Autor Thema: Charaktere mit Tiefe  (Gelesen 6639 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline SeelenJägerTee

  • Legend
  • *******
  • Biomancer
  • Beiträge: 6.445
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: SeelenJägerTee
Charaktere mit Tiefe
« am: 20.05.2012 | 15:27 »
Ich hau das mal hier rein, da (N)SC ja in so ziemlich jedem Spiel/System vorkommen sollten.

Ich tue mich schwer Charaktere mit stärken und schwächen darzustellen, die mehrdimensionaler als ein Pfannkuchen wirken.
Bisher war das vlt. noch verkraftbar aber es bahnt sich eine SIFRP Runde am Horizont an.

Wie macht man Charaktere die sich echt anfühlen, mit stärken und schwächen ohne gleich Arschkrampen zu sein?
Insbesondere bei NSC hat man ja meist nur ziemlich begrenzt Zeit sie "on screen" zu entwickeln und im Gegensatz zu Büchern sieht man nicht in ihre Köpfe herein.

Wie konstruiert ihr lebensnahe Charaktere und wie präsentiert ihr sie effektiv?

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 18.995
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #1 am: 20.05.2012 | 15:32 »
Zitat
...und im Gegensatz zu Büchern sieht man nicht in ihre Köpfe herein.

Warum nicht? Was hindert dich zu erzählen, was ein Charakter denkt?

Offline Bad Horse

  • Erste Elfe
  • Titan
  • *********
  • Zimt macht die Gedanken weich!
  • Beiträge: 32.544
  • Username: Leonie
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #2 am: 20.05.2012 | 15:45 »
Ich mach das mit NSCs eigentlich genauso wie mit SCs: Ich habe eine grobe Idee davon, wer die sind und was die wollen, und dann spiele ich sie einfach - und zwar nicht als Vehikel für den Plot, sondern als Personen, die in der Szene, in der sie vorkommen, irgendwas erreichen wollen.

Das läuft mir dann manchmal davon, weil die plötzlich völlig ungeplante Sachen machen wollen oder unerwünschte Aktivität an den Tag legen, aber das macht eigentlich nichts.

Wichtig ist es nur, dass man als SL zulassen muss, dass die NSCs manipuliert, eingeschüchtert oder sonstwie von den SCs übervorteilt werden können. Ich hatte ein paar Mal zu häufig SLs, deren NSCs so hart coole Säue waren, dass man sie nicht beeindrucken konnte - und zwar nicht nur die Typen, bei denen man das erwarten kann, sondern auch der kleine Taschendieb um die Ecke oder die Dienstmagd. Oder bei denen man merkt, dass sie eigentlich nur Plotvehikel sind, die sich heute so, morgen so verhalten - je nachdem, wie der SL es gerade braucht.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline SeelenJägerTee

  • Legend
  • *******
  • Biomancer
  • Beiträge: 6.445
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: SeelenJägerTee
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #3 am: 20.05.2012 | 16:00 »
Warum nicht? Was hindert dich zu erzählen, was ein Charakter denkt?
SL-Stil.

Ich mach das mit NSCs eigentlich genauso wie mit SCs: Ich habe eine grobe Idee davon, wer die sind und was die wollen, und dann spiele ich sie einfach - und zwar nicht als Vehikel für den Plot, sondern als Personen, die in der Szene, in der sie vorkommen, irgendwas erreichen wollen.

Das läuft mir dann manchmal davon, weil die plötzlich völlig ungeplante Sachen machen wollen oder unerwünschte Aktivität an den Tag legen, aber das macht eigentlich nichts.

Wichtig ist es nur, dass man als SL zulassen muss, dass die NSCs manipuliert, eingeschüchtert oder sonstwie von den SCs übervorteilt werden können. Ich hatte ein paar Mal zu häufig SLs, deren NSCs so hart coole Säue waren, dass man sie nicht beeindrucken konnte - und zwar nicht nur die Typen, bei denen man das erwarten kann, sondern auch der kleine Taschendieb um die Ecke oder die Dienstmagd. Oder bei denen man merkt, dass sie eigentlich nur Plotvehikel sind, die sich heute so, morgen so verhalten - je nachdem, wie der SL es gerade braucht.
Ja dadurch habe ich aber noch keinen tiefen Charakter. Ich habe halt nen Pfannkuchen, der Beeinflussbar ist je nachdem ob er Willenskraft gesteigert hat oder nicht. Auch dadurch, dass mein Pfannkuchen in dieser Szene XYZ will wird er nicht tiefer.

Um mal das plakative Beispiel zu machen, einen Pfannkuchen kann ich verbessern indem ich Frischkäse drauf schmiere, Schnittlauch drüber streue, Tomaten scheiben drauflege und alles zusammen rolle. Sieht von außen immer noch aus wie ein Pfannkuchen aber wenn man rein beißt stellt man fest, dass da doch mehr drinnen steckt - und wenn man ihn schief hält sifft Soße raus.

Wie konstruiert man jetzt aber tiefe (N)SC?

Außerdem geht es mir nicht NUR um NSC sondern prinzipiell würde ich auch gerne mal meine SC in der Hinsicht verbessern.

Offline Ingo

  • Adventurer
  • ****
  • Na dann PROST!
  • Beiträge: 630
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Wurzelgnom
    • Primäres ROllenspiel SysTem
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #4 am: 20.05.2012 | 16:01 »
Ich schließe mich Bad Horse an. Ob NSC oder SC macht erstmal keinen Unterschied.

(N)SCs mit Tiefgang sollten verschiedene Facetten haben. Sie benötigen einen Motor und sie benötigen etwas, womit man sie einfangen kann (z.B. Liebe zu einer bestimmten Person, für die sie alles tun). Sie müssen eine andere Seite haben, die man nur selten zu Gesicht bekommt und sie brauchen ein Hobby.
Jeder meiner Charaktere bekommt ein oder mehrere Besonderheiten, die ihn nicht prinzipiell weiterbringen. Das mag Kochen sein. Dann steigere ich eben Kochen und mein Charaktere interessiert sich für Kräuter und besondere Speisen. Im allgemeinen mag er der "harte" Krieger sein, aber er kocht eben gerne. Außerdem hat jeder eine Angst. Das mag etwas profanes wie Höhenangst sein. Oder Angst davor, sich zu offenbaren.
Jeder meiner Charaktere hat Lieblingsformulierungen, eine Vorliebe für bestimmte Kleidung, Autos oder Waffen und die pflegt er.
Jeder hat eine Vergangenheit. Besondere Ereignisse und hat daraus etwas mitgenommen. Diese Ereignisse überlege ich mir und denke auch darüber nach, wie sie ihn beeinflußt haben.

Beim Spiel muß er dann wachsen und sich weiter entwickeln. Neue Seiten kommen hinzu und andere werden ab und an mal angebracht. Wenn es gut klappt, können sich andere Spieler mehr unter ihm vorstellen als "ist ein guter Kämpfer".
Kann Spuren von Wahrheit enthalten
---
Primäres ROllenspiel SysTem - Das universelle Rollenspiel Forum
Autoren für Pyramos gesucht (mitarbeit@rollenspiel.in)!

Offline Praion

  • Famous Hero
  • ******
  • Storygamer
  • Beiträge: 2.638
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Praion
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #5 am: 20.05.2012 | 16:09 »
Ich hau das mal hier rein, da (N)SC ja in so ziemlich jedem Spiel/System vorkommen sollten.

Ich tue mich schwer Charaktere mit stärken und schwächen darzustellen, die mehrdimensionaler als ein Pfannkuchen wirken.
Bisher war das vlt. noch verkraftbar aber es bahnt sich eine SIFRP Runde am Horizont an.

Wie macht man Charaktere die sich echt anfühlen, mit stärken und schwächen ohne gleich Arschkrampen zu sein?
Insbesondere bei NSC hat man ja meist nur ziemlich begrenzt Zeit sie "on screen" zu entwickeln und im Gegensatz zu Büchern sieht man nicht in ihre Köpfe herein.

Wie konstruiert ihr lebensnahe Charaktere und wie präsentiert ihr sie effektiv?

Ich zitiere hier mal jemand aus dem OoTS Forum über Mouse Guard
Zitat
" In any case, Mouse Guard characters, I've found, are often far more human than D&D characters who actually are humans, if you follow me."


Erreicht wird dies, durch Flags durch Überzeugung,Ziel und Instinkt. Gleichzeitig hat jede Maus bestimmte Eigenschaften(Traits) die man zwar positiv für sich ausspielen kann aber man vor allem ihre negativen Seiten für sich braucht (Sie negativ ausspielen gibt einem ne bestimmte Art "Gummipunkte" die man später für extra Szenen ausgeben kann). Dadurch werden alle eigenschaften der Maus zu tage gefördert und sie sind Chars, mit Schwächen und Problemen die trotzdem versuchen heldenhaft zu sein.
« Letzte Änderung: 20.05.2012 | 16:13 von Praion »
"Computers! I got two dots in Computers! I go find the bad guy's Computers and I Computers them!!"
Jason Corley

Offline Bad Horse

  • Erste Elfe
  • Titan
  • *********
  • Zimt macht die Gedanken weich!
  • Beiträge: 32.544
  • Username: Leonie
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #6 am: 20.05.2012 | 16:28 »
Tiefe kommt nicht durch Werte, die auf einem Bogen stehen, Tiefe kommt durch die Dinge, die die Charaktere machen. Oder gemacht haben. Oder machen wollen.

Da hilft es vielleicht, einfach mal ein paar Szenen mit dem Charakter im Geist durchzuspielen. Wie hätte er als Teenie reagiert, wenn ihn seine Angebetete abweist? Was würde er machen, wenn ihm ein kleiner, halbverhungerter Taschendieb bestiehlt und er es merkt? Wie verhält er sich, wenn die SCs ihm vorhalten, er wäre kein so toller Mensch?

...ansonsten ist mir unklar, was du mit "Tiefe" eigentlich genau meinst. Ich hatte das erstmal so verstanden, dass der Charakter sich "real" anfühlen soll, und das erreichst du eben durch Motivation und die Reaktion auf Konflikte.
Ob der blöde Krieger gern kocht oder nicht, ist eigentlich egal - wie reagiert er, wenn jemand seiner unehelichen Tochter einen Dolch an den Hals hält?

Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Ingo

  • Adventurer
  • ****
  • Na dann PROST!
  • Beiträge: 630
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Wurzelgnom
    • Primäres ROllenspiel SysTem
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #7 am: 20.05.2012 | 16:38 »
Tiefe kommt nicht durch Werte, die auf einem Bogen stehen, Tiefe kommt durch die Dinge, die die Charaktere machen. Oder gemacht haben. Oder machen wollen.

Grundsätzlich würde ich dem zwar zustimmen, aber man kann es durchaus damit unterstützen. Wenn man Künste/Fertigkeiten erwirbt, die mit dem normalen Rollenspiel nichts zu tun haben, sondern ein Hobby sind, dann kann man die Tiefe eben dadurch verbessern.
Zum Beispiel die Kunst "Wissen über Blumen" für einen Killer, weil er Hobbygärtner ist.

Ansonsten stimme ich Dir zu.
Kann Spuren von Wahrheit enthalten
---
Primäres ROllenspiel SysTem - Das universelle Rollenspiel Forum
Autoren für Pyramos gesucht (mitarbeit@rollenspiel.in)!

Offline Dragon

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.874
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Dragon
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #8 am: 20.05.2012 | 16:48 »
neben den bereits genannten Sachen:
achte darauf, das nicht alle NPC gleich wirken und du nicht zu oft auf Klischees zurückgreifst. Nicht jeder Tavernenwirt ist männlich, dick, speckig, kahl und hat ne dreckige Schürze um...
Mach die NPC's einzigartiger, durch Aussehen, Ticks, Sprachgewohnheiten oder Akzente (falls möglich, ich kann das nicht so gut).

Meine Leute werden z.B. nie die geistig etwas verwirrte, aber hellseherisch begabte Gänsemagd vergessen, die immer wieder die gleichen Sätze wiederholt hat... die eine Hälfte meiner Spieler fand das total super (die andere wollte mich erwürgen) :D

Offline Nørdmännchen

  • Harmonie-Suchtbolzen
  • Adventurer
  • ****
  • Ist seeehr selten da...
  • Beiträge: 912
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Nordmännchen
    • Tredstone
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #9 am: 20.05.2012 | 16:50 »
@Bad Horse: Sich manipulieren oder verändern lassen ist wirklich unglaublich wichtig. Sowohl für SC, wie auch für SLC. :d

Ich glaube (allerdings aus Theaterperspektive blickend), dass sich Tiefe, im Sinne von "glaubhafter Persönlichkeit", vor allem durch kontinuierliches Erspielen (als Autor: Erschreiben) einstellt. Das mag bei SLC leicht zu einem Problem werden (und würde auch "Tidenhub" von SC zu SLC erklären). Zwei Dinge als Vorschlag:

1. Keine Angst vor Bekanntem, bis hin zum Klischee. (Also erstmal rein in den Ansatz, so wie man die Figur archetypisch erwartet. Sich dann manipulieren lassen (hier wird Bad Horses Anregung wichtig) und dem SLC die Screentime einräumen, feinere Facetten seiner Persönlichkeit erst dadurch zu entwickeln und dann zu entfalten.
2. Menschen beobachten. Setz Dich in die Eingangshalle des Bahnhofes, in ein Café in der Fußgängerzone, gehe Deinen Bekanntenkreis durch und beobachte gezielt Film, Fernsehen und Bücher. Erstens wage ich die These, dass man feststellt, wie wirklichkeitsnah Klischees (grade beim ersten Eindruck) sein können. Zweitens ist das Plündern realer Persönlichkeiten viel leichter als das Erfinden neuer (zumindest für mich).

Das sind natürlich relative Allgemeinplätze, wenn Du Interesse hast, könnte ich noch Schauspieltechniken posten, die sich schlauere Leute als ich haben einfallen lassen ;).

Was die Werte auf dem Bogen angeht, so glaube ich vor allem dann an eine Bereicherung, wenn man zulässt, dass die Spieler (z.B. durch Ressourceneinsatz) SLC-Verhalten antriggern können. Aber so ein Meta-Spiel will ja nicht jeder...

Liebe Grüße, Henning
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

Offline Nocturama

  • Organisch gewachsene Hühnin
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.255
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Nocturama
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #10 am: 20.05.2012 | 16:56 »
Quirks wie "Zitiert immer Shakespeare" sind für mich eher Mittel, einen Charakter erinnerungswürdig zu machen und weniger eines, um ihm Tiefe zu geben.

Für Tiefe bei NSC finde ich vor allem wichtig: Eine klare Motivation und einen Grund für die Motivation. Beides sollten die SC auch mitkriegen dürfen, selbst wenn der NSC da normalerweise nicht drüber reden würde. Wenn der von selbstzweifeln zerissene Schwarzmagier, die eigentlich nur seine tote Frau erwecken will, sich bei jeder Begegnung wie ein finsterer Drecksack verhält, bleibt er ein eindimensionaler Charakter. Weiß ja keine was von seinen Beweggründen.
Da muss ich mich als SL immer dran erinnern - ich hatte schon häufiger NSCs, bei denen der Knackpunkt nie rausgekommen ist. Das ist dann irgendwie verschenkt.

Bei SCs sollte man aber noch bedenken, dass eine starke Motivation (oder ein Issue  ;)) dazu führen kann, dass sie gegen die Gruppe agieren oder suboptimal handeln. Vorher abklären, ob das in einer Runde OK ist und nicht als Spotlight-hogging oder Taschenlampenfallenlassen gilt.

Das sind natürlich relative Allgemeinplätze, wenn Du Interesse hast, könnte ich noch Schauspieltechniken posten, die sich schlauere Leute als ich haben einfallen lassen ;).

Ich habe Interesse  :)
You're here for two things: to fucking ruin someone's shit, and to play a friendly game of make-believe.

AND YOU'RE ALL OUT OF IMAGINATION.

Offline asri

  • Hero
  • *****
  • Naiver Idealist (Rang 1)
  • Beiträge: 1.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: asri
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #11 am: 20.05.2012 | 17:28 »
Etwas spekuliert: Tiefe ist, denke ich, auch (und vielleicht vor allem) "Entwicklungstiefe", also die mehrfach angesprochene Möglichkeit bzw. Tatsache, dass sich Figuren verändern. Innere Motivation eines Charakters ist dafür vielleicht eine Voraussetzung, Detailreichtum dagegen nicht. Sprich, keine Figur kann Tiefe von Anfang an besitzen, sondern sie erst durch Erfahrungen, Entscheidungen und Handlungen erhalten.

Ergibt das Sinn? :)

Offline Sid

  • Mehr Mädchen als Du
  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 475
  • Username: Boese Zunge
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #12 am: 20.05.2012 | 17:42 »
Klischees haben sich nicht ohne Grund gebildet.

Viele Autoren behaupten, dass man einen Archetypen mit einem einzigen Kniff "erinnerungswürdig" machen kann.

Man nehme jemanden a la "Hard Boiled Detectiv" und verpasse ihm eine Sammelleidenschaft oder sonst eine unerwartete Eigenheit. :)

Auch find ich in den Zusammenhang folgende "Formel" sehr einprägsam

1.) Sympathie - ein Charakter hat etwas/macht etwas, dass man mag. (Kinder und Tiere erfüllen schon oft durch ihren Status diese Eigenschaft)

2.) Identifikation - dem Charakter passiert ein Leid, er hat Kummer, man fühlt mit. (Achtung, wenn man ihn vorher nicht sympathisch findet, identifiziert man sich meist nicht mit ihm!)

3.) Empathie - man fühlt nicht nur mit, sondern hat selbst das dringende Bedürfnis etwas an der Situation der Charakters zu ändern.


Dieses "sympatisch" machen klappt auch mit eigentlich fiesen Verbrechern.

Beispiel: "Godfathers"

Ein italienischer Vater sitzt in der Gerichtsverhandlung gegen den Mann, der seine Tochter vergewaltigt und getötet hat.
Dieser Mörder wird aus Mangel an Beweisen frei gesprochen. Der italienische Vater sagt: "Wenn wir Gerechtigkeit wollen, müssen wir zu Don Corleone gehen."

Schon finden wir diesen Don Corleone sympatisch, er ist anscheinend jemand bei dem wir auf Gerechtigkeit hoffen können.

Aber das dieser Don ein Mafia Oberhaupt ist, Menschen tötet und foltert, das blendet man netterweise aus. :)

In der nächsten Szene wird der Don dann bei der Hochzeit seines Kindes als liebender Familienvater und Mafiaboss mit Ehrenkodex gezeigt.

Wir Finden ihn immernoch nett. Sogar als er einen Mordauftrag erteilt. Denn er bestraft ja jemanden der noch viel fieser und gemeiner ist und mit Drogen dealen will, was Don Corleone niemals seinen italienischen Landsmännern antun würde!!

Ihr merkt, eine sympathisch machende Szene nach der anderen. :)

Jetzt folgt 2.) Identifikation

Der Sohn vom Don wird getötet. Er verliert seinen eigenen Sohn! Da identifizieren wir uns, wir haben Mitleid. Wir haben noch mehr Mitleid und identifizieren uns noch stärker als der Don äußert: "Er selbst habe ihn losgeschickt, eigentlich hätte der Anschlag ihm gelten müssen und sein Sohn ist gestorben wo er hätte sterben müssen.

Wer sich jetzt ordentlich in den armen Don Corleone hineinversetzt will nur eines - RACHE!!
und das ist der Punkt and dem wir das Statium der Empathie erreicht haben. :D

Herzlichen Glückwunsch!

Das kann man bei unzähligen Filmen, Serien, Büchern, beobachten.
Ich putz hier nur.
Freunde des Sandmanns

Offline Maarzan

  • Mythos
  • ********
  • Beiträge: 8.751
  • Username: Maarzan
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #13 am: 20.05.2012 | 17:48 »
Ich würde mal sagen, Charaktere mit Tiefe komemn dann, wenn die Gesellschaft/Kultur um sie herum "funktioniert" und ich ein plastisches Gefühl dafür habe wie der Charakter lebt und erzogen wurde. Der Rest ist dann Instanzenbildung: "Clichee" kopieren und individualisieren.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline SeelenJägerTee

  • Legend
  • *******
  • Biomancer
  • Beiträge: 6.445
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: SeelenJägerTee
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #14 am: 20.05.2012 | 18:20 »
neben den bereits genannten Sachen:
achte darauf, das nicht alle NPC gleich wirken und du nicht zu oft auf Klischees zurückgreifst. Nicht jeder Tavernenwirt ist männlich, dick, speckig, kahl und hat ne dreckige Schürze um...
Mach die NPC's einzigartiger, durch Aussehen, Ticks, Sprachgewohnheiten oder Akzente (falls möglich, ich kann das nicht so gut).

Meine Leute werden z.B. nie die geistig etwas verwirrte, aber hellseherisch begabte Gänsemagd vergessen, die immer wieder die gleichen Sätze wiederholt hat... die eine Hälfte meiner Spieler fand das total super (die andere wollte mich erwürgen) :D

Ich glaub ich kann nicht so ganz klar machen was ich meine.
Vlt so: Ich möchte keinen BUNTEN sondern einen TIEFEN Charakter.

Bunte Charaktere bekomme ich ganz gut hin. Auch mit den Motivationen habe ich keine Probleme.
Ich habe ein Problem damit einen Charakter menschlich zu machen.
Da hilft es nicht ob der Altrocker auch gerne mal Klassik hört. Das macht ihn vielleicht erinnerungswürdig, aber dadurch wird er nicht zu einem tiefen Charakter.

[...]
Das sind natürlich relative Allgemeinplätze, wenn Du Interesse hast, könnte ich noch Schauspieltechniken posten, die sich schlauere Leute als ich haben einfallen lassen ;).
[...]
Ja mach mal bitte.

Pyromancer

  • Gast
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #15 am: 20.05.2012 | 18:32 »
Ich habe ein Problem damit einen Charakter menschlich zu machen.

Orientier dich an Leuten, die du kennst. Imitiere Leute aus dem echten Leben. Je vertrauter, desto besser klappt das.

Offline WeepingElf

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 601
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: WeepingElf
    • Jörg Rhiemeier's Homepage
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #16 am: 20.05.2012 | 19:02 »
Tiefe kommt nicht durch Werte, die auf einem Bogen stehen, Tiefe kommt durch die Dinge, die die Charaktere machen. Oder gemacht haben. Oder machen wollen.

So sehe ich das auch.  Eine lange Liste von Hintergrundfertigkeiten und Quirks gibt einem Charakter mehr Farbe, aber nicht notwendigerweise mehr Tiefe.  Natürlich sollte ein tiefer Charakter auch Hintergrundfertigkeiten und Quirks haben, diese sollten aber aus seiner Charaktergeschichte motiviert und nicht zufällig ausgewählt sein.

Zitat
Da hilft es vielleicht, einfach mal ein paar Szenen mit dem Charakter im Geist durchzuspielen. Wie hätte er als Teenie reagiert, wenn ihn seine Angebetete abweist? Was würde er machen, wenn ihm ein kleiner, halbverhungerter Taschendieb bestiehlt und er es merkt? Wie verhält er sich, wenn die SCs ihm vorhalten, er wäre kein so toller Mensch?

Ja.  Eine gute Charaktererschaffung ist selbst ein kleines Rollenspiel, in dem man die Lebensgeschichte des Charakters bis zum Eintritt in das eigentliche Spiel nachvollzieht, zumindest in groben Zügen.  Natürlich ist das mit einem gewissen Aufwand verbunden, so dass man es nur für wichtige Charaktere wirklich durchspielen kann.  Für Spielercharaktere ist das in jedem Fall empfehlenswert, als One-on-One-Session zwischen Spieler und SL.  Bei NSCs hängt es davon ab, ob sie eine zentrale Rolle im Abenteuer spielen oder nur Statisten sind.  Da muss nicht jede Palastwache eine mehrseitige Lebensgeschichte haben.

Zitat
...ansonsten ist mir unklar, was du mit "Tiefe" eigentlich genau meinst. Ich hatte das erstmal so verstanden, dass der Charakter sich "real" anfühlen soll, und das erreichst du eben durch Motivation und die Reaktion auf Konflikte.
Ob der blöde Krieger gern kocht oder nicht, ist eigentlich egal - wie reagiert er, wenn jemand seiner unehelichen Tochter einen Dolch an den Hals hält?

So verstehe ich "Tiefe" hier auch.  Wie ich schon gesagt habe, ist "Farbe" nicht automatisch "Tiefe", auch wenn "tiefe" Charaktere im allgemeinen auch "farbig" sind.  Motivationen und soziale Netzwerke der Charaktere sind da von großer Bedeutung.
... brought to you by the Weeping Elf

Offline Nørdmännchen

  • Harmonie-Suchtbolzen
  • Adventurer
  • ****
  • Ist seeehr selten da...
  • Beiträge: 912
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Nordmännchen
    • Tredstone
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #17 am: 20.05.2012 | 20:19 »
@asri: Ja, das ergibt in meinen Augen sogar ziemlich viel Sinn.

@Sid: Eine sehr schöne und treffende Aufstellung. Ich würde sie dahin gehend einschränken, dass sie im Speziellen für Protagonisten gilt. Im Falle von Antagonisten (manche SLC) muss der Dreischritt mMn nicht vollständig vollzogen werden, bzw. wäre bisweilen sogar hinderlich. (Auch wenn einzelne Punkte sehr hilfreich sein könnn.) Aber: schön knackig zusammengefasst :d

@Pyromancer: Oh ja, sehr wichtig. Enge Bekannte zu "mißbrauchen" ist sehr produktiv.

@Theaterübung:
Ein relativ pragmatischer Ansatz scheint mir der sogenannte Fast-Food-Stanislawski.

Schritt Eins
Du überlegst Dir die Motivation Deines SLC und formulierst daraus eine Verhaltensmaxime (also das Prinzip für die akuten Handlungen).
Beispiele: Den SC das Leben schwermachen / Sich selbst für unfehlbar halten / Streit suchen / Alles Beobachten / Sich unauffällig verhalten usw.
(Wenn Dir eine Maxime zu wenig erscheint, kannst Du auch mehrere aufstellen, ich persönlich würde nie mehr als drei nehmen.)

Schritt Zwei
Zu jeder Maxime machst Du dann eine Liste mit ca. 20 konkreten Verhaltensanweisungen, die das entsprechende Prinzip verwirklichen. Eventuell streichst Du diese Verhaltensweisen auch wieder auf die Auswahl zusammen, die Dir für die Figur passend erscheint.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Schritt Drei
Die Listen sind eine hervorragende Gedankenstütze, durch zwei Maximen entsteht durchaus schon ein distinktive Figur und auch Maximen im Widerspruch gestalten sehr klare Persönlichkeitsstrukturen. Keith Johnstone schlägt vor, die "Regieanweisungen" vom Bühnenrand (beobachtende Mitspieler) herein zu rufen. Als SL müsstest Du Dich ab und an dazu gemahnen, einen zufälligen Punkt heraus zu picken.

Natürlich ist der Anfang etwas Arbeit, aber die Listen sind wiederverwendbar bzw. durch neue Kombinationen sehr flexibel. Und vor allem erleichtern sie das Improvisieren.

Ich habe jetzt mal damit angefangen, eine Auswahl solcher Listen aufzustellen. Daraus könnte vielleicht mal ein freies, layoutetes PDF werden. Vielleicht hilft ja mein frühes Stadium troztdem schon (hingerotztes PDF aus OpenOffice von meiner Dropbox). Noch cooler wäre es, wenn jemand von Euch etwas dazu Beitragen möchte, dann würde ich einen FastFood-Stanislawski-Threat eröffnen.

Grüße, Henning

« Letzte Änderung: 20.05.2012 | 20:26 von Nørdmännchen »
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

Offline Clawdeen

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 243
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: TanjaT
    • Clawdeen spielt
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #18 am: 21.05.2012 | 06:39 »
Ich habe jetzt mal damit angefangen, eine Auswahl solcher Listen aufzustellen. Daraus könnte vielleicht mal ein freies, layoutetes PDF werden. Vielleicht hilft ja mein frühes Stadium troztdem schon (hingerotztes PDF aus OpenOffice von meiner Dropbox). Noch cooler wäre es, wenn jemand von Euch etwas dazu Beitragen möchte, dann würde ich einen FastFood-Stanislawski-Threat eröffnen.

Find ich ziemlich gut! Mach das mal mit dem Thread, bitte.  :)
In der Macht der Dunkelheit liegt ein Hauch von Dämlichkeit.

Offline Bordfunker

  • Famous Hero
  • ******
  • Ich bin nicht Jim Kazanjian.
  • Beiträge: 2.726
  • Username: bordfunker
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #19 am: 21.05.2012 | 08:25 »
Ich würde mal sagen, Charaktere mit Tiefe komemn dann, wenn die Gesellschaft/Kultur um sie herum "funktioniert" und ich ein plastisches Gefühl dafür habe wie der Charakter lebt und erzogen wurde. Der Rest ist dann Instanzenbildung: "Clichee" kopieren und individualisieren.

Ich denke auch, daß Tiefe nur im Zusammenspiel entstehen kann. Für mich entsteht sie, wenn zwischenmenschliche Situationen/Spotlights des Charakaters realitätsnah und emotional gespielt werden. Das ist nicht in Jeder Gruppe und mit jedem Spieler möglich. Verleiht dem Spiel aber den Hauch Realität. Es können ernste, konfliktbeladene, aber auch leichte und lustige Szenen sein. Wie im realen Leben auch, bildet sich dadurch ein gemeinsames Erinnern aus. Die Charaktere beginnen ein eigenes Beziehungsgeflecht zu leben.

Deshalb versetze ich mich in meinen Charakter/NSC und überlege, welche Macken, wann auftreten. Wie Eigenschaften für andere sichtbar werden. Ich spiele meine Mitspieler an. Biete ihnen die Möglichkeit einzusteigen. Wenn es klappt, freu ich mich.

Offline Oberkampf

  • Storytellerpetausbrüter
  • Legend
  • *******
  • Fais Attention!
  • Beiträge: 5.713
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tümpelritter
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #20 am: 21.05.2012 | 08:32 »
Ich würde mir erstmal die Frage stellen: Wie vielen NSCs will ich Tiefe verleihen?
Und dann: Warum?

In einem Rollenspiel treten endlose Reihen von NSCs auf, wenn es darum geht, eine Gesellschaft einigermaßen glaubwürdig zu gestalten. Die meisten davon braucht man aber nur als Nebenfiguren, für die manchmal sogar ein bunter Anstrich zu viel Colorierung ist. Nur ganz wenige davon müssen Tiefe verliehen bekommen, und das sind in der Regel diejenigen, für die die Spieler (!) sich von sich aus interessieren und mit denen sie ihre Charaktere interagieren lassen wollen. Insofern halte ich es für besser, sich im Nachhinein eine Charakterisierung für den bunten NSCs einfallen zu lassen, mit dem die SCs gerne interagieren.

Zu viele tiefsinnige Charaktere bergen die Gefahr in sich, den Hauptprotagonisten die Show zu stehlen. Ganz gefährlich sind die "mysteriösen Typen mit dunkler Vergangenheit", weil sie nach meinem Empfinden inflationär gebraucht werden. Trotzdem kann man sich natürlich bei einem NSC überlegen, welche Persönlichkeitswandel er warum durchgemacht hat - aber zu viele solcher NSCs verderben den Brei.
Dans un quartier qui est triste à tuer
Prends des bombes de peinture et bombe tout
Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na

Offline Grey

  • MacGreyver
  • Titan
  • *********
  • Nebulöse Erscheinung seit 2009
  • Beiträge: 17.167
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Grey
    • Markus Gerwinskis Website
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #21 am: 21.05.2012 | 09:06 »
Wie konstruiert man jetzt aber tiefe (N)SC?
Man "konstruiert" sie nicht, man castet sie.

Wenn ich eine Sitzung vorbereite (und gut in Form bin, klappt auch bei mir nicht immer ::)), dann rufe ich mir z.B. coole (im Sinne von "lebendige") Charaktere aus den Filmen, die ich in letzter Zeit geguckt habe, vors innere Auge, konfrontiere sie mit Testsituationen und warte ab, wie sie reagieren. Das ist eher ein Casting von virtuellen Personen. Ich steuere sie nicht bewußt, ich lasse sie einfach machen. So 'ne Art angewandte Schizophrenie, ich weiß auch nicht, wie ich das besser beschreiben soll.

Wichtig ist vor allem, daß ich mich erst mal von vorgefaßten Vorstellungen löse, "die alte Heilerin sollte so und so sein und diesen und jenen Eindruck auf die Spieler hinterlassen". Das geht in die Hose. Ich hatte da einmal genau das Problem, daß ich die Heilerin auf Biegen und Brechen als eindrucksvolle Gestalt darstellen wollte, alt, aber aufrecht und kraftvoll usw. usf., und sie blieb - um bei deinem Vergleich zu bleiben - platt wie ein Pfannkuchen. Irgendwann hab ich's aufgegeben und noch mal gnadenlos in die Klischeekiste gegriffen, und plötzlich stand da ein gebeugtes, altes Mütterchen vor mir und guckte mich streng an. Und lebte einfach. ;)

Läuft darauf hinaus: Wenn ein Charakter einfach nicht leben will, wegschicken und einen anderen kommen lassen.
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
--
Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline Megan

  • Fhernhache der Spielleiter
  • Legend
  • *******
  • Warum lügen!
  • Beiträge: 4.392
  • Geschlecht: Weiblich
  • Username: Megan
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #22 am: 21.05.2012 | 09:30 »
@Nørdmännchen: wie cool, ich glaube, so eine Liste kann einem im Spiel echt sehr konkret weiterhelfen. Ist natürlich auch aufwändig, aber ja irgendwie auch wiederverwendbar.

@Topic: Ich habe auch so meine Probleme mit tiefgründigen Charakteren. Bei SCs bin ich meist etwas erfolgreicher, weil ich für diese ja meist eine Hintergrundgeschichte ausarbeite und daraus Charakterzüge resultieren und schon bis zu einem gewissen Grad geklärt ist, was so ihre Probleme sind. Mit meinen NSCs gehe ich leider meist recht schlampig um und überlege mir zu diesen viel zu selten mehr. Im Spiel rächt sich das natürlich.

Ich glaube, was tatsächlich hilft sind Klischees, andere Charaktere als Vorlage und klare Motivationen, jedoch am allerwichtigsten: Der Wille zur Identifikation. Erst, wenn man bereit ist, sich mit der Figur tatsächlich auseinander- und sich in sie hineinzuversetzen, kann man ihr tatsächlich Leben einhauchen. Dazu gehört wohl auch, dass man im Vorfeld im Geiste Szenen durchspielt. Und dann kommt noch die letzte Hürde am Spieltisch selbst: Der Mut, entsprechend der Figur aus sich herauszugehen, der Mut zum Darstellen. Gerade der letzte Punkt ist zumindest bei mir sehr abhängig von der Tagesform.

Allerdings werde ich tatsächlich mal Nørdmännchens Tipp mit der Liste ausprobieren. Das klingt total vielversprechend, muss ich sagen.  :d

Offline kalgani

  • Legend
  • *******
  • Die Bibliothek des unnützen Wissens
  • Beiträge: 4.124
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: kalgani
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #23 am: 21.05.2012 | 09:38 »
Ich finde den Ansatz der Buch "Spielleiten" gemacht wird gut.

1. Verspreche nix was du nicht halten kannst
erzähl also nur von dem Zeug wozu es auch hintergrund gibt.
Ich fand hier das Bsp. des weglaufenden Mannes auf dem Marktplatz gut, der nur der colorierung der szene gedacht war.

2. Weniger ist oft mehr

3. Versuche langweilig zu sein (denn daran wirst du scheitern ;))

4. Oben hatte jemadn schon Flaggen zu NSC´s gesetzt
davon reichen aber schon viel weniger um einen glaubwürdigen NSC zu gestalten.

z.B.:
Der eingebildete schöne Prinz: rechthaberisch, selbstverliebt, jähzornig, charmant (gg Damen)
Der beinlose Bettler: aufmerksam, mitleid ablehnend, aufrichtig, kratzige stimme

Damit komme ich ganz gut klar, wenn ich leite.
natürlich sollte man aber auch versuchen nicht mehr zu wollen als man wirklich kann.
Zwiegespräche zwischen SC´s hab ich schon lange abgeschafft, da dafür meine schauspielrischen fähigkeiten einfach nicht reichen. Finde auch die einsicht das man etwas NICHT kann wichtig, dieses muss man den Spielern auch klar machen.

Offline Boba Fett

  • Kopfgeldjäger
  • Titan
  • *********
  • tot nützt er mir nichts
  • Beiträge: 37.906
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Mestoph
    • Internet-Trolle sind verkappte Sadisten
Re: Charaktere mit Tiefe
« Antwort #24 am: 21.05.2012 | 09:52 »
Vlt so: Ich möchte keinen BUNTEN sondern einen TIEFEN Charakter.
Tiefe entsteht durch Nachvollziehbarkeit und Details.

Du schreibst, dass Du das mit den Motivationen hinbekommst.
Dann ist doch ein grosser Punkt schon geschafft.
Jetzt müssen nur noch die Spieler davon erfahren, um in Entscheidungen und Ereignisse diese Motivationen als Ursachen zuordnen zu können.
Sorge also dafür, dass die Charaktere oder die Spieler erfahren, welche Motivationen und Ziele die Spielleiter-Charaktere antreiben. Durch andere Spielleiter-Charaktere oder durch OT Talk.

Und kümmere Dich um Details.
Mit Details meine ich Emotionen und Motivationen abseits des großen Geschehens.
Der große König, der schwarze Ritter und Robin Hood sind nicht menschliche Charaktere.
Aber der große König, der weise regiert, sich beim Erheben vom Tron aber stützen lassen muss, weil er vom ewigen sitzen Bandscheibenprobleme hat, der wird daduch Menschlicher.
sorgen um die kranke Schwester, will vermeiden dass herauskommt, dass sein Bruder ein Taugenichts ist...   Etc. Etc.
Solche Kleinigkeiten machen Spielleiter-Charaktere einfach greifbarer.

Und stelle andere Spielleiter-Charaktere daneben, die mit diesen Details agieren.
Der Leibgarden Hauptmann, dem die Rückenprobleme seines Königs unangenehm ist, und der versucht, davon abzulenken. oder der Nachbar, der mit der Taugenichtsinfo hausieren geht, ...

Andersherum kann man auch offensichtliche Details schaffen und die Ursache verbergen.
Der Vorgarten eines schicken Hauses, das die Charaktere aufsuchen, ist vernachlässigt. Warum?
die Nachbarn schielen misstrauisch rüber?
Jemand warnt davor, in ene Kneipe zu gehen, weil der Sohn des Wirtes verhext ist? Dabei hat er nur Anfälle und redet dabei wirres Zeug...

Tiefe entsteht durch Menschlichkeit und die entsteht dadurch, dass die Leute neben ihrer Hauptbeschäftigung auch noch ein Leben haben, ein Leben mit Sorgen, Nöten, Bedürfnissen.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!