Sicher, mein Eingangsposting war etwas gehässig. Dabei ist vielleicht unter die Räder gekommen, worum es mir eigentlich ging. Nochmal in Ruhe: Ich finde den Kern des ersten Bandes Drachenchronik gar nicht mal übel. Es sind halt recht straightforward Abenteuer-wie-man-die-so-kennt. Daran ist zunächst mal auch nichts Verkehrtes. Mein Hinweis oben, dass ich mich ausdrücklich nicht schon wieder darüber beschweren wollte, dass sich der Band nicht zum "ergebnisoffenen" Spielen eignet, war übrigens ernst gemeint; ich wollte und will eine andere Spielweise einfach mal beim Wort nehmen - zumal ich weiß, dass sie mir unter bestimmten Voraussetzungen selber Spaß macht. Es ist ein bisschen zu leicht, jetzt noch ewig Häme über den Stilblüten irgendwelcher AutorInnen auszugießen, die das sicher auch alles für nicht zu viel Geld und mit Herzblut machen, man weiß ja, wie das ist. Außerdem werden die DSA-Abenteuer wenigstens mal fertig, im Gegensatz zu anderen Spielen, und im Vergleich zu anderen Systemen bietet DSA doch ein recht hohes Niveau an ABs. Also, nachdem ich mir ein bisschen Luft gemacht habe (Übrigens, gestern in "Drachenodem" gefunden: "Der Drache bewohnte einige der schönsten Kristallkavernen Aventuriens." Man möchte es sich rahmen lassen, oder?) - wie geht denn so was nun?
Fangen wir doch mal egoistisch bei mir an: Kriegsklinge, wann macht dir denn "so was wie DSA" Spaß? Na, kommt druff an, watte meinst, ne?
Watt mein ick denn. Also: Alle Beteiligten wissen, dass bei einem Abenteuer der Handlungsverlauf nicht wesentlich von den Spielern zu beeinflussen ist. Es gibt einen Einsteig, der tunlichst zu nehmen ist, und von da ab gilt "alle Wege führen nach Rom", sprich: es gibt Wegkreuzungen im Plot, an denen von den Charakteren (von den Spielern allerdings nur sehr bedingt) Entscheidungen zu treffen sind. Je nach dem, wie diese ausfallen, nimmt die Handlung einen leicht unterschiedlichen Verlauf, das Endergebnis ist aber höchstens in Nuancen verschieden. Ebenso wie zu Beginn gibt es eben einen recht festgelegten Endpunkt.
Was macht daran Spaß? Die SL darf sich eine tolle Story mit krassen Situationen, malerischen Schauplätzen und vielseitigen NSC ausdenken, für die sie gebührend bewundert wird. Plotwendungen und dolle Szenen werden mit viel Oh und Ah kommentiert. Die Spieler haben vielseitige Charaktere, die sie möglichst unterhaltsam auf die präsentierten Situationen und die Handlungen der anderen reagieren lassen. An den Wegkreuzungen verständigt man sich einerseits darüber, welches Vorgehen am besten zu den Charakteren passen würde, aber auch, was die farbigsten Situationen im weiteren Spielverlauf verspricht (sprich auch wieder: wo kommen die Helden am besten zu Geltung?). Es gehört zu den Aufgaben der SL, das, was jeder weiß (wo die Reise hingeht ist ziemlich klar) nicht allzu deutlich zu Tage treten zu lassen; die Spieler stellen sich ja produktiv ein bisschen dumm und die SL sollte ihnen das nicht unnötig schwer machen.
Praktisch heißt das, das alle Richtungsentscheidungen der Spieler von der SL angenommen und nicht durch allzu offensichtliche Zaunpfähle gelenkt werden. Dann richtet sie stillschweigend alles so ein, dass der geplante Verlauf in etwa eintritt - notfalls kommt der Plot eben zu den Spielern. Suchen die SC eine bestimmten Ort nicht auf, tauchen entscheidende Wendungen und wichtige NSC halt irgendwo anders auf, setzen die Spieler statt auf den weiße auf das schwarze Pferd gewinnt eben doch letztes das Rennen undsoweiter undsofort. Keine ganz leichte Aufgabe, aber wenn man ein bisschen frei sprechen kann und sein Material parat hat, ist das ganz gut machbar. Die Spieler helfen ja auch eh mit und überhaupt sind die Situationen von vornehrein so angelegt, dass eigentlich nur zwei, drei Handlungen der SC jeweils plausibel sind.
Regelanwendung findet statt, aber immer unter der Prämisse der Charakterdarstellung. Heißt: Entweder führt jemand sein Spezialgebiet vor ("Du bist doch Magier, entziffer doch mal die Runen da", "Schlösser knacken kann nur unsere Diebin") oder man möchte überraschende Ergebnisse produzieren, die die Fiktion anreichern (spektakulär vergeigte Zauber, grandios gelungene Attacken, peinliche Verhandlungsmissgeschicke usw.). Regelmechnaismen bestimmen niemals entscheidend den Plotverlauf.
Ich würde mal sagen: Der Kern der Sache ist die unterhaltsame Interaktion mit den anderen (Spielern und SL). Der Abenteuerplot ist eine Bühne, auf der man sich spaßig austoben darf, die Regeln kitzeln per Zufall die Kreativität in der Darstellung wach (schaffen Situationen innerhalb des sicheren Plotnestes, in denen man anarchisch rumtoben kann). Hinterher wird man sich daran erinnern, was einer lustiges gesag hat, zu welchen Slapstickeinlagen es kam, wer eine beeindruckende Rede gehalten hat, wo viel Blut geflossen ist - mit anderen Worten, wie Charaktere und Welt miteinander umgegangen sind, mit anderen Worten: wie die Spieler gemeinsam mit den SC als Handpuppen besonders schön herumgekaspert haben. Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen eben.
(NB: Ich weiß nicht genau, ob das nun so genau das ist, was DSA sich vornimmt, aber es kommt mir vor wie das, was die meisten Leute unter "normalem Rollenspiel" verstehen, wenn sie nicht mit Indies infiziert sind oder mit D&D sozialisiert wurden. bei DSA spielt sicher "Aventurien erleben" noch eine große Rolle).
So, und wie nimmt man denn der SL in gedruckten Texten jetzt da die Arbeit ab? Folgt aus dem gerade gesagten:
Formal-dramaturgisch:
- Einfach Plots. Die Spieler wollen keine allzu komplexen Entscheidungen, es darf an den entscheidenden Stellen nur begrenzte plausible Handlungsmöglichkeiten geben und wenn doch mal was Unerwartetes passiert, muss die SL hinter den Kulissen unauffällig was verschieben - das alles geht mit einfachen Plots besser.
- Dafür aber farbige Ausgestaltung. Wenn der Plot eben ist "Geht nach X, setzt euch mit Y auseinander und nehmt ihm Z weg", dann muss X, Y und Z aber echt der Bringer sein. Und das "Gehen" und das "Auseinandersetzen" muss auch rocken. Viele Details, viele klar umrissene NSC, viel Exotik, viel Geschichte der Spielwelt.
Darreichungstechnisch:
- Diese Ebenen erstmal genau trennen. Eben nicht sofort in den Romanmodus verfallen. Spielleitung funktioniert auch hier nicht durch Nachahmung; nur, weil man der lesenden SL viele panthergleiche Szenen beschreibt, kann sie die später noch lange nicht genau so nachstricken. Also: In dürren Worten Plotverlauf, auch gerne als Flussdiagram oder sonstwie grafisch dargestellt. Wekreuzungen ausdrücklich als solche kennzeichnen, die plausiblen Handlungsverläufe aufzeigen und durchspielen. Ratschläge geben, wie man unauffällig die Kulissen verschiebt, wenn was dazwischenkommt. Das knapp und ohne viel Schnickschnack, funktional.
- Im "farbigen" Material dann von Umsetzung her denken. Also nicht seitenweise, wie Magister Sowieso mittags den Hut aufsetzt, sondern: wie verkörpere ich den? Wie reagiert er auf die SC?
- Duch Layout und Gestaltung handhabbar machen; auch bei dieser Art zu spielen ist ein Szenarioband eben Material (jaja, ich weiß, bei vielen DSA-Fans nicht, okay, das ist ein Sonderfall). Man muss die Strukturen, Abläufe, wesentlichen Elemente sofort erkennen und später schnell parat haben; die Ausschmückungen müssen farbig, aber übersichtlich und einsetzbar präsentiert werden.
- Regelanwendung nicht da anregen, wo es sich scheinbar "logisch ergibt", sondern aufzeigen, wo Regelanwendung den meisten Spaß bringt, wo sie zu Charakterdarstellung und geregelter Improvisation führt.
Das Seltsame finde ich, dass, Beispiel Drachenchronik, DSA schon anzumerken ist, dass es in diese Richtung geht. Es gibt ja haargenau: einfache Plots, farbige Gestaltung und zumindest den Versuch einer Trennung von Strulturangeben, Spieltischtipps und In-Welt-Material. Der Fehler scheint mir darin zu liegen, dass die Trennung ungenügend und gestalterisch schlecht umgesetzt ist, vor allem aber, dass es irgendwie eine große Abneigung dagegen zu gegen scheint, das Material als Spielmaterial zu präsentieren. Allzu oft herrscht anscheinend der "Infizierungsgedanke" vor: Wenn wir es der lesenden SL nur genügend vormachen, überträgt sich die Fähigkei zum panthergleichen Leiten irgendwie magisch. Und inmitten der blumigen Beschreibungen verbergen sich dann Hinweise zur Umsetzung, die man später mühsam suchen muss. Gut, und ich persönlich finde, die schreiberische Qualität trägt auch nicht; es reiht sich eine Ungeschicklichkeit, eine Stilblüte an die nächste ... aber vielleicht bin ich da überempfindlich oder der Produktausstoß verhindert ein sorgfältigeres Lektorat oder es ist dem Publikum schlichtweg egal.
Bottom Line: Man müsste gar nicht soo viel anders machen. Es ist echt eher eine Frage der Präsentation und der Schwerpunktsetzung. Aber wahrscheinlich ist der Weg weg von der "magischen Infektionstheorie" hin zu "wir gestalten Spielmaterial" dann doch nicht so leicht. Vielleicht ist "Spielmaterial" etwas, was sofort nach Dungeonspiel riecht. Wenn ich nur einen Satz hier stehenlassen sollte, würde er lauten: Auch und gerade Erzählspieler brauchen Spielanleitungen - halt welche, die für ihr besonderes Spiel passen.