So, ich nutz einfach mal den alten Thread für einen Spielbericht. Der Bericht hat Überlänge, sorry. Ich versuche, sowohl die Erzählung(en) als auch unsere Erfahrungen mit den Regeln wiederzugeben.
CoS ist ein würfelloses, spielleiterloses Erzählspiel, entstanden 2010 im Game Chef Wettbewerb und 2011 über Indiegogo finanziert. Nach dem ersten Lesen der Regeln von Chronicles of Skin (CoS) war mir noch einiges unklar. Mit den
überarbeiteten Regeln (Direktlink zur PDF), die es seit Juli gibt, wird der Ablauf verständlicher.
Um das Spiel auszuprobieren, trafen wir uns zu viert. Die Gruppe hat bisher (bis auf das Pärchen) noch nicht zusammen rollengespielt, aber alle haben mehr oder weniger Rollenspielerfahrung. Wir kennen uns aus anderen Zusammenhängen. Ich hatte als einziger die Regeln vorab gelesen und erklärte, so gut ich konnte.
CoS hat zwei Modi, in denen es gespielt werden kann: Sketch und Chronicle. Wir spielten den „Sketch“ (engl. „Skizze“), wie es für Anfänger empfohlen ist, und der etwa 90 min dauern soll (wir benötigten drei Stunden). Die Eigenschaften der Croen und Iho sind hier vorgegeben. Im Sketch werden nacheinander drei Geschichten/ Szenen gespielt (im Chronicle entwickelt die Gruppe die beiden Völker komplett selbst, erzählt vier statt nur drei Geschichten, und die Spieler sind nicht nacheinander an der Reihe, sondern interagieren nach Belieben). Jede Geschichte endet mit einer Tragödie, die viele Angehörige eines der beiden Völker hinwegrafft. Auch die SC können dabei sterben. Als Spieler bekommt man also womöglich für jede der Geschichten einen neuen SC.
Für die erste der drei Geschichten übernahm ich die Aufgabe, „Schreiber der Haut“ zu sein. Der Schreiber der Haut spricht eine Einleitungsformel, wählt einen Handlungsort und beschreibt eine Bedrohung. Am Ende der Geschichte beschreibt er, welche Tragödie eines der beiden Völker trifft, und belohnt einen oder zwei Spieler dafür, zwei Themen (durch zwei aufgedeckte Karten vorgegeben) in besonderer Weise in die Geschichte eingebracht zu haben. Und wie es der Name schon sagt, zeichnet er ein paar Symbole auf die „Haut“. In der Geschichte selbst übernimmt er aber wie alle anderen ganz normal einen Charakter ohne besondere Erzählrechte.
Unsere
erste Geschichte erzählte, wie der König bei einem großen gesellschaftlichen Ereignis auf der Byzener Bühne, einem großen Amphitheater, mitten in der Vorstellung durch einen Pfeil in den Hals ermordet wird und von seiner Tribüne auf die Stufen darunter fällt. Die Croen und Iho im Amphitheater beschuldigen sich gegenseitig des Mordes. Fyl, ein Croen-Waisenjunge, zieht der Leiche einen Ring vom Finger und versteckt sich. Sasha Rospel, ein Schmied (und Croen) zeigt anklagend auf Izaelda, eine Todespriesterin (und Iho). Als eine Wache zu ihr stürmt, reicht ihr ein Handgriff, um den Angreifer zu töten. Argo, ein Iho-Sklave und Palmwedler des (Ex-)Königs, setzt sich selbst auf das Purpurkissen und erklärt sich zum König. Doch Fyl, der Waisenjunge mit dem Königsring, macht ihm die Position streitig. Izaelda opfert sich selbst ihrem Gott und beschwört mit der Macht dieses Freitodes einen Schlund unter den Möchtegern-Monarchen herbei, der sie in die Erde zu verschlingen droht. Die beiden rutschen immer tiefer hinab, doch Fyl wird von Argo auf eine Schildkröte gestoßen, die ihn aus dem Abgrund in die Höhe trägt und damit als neuen Herrscher der Croen etabliert. Im Zorn über den Königsmord werden viele Iho im Amphitheater von den Croen umgebracht.
Im Rahmen dieser ersten Geschichte stellten sich mehrere Sachen heraus:
Erstens war es nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten, wer als nächstes an der Reihe ist. Die Spielzüge beinhalten Folgendes: Wer dran ist, fordert jemand anderen auf, seine Figur in bestimmter Weise handeln oder auf ein Ereignis reagieren zu lassen. Indem man Marker bietet, kann man versuchen, dem Zwang zu widerstehen – in jedem Fall aber wird das Ergebnis von der aufgeforderten Person erzählt (und nicht von dem Spieler, der an der Reihe ist). A kann also eine sogenannte „Puppe“ auf C spielen (z.B. verlangen, dass er jemanden angreift oder sich verliebt). C akzeptiert und beschreibt die Aktion. Da es aber der Zug von A war, ist als nächstes B an der Reihe. Der kann ein Ereignis einführen und von einem anderen Mitspieler (z.B. A) eine bestimmte Reaktion verlangen. A bietet dagegen, gewinnt und erzählt eine beliebige andere Reaktion – danach ist C an der Reihe. Der Übersicht halber führten wir kurz vor Ende der Geschichte als visuelle Hilfe eine quiekende Plastikschildkröte ein, die den „aktiven“ Spieler bezeichnete. (Dadurch kam dann auch die rettende Schildkröte ex machina in den Erdenschlund.) Eine denkbare Alternative wäre es, wenn die Person, die am Zug ist, die Karte (Puppe oder Ereignis) sichtbar in der Hand behält, mit der sie jemand anderen zum Erzählen auffordert. Erst, wenn der Mitspieler fertig ist, legt die Person die Karte zurück in die Tischmitte, und der nächste ist am Zug.
Zweitens wäre es hilfreich gewesen, im Vorfeld eine gemeinsame Vorstellung vom Setting zu entwickeln. Wie ein Mitspieler sagte: Im Kopf wechselten sich Bilder aus Bronzezeit und Mittelalter ab. Außerdem war unklar, inwieweit Übernatürliches vorkommen durfte. Ich machte dem Spieler von Izaelda den Vorschlag, eine Wache einfach durch Berühren seiner Stirn zu töten – das gefiel ihm zwar, aber er hatte vorher angenommen, dass es gar nicht möglich sei, so etwas einfach in die Spielwelt „hineinzuerfinden“. Andererseits war ich selbst reichlich verblüfft, als ein anderer Spieler in dem Abgrund, der sich unter Argo und Fyl auftat, plötzlich eine Schildkröte auftauchen ließ. Ich war der Meinung, dass man die Rettung eines der beiden besser ohne dieses „überbordende“ Element hätte erzählen können.
Drittens fanden wir es alle schwierig, einerseits die ausliegenden Themen anzuspielen, andererseits die kulturellen Eigenschaften der Charaktere im Blick zu behalten. Im weiteren Spielverlauf milderte sich das etwas, aber es verlangt meinem Eindruck nach eine Menge Übung, die verschiedenen Anhaltspunkte im Blick zu behalten und auch noch kreativ zu nutzen. Eine Spielerin erklärte auch ganz offen, die Themenkarten erstmal zu ignorieren.
Viertens fiel mir auf, dass die anderen in ihren Aktionen (auch in denen, die sie von uns Mitspielern verlangten) eher vorsichtig waren und lieber nichts Riskantes einbrachten, statt mutig Richtung Drama zu galoppieren. Ich versuchte, sie durch ein paar Vorschläge zu ermuntern – meine Vermutung ist, dass ihr Verhalten mit einem gewissen Sicherheitsbedürfnis zu tun hat, Spielercharaktere lieber nicht in Gefahr zu bringen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich glaube, dass im Verlauf des Abends etwas mehr Gelassenheit in dieser Hinsicht aufkam.
Zweite Geschichte: Der nächste Spieler übernimmt die Rolle des Schreibers der Haut. Er beschließt, nur die Iho zu behandeln (also konnten keine Croen-Charaktere gespielt werden). Seit dem Königsmord sind zwei Jahre vergangen, und die Sklaventürme von Chikugo, die von den Iho geführt werden, sind von einer Croen-Armee belagert. Die Nahrungsvorräte der Iho drohen zu verderben, und am Horizont taucht ein weiteres Croen-Heer auf, dessen Standarte eine Schildkröte zeigt. Unsere Charaktere sind Herhi, der einige Sklaven befehligt, aber selbst auch versklavt ist; Epedus, Vorkoster der Herren von Chikugo; der knallharte General Toh Pi, und die Zauberpriesterin Mia Abi. Die Details der Geschichte habe ich nicht mehr vor Augen, doch ich erinnere mich, dass Toh Pi in Erfahrung gebracht hatte, dass die Croen-Alchemisten eine Säurewaffe entwickelt hatten, und dass er Herhi mit ein paar Sklaven vor die Stadt schickte, um Bäume zu fällen und eine Art brennenden Schutzwall zu errichten. Herhi schichtet jedoch das Holz an der Stadtmauer auf und steckt die Stadt in Brand. Durch die Geschosse der Feinde wurden jedoch die Zisternen zerstört, die oben in den Türmen waren, und ihr Wasser ergoss sich über die Flammen. Damit waren natürlich auch die Trinkwasservorräte hin. Toh Pi verteidigte die Stadt, so gut er konnte (was einige extrem harte Maßnahmen gegen die Sklaven mit sich brachte. Ich weiß nicht mehr, mit welchen Handlungen Epedus und Mia Abi in Erscheinung traten – die Zauberpriesterin war in erster Linie stylish, soweit ich mich erinnere. Und sie überredete Toh Pi am Ende, die Türme im Stich zu lassen und zu fliehen. Die Iho-Bevölkerung ereilte jedoch ein grausames Ende, während viele Sklaven zu den Croen überliefen.
Ich erinnere mich, dass ich in dieser Geschichte die beiden ausliegenden Themen im Kopf behielt. Z.B. brachte ich den Spieler von Toh Pi dazu, sein Leben zu retten (was zur Themenkarte „Shield“ passt).
Ich bemerkte erst jetzt, dass man zu Beginn einer Geschichte Marker bezahlen kann, um eine der ausliegenden Themenkarten auszutauschen (oder auch die eigene Charakterkarte).
Die
dritte Geschichte spielte beim rollenden Markt von Seriphim und behandelte die beiden Völker. Diesmal nutzten wir die Gelegenheit, statt neuer Charakterkarten auch Überlebende der vorigen Geschichten wieder aufzugreifen. Mia Abi, die Zauberpriesterin, und Fyl, der neue Croenkönig (Ex-Waisenjunge) fanden beide neue Spieler. Ergänzt wurden sie durch Hopyn, einen Ziegenhirten, und Pekyr Glotul, einen Schriftrollenverkäufer. Sie litten mit dem Rest der fahrenden Händler des rollenden (Croen-)Marktes unter den nächtlichen Angriffen einiger Iho, die unter der Führung von Mia Abi immer wieder attackierten. König Fyl besuchte den Markt, um die Moral zu stärken und militärisch zu helfen.
Hopyn wurde von Mia Abi überredet, zu den Iho überzulaufen. Pekyr beobachtete das zwar, begriff es aber nicht. Fyl sah wenig später von seiner Sänfte aus Mia Abi und befahl, sie abends in sein Zelt zu bringen. Sie schläferte ihn jedoch ein und informierte ihre kleine Truppe, anzugreifen. Später in der Nacht erwacht Fyl wieder und will immer noch nur das eine. Mia Abi schneidet ihm die Kehle durch. In dem nächtlichen Chaos sterben viele weitere Croen.
Nach den drei Geschichten wird nach einem bestimmten Verfahren bestimmt, welches der beiden Völker den Krieg gewinnt und eine Ära des Wohlstands und der Hochkultur erlebt. Jeder Mitspieler erklärt abschließend anhand der Eigenschaften der Völker ein Detail, dass zum Ausgang des Krieges beitrug, und auf die „Haut“ werden letzte Einzelheiten eingetragen.
Uns hat es Spaß gemacht, und wir haben uns spontan zu einer zweiten Runde verabredet.
Dabei würde ich dann versuchen, die Charaktere in einer Geschichte stärker in einem gemeinsamen Raum zu haben - vor allem in unserer zweiten und dritten Geschichte hätte uns eine größere räumliche Dichte auch geholfen, was die Interaktion und Dramatik angeht. Aber vielleicht überschätze ich das auch.