Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte

[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")

<< < (47/50) > >>

sindar:
Bloß daß du weißt, daß ich immer noch mitlese. :)

Allerdings verliere ich mal wieder etwas den Überblick. Sehe ich das richtig, daß sich der Hauptplot gerade auf diese "Outsider" konzentriert?

Timberwere:

--- Zitat von: sindar am 26.12.2022 | 10:39 ---Bloß daß du weißt, daß ich immer noch mitlese. :)
--- Ende Zitat ---

Das freut mich! :)


--- Zitat ---Allerdings verliere ich mal wieder etwas den Überblick. Sehe ich das richtig, daß sich der Hauptplot gerade auf diese "Outsider" konzentriert?

--- Ende Zitat ---

Ja, das ganz lange Langzeitziel wird es wohl sein, die Outsider loszuwerden. Allerdings haben die Jungs, wie sich in "Cold Days" zeigen wird (ich bin schon am Schreiben, aber bis ich den ersten Eintrag dazu fertig habe, wird es wohl noch ein bisschen dauern) auch gerade mit den Auswirkungen von Jaks Mord an Loki und einem extrem wütenden Odin zu schaffen. (Ragnarök, anyone?) Plus Schwarzvampire. Hach. Spaß.

Timberwere:
Ricardos Tagebuch: Cold Days 1

10. September

Ich habe mit Siren's Call angefangen. Zu meiner Freude stelle ich fest: Es läuft richtig gut!
Ansonsten ist es gerade angenehm ruhig in der Stadt, fast schon verdächtig ruhig. Herrlich viel Zeit, die wir als Familie verbringen können – und damit, Caturra zu erziehen. Die Kleine ist unfassbar niedlich und eine Seele von Hund, aber sie ist ein Bernhardiner. Man kann förmlich dabei zusehen, wie sie wächst.

Aber da ist etwas, das wir bei aller momentanen Ruhe durch unsere Verbindung zu Miami spüren können: Bei Spencer Declans Villa ist wieder mehr Betrieb. So richtig können wir da ja nicht hindenken, aber dass da jetzt mehr Leute ein- und ausgehen, das merken wir trotzdem. Wir haben außerdem gehört, dass Pater Donovan wieder in der Stadt ist. Aktiv in einer Gemeinde arbeitet er wohl noch nicht wieder, aber er ist weiterhin Priester. Die offizielle Lesart ist wohl, dass er eine längere Auszeit in einem Kloster verbracht hat und sich erst wieder akklimatisieren muss.

Mierda. Irgendwie müssen Declan und er aus ihrem Gefängnis rausgekommen sein. Ich hätte nicht gedacht, dass das geht. Aber möglicherweise hatte Fräulein Rottenmeier da ihre Finger im Spiel... Das ist zumindest die einzige Erklärung, die uns einfällt. Wer, wenn nicht die Herrin der verschlungenen Wege, findet sonst einen Ausgang aus eigentlich sicheren Gefängnissen.

Während bei Declans Villa wieder mehr Betrieb ist, halten Jak und Adlene gerade erstaunlich still. Ich will nicht wissen, was die planen – oder wie groß der Klumpen Exkremente sein wird, der den Ventilator trifft, wenn sie wieder auftauchen –, aber es gibt nicht so wirklich etwas, was wir tun können, um in diese Richtung vorauszuplanen. In Sachen Declan und Donovan können wir ja auch nicht wirklich vorausplanen. Nur abwarten und die Augen sehr weit offenhalten.

Cicerón und Febe sind immer noch vor allem damit beschäftigt, sich um Shango zu kümmern und darum, wie man dem Orisha wieder einen eigenen Körper beschaffen kann. Und Cicerón ist auch immer noch nicht wieder völlig auf dem Damm – er hat zwar übernatürliche Heilungskräfte, aber die Verletzungen, die er erlitten hat, heilen auch bei ihm nicht so schnell.

---

28. Oktober

Pan hat neue Einherjer, hat Halfðan erzählt. Selbst begegnet bin ich ihnen noch nicht, weil sie sich bisher noch nicht unter Halfðans Truppe gemischt haben. Halfðan sagte, er habe den Eindruck, dass Pan gar nicht so genau weiß, warum die Neuen jetzt eigentlich bei ihm sind, aber dass Odin sie wohl zur Verstärkujng geschickt habe und dass sie sich bereithalten sollen. Für was genau sie sich bereithalten sollen, konnte Halfðan nicht sagen; momentan haben sie (also die Einherjer aus Heorot genau wie die Neuen) keine direkte Order von Odin erhalten, jemanden anzugreifen. Aber die Neuen halten sich offenbar von den Helheim-Touristen fern – und das sei auch gut so, denn, so warnte mich Halfðan, einige von den Neuen seien Berserker, verfügten also im Kampf über die Wut eines Bären.

Halfðan gab mir auch den Rat, die Neuen möglichst weiter von den Helheim-Touristen getrennt zu halten... und falls es mir möglich wäre, solle ich am besten Hel davon überzeugen, doch eine andere Stadt als Miami für die Ausflüge zu wählen. Es gebe da doch bestimmt auch andere hübsche Orte, die sich als Ausflugsziel lohnen.

Ich sagte, ich würde es versuchen, sobald ich mal wieder mit Haley spreche... wann auch immer das sein wird. Ich könnte mir vorstellen, das wird vielleicht ein bisschen schwierig, aber versuchen will ich es.

---

2. November

Das war doch mal eine angenehme Überraschung. Halloween und der Dia de los Muertos waren erstaunlich ruhig; kein Vergleich mit den letzten Jahren. Die Barriere zwischen den Welten blieb stabil, und wir hatte nur die ganz normalen Toten zu Besuch. Dass es keinen Ärger gab, so wie in den letzten Jahren immer, war eine große Erleichterung. Trotzdem... auch normale Totenbesuche machen Arbeit, und wir waren jetzt fast 24 Stunden lang auf den Beinen. Gute Nacht.

---

3. November

Alex hat uns angerufen. Der hat wohl Neuigkeiten – was für Neuigkeiten genau, wollte er am Telefon nicht sagen. Nachher mehr.

---

Später.

Es war Eleggua. Heute Morgen saß der Orisha an Alex' Bett, als unser Kumpel aufwachte, und hatte eine mit nordischen Runen beschriebene Pergamentrolle in der Hand, über die Alex sich schlau machen sollte. Also ging Alex mit Bjarki reden (der übrigens nach seiner Begegnung mit den Denariern immer noch unter einer Art posttraumatischen Belastungsstörung leidet – in fliegende Wesen verwandeln beispielsweise wäre gerade ein übler Trigger für ihn und keine gute Idee) und erfuhr von dem Isländer, dass der zwar eigentlich recht gut Runen lesen kann, dass der Text auf diesem Pergament aber hochgradig verschlüsselt war. Also nicht verschlüsselt mit Zahlen oder Symbolen oder einem verschobenen Alphabet, aber mit Umschreibungen. Verblümt und in Andeutungen – solche Dinge wie zum Beispiel 'dann wirst du mir wohl noch Erbsen mit Salz zu essen geben' als Umschreibung für 'dann werde ich auf deiner Beerdigung sein' und dergleichen – forderte Odin von Eleggua so ziemlich die ganze Stadt als Tribut für Lokis Tod.

Magische Artefakte, Gold, Frauen, Krieger – eben, wie gesagt, quasi die ganze Stadt, und zwar auch Dinge, die Eleggua gar nicht geben kann, und von denen Odin garantiert auch weiß, dass Eleggua sie gar nicht geben kann. Der hauchdünn verschleierte Vorwand eines Ultimatums, mit anderen Worten. Ein konkreter Termin für die Erfüllung von Odins Forderungen, eine Deadline, steht allerdings nicht darin.
Alex weiß schon, dass, wenn er das an seinen Patron weitergibt, der nicht zustimmen wird – es sei denn, er kann Odin bei der Sache irgendwie verarschen, aber wahrscheinlich sagt er einfach kalt lächelnd nein.

Edward wiederum hat sich in letzter Zeit viel um Cassius gekümmert, damit der nicht auf die schiefe Bahn gerät. Also nicht, dass diese Gefahr so übermäßig groß gewesen wäre, aber passieren kann es immer, siehe Enrique, und Edward wollte einfach Zeit mit seinem Bruder verbringen, für ihn da sein. Außerdem studiert er viel seine Ritualmagie und hat Sophie Beaumont seine Dienste als Berater bei den alten Fällen angeboten, mit denen sie sich beschäftigt.
In dem Zusammenhang lernte Edward auch den neuesten Neuzugang beim SID kennen, einen jungen Mann namens Detective Murgatroyd. Das war auch schräg, erzählte er: Detective Murgatroyd starrte ihn die ganze Zeit lang durchdringend an, aber erst löste das lange gar keinen Soulgaze aus. Dann jedoch schauten sich die beiden doch in die Seele, und Edward sah den Cop, der haargenau so aussah wie in der echten Welt und ganz ruhig dastand, während um ihn herum ein unfassbares Chaos herrschte und zahllose Dinge auf ihn einstürmten. Auch eine Art Feuerwesen war da neben Murgatroyd zu sehen und winkte Edward freundlich zu. Edward allerdings war ziemlich überwältigt von der schieren Masse, die er da sah, bevor er aktiv mit einem kräftigen Stoß weggeschoben und der Soulgaze endete. Draußen sah Detective Murgatroyd betreten zu Boden. „‘Tschuldigung, das war jetzt blöd. Das passiert manchmal.“
Von dem, was er in dem Soulgaze bei Edward gesehen haben mochte, schien er jedenfalls nicht im Geringsten erschrocken oder auch nur überrascht.
Auf die Frage „Ist das normal bei dir?“ bekam Edward ein „Ja“ zur Antwort.
„Kann ich mir nicht als praktisch vorstellen“, kommentierte er.
„Ist es nicht, aber so ist es halt, ich kann es nicht ändern.“
„Einfach den Leuten nicht so viel in die Augen schauen?“
„Ja…“, gab Detective Murgatroyd zu, „normalerweise ist das für mich leichter, ich muss nur ein bisschen aufpassen. Aber gerade war ich nervös, weil ich dich getroffen habe, ich habe viel von dir gehört.“
 „Was hast du denn bei mir gesehen?“
„Die Bestie?“ antwortete Murgatroyd in einem verwunderten Tonfall, frei nach dem Motto, wie Edward nur so dumm fragen könne.
„Und das erschreckt dich nicht?“, schoss Edward zurück, aber der junge Cop schüttelte nur den Kopf. „Nee. Da habe ich schon weit Schlimmeres gesehen.“
Ooookay. Das erklärt vielleicht, warum er so abgebrüht ist, aber nicht, was da die näheren Umstände sind, dass ihm das so häufig – und was das für schreckliche Soulgaze-Partner sind, die er da immer sehen muss.

---

14. November, nachmittags

Eben ist etwas Schräges passiert. Oder besser, etwas ziemlich Beunruhigendes. Gestern abend schrieb ich gerade noch etwas an Siren's Call, da bin ich über meinem Schreibtisch eingenickt. Im Halbschlaf hatte ich erst eine ziemlich coole Idee mit im Zeitraffer aufblühenden und verwelkenden Magnolien, die ich dringend in das Buch einbauen möchte, ich muss nur noch überlegen, wie, dann tauchte plötzlich George neben dem Magnolienbaum auf. „Ich schulde dir zwei Gefallen“, begann er unvermittelt, „und einen davon will ich einlösen, indem ich dir etwas erzähle.“
„Erzähl“, forderte ich ihn auf, also sprach er weiter: „Manche Leute sind empfindlich für die Schwingungen der Zeit und das, was noch kommt. Und viele von diesen Leuten träumen gerade von einem Winter, wie er nicht nach Miami gehört: von Eis und Schnee und von klirrendem Frost.
„Weißt du, wann dieser Winter kommen soll?“, fragte ich besorgt, denn George würde mich nicht belügen, und um sich von einem der beiden Gefallen zu befreien, würde er auch nichts Triviales auswählen. Aber leider konnte er nicht sagen, wie lange es noch bis zu diesem Winter dauern würde, eben nur, dass die Wahrsagebegabten der Stadt häufig davon träumten. Mierda.

Und, doppel-Mierda., als ich gerade mit Caturra draußen war – es ist meine Aufgabe, sie zu trainieren und mit ihr Gassi zu gehen und all diese Dinge, zumindest die meiste Zeit über, wenn ich nicht gerade verhindert bin –, bildeten sich da tatsächlich Atemwolken in der kühlen Morgenluft. Sie waren bald verschwunden, als die Sonne höher stieg, aber dennoch: Dass es kalt genug ist, damit Kondenswolken entstehen können, ist tagsüber – ich habe es gerade eben nachrecherchiert – zuletzt am 19. Februar 1900 passiert, und auch da lag die Temperatur gerade an der Grenze für Kondenswolken, nicht darunter. Morgens hat es so niedrige Temperaturen schon gegeben, aber nur sehr, sehr selten.

Ich habe eben auch schon mit den Jungs telefoniert – das klingt eilig, also wollen wir uns nicht morgen erst, sondern gleich nachher noch treffen. Abendessen und Kriegsrat, die perfekte Kombination oder so. Totilas kann allerdings so kurzfristig nicht, der ist mit White Court-Dingen beschäftigt. Den wollen wir dann morgen briefen.

---

im Auto, in Eile.

Die Jungs haben tatsächlich auch schon bemerkt, dass Kälte in der Luft liegt.

Zwei Fragen. Erstens, wie können wir die Einwohner Miamis vor dem kommenden Winter warnen, und zweitens, wo kommt dieser Winter auf einmal her? Wer schickt ihn? Hat das etwas mit Odins völlig unrealistischen Forderungen an Eleggua zu tun?

„Wisst ihr, was der Unterschied zu sonst ist?“, sinnierte Edward, „Wir werden gewarnt. Normalerweise fällt uns sowas ohne jede Warnung auf die Füße.“
In dem Moment, die Dunkelheit war gerade hereingebrochen, spürten wir, wie am South Beach etwas erwachte. Etwas sehr Altes, Totes, das sehr lange geschlafen hat, aber jetzt aufgewacht ist und Hunger hat.

Natürlich sind wir sofort los, Alex wie immer am Steuer, und ich habe das hier hingekritzelt. Die anderen Guardians wissen auch schon bescheid.

---

Gleich da. Sirenengeheul, Leute in Panik. ¡Dios en el cielo, protégenos!

Timberwere:
15. November

Uns geht es größtenteils gut. Nur Edward ist etwas angeschlagen, aber nichts allzu Schlimmes, zum Glück.

Als wir ausgestiegen waren, mussten wir uns erst ein Stück gegen den Strom der flüchtenden Menschen kämpfen. Von vor uns kamen Schreie, was uns noch schneller werden ließ.

Am Strand stank es für Edwards feine Lykanthropensinne nach Blut und Angst. Die meisten Leute waren bereits weggerannt, aber da lagen zahlreiche Tote und Verletzte: Ein junger Mann, förmlich zerfetzt, mehrere junge Frauen, die leblos auf dem Bauch lagen, eine andere junge Frau, die vor Schmerzen schrie, Verletzungen ganz unterschiedlichen Grades. Und auch etliche Leute, die überhaupt nicht verletzt schienen – körperlich jedenfalls nicht, aber das seelische Trauma, das sie erlitten hatten, war an ihrer Apathie und ihrem leeren Blick deutlich zu erkennen.

Die Präsenz des Wesens entfernte sich sehr schnell von uns, nach Süden, zum Südende von South Beach an der Landseite – es musste wohl fliegen, anders konnten wir uns das nicht erklären.
Wir eilten zum Auto zurück und fuhren dem Etwas hinterher.
Alex schaltete das Radio ein, und auf dem Lokalsender, den er gerne einstellt, lief gerade schon ein Bericht über einen schrecklichen Angriff: offenbar ein Einzeltäter, ein Weißer, und es seien keine Schusswaffen im Spiel, sondern möglicherweise Hiebwaffen? Aber so klar sei das nicht, die ganze Situation noch sehr undurchsichtig, und selbstverständlich werde man die Hörerschaft weiter auf dem Laufenden halten.

An diesem zweiten Punkt, der Gesu Catholic Church, der ältesten Kirche Miamis, hielt das Etwas sich eine Weile auf und bewegte sich dann weiter in Richtung der Keys – und dann verschwand es, als es die Grenze unseres Bewusstseins für Miami erreicht hatte.
Als wir an der Gesu-Kirche ankamen, fanden wir auch hier wieder zahlreiche Tote vor, auch hier wieder vor allem junge Frauen, auch hier wieder mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, und zwar mit voller Absicht so hingelegt, nicht etwa auf den Bauch gefallen, denn die Angriffe waren alle von vorne geschehen.

Entsetzt-aufgeregte Stimmen kamen aus der Kirche, in der etliche Menschen Zuflucht gefunden hatten. Natürlich gingen wir hin, um zu erfahren, was geschehen war, und eine ältere Dame erzählte uns, dass sie gerade von der Andacht gekommen sei und draußen vor der Kirche vier junge Touristinnen gesehen habe, die bester Laune waren und Fotos schossen, und dann sei dieser tot aussehende Mann aufgetaucht, der die Mädchen angegriffen und drei von ihnen aufgeschlitzt und auf den Bauch gedreht habe. Die alte Dame und die vierte Touristin seien in die Kirche geflohen, und dorthin habe der Mann ihnen nicht folgen können, denn seine Füße hätten angefangen zu rauchen. Der Mann habe Spanisch gesprochen, aber ein altertümliches Spanisch, das sie nicht richtig verstehen konnte, irgendwas von ‚Sünde‘ wohl.

Andere Zeugen hatten mehr von dem verstanden, was der tot aussehende Mann von sich gegeben habe: „Die Sünde ist in die Stadt gekommen, die Stadt ist dem Tod geweiht – ich bin ihre letzte Rettung.“
Auch konnten Zeugen beschreiben, was sie zwar gesehen hatten, aber kaum glauben mochten: Der Mann sei aus der Luft gefallen, auf dem Boden aufgekommen und habe unter ständigem Brabbeln eben von ‚Sünde‘ und ‚Rettung‘ seine Angriffe begonnen – so gut wie ausschließlich auf leicht bekleidete junge Leute.

Ein Mann, mit dem Roberto sich unterhielt, hatte eine riesengroße Fledermaus gesehen, die sich aber ungewöhnlich verhielt – er beschäftigte sich offenbar hobbymäßig viel mit Fledermäusen, und diese war nicht nur viel zu groß gewesen, sondern habe auch komische Muster geflogen und sei nicht auf dem Turm gelandet, wie Fledermäuse das üblicherweise täten. Auf dem Turm waren auch tatsächlich keinerlei Spuren von Fledermäusen, geschweige denn von Riesenfledermäusen, zu finden.

Währenddessen rief Edward bei Alison Townsend an, um sie und den SID über die Ereignisse zu informieren. Lt. Townsend war schon im Bilde – die Telefone klingelten unaufhörlich, und sie hatte auch eigentlich keine Zeit, aber direkt, nachdem sie aufgelegt hatte, schickte sie Edward ein Foto von einer Überwachungskamera gegenüber der Kirche. Darauf zu sehen war ein alter, in Fetzen gekleideter und tatsächlich irgendwie verfallen aussehender Mann mit glühenden Augen – ein Black Court Vampir vielleicht?
Sarkos konnte es allerdings nicht sein, der hatte, als wir ihm damals bei der Sache mit den Sturmkindern begegnet waren, nicht tot gewirkt, und außerdem hat Sarkos auch nicht ewig geschlafen.

„Wenn das ein Black Court war“, brummte Edward, „dann hat der sich gerade eben seine ersten Truppen erschaffen.“
Denn Menschen, die am Biss eines Schwarzvampirs sterben, stehen als Vampire wieder auf, wusste Edward – und am South Beach hatten wir ja tatsächlich ein Opfer gesehen, das sich noch bewegt hatte. Noch… oder schon wieder?

Das einzig Gute daran, fiel Edward auch noch ein: Baby-Schwarzvampire können noch nichts, außer unstillbaren Hunger auf Blut haben und Leute zerfetzen wollen. Auch ihren Vampirismus geben sie nicht weiter, wenn sie jemanden beißen – das tun nur die Meistervampire. Die allerdings können zaubern, sich in Tiere und Nebel verwandeln… das volle Dracula-Programm eben, wie Bram Stoker es in seinem Roman beschrieben hat.

Edward hatte gerade noch einmal bei Alison angerufen. Aber weiter als „wir haben ein Vampirproblem“ kam er nicht, da ertönten wie auf das Stichwort Schreie aus der Richtung des Krankenwagens, in dem die drei toten Touristinnen abtransportiert werden sollten. Eine der drei jungen Frauen hatte sich im Arm des Sanitäters verbissen, den dieser offenbar in letzter Sekunde hochgerissen hatte – von ihm kamen die Schreie.

Ich rannte zu dem Krankenwagen und legte meinen patentierten Sonnenlichtzauber über den Kirchenvorhof. Der ist mir inzwischen derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich dafür nicht mal stehenbleiben musste. Und der Zauber hatte den erhofften Effekt: Die drei Neuvampirinnen zischten schmerzerfüllt auf und wollten nichts dringender als raus aus dem Licht. Eine von ihnen – eine Rothaarige – kroch unter den Krankenwagen (eigentlich ja inzwischen eher Leichenwagen, aber ich vermute, wer auch immer 911 angerufen hatte, hatte gedacht, sie wären vielleicht noch zu retten), die zweite sprang durch die offene Tür in das Auto hinein, und die dritte kroch eilig zur Kirche. Dort kam sie aber nicht hinein, also krabbelte sie panisch weg.
Roberto wollte auf sie einschlagen, traf aber nicht, weil sie sich schneller bewegte, als er gedacht hatte, und so griff sie nach ihm, anscheinend, um ihn als Schattenspender zu benutzen, aber diesem Angriff konnte Roberto wiederum ausweichen, und so kroch die Vampirin hektisch weiter, während erste Rauchschwaden von ihr aufstiegen. Und das alles wiederum reichte, damit die ersten Umstehenden in Panik gerieten.

Alex war indessen in der Kirche und baute aus einer Sprühflasche für Pflanzen eine improvisierte Weihwasser-Spritzpistole, während er sich der hektischen Fragen der Menschen erwehrte, die natürlich wissen wollten, was in aller Welt draußen los sei. Alex aber ignorierte die Leute und sprang auf den Fahrersitz des Krankenwagens.

Edward rammte sein Handy in die Hosentasche, rannte zu Roberto und griff dessen Gegnerin an. Die wollte nun Edward als Schattengeber packen, aber auch Edward konnte sich diesem Angriff widersetzen.

Ich wiederum richtete nun einen gezielten Sonnenstrahl auf die rothaarige Vampirin unter dem Krankenwagen, dem sie versuchte auszuweichen, indem sie sich davor wegrollte. Dabei allerdings kam sie unter dem Fahrzeug hervor und genau in das Sonnenlicht hinein, das auf dem Kirchenvorplatz lag, und so nahm sie davon einige unschöne Brandwunden.

Während Roberto seine Gegnerin mit dem Brecheisen, das er seit einer Weile immer zu unseren Einsätzen mitnimmt, von den Füßen fegte, begann die dritte Vampirin, die sich ja innerhalb des Krankenwagens befand, sich zu verwandeln. Aber als gerade neu erschaffene Black Court klappte das nicht auf Anhieb, und so rannte Alex zu dem Fahrzeug und spritzte Weihwasser hinein. Die Vampirin selbst traf er in der Hektik nicht dabei, aber immerhin war das Innere des Gefährts nun von Weihwasser benetzt.

Edward trat derweil auf die am Boden liegende Vampirin, aber er traf sie nicht richtig, und er merkte auch, dass ihr das Wenige, das er ihr mit diesem Tritt beifügte, rein gar nichts ausmachte – offenbar war sie nur von Magie so wirklich verwundbar.

Ich versuchte, einen Sonnenstrahl gleich auf beide Vamprinnen zu richten: diejenige, die eben unter dem Auto herausgekommen war, und diejenige, die sich bei Edward und Roberto befand. Das gelang mir auch, und beide Black Courts begannen nun, lichterloh zu brennen, aber in der Aufregung hatte ich einiges mehr an Sommermagie hochgerufen, als ich das normalerweise tue, und von der Anstrengung geriet ich ins Taumeln. Besser nicht mehr so viel Magie nutzen fürs Erste!

Deswegen wandte ich mich dem Sanitäter zu, der mich panisch ansah, am Arm packte und flehte: „Erschießen Sie mich, ich will kein Zombie werden!“ Aber da musste ich gar nicht lange überlegen, um zu wissen, dass es keine, wirklich keinerlei, Chance gab, dass der Mann zum Vampir werden würde, denn er war ja nicht von einem Meister gebissen worden, sondern von einer frisch erschaffenen Black Court. Es gelang mir auch, ihn dahingehend zu beruhigen, dass alles gut sei und er nicht zu einem Zombie mutieren würde.

Die dritte Neuvampirin befand sich ja noch im Krankenwagen. Roberto verkeilte die Tür schnell mit seinem Brecheisen, um sie am Herauskommen zu hindern. Aber sie hatte inzwischen die Gestalt gewechselt, und so sah der auf dem Fahrersitz befindliche Alex im Rückspiegel eine große Fledermaus, die heftig gegen die Trennscheibe zum Führerhaus donnerte. Der Aufprall war so heftig, dass die Scheibe splitterte und bald brechen würde.

Eilig wickelte Edward das Kreuz an einer Halskette, das er dabei hatte, um seinen Handschuh. Die provisorische heilige Waffe würde nicht lange halten, aber für einen Schlag würde es reichen.
Er rannte zu Alex und rief: „Zur Kirche!“
Dann räumte er mit Stentorstimme und seiner ganzen Autorität als Ex-Cop die Menschenmenge zur Seite, während Alex den Krankenwagen die Kirchentreppe hinauf und in das Gotteshaus lenkte.
Ein letztes Mal pockte die übergroße Fledermaus an die innere Scheibe, dann fuhr Alex über die Schwelle, und die konnte die Vampirin nicht übertreten. Also wurde sie im Wageninneren erst nach hinten und dann mit voller Wucht durch die Tür und ins Freie gerissen, wo sie zu rauchen anfing, weil die Szenerie noch immer von magischem Sonnenlicht erhellt war.

Draußen schmetterte Roberto die Vampirin zu Boden und wollte sie mit seinem Brecheisen niederhalten. Der Hobby-Fledermauskundler, mit dem Roberto sich vorher unterhalten hatte, kam neugierig näher und wollte sich das riesige Exemplar ansehen, aber unser Kumpel trieb ihn mit einem „Weg da, die ist gefährlich!“, in das er all seine Ritter-Autorität legte, zurück.

Derweil wurde Alex in der Kirche von dem völlig überforderten Pfarrer angeschrieen, der offenbar bei all den Toten und all dem Chaos in dem Fahrzeug, das da plötzlich in seiner Kirche stand, das einzige sah, das er einigermaßen kontrollieren konnte: „Sie können doch hier nicht einfach reinfahren!!“
Aber Alex hatte ohnehin das erreicht, das er hatte erreichen wollen, und setzte langsam und vorsichtig wieder zurück.

Edward schlug mit seinem magischen und mit dem Kreuz versehenen Handschuh auf die Fledermaus ein, aber so richtig beeindruckte er die Neu-Vampirin nicht damit. Auch Roberto schlug mit seinem Brecheisen noch einmal zu, doch sein Hieb zeigte noch weniger Wirkung. Ich schnappte mir die Flasche mit dem Weihwasser, die da noch lag, und besprühte die Black Court, die zischte und dem Strahl auswich und dann offenbar so hungrig und verzweifelt war, dass sie auf mich lossprang und die Verbrennungen in Kauf nahm, wenn sie nur fressen konnte. Beinahe hätte sie mich auch übel erwischt, aber in letzter Sekunde machten sich meine vielen Ritter-Übungen mit Elaine doch bemerkbar, und ich konnte gerade noch zur Seite springen.

Edward packte die Vampirin und wollte sie über die Schwelle der Kirche ziehen. Kurz sah es so aus, als würde auch dies nicht klappen, aber dann machte er sich gezielt angreifbar, unwiderstehlich für ihren unstillbaren Neugeschaffenen-Hunger. Edward bekam einen schmerzhaften Biss ab, aber den ignorierte er und rannte mit der Vampirin zum Kircheneingang.
Alex, der das vom Krankenwagen aus sah, griff sich eine Decke und sprang aus dem Auto, um die Fledermaus einfangen zu können, falls sie fliehen sollte.

Tatsächlich wollte die Vampirin an der Kirchenschwelle panisch weg – dort wollte, dort konnte sie nicht hinein –, aber Edward hielt sie mit aller Macht gepackt und schleifte sie gegen ihren heftigen Widerstand auf den heiligen Boden, wo sie zu brennen begann. Damit sie nicht doch noch floh, hielt Edward die Black Court weiter fest, auch wenn er dadurch selbst noch einmal einige Brandwunden abbekam.
Alex tauchte seine Decke in Weihwasser und warf sie über Edward und seine Gegnerin – die Flammen auf Edward wurden davon gelöscht, die Vampirin hingegen begann davon sogar noch stärker zu brennen und zerfiel endlich zu Staub.

Ich hatte währenddessen die umstehenden Menschen einigermaßen beruhigt bekommen, aber jetzt kamen die anderen angerannt. „Wir müssen schnell weiter“, sagte Edward drängend, „Alison braucht unsere Hilfe!“
Vorher aber wollten wir noch mehr Weihwasser holen. Ich fragte den Pater, ob er uns nicht noch mehr Wasser weihen könne, aber das musste er gar nicht – er hatte tatsächlich bereits mehrere Kanister voll vorbereitet und auf Lager, und die durften wir alle haben. Perfekt!

Im Auto koordinierten wir uns mit den anderen Guardians. Die Leichen vom South Beach waren bereits abtransportiert und, weil die Krankenwagen aus ganz unterschiedlichen Krankenhäusern gekommen waren, über die ganze Stadt verteilt. Wir teilten uns also auf, um an den unterschiedlichen Hot Spots, wo wir Panik und Aufregung spüren konnten, für Ordnung zu sorgen.

An dem Krankenhaus, zu dem wir fuhren, war oben im Eingangsbereich von Aufregung oder gar Panik nichts zu spüren. Aber unten an der Notaufnahme, wo die Krankenwagen einfahren, überkam uns ein ungutes Gefühl, auch wenn da der Betrieb noch normal wirkte. Und tatsächlich, in der Leichenhalle des Krankenhauses bot sich uns ein Bild des Grauens. Die Belegschaft dort war von den erwachenden Neuvampiren völlig überrascht worden, und es gab keine Überlebenden.

Die beiden Vampire waren derart ungestüm dabei, ihren ersten Hunger zu stillen, dass sie uns zunächst gar nicht bemerkten. Den Umstand machte ich mir zunutze und belegte Edwards magischen Handschuh mit einem Sonnenlicht-Zauber, bevor er losschlug. Dummerweise bemerkte der Vampir, auf den er losging, den Angriff, konnte ausweichen und Edward ein Stück von sich wegdrücken.

Während Alex hinter uns die Tür verrammelte, um den Bereich abzuschotten und eine eventuelle Flucht der Vampire zu verhindern, sprang Roberto Edward zur Seite. Dessen Vampir wandte sich jetzt Roberto zu, um den zu beißen, aber glücklicherweise gelang ihm das nicht.

Ich hatte indessen aus einem der Kanister Weihwasser in einen Glaskolben gefüllt und schleuderte das improvisierte Wurfgeschoss jetzt auf den Neu-Vampir. Das Weihwasser traf den Black Court voll und brachte ihm schwere Verätzungen bei, was die Kreatur fauchen und zischen und sich in meine Richtung wenden ließ.

Jetzt schlug auch Edward noch einmal zu, und diesmal rammte er den Vampir mit seinem sonnenlichtdurchtränkten Handschuh mit voller Wucht und ungespitzt in den Boden, und mit einem letzten Kreischen zerfiel der Black Court zu Staub.
Inzwischen hatte uns auch die andere Vampirin bemerkt und sprang auf Alex zu, der ihr am nächsten stand. Alex konnte ihr ausweichen, aber sie ließ nicht ab von ihm.
Roberto nahm einen der Weihwasser-Kanister und überschüttete sie damit. Auch diese Neu-Black Court zischte schmerzerfüllt und wollte auf Roberto losgehen, aber etwas an ihm – vermutlich seine Santero-Aura – stieß sie ab, so dass sie nur wütend fauchte und sich stattdessen in meine Richtung wandte.

Ich hatte ja auch noch einen Kanister in der Hand und versuchte ebenfalls, sie damit zu treffen. Das klappte zwar nicht, aber als sie auf mich zusprang und ich ihr auswich, schwappte etwas Weihwasser aus dem Kanister auf sie. Es reichte nicht, um sie ernsthaft zu verletzen, aber es war genug, um sie etwas zurückzutreiben. Damit kam sie in Edwards Richtung, achtete aber überhaupt nicht auf ihn, und Edward nutzte die Chance und verpasste ihr einen Schlag mit dem Sonnen-Handschuh, der auch sie zu Staub zerfallen ließ.

Ein kurzes Durchschnaufen, dann sagte uns unser Bewusstsein für Miami, dass die Panik-Hotspots größtenteils verschwunden waren. Ein wenig Unruhe herrschte noch in einem anderen Krankenhaus und am Strand, aber das hatten die anderen Guardians offenbar gut unter Kontrolle, und bald war nur noch 'normale' Unruhe übrig.
Edward rief bei Lieutenant Townsend an, aber die hatte keine Zeit für ihn: „Ich betreibe Schadensbegrenzung – später.“

Bevor wir das Krankenhaus verließen, schloss Alex die Tür zur Leichenhalle ab und hängte ein 'Caution – Area Closed'-Schild daran, das er in einer Abstellkammer mit Putzutensilien fand.

Normalerweise wäre das jetzt vermutlich eigentlich der Moment gewesen, um ins Bett zu gehen, aber wir waren uns alle einig, dass die Situation zu sehr drängte und es noch Dinge zu tun gab.

Timberwere:
Wir mussten versuchen, herauszufinden, wer dieser Black Court war. Wir mussten mehr über Sarkos herausfinden. Und über die Beziehung zwischen den beiden. Der unbekannte Vampir war in Richtung Everglades aufgebrochen. Wollte er etwa zu Sarkos? Oder hat er einen eigenen Unterschlupf in den Glades? Oder war Sarkos' Unterschlupf vielleicht früher seiner, und Sarkos hatte den Ort übernommen, weil er leer stand? All das konnten wir natürlich nicht mit Sicherheit sagen – aber es ging um die Everglades. Vielleicht wüsste in der Waystation jemand Genaueres über Sarkos oder diesen fremden Black Court?

Jetzt, wo wir etwas Ruhe hatten, überlegten wir, wo genau in unserem Bewusstsein für Miami der Meistervampir aufgetaucht war. Und wo wir so darüber nachdachten, fühlte es sich an wie ein bestimmter Park in Miami Beach.

Während wir zum Muss Park unterwegs waren, klingelte Edwards Telefon. Da längst all unsere Handys mit dem Auto verbunden sind, schaltete Edward auf die Freisprechanlage, so dass wir alle hören konnten, um was es ging. Es war Lieutenant Townsend, und sie hatte keine gute Laune.
Nachdem die Panik-Hotspots aufgetreten waren und wir uns in der Stadt verteilt hatten, war Ximena ja mit Ángel und Bjarki am Strand gewesen, und offenbar war Ximena den Jungvampiren dort ganz unverhohlen mit Feuerbällen zu Leibe gerückt und hatte wohl generell so überhaupt gar nicht mit ihren magischen Fähigkeiten hinter dem Berg gehalten - sie hatte anscheinend derart mit Feuermagie um sich geworfen, dass die Leute die Feuerwehr und die Polizei gerufen hatten, und Lieutenant Townsend beschwerte sich jetzt, dass Ximenas auffälliges Vorgehen ein Problem mit den normalen Cops verursacht hätte.
„Erklär's doch als die Experimente von Chemiestudenten oder als Flammenwerfer“, versuchte Edward seine ehemalige Kollegin zu beruhigen, aber die wiegelte ab. „Geht nicht, die Cops wissen, dass Magie im Spiel war, weil Ximena ihre Visitenkarte verteilt hat! Und da steht drauf, dass sie Magierin sei! Bring sie doch bitte, bitte, bitte dazu, dass sie bitte den Ball flach hält!“
„Roberto ist ihr Cousin“, erwiderte Edward, „vielleicht kann der ihr Vernunft eintrichtern.“
„Besser, es macht jemand auf Augenhöhe, sprich ein Polizist“, antwortete Alison, „oder besser: ein Ex-Polizist. Also du. Und wo wir gerade dabei sind: Gibt es eigentlich noch andere Monster, die demnächst hier auftauchen könnten und auf die wir vorbereitet sein sollten?“
„Drachen hatten wir lange nicht“, sagte Edward in knochentrockenem Tonfall, und Alison schnaubte. „Ich geb's weiter.“
„Können wir uns treffen?“, fragte Edward dann, „Es gibt ein paar Sachen zu bereden.“
Da einigten sie sich aber auf den nächsten Tag – sprich heute –, weil es ja doch schon langsam auf den Morgen zuging und das Treffen jetzt nicht so dringend war.

Die ersten richtig frühen Frühaufsteher waren bereits unterwegs, aber am Muss Park hatten wir noch unsere Ruhe. Ein menschengroßes Loch im Zaun, wie wir das vermutet hatten, war nicht zu sehen, aber in Richtung South Beach war der Zaun an einer Stelle von innen mit großer Gewalt aufgerissen worden. Auf Anhieb konnten wir im Park aber keine Stelle sehen, wo ein Untoter sich aus dem Erdboden gegraben haben könnte oder etwas in der Art. Also war er vielleicht doch aus einem Flugzeug gesprungen oder abgeworfen? Oder vielleicht aus dem Nevernever gekommen?

Aber das konnte Alex verneinen – hier war die Grenze zum Nevernever unbeeinträchtigt und normal (was für Miami eben inzwischen 'normal' ist), und durchgekommen war hier definitiv niemand. Der Vampir musste woanders hergekommen sein.
Alex schaute sich um, ob sich vielleicht ein Geist in der Nähe aufhielt, den er befragen konnte, und tatsächlich: In einem Baum saß – wie immer nur für Alex sichtbar – eine fit wirkende, vielleicht achtzigjährige Dame in Aerobic-Kleidung.
„Alles in Ordnung?“, sprach Alex sie an.
„Nein“, erwiderte sie, „natürlich nicht! Ich bin tot, und die jungen Leute heutzutage machen alle kein Aerobic mehr!“
(Wie immer gebe ich nur wieder, was Alex hinterher erzählte, ich selbst habe den Geist ja nicht gehört.)

Die alte Dame berichtete dann, es seien Leute mit einem Sarg im Park aufgetaucht, hätten den Sarg dann geöffnet und sich sehr schnell davon entfernt. Eine tot aussehende Gestalt sei aus dem Sarg gestiegen – deswegen habe sie sich auch auf den Baum verkrochen, weil diese Gestalt gruselig und beunruhigend wirkte. Die Gestalt sei dann in Richtung South Beach durch den Zaun verschwunden, und daraufhin seien die Leute zurückgekommen und hätten den Sarg wieder mitgenommen.
Was das für Leute gewesen seien, wollte Alex wissen, und bekam zur Antwort, dass sie alle ein wenig heruntergekommen gewirkt hätten, wie Obdachlose, aber der Sarg sei sehr hübsch gewesen. Sie beschrieb den Sarg ebenso wie die Männer ausführlich und erwähnte auch, dass sie einen Geist mit einem gruseligen Halsband dabei gehabt hätten, weswegen sie sich von der Gruppe tunlichst ferngehalten habe. Die Obdachlosen hätten alle etwas – sie fand erst kein rechtes Wort dafür, blieb dann bei 'beschädigt' hängen – sie hätten also alle etwas beschädigt im Hirn gewirkt, seien sich des Geistes, der sie begleitete, aber bewusst gewesen, und einer von ihnen hätte sich sogar mit dem Geist unterhalten. Der Geist habe sie, die alte Dame, auch bemerkt und sie direkt angeschaut, und er habe einen ganz seltsamen Blick gehabt.

Am Ende bot Alex der alten Dame an, sie weiterzuschicken, aber sie lehnte ab, sondern wollte dort in dem Park bleiben, wo sie gestorben war und so viel Freude an der Aerobic gehabt hatte.

Aber das waren interessante und wichtige Informationen, die sie Alex da gegeben hatte. Und das war uns bei der Hochzeit ja auch schon aufgefallen, dass Jaks Anhänger völlig durchgeknallt waren und so wirkten, als hätten sie permanent die Sight offen und könnten sie nicht mehr schließen... es klang fast so, als sei das hier genau dasselbe gewesen.

Bevor wir jedoch weiter darüber nachgrübelten, gingen wir erst einmal auseinander und ins Bett: Es war spät – früh – genug!
Lidia war verständlicherweise etwas besorgt, als ich heimkam – ich hatte ihr zwar eine Nachricht geschrieben, dass sie nicht auf mich warten solle, aber dass es die ganze Nacht dauern würde, das hatte ja vorher niemand wissen können.

Jedenfalls schlief ich erst einmal aus, dann brachte ich Lidia auf Stand, und danach habe ich das hier aufgeschrieben. Aber später wollen wir uns treffen, denn wir wollen ja rausfahren zur Waystation. Immer noch ohne Totilas allerdings, weil der mit seinen White Court-Dingen noch nicht fertig ist. Aber jetzt erst mal was essen und etwas Zeit mit der Familie verbringen. Ich habe so die Befürchtung, dass das in den nächsten Tagen wieder einmal ein bisschen zu kurz kommen könnte...

---

Später.

Bevor wir uns trafen, um zur Waystation zu fahren, telefonierte Alex seine Kontakte ab, um etwas über den auffällig gearbeiteten Sarg herauszufinden. Er landete schließlich bei einem Bestattungsunternehmen, das in langjähriger, ja generationen-übergreifender Tradition auschließlich individuelle Maßanfertigungen herstellt: Gegründet zur selben Zeit wie die Stadt Miami selbst, eine sehr pietätvolle, hochwertige Homepage, die guten Geschmack und deftige Preise nur so atmete. Das Adlene Funeral Home, gegründet von Harrison Adlene, einem der ersten sehr erfolgreichen Schwarzen Geschäftsleute Miamis, jetzt geführt von einer Direktorin namens Kayesha Adlene, direkte Nachfahrin von Harrison. Na sieh einer an. Ob dieses Bestattungsunternehmen in irgendeiner Form mit unserem Spezialfreund Adlene verwandtschaftlich verbunden ist, wissen wir nicht, das tut aber auch im Moment nicht unbedingt etwas zur Sache.

Roberto ging derweil mit Ximena reden. Auf die Vorfälle am Strand angesprochen, verstand seine Cousine, was Roberto sagen wollte, aber sie verstand nicht, warum. Es wäre doch langsam an der Zeit, dass es alle wüssten. Wir lebten immerhin im 21. Jahrhundert, sollten die Leute doch wissen, dass Magie existiert, dann könnten sie sich wenigstens vor Vampiren und anderen Monstern schützen. Und es gehe ihr auf die Nerven, dass irgendwelche Typen mit Abzeichen denken würden, sie wären's. Warum müsse sie ausgerechnet ihre Kräfte verstecken und dürfe nicht zeigen, was sie könne? Sie wolle sich nicht von Typen in Uniform herumschubsen lassen. Das verstehe er, erwiderte Roberto, aber...
„… es muss sich etwas ganz grundlegend ändern“, fiel Ximena ihm ins Wort.
„Da hast du nicht ganz unrecht, aber halt bitte trotzdem den Ball flach“, redete Roberto seiner Cousine gut zu und verabschiedete sich dann.

Als er uns bei unserem Treffen von der Begegnung erzählte, ging in meinem Hinterkopf eine klitzekleine Alarmglocke an. Denn ist da nicht was von wegen Outsider-Korruption, wenn man sich zu viel damit beschäftigt? Und hat Ximena nicht in letzter Zeit ziemlich viel recherchiert? Nicht, dass ich das von ihr glaube oder glauben will, dazu mag ich sie viel zu sehr, aber das kleine Stimmchen war eben da, und so sprach ich die Befürchtung – oder nein, eine Befürchtung ist es nicht, aber ein dünnes, warnende Gefühl – auch an.
„Ja“, sagte Roberto, „wenn diese Kacke hier rum ist.“
„Ja...“, erwiderte ich, „wir sollten nur nicht zu lange warten, damit nicht das am Ende die Kacke ist, die dampft.“
Und so verblieben wir, dass wir uns das bei nächster Gelegenheit einmal anschauen sollten.

Aber erst einmal war die Waystation an der Reihe. Selva Elder war nicht sonderlich begeistert, uns zu sehen, aber Totilas war ja diesmal nicht dabei, das beruhigte sie etwas, und so klang sie zumindest halbwegs diplomatisch, als sie fragte: „Trinken, Essen, Reden?“
„In der Reihenfolge“, antwortete ich.
Also gab es Drinks, Gumbo und Burger, und dann, als wir fertig waren, kam Selva wieder zu uns an den Tisch. „Ihr wolltet reden?“
„Setz dich zu uns, nimm dir auch was“, lud ich sie ein, und sie holte sich den teuersten Cocktail auf der Karte – wir zahlten ja.

Dann erzählte sie, dass sie von Sarkos selbst auch gar nicht so viel weiß, dass er aber für einen Schwarzvampir erstaunlich wenig Tote in den Sümpfen hinterlasse und dass er für einen Schwarzvampir auch erstaunlich wenig tot aussehe. Er sei eigentlich nie sonderlich aktiv gewesen, das scheine er aber wohl ändern zu wollen, weil er in letzter Zeit häufiger in der Waystation aufgetaucht sei und jetzt auch bessere Kleidung trage als früher: immer noch schwarz, aber jetzt hochwertiger und mit Silberschmuck. Thralls oder Kultanhänger habe er keine, was für einen Schwarzvampir wohl einigermaßen ungewöhnlich sei. Aber zu Sarkos sollten wir vielleicht besser Jack befragen, fuhr sie dann fort – und erst, als sie unsere entsetzten Gesichter sah, korrigierte sie sich zu „Byron. Ich meine natürlich Byron! Nicht diesen … anderen!“

Über das traditionsreiche Bestattunsunternehmen Adlene wusste Selva nichts Näheres, nur dass Joseph Adlene entfernt zu dieser Familie gehört habe, und sein Neffe Jonathan (hah!) damit dann auch.

Anschließend fragte Selva uns nach den Fomori – „diese Froschleute“ nannte sie sie – und berichtete, dass diese versuchten, sich in den Everglades breitzumachen. „Und die Glades sind groß und weit – wir können leider nicht alles überwachen.“
Wir erzählten ihr über die Fomori, was wir wussten, zum einen, damit die Elders wissen, worauf sie achten müssen, aber auch, damit der Informationsfluss nicht nur in eine Richtung ging.
Edward warnte unsere Wirtin außerdem vor dem kommenden Winter, der verlässlichen Quelle, aus der wir das hätten, und dass es nach Winter rieche und sich nach Winter anfühle, woraufhin Selva meinte, das erkläre so einiges, nämlich dass der Teil der Elder-Verwandtschaft, der sein Leben lieber in Krokodilsgestalt verbringe, in letzter Zeit so träge geworden sei – ganz so, als sei es kalt, und dabei sei es das doch gar nicht.

Und natürlich wollte am Ende einer von Selvas zweibeinigen Verwandten Ärger, obwohl wir eigentlich explizit keinen Ärger wollten und ziemlich lange zu deeskalieren versuchten, sogar Edward. Aber am Ende gab es natürlich doch eine Prügelei – irgendwann kam Edwards Temperament einfach doch durch –, und natürlich flogen wir am Ende hochkant raus. Wie ich das hasse, wenn das Narrativ Einfluss auf die Realität bekommt und sich dadurch nur immer weiter verfestigt!

Zurück in Miami trennten wir uns – Edward hat ja sein Treffen mit dem SID, bei dem er seinen Ex-Kollegen einen Kanister Weihwasser vorbeibringen und eine Einweisung in Schwarzvampire für Dummies geben will, und ich habe da ein paar blaue Flecken und eine blutige Nase, die ich Lidia erklären und vor dem Essen  noch soweit verpflastern muss, dass es den hijas nicht auffällt.

----

Gerade hat Halfðan angerufen. Tanit sei im Palast, sagte er, und es klinge nicht gut. ¡Mierda!

---

¡Ay, mierda! ¡Mierda y cólera!
Römer und Patrioten, ich fürchte, das könnte ein ziemlicher Fehler gewesen sein, den ich da vorhin begangen habe. Es wird sich zeigen müssen, was sich daraus jetzt ergibt...
Aber der Reihe nach.

Als ich im Palast ankam, war die Stimmung angespannt, und aus Pans Gemächern war ein lauter, ein richtig lauter, Streit zu hören.
Ich blieb vor der Tür stehen und wollte eigentlich warten, bis sich die Lage wieder etwas beruhigt hatte, aber statt leiser wurde der Streit nur immer und immer heftiger, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt und vorsichtig das Gemach betrat, weil ich dachte, vielleicht könnte ich eingreifen und deeskalieren helfen.

Kaum war ich im Raum, fuhr Pan zu mir herum und donnerte in einer Stimme, wie ich sie noch nie von ihm gehört hatte: „WAS???“
„Ach, dann bin ich ja offenbar nicht wichtig genug“, schnaubte Tanit spitz und rauschte beleidigt ab, bevor ich auch nur ein Wort herausbringen konnte, um sie vielleicht aufzuhalten.

Auch als Tanit fort war, verbesserte Pans Stimmung sich kein Stück, und mir war klar, dass er sich in dieser bockigen Laune garantiert nicht umstimmen lassen würde, was seinen Handel mit Odin betraf. Er schimpfte über Tanit und die Frauen ganz allgemein, und es klang deutlich durch, dass er diesen Handel mit Odin unter anderem, oder vielleicht sogar vor allem, eingegangen war, eben weil Tanit dagegen war.
„Sie wird mich nicht umstimmen, und du, lieber Ricardo, erst recht nicht.“

Also hielt ich den Ball ganz flach und versuchte in dem Moment tatsächlich nicht, Pan zu überreden, den Handel aufzugeben, sondern lediglich zu verstehen, was denn eigentlich genau Sache war.

Pan erklärte mir, Odin habe ihm die neuen Einherjer angeboten, weil wegen der Bedrohung durch die Fomori ja mehr Schutz benötigt werde, und da das ein vernünftiger Vorschlag gewesen sei, habe Pan gleich zugestimmt.
Okay, sagte ich so neutral, wie ich nur konnte, aber es wäre gut, wenn die neuen Einherjer sich von Haleys Helheim-Touristen fernhalten könnten und umgekehrt, und darauf konnten wir uns einigen. Die Helheim-Touristen werden nicht an den Strand gehen und die Einherjer nicht in die Einkaufszentren und zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, wenn Haleys Touristen gerade dort unterwegs sind.

Anschließend machte ich noch meine übliche Runde im Palast, besuchte Sindri und Edwina Ricarda und redete mit Sir Anders, bevor ich mich verabschiedete und dann auf dem Heimweg ins Grübeln kam. Ich glaube, dass ich Pan und Tanit unterbrochen habe, war überhaupt nicht gut. Vielleicht hätte sie ihn ja doch noch überzeugt bekommen – sie ist zwar Winter, aber sie ist Pans Geliebte und ihm ebenbürtig, während ich kleiner Mensch bei meinem Herzog in keinster Weise etwas reißen kann.

Aber geschehen ist geschehen, und jetzt muss ich sehen, wie ich mit der Situation umgehe. Und vor allem erst einmal den anderen davon berichten.

---

Wir waren uns einig, dass wir mit Tanit reden müssten. Aber als Vorbereitung auf das Gespräch mit Tanit suchten wir vorher noch Hurricane auf. Von Edward, der bei Hurricane meistens das Wort führt, auf den kommenden Winter angesprochen, sagte dieser rundheraus, dass Tanits Hof nicht dafür verantwortlich sei. Er könne nicht sagen, was genau der Auslöser sei, aber es fühle sich gut an.
Nein. Tut es nicht. Okay. für eine Winterfee vielleicht. Aber trotzdem. Grrrr.
„Das kann Probleme geben“, entgegnete Edward jedenfalls.
Hurricane grinste. „Manchen schon“, mümmelte er mit einem vielsagenden Grinsen in meine Richtung, und ich musste an mich halten, damit mir keine scharfe Bemerkung herausrutschte, und Edward weiterreden konnte.
„Euch auch, oder?“, fragte der auch schon. „Ich meine, wenn hier jemand an Tanit vorbei den Winter in die Stadt bringt?“
Aber Hurricane zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Nö. Das ist kein Feenwinter, also auch kein Problem. Dann kommt der Winter eben, und wir können ihn genießen, das ist keine Konkurrenz für uns.“
„Wenn es kein Feenwinter ist, was für ein Winter ist es dann?“
„Wie gesagt, ich weiß es nicht genau. Könnte vielleicht was Nordisches sein.“

Das war der Moment, wo etwas in meinem Kopf 'klick' machte.
Nordisch? Der Fimbulwinter? Ragnarök? Weltuntergang? Nicht gegen die Frostriesen, sondern gegen die Orishas? Oder, weil Jak ja Loki getötet hat und jetzt Loki in sich trägt, vielleicht Jak-Loki für die Frostriesen gegen die Asen? Ganz egal wie: Oh, puñeta. Heilige Mutter, steh uns bei.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln