Vor kurzem hab ich mein zweites Fiasco erlebt. Es lief nicht wirklich rund. Ein paar Hypothesen, woran das lag, habe ich; aber natürlich würde ich gern Eure Ansichten und Ideen hören. Hab ein bisschen geschwankt, ob es noch hier unter Spielberichte gehört, da ich den Bericht selbst ziemlich lakonisch gehalten habe.
Wir haben zu dritt gespielt (unser vierter Spieler konnte nur kurzzeitig hinzukommen und ging auch bald wieder - überarbeitet). Als Playset haben wir das Penthouse ausgewählt. Beim Setup entschieden wir uns für die folgenden Beziehungen und Details:
Setup:Crime: Polizist und Person von Interesse - Ort: Oben, Whirlpool mit Supermodels
Romance: Eifersucht - Verlangen: die Wahrheit zu erfahren, wo das Geld herkommt
Community: VIP und Bodyguard - Objekt: Information, Beweis über Handel mit geschützten LemurenDaraus schraubten wir die Ausgangssituation: Auf der Party des superreichen Saudi-Prinzen Salman bin Nasser (NSC) versucht der Polizist Sgt. Max Pepper Beweise für den illegalen Handel mit gefährdeten Lemuren zu finden, in den ein anderer Party-Gast, der Inder Amir Khan (reicher Filmfuzzi) verwickelt ist. Salman, der Gastgeber, ist Lemuren-Fan und sein bester Abnehmer. Mike "the muscle" Mitchell ist der Bodyguard von Amir Khan und sein Vertrauter, was den Tierhandel angeht. Er hat Beweise gegen seinen Boss in der Hand - aber wieso würde er ihn verraten? Außerdem wollen Mike und Sgt. Pepper beide etwas von derselben Frau, Clara (NSC), einem Model-Sternchen, das gerade erst am Horizont aufgeht (oder sich das zumindest erhofft).
Der Ablauf:Mike und Pepper trafen sich an der Bar, flirteten beide mit Clara und gifteten sich ein bisschen an. Mike möchte gern etwas Freizeit bei seinem Chef rausschinden, um Clara später oben am Pool zu treffen. Doch Amir weicht aus. Irgendwie plätscherte die Runde weiter, ohne so recht ins Fleisch zu gehen. Das Eskalieren lief nicht richtig. Der Spieler von Mike bemühte sich, seinen Charakter stärker reinzureiten: Mike hatte eigenmächtig (ohne seinen Boss Amir) Reptilien gekauft, um auch mit diesen Tieren zu handeln. Amir fand die Idee nicht gut, und nun hatte Mike einen Laster voller Leguane in der Tiefgarage. Außerdem dachte sich der Spieler aus, dass eine Razzia die Garage und die Party prüfen sollte. Aber diese Elemente blieben aufgesetzt, auch wenn wir sie alle ins Spiel aufnahmen. Sie fügten sich nicht organisch ins Fiasco.
In seiner Not bat Mike Pepper, seinen Kollegen vom Razzia-Team zu sagen, dass sie den Leguan-Laster ignorieren sollten. Dafür stellte er ihm Beweismaterial zum Lemurenhandel in Aussicht. Währenddessen plauderte der Saudi-Prinz gegenüber Pepper (die beiden waren alte Kindheitsfreunde) ganz arglos seine Lemurengeschäfte aus, ohne dass Amir es verhindern konnte.
Als man das prächtige Lemurenhabitat (ein extra Bereich im Penthouse) besichtigt, beißt ein Affe Clara. Sie bricht zusammen, auch die Notärzte wissen nicht, wie sie helfen sollen. Claras Kreislauf destabilisiert sich, sie liegt im Sterben. Ihre beiden Verehrer sind außer sich. Siedend heiß fällt Mike ein, dass er bei der Einfuhr der Lemuren an Impfungen gespart hat, obwohl sie eine gefährliche, ansteckende Krankheit übertragen können. Er kann den Ärzten die genaue Bezeichnung des Virus nennen, verrät damit aber auch, dass er im Lemurenhandel drin steckt. Amir Khan, schon ziemlich angeheitert, will mit Mike fliehen. In der Tiefgarage werden sie von Pepper und dem SEK gestellt und festgenommen.
Gedanken:Im Nachhinein denke ich, dass wir uns bei der Ausgangssituation mehr Mühe hätten geben sollen.* Aber das Auswählen der einzelnen Elemente und das Erklären, was diese Angaben eigentlich später im Spiel bewirken (sowie sonstiges Regelgedöns), hatte schon soviel Zeit gekostet (ca. 1 Stunde), dass wir endlich mit dem 1. Akt loslegen wollten.
*) Der Ort, der für die Beziehung zwischen Pepper und Amir Khan wichtig sein sollte, kam zwar vor, war aber für die beiden und ihr Verhältnis irrelevant. Die Eifersucht zwischen Pepper und Mike bezog sich auf einen NSC, Clara. Aber Clara war noch nicht vergeben - die Situation war und blieb in der Schwebe. Wir hätten sie "kippen" lassen sollen, indem sich Clara für einen entscheidet. Der Beweis über den Lemurenhandel hätte eigentlich für Spannungen zwischen Mike und Amir führen sollen - irgendwie wurde er aber nur zwischen Mike und Pepper thematisiert. Mike hätte Amir vermutlich direkt damit erpressen müssen, aber: hinterher ist man immer klüger. Allgemein formuliert: Die gewählten Spielelemente wurden nicht ausreichend ins Zentrum gerückt und blieben zu lange "offen", dadurch zwangen sie auch die Charaktere nicht zu Entscheidungen. Die Ausgangssituation, das Konfliktnetz war zu lose geknüpft. Dadurch wurde es schwierig (fand ich), spannende Szenen zu rahmen.
Ich erinnere mich, dass ich nach dem Lesen der Regeln am schwierigsten fand, mir das Setup vorzustellen, bzw. dass ich gegenüber dem Setup die größte Unsicherheit verspürte. Das wirkte alles eher unkonkret auf mich:
Some questions to ask:
• Is the Need capable of being the obsessive core of the Relationship?
• Is the Need alive with possibility, both good and bad (but mostly bad)?
• Is the Need producing nods of appreciation and excitement from your friends?
If the answer to each is a resounding yes, you’ve got a fun Need.
Das ist alles ziemlich weich formuliert (und lässt sich vielleicht auch nicht besser machen). Mein erstes Fiasco
Rosemary's Baby lief prima; vielleicht bin ich danach davon ausgegangen, dass es auch diesmal schon klappen würde, und hab deshalb die Ausgangssituation vernachlässigt. Wir hätten vielleicht einfach das Insta-Setup nehmen sollen. Aber natürlich möchte man sich auch austoben und das Playset genauer anschauen. Nur kostet das ziemlich viel Zeit. Wie macht ihr das, speziell wenn ihr mit Leuten spielt, die Fiasco noch nicht kennen? Ich konnte meinen Mitspielern nicht gut erklären, wozu wir jetzt diese einzelnen Punkte aus den Listen auswählen und welche Rolle sie nachher spielen würden.
Sonstiges, was im Spiel falsch lief:
Statt den Hauptcharakter einer Szene in einem interessanten Konflikt brutzeln zu lassen (ihn vor eine schwierige Entscheidung zu stellen), haben manchmal andere Charaktere bestimmte Entscheidungen für ihn gefällt.
Bsp.1: Pepper will den Handel mit den Lemuren aufdecken. Mike erfindet für sich eine Zwickmühle (er hat einen Laster mit illegal gehandelten Leguanen in der Tiefgarage und weiß, dass es eine Razzia geben soll - beide Elemente hat der Spieler von Mike selbst ins Spiel gebracht). Er bittet Pepper, seinen Kollegen bei der Razzia aufzutragen, den Leguan-Laster nicht anzutasten, und stellt ihm dafür Beweise bezüglich des Lemurenhandels in Aussicht. Mit anderen Worten, Mike bzw. dessen Spieler gibt sich Pepper sehr weit in die Hand. Aber wo ist in der Szene für Pepper nun der Konflikt? Der Spieler von Mike hat die Szene quasi annektiert und für seine eigene Story genutzt.
Bsp.2: Amir Khan möchte gern weiter mit Salman lukrative Lemurengeschäfte tätigen, aber er will nicht, dass Pepper davon etwas erfährt. Nun hatte der Spieler von Pepper ein bisschen zuvor erfunden, dass Pepper und Salman sich aus Kindheitstagen kennen. In einer Szene von/für Amir frischen nun Pepper und Salman ihre Freundschaft wieder auf, und Salman erzählt, dass Amir ihn ja immer so toll mit Lemuren versorgt. Anstatt sich selbst in den Konflikt reinzureiten, sieht er zu, wie es ihm eingebrockt wird.
Das Problem ist uns (natürlich) erst später bewusst geworden.
Unklarheit: die Razzia in der Tiefgarage: wer kontrolliert das ansehnliche SEK? Wir hätten das vermutlich gemeinsam regeln sollen, übertrugen es aber auf Pepper als den Polizisten, dem sie womöglich ohnehin irgendwie unterstellt waren. (Nicht zuviel Logik, bitte.
)
Weiterer Fehler: Wir hätten die letzte Szene eher beenden sollen, nämlich beim Höhepunkt der Konfrontation (Pepper springt Mike von hinten an, wirft ihn zu Boden und setzt ihm die Knarre ins Genick.) Der Aftermath und die Montage von Schlaglichtern hätte vollkommen ausgereicht, um die Story zu beenden. Statt dessen haben wir die Szene weiterlaufen lassen, obwohl nicht noch wirklich etwas Neues geschehen konnte. Das war also wohl ein Problem der "Meta-Aufmerksamkeit": beim Szenenspiel sich selbst über die Schulter zu gucken und zu bemerken, wann eine Szene "durch" ist.
Abschließend: Mir ist klar, dass die Probleme des Spielabends nicht pauschal den Spielregeln (oder dem Playset) anzulasten sind. So ein Erzählspiel ist ziemlich anspruchsvoll, und wir waren geistig wohl auch ein bisschen ausgelaugt. Außerdem hatten wir einige reizvolle Szenen, die viel Spaß gemacht haben.
Trotzdem finde ich es sinnvoll, zu überlegen, wo und warum etwas schief lief, und wie man es besser machen kann. Worauf lohnt es sich, mehr zu achten? Gibt es Improvisationstechniken, die man einüben kann, um Problemen wie den genannten souveräner zu begegnen? Sonstige Hilfestellungen, Ideen, eigene Erfahrungen?