Eine viel beschwingtere, leichter verständliche und sehr schöne Lektüre auf Mittelhochdeutsch bietet zum Beispiel der Prosalancelot. Das ist gar nicht so weit weg von frühneuhochdeutschen Erzähltexten (ich würde sogar sagen, es ist einfacher, weil die Satzbezüge meist klarer und die Sätze insgesamt auch nicht so lang und verschachtelt sind, wie das oft im (Früh-)Barock der Fall ist). Die kompletten fünf Bände gibt es zum Jubiläum des Deutschen Klassiker Verlags übrigens ab Oktober für den sagenhaften Sonderpreis von 248 Euro (in Leinen, versteht sich, die Leder-Ausgabe ist von den Sonderpreisen wohl nicht betroffen).
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Offline Jiba

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #32 am: 25.08.2011 | 09:46 »
Ganz andere Sache: Warum orientiert man sich in der Rollenspielsprachenpraxis nicht am guten alten Schiller, Goethe, oder (am allerbesten) an Kant... das, was die geschrieben haben, klingt stellenweise wunderbar antiquiert, bei frühen Werken schleicht sich auch schonmal ein "itzt" ein und trotzdem kann man es verstehen. 
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Pyromancer

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #33 am: 25.08.2011 | 18:44 »
Ich wollte da eigentlich keine Wissenschaft daraus machen, sondern mir nur Arbeit sparen. Na ja:

Zitat

Wir Ratislav dero Zwote Könjg des Reyces Herezog der Nordmarc Besytzer der Kjrce Besrejter des phlammenden Pfahdes uswusf erlaubjgen Uns alldawejl Unseren Oren zu gethragen worden jset es haethe befunden sich in der Burg Rodovjec ein Zejcen eine Relyquje eines Hejlygen von gar groszer Mäctjgkeyt der Zumsel des heyligen Gregory welches Uns zur Hylfe gerejcen can gegen die dysteren Creaturen der Fynsternyse dy sych noch wejter herum trejbjgen yn Unserem Lande und welcer derweylen aus gestelet gewesen sejn sol in ejner gar sylbernen Fasung yber dem Thore des groszen Ejnganges dero Burg  Ihn dero sich selber nenen gethraut den Borjslav Grafen von Rodovjec eben selbst derwejlen also auf eyne gar trefljche Queste die Ihn fyhren wyhret jn dyso sejne Hejmate von dero sejne Vorfaren angebeljc hero kämen um Uns djeselb vor genantes zuruec zu bryngen auszuschicen

Da dero Wege als auch dorthen alerhand Gefar und Unwejl lauern oder es sjch erejgnen coennen mag so yber laszen Wir Ihm jn Unserer Guete ejn halb Duzen gar tychtjger Krjeger und als Lon fyr tapfere Myen und muthjgen Kampfe mag Er ales weytere was Er dorthen fynden moege und behaltjgen can djes alez also sol fyrder nach Ihm gehoeren oder Seynen Gethreuen dje mjt Ihm zu zjen bereyet gewesen synd

Aber jeder Man so jst es Unser aus druecljcer Wuns und Wile demo Er begegnet dero sol Ihm helfen und Ihn unter stytzjgen wy es Brauctum und Syte jset hjero zu Lande sejt Althers hero


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Offline Jed Clayton

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #34 am: 25.08.2011 | 19:19 »
Ist, denke ich auch naheliegend. Ich habe mich mit mittelalterlichem Englisch nicht wirklich eingehend beschäftigt (beim Lesen der Reclamausgabe der Canterbury-Tales z.b. habe ich eigentlich nur die deutsche Übersetzung im Blick gehabt ;)), aber ich vermute mal, die Differenzen zwischen modernem Englisch und mittelalterlichem Englisch werden ähnlich groß sein wie die zwischen Neuhochdeutsch und Mittelhochdeutsch.

Ehrlich gesagt: ja. Größtenteils ist das der Fall. Für den typischen, auch akademisch gebildeten Amerikaner, Kanadier u.a. ist auch der alte William Shakeaspeare - eventuell noch Christopher Marlowe und wenige andere - das älteste Englisch, mit dem er in Kontakt kommt. Echtes Mittelenglisch (ca. 1100 - 1450) und Altenglisch (800 - 1100) braucht man als Muttersprachler auch nie und man wird nur in einem gezielten philologischen und sprachvergleichenden Studium damit in Berührung kommen. Für zahlreiche Muttersprachler zählt Shakespeare auch noch irgendwie als Mittelalter und die Details interessieren nicht.

Die Canterbury Tales kann man offenbar mit ein wenig Fantasie besser lesen, wenn man als Muttersprache Deutsch gelernt hat. Der Satzbau, die Wortbetonung und die Aussprache der meisten Buchstaben müssen damals noch eher "deutsch" gewesen sein (vom heutigen Neuhochdeutschen aus gesehen). Dagegen hat es mir beim ersten Überfliegen von Beowulf OHNE Übersetzung nicht viel geholfen, dass ich deutscher Muttersprachler bin. Altenglisch und Althochdeutsch sind für mich genau gleich schwer, sobald ich es mit längeren zusammenhängenden Sätzen zu tun habe.

Zitat
"Marktsprech" hat seine Daseinsberechtigung für sowas. Echtes Mittelhochdeutsch (oder gar Mittelniederdeutsch) würde nämlich keine Sau verstehen - außer den paar Piepeln, die sich im Studium zufälligerweise mal mit Mediävistik beschäftigt haben.

Genau so ist das. Ich bin trotzdem froh, wenn ich nicht zu viel Marktsprech vernehmen muss und wenn niemand im Rollenspiel von mir verlangt, so zu reden.
« Letzte Änderung: 25.08.2011 | 19:24 von Jed Clayton »
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #35 am: 25.08.2011 | 22:57 »
@ Pyromancer
Sieht ja schon mal nicht schlecht aus. ;)
Ich würd nur nicht alle i gegen j ersetzen, sondern wenn schon durch y. Oder gleich umgekehrt, alle j gegen i oder y austauschen.

Kommt natürlich drauf an, was du ausdrücken willst. Deine Urkunde wirkt durch die Sprach recht alt, wird also auch in deiner Rollenspielwelt ein paar Jahrhunderte am Buckel haben.
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Offline Scimi

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #36 am: 26.08.2011 | 01:26 »
Ja, das "J" ist ein gefühlsmäßig eher moderner Buchstabe, den man nicht überverwenden sollte. Dann lieber "j" durch "i" ersetzen, das sieht dann iedenfalls latinisierter aus. Was auch immer gut kommt sind wirr eingestreute Konsonantendopplungen: ("heillyg" statt "heilig") und, ganz toll: "ß" immer als "sz" schreiben, auf dasz es ällter wyrcke.  ;)

Aber ansonsten gefällt mir der Text für etwas "zufallsgeneriertes" ziemlich gut.

Offline Jed Clayton

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #37 am: 26.08.2011 | 02:21 »
Genau, ich habe schon mal in einem Schulwörterbuch gelesen, dass der Buchstabe "J" erst um 1600 fest ins Alphabet aufgenommen wurde. Jedenfalls im Deutschen. Stimmt das?

Deshalb gibt es ja auch im Lateinischen keine Unterscheidung zwischen i und j.

Die Differenzierung zwischen i und j (dem konsonantischen i) kam später als die Differenzierung zwischen u und v. Ab wann das w (Doppel-u) in der Schriftsprache fest wurde, weiß ich jetzt auch nicht.

Dazu das, was hier schon gesagt wurde: "war" heißt "ward", "damit" kann man mit "uf dasz" ersetzen, und "ei" gern durch "ey". Noch bis weit in die Goethe- uns Schiller-Zeit wurde für den Diphthong "ei" grundsätzlich "ey" geschrieben, was einfach besonders am Wortende grafisch schöner empfunden wurde (drey, frey, Liebeley). Und noch bis 1900 war das th viel häufiger am Wortanfang anzutreffen: "thuer und thor oeffnen" usw.
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Offline Rabenstein

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #38 am: 26.08.2011 | 10:22 »
Das j hat sich erst im 16. Jhdt. richtig durchgesetzt, wie schon richtig gesagt. Gegeben hat es den Buchstaben schon früher, z.B. in der Gutenbergschrift (Mitte 15. Jhdt.). Wie auch immer, am besten statt dessen nur i verwenden, sieht besser aus.

u und v gab es schon früher, genauso wie das w. In frühneuhochdeutschen Texten wurde aber häufiger v und w (doppeltes vv) geschrieben als u. Das dürfte genauso wie bei i/j seine Wurzeln im Lateinischen haben.

Statt ß ein sz oder ss zu schreiben, ändert nicht viel, da ß die Ligatur für sz oder ss (langes s und rundes s) ist. Wurde jeweils am Silbenende benutzt. Also so, wie es bis zur letzten Rechtschreibreform verwendet wurde, bevor der Unsinn mit "dass" erfunden wurde. ;)

Ob man statt ei ey oder ai schreibt, ist Geschmackssache und tatsächlich eher ein regionaler Unterschied. Sieht man sehr schön an den verschiedenen Schreibweisen von Meier (Meyer, Maier ...), was auf eine unterschiedliche regionale Herkunft des Namens schließen läßt.

Wörter stimmungsvoll mit th beginnen zu lassen ist allerdings eine Erfindung der späteren Neuzeit. Im Mittelalter hieß es tür und tor (oder tuer bei Schreibweise ohne Ligaturen). Allgemein war spätmittelalterliches Deutsch eher kurz und knackig, da wurden lieber mal Konsonanten verdoppelt als Vokale in die Länge gezogen.



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Offline korknadel

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #39 am: 26.08.2011 | 10:38 »
u und v gab es schon früher, genauso wie das w. In frühneuhochdeutschen Texten wurde aber häufiger v und w (doppeltes vv) geschrieben als u. Das dürfte genauso wie bei i/j seine Wurzeln im Lateinischen haben.

Otfried von Weißenburg hat sich seinerzeit (9. Jahrhundert) ja bitterlich über die theodisce Sprache aufgeregt, weil sie zuweilen drei aufeinanderfolgende u erforderte, nämlich immer dann, wenn ein vokalisches u auf ein konsonantisches Doppel-u (w) traf.

Uuurst.  :d
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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #40 am: 26.08.2011 | 11:13 »
Uuurst ist super!  ;D
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Offline fahad

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #41 am: 3.12.2023 | 15:34 »
Da muss doch schon mal jemand ein Tool dafür programmiert haben: Ich hab einen neuhochdeutschen Text, und würde den gerne in pseudomittelalterliche Sprache übersetzen, am besten automatisch. Weiß da jemand weiter?

Ich habe eine Seite gefunden, die Pseudomittelalterlich ins Hochdeutsch übersetzen kann. Hier ist der Link https://dialectconverter.com/deutscher-dialekt-uebersetzer/deutsch-mittelalter/. Sie verwendet KI, um verschiedene Dialekte des Deutschen zu übersetzen. ;D

Offline fahad

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Re: Text vermittelalterlichen
« Antwort #42 am: 3.12.2023 | 15:36 »
Ich habe eine Seite gefunden, die Pseudomittelalterlich ins Hochdeutsch übersetzen kann. Hier ist der Link https://dialectconverter.com/deutscher-dialekt-uebersetzer/deutsch-mittelalter/. Sie verwendet KI, um verschiedene Dialekte des Deutschen zu übersetzen.  ;D