Nachdem ich es ziemlich durch habe, mal so ein paar unsortierte Gedanken:
Irgendwie war ich bei der ersten Ankündigung auf die Wahnidee gekommen, es handele sich um ein komplett auf 2050 gebürstetes 4er GRW - das wäre natürlich
noch cooler gewesen.
So ist es "nur" ein Quellenbuch, das sich an einigen Stellen Hinweise nicht verkneifen kann, dass es für SR schon eine eingetretene Zukunft gibt und wie
altmodisch manche Sachen ja eigentlich sind.
Das finde ich teilweise ganz witzig, woanders stört es mich eher - das ist wohl Geschmackssache.
Regelseitig werden ein paar Verschlankungen und Vereinheitlichungen wieder rückgängig gemacht, z.B. in der Handhabung von Geistern durch Schamanen und Magier.
Und "grounding" ist natürlich wieder da, also das Zaubern von physischen Sprüchen aus der Astralebene in die physische Welt durch dual aktive Wesen oder Foki.
Kann man mögen oder nicht, so war das halt früher
Die ingame-Erklärung gibt mir aber schon mal nichts, auf die hätte ich verzichten können.
Ausrüstungsmäßig entsteht 2050 natürlich nur dadurch, dass man vom Stand 2070 jede Menge weg lässt, da gibts keine großen Überraschungen.
Manche Sachen sind immer noch genau so falsch, wie sie schon immer waren (z.B. Offensiv- und Defensivgranaten), aber warum sollte man das auch ausgerechnet auf so einem Nebenschauplatz wie einem alleinstehenden Retro-Quellenbuch ändern?
Hat ja wie so ein paar andere Sachen quasi schon Tradition...
Jetzt ist aber eindeutig genug gelästert, eigentlich gefällt es mir doch
Der Hauptteil des Buches besteht nämlich aus Setting und Fluff, und da muss ich sagen, dass das als offensichtliche Nostalgieveranstaltung verdammt gut funktioniert.
Das fängt mit den ganzen alten Bekannten an, die den Shadowtalk verfassen; die alten "major players" der Konzerne sind da, wo sie hin gehören, und es gibt ein Glossar mit SR-Slang, der in der vierten Edition leider weggefallen ist - da fühlt man sich als alter Sack direkt wieder zu Hause
Die Verwendung einiger alter Bilder tut ihr Übriges.
Fluff und Settingbeschreibungen treffen für mich genau den richtigen Ton - vieles geht wesentlich mehr in die Richtung, wie ich mir SR vorstelle, als es sich sowohl in den "echten" alten Büchern als auch in den neuen der vierten Edition findet.
So wird z.B. durch einige kleine Beispiele hervorragend verdeutlicht, was Exterritorialität in der Praxis für Runner bedeuten kann.
Das Highlight in Sachen Fluff und Settinggefühl ist für mich das Kapitel "Hiring Board".
Hier musste ich beim Lesen direkt an einige Diskussionen hier im Forum zurückdenken, wie (un)plausibel Shadowrunner sind, wie die Schattenszene aussehen müsste/sollte/würde etc. pp..
Das hier von SR 2050 gezeichnete Bild trifft ziemlich genau meine Ansichten und wirkt sehr nachvollziehbar.
Fazit:
Gebraucht hat man gerade als alter Hase so ein Quellenbuch natürlich nicht.
Gewollt hat man es nach der Ankündigung freilich trotzdem und man bekommt genau das, was man als SL mit Retro-Absichten für die vierte Edition benötigt:
Ein auf das Wesentliche zusammengefasstes und sehr gut dargestelltes Setting ohne erstickende/ausufernde Inhalte, aber mit vielen Ansätzen und Ideen, ein paar kleine Regelverschmelzungen mit alten Editionen und ein Ausrüstungskapitel, bei dem man sich nicht ständig irgendwas wegdenken muss.
Noch mal Fazit konkret für mich:
Ich habe ja seit dem Wechsel auf die vierte Edition nicht viel an SR-Kram gekauft; das GRW sowie die Magie- und Cyberware-Quellenbücher.
Nachdem SR für uns seit Jahren hauptsächlich Nostalgiecharakter hat und deswegen - von Spielerseite gewünscht - mit "originalen" (lies: proprietären) Regeln gespielt werden soll, ist SR 2050 wohl das letzte Quellenbuch, das ich mir für SR gekauft habe.
Nicht, weil es schlecht ist, im Gegenteil: weil es genau das ist, was ich für
mein SR will.